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Vor der Schlacht
Vor der Schlacht ist nicht nach der Schlacht
Tock-Tock-Tock-Tock-Tock
Ein langer Dolch schnellte zwischen langgliedrigen, bleichen Fingern in einem Stakatto hernieder und traf auf Stein.
Tock-Tock-Tock-Tock-Tock
„Bist du nervös, Mensch?“, zischte jemand. Seine Gestalt wurde beinahe von der Dunkelheit verschluckt. Die Umrisse waren etwas größer als die eines Menschen. Er maß über zwei Meter. Alleinig zwei gelbglühende Augen hoben ihn von den Felsen ab, auf denen beide saßen.
Ein heißeres Lachen ertönte. „Nein. Ich muss mir diese verdammte Kälte aus meinen Gliedern treiben“, entgegnete der andere. Er war ein mittelmäßiger Mensch. Blaß und dürr. Doch auf den zweiten Blick so sehnig wie eine Wildkatze und mindestens tausendmal so gefährlich. Langes, dunkles Haar fiel ihm fettig in die Stirn. Seine Augen waren wäßrig blau.
„Das ist gut. Vor dem morgigen Tag muss du keine Angst haben. Die Schlacht wird ein Festschmaus! Sie haben gegen unsere Legionen nicht die geringste Chance.“
Mit seinem rechten Arm, bzw. etwas, das dem ähnelte, zeigte er in die Ferne auf gewaltige, weiße Festungsanlagen, die sich selbst noch in der Dämmerung majestätisch vom Hintergrund abhoben. Mit der Linken hob er einen Stein auf. Ein knirschendes Geräusch ertönte und Sand und Staub rieselte aus seiner Pranke.
„So werden wir den Zugang zu ihrem letzten Zufluchtsort mit unserer Übermacht zermalmen.“
Der Mensch lachte leise auf. „Es wird, mhh, interessant werden. Und erst recht nach der Schlacht.“
Ein klickerndes Geräusch ertönte aus dem Maul des größeren Wesens. „Ich werde ihre Herzen verspeisen. Das wird köstlich. Vor allem, wenn sie noch am Leben sind. Man packt sie, nimmt seine Rechte, stößt zu und reißt es heraus.“ Er nahm seine Rechte, öffnete sie, so dass lange, messerscharfe Krallen zum Vorschein kamen und stieß damit zu, als ob sein Gegner vor im liegen würde.
„Hast du das schon mal versucht, Mensch?“
Über das Gesicht seines bleichen Begleiters huschte ein häßliches Lächeln, welches für einen Moment verfaulte, angespitzte Zähne entblößte.
„Das ist nichts für mich. Aber..., aber ich..., ich steh da mehr auf ihre Frauen.“
Er blicke in den sternenklaren Himmel und verstummte für einen Moment. Dann fuhr er leise, fast zärtlich, fort: „Sie kann nicht mehr weg. Sie ist ganz allein. Ihre Augen irren umher. Sie schwitzt vor Angst. Du kommst immer näher und näher. Und dann plötzlich, packst du sie. Sie wird schreien, oh ja, das wird sie. Ganz langsam ziehst du ihr die Kleider vom Leib. Sie wird zittern und wimmern. Und dann... und dann...“, seine Stimme fing an zu beben, „und danach nimmst du deinen Dolch und schneidest ihr die Kehle durch. Dabei schaust du ihr tief in die Augen und siehst wie langsam das Leben aus ihnen erlöscht. Und dann badest du in ihrem Blut.“
Das dunkle Wesen lachte glucksend auf: „Du magst aussehen wie ein Mensch, aber du bist noch viel schlimmer als jeder von uns und dafür mag ich dich!“
Der Mensch wischte sich seine fettigen Haare aus seiner Stirn, die mittlerweile vor Erregung verschwitzt war. „Nicht wie man aussieht zählt, sondern wie man hier drinnen ist!“, sagte er und zeigte mit seinem Mittelfinger auf seinen Kopf.
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„Hast du dir je mal überlegt, ob es richtig ist, was wir machen?“, fragte eine Frauen. Sie saß auf einem fellbehangenen Stuhl und hatte ihre Füße in Richtung Feuer auf einen Hocker hochgelegt. Ihr gewelltes Haar war feuerrot. Eine lange Narbe zog sich einmal quer über ihr Gesicht, das ansonsten sehr attraktiv gewesen wäre. Ihre bernsteinfarbenen Augen glühten warm. In der Rechten hielt sie einen Becher mit dampfenden Wein.
