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Vorbei

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19.06.2002
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Vorbei

Abermals verbot er seinen Gedanken, zurück zu den Offenbarungen seiner gehörnten Recherchen zu kehren- vergebens. Er wollte gar keine Bilder mehr sehen, die seine Wunden aufreißen würden. Es hatte keinen Zweck. In diesem Wohnzimmer hatten sie zu oft gemeinsame Stunden verbracht. Er fühlte sich nicht alleine, ihre Gegenwart erdrückte ihn schier. So warf er sich nachlässig eine dünne hellbraune Wildlederjacke über und trat auf die Straße. Wie von selbst trugen ihn seine Füße ans Rheinufer und unbewusst schritt er, in seinen trüben Grüblereien versunken, weiter zur Anlegestelle der Fähre.
Er lehnte sich mit den Armen auf die Brüstung und faltete die Hände. Der Tag war ebenso trüb wie seine Stimmung, nasskalt. Er kniff die Augen zusammen, um die Personen zu erkennen, die auf der gegenüberliegenden Seite mit der Fähre ablegten. Der Wind strich durch seine roten Locken. Beim Schließen der Augen stellte er sich, vor wie sie sich gerade auf dem Weg zu ihm befinden würde, sowie es viele Wochen gewesen war. Er hatte sie auf Deck zum ersten Mal aus einer plötzlichen Laune heraus geküsst. Es war unbremsbare Intuition, nicht mit seinem sonstigen Verstandsdenken in Einklang zu bringen. Sie war überrascht, natürlich, blieb aber cool und gefasst, was ihn beschämte. Dann, bevor sie anlegten, überraschte sie ihn mit einem Kuss als Antwort, ungeschickt und gestüm, der ihn völlig aus der Bahn warf.
Seine Gesichtszüge waren gequält auf Grund dieses Schwalls der Erinnerungen, sein Herz wollte zerspringen, er wollte körperlichen Schmerz spüren, um den seines Herzens zu verdrängen. Im Geiste sah er sie auf dem Boot auf dem Weg zu ihm; er lächelte vor Glück und Vorfreude auf sie. Ach, Quatsch, ermahnte er sich selbst. Er lechzte danach Wut zu verspüren, doch in diesem Moment überwältigte ihn Sehnsucht.
„Moritz?“ Gezwungen hielt er die Augen geschlossen um diese Situation seiner Einbildung nicht zu vertreiben. „Ich schäme mich.“, war alles was Mary sagte. Sein Hirngespinst stand leibhaftig vor ihm und spielte nervös mit ihren Händen. Entsprach es etwa der Wahrheit, dass Wünsche Realität werden können, wenn man sie sich nur intensiv genug herbeisehnt?
In ihrem Gesicht lass er jedoch sogleich, dass es kein Anfang einer neuen Chance, keine Entschuldigung aus Herzensgüte war. Er fasste auch keinerlei Hoffnung. Sie brachte es ordentlich und anständig zu Ende, wie es ihrer entsprach. Mary konnte nicht anders. „Moritz, ich hätte schon vorher zu dir kommen sollen, ich weiß. Weglaufen und Aufschieben ist mein übles Laster.“ Pause. „Ich möchte mit dir reden.“ Gleich nachdem Mary diese Worte ausgesprochen hatte, taten sie ihr Leid, wegen des Klischees und der Inhaltslosigkeit den sie verkörperten. Aber sie fand nie die richtigen Worte in wichtigen Situationen. „Was gibt es da noch zu sagen?“ wandte sich Moritz an sie. Es war völlige Resignation. Sie schaute verlegen an ihm vorbei . „Ich werde dir nicht sagen, dass ich es bereue oder dass es mir Leid tut“, war sie ganz ehrlich. „Für Liebe gibt es keine Entschuldigung.“ Das traf hart. Seine farblosen Augen suchten ihre und fanden ein falsches, erbittertes Lächeln, statt dem üblichen herzlich fröhlichem Ausdruck. Er wusste nun, mit wem sie so ausgelassen lachen konnte, dass einem das Herz über dieses Glück hätte selbst aufgehen können. „Was ich dir sagen wollte“, fuhr sie fort, „ist, dass du nicht mein Spielzeug warst.“ Er lachte bitter auf, warf den Kopf verächtlich zur Seite, während sie hastig weitersprach. „Unsere Beziehung ist aus, ich bin nicht frei um dich länger zu lieben, alles andere wäre Lüge. Es ist vorbei. Es ist aus. Du weißt es. Du hättest es nicht so erfahren sollen.“ Er hatte sie richtig eingeschätzt, kannte sie genug. Mary musste immer alles richtig und konventionell machen. Nichts laufen und verschludern lassen. Ihr Anstand verlangte von ihr, persönlich mit ihrem Freund Schluss zu machen. Dabei war es doch diese Affäre, die hätte beendet werden sollen...
„Willst du mit hereinkommen...“, begann er, sah sie an und stockte. Gehemmt und ungeduldig wich sie seinem Blick aus. „Besser nicht, glaub ich. - Ich werde die nächst Fähre zurück nehmen.“
Soviel ungesprochen.
„War dein dreiwöchiger Liebesurlaub in Kolumbien, oder wo immer du auch warst, schön? – Mit deinem heißen Latino-Lover?“, fragte er leise. Als er sich von ihr wegdrehte, liefen ihm die Tränen über die Wangen. Es war vorbei.