„Fühlst du dich besser, wenn ich ja sage?“, erwiderte ein am Feuer kniender Hüne. Ein schwarzer Schopf umrahmte ein kantiges Gesicht. Kohlrabenschwarze Augen fixierten die Kriegerin.
„Nein.“
„Warum fragst du dann?“
„Ach, ich weiß auch nicht.“ Sie nippte gedankenverloren an ihrem Becher.
„Aber können wir das, was wir tun, überhaupt noch verantworten?“
Der Hüne stocherte mit einem Stock im Feuer herum und schüttelte den Kopf. „Warum so idealistisch vor der letzten Schlacht? Morgen werden die Eiswindvölker Geschichte sein und wir werden Geschichte geschrieben haben.“
„Ja, aber was für eine Geschichte? Dunkel und blutig.“
Der Hüne grollte leise. „Ach komm, in diesem Krieg haben sich beide Seiten nichts geschenkt. Im Prinzip waren die Eiswindvölker von Anfang an genauso bescheuert und grausam wie die Legionen des Zwielichts. Hätte Aurelius der Weiße nicht im Wahn gedacht, sein Gott hätte ihm befohlen die Legionen mit Feuer und Schwert von dieser Erde zu verbannen, wäre es nie zu diesem Krieg gekommen.“
„Das macht es aber nicht richtiger“, entgegnete sie verbissen.
„Warum kämpfst du dann überhaupt, wenn du soviel zu meckern hast?“
„Weil es mir und meinen Kriegern die Bäuche füllt und uns Gold in die Taschen bringt, so wie den deinen“, lachte sie heißer auf.
Er sah sie wie ein kleines Kind an und schüttelte den Kopf. „Meine Männer und ich kämpfen für Ruhm und Ehre. Wir kämpfen hier weil man sich noch in tausenden von Jahren unserer Namen erinnern wird. Wir werden unsterblich!“
Die Kriegerin hob eine Augenbraue. „Nenn mich idealistisch, aber du bist verblendet. Was kannst du dir von Ruhm und Ehre kaufen? Es gibt keine Unsterblichkeit, alles wird einmal ins Nichts vergehen.“ Sie schnaubte auf. „Und überhaupt, wir sind Söldner. Unserer Namen erinnert sich niemand.“
Ein wütendes Funkeln trat in die Augen des Soldatenführers. „Was soll das? Wir wissen beide, dass es eine Reihe von Gründen dafür gibt, dass wir machen was wir machen. Wir lieben den Kampf, wir brauchen das Gold und wollen den unsterblichen Ruhm.“
„So war das nicht gemeint“, sie zog eine Grimasse.
„Aber was wäre, wenn wir morgen nicht in den Kampf ziehen würden? Unsere Soldaten hassen die Legionen ebenso wie jeder andere. Sie würden es verstehen.“
„Sie würden uns nach der Schlacht alle hinrichten“, brummte er, setzte sich auf den Boden vor sie und lehnte sich an ihrem Stuhl an.
„Und was, wenn sie nicht mehr die Stärke dazu besitzen? Sie haben mit eigenen Augen gesehen, was deine Flugphalanxen anrichten können und auch mit meinen Magierinnen werden sie zu kämpfen haben. Würden sie das Risiko eingehen?“
„Was wenn nicht, was wenn doch...“, murmelte er und legte seinen Kopf in ihren Schoß.
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Langsam bewegte sie sich auf ihm auf und abwärts. Ihr Hände krallten sich in die schwarze Haut seiner stählernen Arme. Mit großen braunen Augen sah sie ihn an. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ein leises Stöhnen entfloh.
Zerbrechlich und zart sah sie auf ihm aus. So unschuldig mit ihrer weißen Haut und den roten Lippen. Vorsichtig packte er ihren kleinen runden Po mit Pranken, die so riesig waren, dass er mit beiden zusammen ihre Taille umschließen konnte. Seine Augen leuchteten rot, fiebrig auf. Etwas, das beinahe ein Lächeln hätte sein können, verzerrte seinen Mund und entblößte messerscharfe Zähne, eine gespaltene Zunge leckte über sie. Ansonsten blieben seine Gesichtszüge starr, als wären sie aus Stein gemeißelt. Dunkel wie die Nacht und wunderschön in ihrer eisigen Kälte.
Plötzlich spannten sich die Muskeln seiner Arme an und er drückte ihren Unterleib an sich heran. Ein tiefen Stöhnen ertönte aus seinem Mund. Sie schrie auf. Ihre Zähne gruben sich in seine Schultern und verschluckten den Laut. Ihr Körper versuchte sich seinem Griff zu entwinden, aber sein stählerner Griff kontrollierte sie wie eine Marionette. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper. Er erhöhte die Geschwindigkeit. Ihre Zähne lösten sich aus seinem Fleisch. Dunkle Flüssigkeit floss heraus und rann ebenso an ihren Mundwinkeln herunter. Laut schrie sie auf. Bis sie schließlich vollständig verkrampfte. Erschöpft ließ sie sich auf ihn fallen. Sanft strich er mit einer Hand über ihren kleinen Körper.
„Morgen werden wir endgültig vereint sein“, tönte eine dumpfe, dunkle Stimme aus seinem Mund.
„Ja“, sagte sie und schnurrte wie eine Katze.
„Durch die Seelen ihrer Fürsten und Krieger werden wir unbezwingbar.“
„Götter“, flüsterte sie.
„Nein, ein Gott“, erwiderte er und küßte sie auf die Stirn. „Und keiner kann uns mehr aufhalten“, murmelte er. „Die Söldner werde ich ebenso wie D’akzar uns opfern müssen.“
„Warum D’akzar und nicht Tryl und Maltus?“
Einen Moment verstummte der dunkle Prinz der Legionen. „Sie werden es verstehen. Sie werden mir weiterhin treu dienen. Aber D’akzar ist gottlos. Sie hingegen sind so alt. Älter als ich und wissen, was es bedeutet, in einer gottlosen Welt zu leben, oder nicht, meine Hohenpriesterin?“
Sie schnurrte wieder leise auf. „In der Tat. Wenn der Zauber gelingt, werden wir dieses Vakuum füllen und dann müssen unsere Legionen nicht mehr nur hole Götzen anbeten. Sie werden uns haben. Sie werden in unserem Namen ihr Blut vergießen, Länder erobern, Nachkommen zeugen...“
„...unsere Feinde ermorden, vergewaltigen, verbrennen...“, führte er fort.
Sie lachte leise auf und fing wieder an ihre Hüfte auf ihm kreisen zu lassen. Er richtete sich mit ihr grunzend zu seiner vollen Größe auf, als wäre sie eine Feder, und presste sie gegen einen Pfeiler in der Mitte des Zeltes.
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„Das ist echt gutes Zeug, Tryl“, sagte ein alter Mann mit silbernen Haar. Sein Gesicht war beinahe faltenlos und doch konnte man ihm sein hohes Alter ansehen – nicht im Sinne von Schwäche, sondern von Autorität. Er reichte den Schlauch der Pfeife an ein kleines, glatzköpfiges Männchen weiter.
„Ich dachte, für den letzten Abend nur das beste Zeug. Es muss sowieso raus. Morgen können wir Neues herstellen. Seelen heiliger Priester gibt es dann wieder genug. Ein, zwei werde ich morgen schon auftreiben können.“
„Das wirst du, Kamerad“, lachte der alte Mann. „Aber der Geschmack der hier ist einzigartig und ihr Glück so..., so eindrücklich.“
Tryl wollte gerade ansetzten, etwas zu erwidern, als die Zeltplane vor ihnen zurückgeschlagen wurde und eine Gestalt in einem langen Umhang hereinschlüpfte.
„Wer ist es, der uns so unangemeldet stört?“, fragte der alte Mann lauernd.
„... und so dreist“, fügte das kleine Männchen hinzu.
Die Gestalt schlug die Kapuze zurück. Die goldenen Haare einer Frau ergossen sich über den Umhang.
„Eine Priesterin der Göttin“, bemerkte alte Mann beinahe milde.
Die Frau antwortete nicht, sondern nährte sich allein katzenhaft.
„Was führt dich hierher?“, fragte dieses Mal das kleine Männchen mit schneidender, eiskalter Stimme. Feuer blitze in seinen Augen auf.
„Ich bin deine Herrin, Tryl und keine Priesterin. Erkennst du mich nicht, wenn ich vor dir stehe?“, zischte eine sonderbare Stimme, die aus den Unendlichkeiten des Seins zu kommen schien.