 

Hallo Kashila,

hm, so ganz gefallen will mir deine Geschichte nicht. Atmosphäre baust du auf, und das ist gut. Was ich zu bekritteln habe ist zweierlei:

1. Dialog
Tschui, aber der imaginierte Dialog des Protagonisten ist leer, Luft, nichtssagend, Seifenblase. Extrahiert man ihn, d. h. befreit man ihn von den Beschreibungen:

SIE: „Moritz?“ ... „Ich schäme mich.“ ... „Moritz, ich hätte schon vorher zu dir kommen sollen, ich weiß. Weglaufen und Aufschieben ist mein übles Laster.“ ... „Ich möchte mit dir reden.“
ER: „Was gibt es da noch zu sagen?“
SIE: „Ich werde dir nicht sagen, dass ich es bereue oder dass es mir Leid tut“ ... „Für Liebe gibt es keine Entschuldigung.“ ... „Was ich dir sagen wollte“ ... „ist, dass du nicht mein Spielzeug warst.“ ... „Unsere Beziehung ist aus, ich bin nicht frei um dich länger zu lieben, alles andere wäre Lüge. Es ist vorbei. Es ist aus. Du weißt es. Du hättest es nicht so erfahren sollen.“
ER: „Willst du mit hereinkommen, einen Tee trinken?“
SIE: „Besser nicht, glaub ich. - Ich werde die nächst Fähre zurück nehmen.“

Die Beschreibungen dazwischen haben auch nicht mehr Substanz als der Dialog. Ich erfahre, dass sie sich nicht gerne unterhält und
dass sie immer alles gerne ordentlich zu einem Ende führt. Na und? Ich meine, die Geschichte hat kein Fundament, wo liegt das Besondere an ihrer Beziehung, was meint sie damit genau, „dass er nicht ihr Spielzeug war“? Denn dieser Satz ist das Einzige, was nach der Entfernung aller Klischees noch übrig bliebe. Zu wenig, solltest du detaillierter ausführen.
Ein imaginierter Dialog ist kaum geeignet den Kern einer Geschichte zu bilden, weil er nur Fragmente der Realität, niemals jedoch soviel Inhalt wie ein richtiger Dialoges vermitteln kann. Ich nehme an, dass hast du dir dabei selbst gedacht.

In dieser Version gibt mir die Geschichte vom Inhaltlichen her kaum etwas, an ihr finde ich kein Fleisch sozusagen.

Ich schlage vor, dass du einen Weg suchst, wie der Dialog realer und gehaltvoller wird. Vielleicht lässt du ihn diesen auch nur träumen (dann aber bitte ohne "Ah, alles nur geträumt"-Schlusspointe, die hat nämlich soooooooooooo ein Bart), kompromissweise.