Einen Moment lang herrschte komplette Stille in dem Zelt. Der alte Mann zog an der Pfeife und stieß den graublauen Dunst aus.
„Nein, ich nicht.“
„Willst du mich auf die Probe stellen?“
„Ja.“
Die beiden sahen die angebliche Göttin unbeeindruckt an.
„Wie du willst. Außer euch beiden, bin ich wohl der einzige, der wirklich weiß, was mit Arkam dem Blutigen passiert ist, beziehungsweise, was ihr mit ihm gemacht habt. Gebe euch ein Stichwort: Teufelsgraben.“
Tryl winkte gelangweilt ab. „Ich traue auch D’akzar zur, dass er dahinter kommt. Dazu müßt ihr keine Göttin sein, sondern nur sein Werkzeug.“
„Soll ich eurem besten Freund auch einmal über Walkar-Lar erzählen?“
Da wurde Tryl bleich.
„Walkar-Lar?“, horchte Maltus auf.
„Oder wie sieht es mit dem Verbleib der Nachrichten von Gisill aus, Maltus?“
Auch er wurde bleich.
„Glaubt ihr mir nun?“, fragte die Göttin kalt.
„Seid wann können Götter Gestalt in dieser Welt annehmen?“, stocherte Tryl trotzdem weiter.
Ein leises Zischen ertönte aus ihrem Mund. „Gar nicht, aber ich habe die Macht, meine Priesterinnen zu beherrschen.“
Tryl wollte zu einer Erwiderung ansetzten, aber der alt Mann war schneller.
„Was führt Euch nun in unser bescheidenes Zelt?“
Ein eiskaltes Lächeln huschte über das Gesicht der Herrin. „Ihr steht schon lange in meiner Schuld. Ihr seid meine treusten Diener. Heute ist der Tag, an dem ich meine Schulden zurückzahlen möchte.“
„Wie wollt ihr uns belohnen?“
„Mit einer Information, die euer beider Leben retten wird.“
Tryl hob eine Augenbraue.
„Wie überaus gütig von Euch. Haben wir die Eiswindvölker unterschätzt?“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, jemanden aus euren Reihen. Er wird euch morgen verraten!“
„Wer!“
Der alte Mann sprach das eine Wort ruhig aus, aber doch lag soviel unbändige Gewalt darin, dass ein normaler Mensch in Ohnmacht gefallen wäre.
Die Frau jedoch blieb unbeeindruckt.
„Gilian.“
Der kleine Mann lachte auf wie ein rostiges Scharnier.
„Gilian?“
„Warum sollte der Prinz uns verraten? Er wäre der allerletzte, der sich mit den Eiswindvölkern zusammenschließen würde. Er ist unser Herz und unsere Faust“, erwiderte Maltus lauernd. Man konnte regelrecht spüren wie sich hinter seinen Augen dunkle Macht zusammenbraute. In dem Raum wurde es merklich kälter.
Doch die Herrin lächelte nur abfällig.
„Oh ja, er wird sie vernichten. Aber euch mit. Ihn und seine kleine Priesterin dürstet es nach weiterer Macht. Sie wollen durch einen Zauber die Seelen der Eiswindvölker an sich binden. Aber in ihrer Gier reicht ihnen das nicht. Sie schicken euch und die Söldner mit den in den Tod.“
„Wie können wir ihn aufhalten?“, fragte der alte Mann. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.
„Seine Priesterin wird einen Zauber sprechen.“
„Sie also müssen wir davor umbringen,“ zischte der kleine Mann.
„Nein“, erklärte die Herrin und in ihren Augen blitze es mordlustig auf.
„Ihr müßt IHN töten. Sie wird allein nicht einmal Seelen der Eiswindprinzen halten können und jämmerlich zugrunde gehen.“
Verachtung klang in ihrer Stimme mit.
„Es wird nicht einfach, ihn zu töten“, brummte der alte Mann.
„Ich weiß, aber ich werde euch dafür mit ungeheuerlicher Macht beschenken. Ihr werdet die neuen Herren der Legionen.“
„Woher wissen wir, dass ihr nicht lügt?“
„Weil ich ein Gott bin, Tryl!“
Maltus und Tryl sahen sich einen Augenblick. Dann nickte der alte Mann. „Danke Herrin für diese Information. Wir werden sie zu nutzen wissen.“
Die Göttin nickte, schlug die Kapuze wieder ins Gesicht und verschwand wortlos.