2. Stil
Zahlreiche Sätze sind lang und schwerfällig. Man muss mehr Konzentration opfern, um sich alle Glieder eines Satzes zu merken, als dann noch für den Inhalt. Schon der Anfang ist fehlerhaft:

Abermals befahl er seinen Gedanken vergebens nicht zum tausendsten Mal zurück zu den Offenbarungen seiner gehörnten Recherchen zu kehren.
Befehlen, etwas nicht zu tun, das geht nicht. Sicherlich meinst du: verbieten, etwas zu tun. Der Satz würde also richtig heißen: "Zum abertausendsten Mal verbot er seinen Gedanken, zurück zu den Offenbarungen seiner gehörnten Recherchen zu kehren - vergebens."

In diesem Wohnzimmer hatten sie zu oft gemeinsame Stunden verbracht. Er fühlte sich nicht alleine, ihre Gegenwart erdrückte ihn schier.

Doch Wie von selbst trugen ihn seine Füße ans Rheinufer.
Denn: wieso "doch"? Du willst ja keinen Widerspruch oder sowas.

Bestimmten Schrittes war er in seinen trüben Grüblereien zur Anlegestelle der Fähre gelaufen.
Dieser Satz ist zu schwerfällig, außerdem vergreifst du dich in der Zeitform, wir sind hier immer noch in der einfachen Vergangenheit. Vorschlag: "Zusammen(?) mit seinen trüben Gedanken schritt er zur Anlagestelle der Fähre." - denn laufen + bestimmter Schritt gibt beides das Wort "schreiten" wieder. Auf diese Weise, mehrere Wörter auf eines zu verdichten, verbesserst du deine Geschichte schon sehr viel.

Er kniff die Augen zusammen[Komma]um die Personen zu erkennen, ...

Beim Schließen der Augen stellte er sich vor[Komma] wie sie sich gerade auf dem Weg zu ihm befinden würde, sowie es viele Wochen gewesen war.
Er hatte sie auf Deck zum ersten Mal aus einer plötzlichen Laune heraus zum geküsst.

sein Herz wollte zerfetzen
.
Subjekt zerfetzt Objekt, aber Subjekt kann nur zerspringen[/i].

er wollte körperlichen Schmerz spüren[Komma um den seines Herzens zu verdrängen. Im Geiste sah er sie auf dem Boot auf dem Weg zu ihm; er lächelte vor Glück und Vorfreude auf sie. Ach, Quatsch. . Er lechzte danach Wut zu verspüren, doch in diesem Moment überwältigte ihn Sehnsucht.

Sie brachte es ordentlich und anständig zu Ende, wie es ihrer entsprach. Mary konnte nicht anders. „Moritz, ich hätte schon vorher zu dir kommen sollen, ich weiß. Weglaufen und Aufschieben ist mein übles Laster.“
Das finde ich wiederum in Ordnung, dass der Protagonist seine Kritik an seiner Freundin als fiktives Eingeständnis auf sie projiziert, und dies gleichzeitig in Widerspruch stellst zu ihrer Neigung, alles immer ordentlich zu Ende zu bringen. Ein Schmankerl.

Gleich nachdem Mary diese Worte ausgesprochen hatte, taten sie ihr Leid, wegen des Klischees und der Nichtssagendheit den sie verkörperten.
Dieses Wort gibt es nicht und wirkt überdies wie ein Käfer im Ohr. Unsere Sprache erlaubt vieles, aber leider nicht alles. Zum Beispiel, ein Partizip I mit -heit zu substantivieren. Außerdem ist es merkwürdig, nur in der Vorstellung existierende Personen denken zu lassen.

Aber sie war noch nie gut in gesprochener Konversation.
Ach, ihre e-Mails sind besser? Dann könntest du deinen Protagonisten sich doch e-Mails von ihr vorstellen lassen. Ansonsten wieso nicht einfach: "Aber sie war noch nie gut im Gespräch unter vier Augen" - oder ähnlich.