Für einen Moment Herrschte Stille in dem Zelt. Der alte Mann zog an der Pfeife.
„Die Götter sind auch nicht mehr, was sie einmal waren“, murmelte der dann.
Der kleine Mann fuhr sich über seine Glatze. „Wie meinst du das, Maltus?“
„Du bist doch noch älter als ich, oder?“
„Ja.“
„Wann hast du das letzte Mal einen Gott gesehen?“
„Als ich das letzte Mal zuviel von diesem Seelenstaub probiert habe,“ gackerte Tryl.
„Also noch nie?“, fuhr der alte Mann fort.
„Richtig. Hätte mich auch nicht gewundert, wenn es nie nicht gegeben hätte.“
„Hmm...“
Das kleine Männchen kniff die Augen zusammen und gluckste. „Du baust dir grad eine Theorie in deinem Kopf zusammen, stimmt’s? Keine verdammte Göttin kommt aus ihrem Reich heruntergestiegen um zwei ihrer ach so allerbesten Diener zu belohnen.“
„Sie hatte Angst“, bemerkte der alte Mann.
Tryl nickte. „Das hatte sie. Meine Theorie: Sie hat uns nur die halbe Wahrheit gesagt. Wir sollen die Priesterin ihren Zauber ausführen lassen, weil sie die Seelen nämlich dann IHR opfern würde. Das hat sie nämlich ausgelassen. Und was auch immer das für ein Zauber ist, er wird selbst dieser Göttin Macht bringen.“
„Sie hatte Angst“, bemerkte der alte Mann noch einmal.
„Ja, verdammt noch mal, das hast du schon mal gesagt“, entfuhr es Tryl.
„Was ich glaube,“ erwiderte Maltus ruhig. „Gilian hat etwas ganz anderes vor. Hast du schon einmal von Ghzti-Ztral gehört?“
Tryl schüttelte den Kopf.
„Das ist ein uralter Zauber. Kein Wesen konnte ihn bisher durchführen.“
„Also nur Theorie?“
„Nur Theorie“ echote der alte Mann. „Aber vielleicht mächtig genug, dass die Herrin Angst bekommt.
„Was bewirkt dieser Zauber nun?“
„Er erschafft einen Gott.“
Einen Moment schwiegen beide.
„Gilian will also ein Gott werden.“
Das kleine Männchen lachte trocken auf. „Da würde ich an ihrer Stelle auch Angst haben. Ihre Tage wären gezählt.“
Maltus nickte. „Aber unsere sind jetzt gezählt. Wir werden morgen handeln müssen. Er will uns in sich aufnehmen.“
Tryl schnappte sich die Pfeife und nahm einen tiefen Zug.
„Maltus, sag mal, was würdest du als Gott machen?“
Der alte Mann hob die Schultern.
„Maltus, wir könnten uns an Seelen laben, wie wir sie so nie bekommen würden. Das Zeug hier ist dagegen nichts.“
Der alte Mann nickte langsam. Chaos brüllte hinter seinen Augen und wurde doch durch sie eingeschlossen. Kein lebendes Wesen würde je wissen wollen, was für eine Kreatur wirklich durch diese Hülle verdeckt wurde. „Sie war dumm. Wie kann so jemand nur zu einem Gott geworden sein, sie hat es nicht verdient“, sagte er eiskalt.
Tryl lachte leise. „Warum kann sie auch nur ihre Priester kontrollieren und nicht allsehend sein.“
„Dann würde sie wissen, was wir vorhaben“, erklärte Maltus. Er hob die rechte Augenbraue. „Man sollte keine Göttin hintergehen.“
Tryl hob die Schultern. „Nur wer wagt, kann gewinnen. Haben wir je anders gehandelt, mein alter Kamerad?“
Maltus lächelte kalt und musterte seinen Gegenüber. „Ich sollte mir erst noch einmal überlegen, ob ich mit dir die Ewigkeit überdauern möchte.“
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Ein Mann um die fünfzig saß zurückgelehnt auf einem Stuhl aus messerscharfen Klingen. Schütteres Haar fiel ihm über die Schultern. Ein weißer Bart überwucherte sein Gesicht. Zwei blaue Augen blickten überaus wach auf mehrere Karten auf einem Tisch aus Knochen. Immer wieder zog er Linien und verschob Steine. Ein blaßblaues Feuer flackerte hinter ihm und erhellte den Raum. Eine etwa zwei Meter lange, schwarze Kreatur lag zu seinem Füßen und schlief.
Plötzlich stürmte etwas herein. Wie ein fauchender Windstoß. Doch nichts war zu sehen – bis vor dem Tisch wie aus dem nichts eine junger Mann auftauchte. Er trug einen schwarzen Umhang und schwarze kurze Haare. Aus blauen Augen blitze es.
„Sohn...“, murmelte der Ältere immer noch über seine Karten gebeugt.
Der Jüngere hieb jäh auf den Tisch und fauchte: „Ich will Rache, D’akzar, Vater!“
Von einem auf den anderen Moment hatte sich der Ältere verändert. Innerhalb eines Augenblickes war er um mindestens zwanzig Jahre jünger geworden. Eine eiskalte Aura umgab ihn, die nichts mehr mit dem tatterigen Alten zu tun hatte, der davor auf dem Stuhl saß.
„Was ist passiert, mein Sohn?“
„Lira ist tot! TOT!“
„Was? Erzähle sofort alles!“
„Wir waren mit drei Schattenjägern an der Position..., da an der Mauer, von der aus unser Heer und die Söldner morgen starten werden, Vater. Da wo die Mauer schwächer sein soll.“
D’akzar zog eine Augenbraue hoch. „Wieso habt ihr das gemacht? Gilians Gabe der Vision hat uns bisher immer zum Sieg geführt.“
„Ja, aber du selbst sagst immer, Glauben ist gut, Wissen ist besser! Ich wollte einfach schon mal sehen, wie es morgen ablaufen wird.“
„Wie ist sie nun umgekommen?“
„Ich weiß es nicht, Vater!“, zischte der Jüngere.
„Wie, du weißt es nicht?“
„Wir wurden von irgend etwas überrascht und das obwohl wir in den Schatten gewandelt sind. Lira war plötzlich einfach verschwunden. Ich konnte fühlen, wie auch was nach mir packte, aber ich habe es geschafft, mich zu entwinden.“
„Also weißt du nicht sicher, ob sie tot ist?“
„Doch ist sie! Unsere Verbindung besteht nicht mehr!“
Sein Vater nickte langsam. „Du wirst deine Rache morgen bei der Schlacht erhalten, mein Sohn, das verspreche ich dir. Wir werden denjenigen finden, der dafür verantwortlich ist und du wirst ihn bekommen und sollte es ihr Gott höchstpersönlich gewesen sein.“
„Danke, Vater.“
„Aber fast Schlimmer ist, Gilians Gabe scheint dieses Mal versagt zu haben“, erklärte der Ältere nervös und starrte auf seine Karten.
„Was ist, wenn sie nicht versagt hat?“
„Was willst du damit sagen, Sohn?“
„Wir waren den hohen Herren doch schon immer ein Dorn im Auge. Wir sind Halbbrüter, unser Reich sind die Schatten und dafür haben wir zuviel Macht.“
„Deine Wort sind Ketzerei.“
„Aber könnten die Wahrheit sein. Was, wenn er uns zusammen mit Maltus und Tryl ausschalten möchte. Es ist die letzte Schlacht! Sie brauchen uns danach nicht mehr, wir sind danach nur noch eine lästige Gefahr!“
Der Ältere starrte ins Nichts. Dann murmelte er: „Es würde morgen niemandem in der Schlacht auffallen. Wir wären einfach gefallen. Ich kann es aber nicht glauben.“
Er sah noch einmal auf die Karten vor ihm.
„Gilians Gabe hat noch nie versagt, Vater.“
Dieser nickte. „Das ist wahr. Aber das werden wir heute nacht noch herausfinden. Sie haben uns unterschätzt, wenn sie denken, dass wir so leicht zu vernichten sind. Ich werde mich persönlich darum kümmern.“
„Vater, das ist gefährlich. Was, wenn man dich erwischt?“
„Ich werde nicht erwischt. Ich bin der Fürst der Schatten, mein Sohn. Du wirst derweil mit den Söldnerfürsten Kontakt aufnehmen. Wir haben ab jetzt wohl ein gemeinsames Interesse mit ihnen.“
„Was wird nur morgen aus der Schlacht, Vater?“, murmelte der Sohn.
Der Fürst der Schatten hob die Schultern. „Sollten unsere Vermutungen zutreffen, dann schlagen wir morgen unsere eigene Schlacht und du wirst deine Geliebte rächen können.“