Seine farblosen Augen suchten ihre und fanden ein falsches, erbittertes Lächeln, statt dem üblichen herzlich fröhlichem Ausdruck. [...] Er lachte bitter auf, warf den Kopf verächtlich zur Seite, während sie hastig weitersprach.
Hm, in der Geschichte gibt es einige Stellen in der die Antagonistin fiktiv-real, und nicht nur eingebildet, sein müsste, damit es so erzählt werden kann, wie du es erzählst. So auch hier: Ist sie nun real oder nur eine Vorstellung des Prots?

Er wusste nun, mit wem sie so ausgelassen lachen konnte, dass einem das Herz über dieses Glück hätte selbst aufgehen können. Dies war nicht er.
Überflüssig.

Ihr Anstand verlangte von ihr[Komma] persönlich mit ihrem Freund Schluss zu machen.

Er hatte auf ein Ja gehofft und war enttäuscht. Als er sich von ihr wegdrehte[Komma] liefen ihm die Tränen über die Wangen.

Das ist bestimmt nicht alles, was zu bekritteln wäre, aber den Rest sollst du selbst entdecken.


FLoH.

 

Lieben Dank an dich, Floh, für deine harte, aber dadurch produktive Kritik.
Ich muss eingestehen, dass du mit ihr Recht hast (auch wenn das nicht immer leicht zu schlucken ist, da man ja doch immer an seiner Arbeit hängt :schiel: ).
Es hat aber auch Missverständnisse gegeben, weil ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe. So ist die Protagonistin und damit auch der Dialog nicht fiktiv, was in der verbesserten Form leider auch dein einziges Kompliment zerstört. :sad:
Du hast den leeren, nichtssagenden Dialog „bekrittelt“ (<-- das Wort gefällt mir :D ). Es soll aus Klischees bestehen und ohne Substanz sein, denn die Kommunikation ist gestört, sie haben sich nichts mehr zu sagen, wobei doch so vieles noch ungesprochen in der Luft hängt. Das auszudrücken ist mir wohl nicht ansprechend gelungen und somit war dein Hinweiß sehr hilfreich.

Ich habe nun versucht, der Geschichte ein wenig mehr Inhalt zu geben, habe einen Großteil deiner Anregungen bezüglich des Stils umgesetzt, und hoffe, es ist gelungen. :)

Liebe Grüße,

kashila

 

Ja sehr wohl, die Geschichte liest sich besser. Durch das Mehr an Inhalt kommt auch gleich eine dichtere Athmosphäre auf.

Es soll aus Klischees bestehen und ohne Substanz sein, denn die Kommunikation ist gestört, sie haben sich nichts mehr zu sagen, wobei doch so vieles noch ungesprochen in der Luft hängt.
Hm, gute Frage: Wie flechte ich in eine Geschichte Klischees ein, ohne dass diese vom kritischen Leser eine gemufft kriegen? Jedoch, ich glaube hier liegt ein Denkfehler vor. Es müssen keine Klischees sein, wenn man das Eis der Oberflächlichkeit mit beiden Händen aufbricht und sich der Schätze bedient, die da in der Tiefe liegen.
Ein Mann und eine Frau, die sich nach längerer Zeit nichts mehr zu sagen haben, trennen sich nicht mit Klischees. Das tun höchstens Teenager, die sich "Ich mach schluss mit dir. Ciao"-SMS schreiben nach einem einzigen Tag Turtelei. Das sind praktizierte Klischees, und überdies keine Geschichte wert. Finde ich.
Aber zwischen deinen beiden Figuren muss bedeutend mehr liegen als Klischees. Du könntest dich bemühen, das auszugraben.

Die paar Rechtschreibfehler findest du noch selbst ;), und es läse sich wirklich besser, wenn du mit jedem Sprechpart eine neue Zeile beginnst, z.B.:

„Moritz, ich hätte schon vorher zu dir kommen sollen, ich weiß. Weglaufen und Aufschieben ist mein übles Laster.“ Pause. „Ich möchte mit dir reden.“ Gleich nachdem Mary diese Worte ausgesprochen hatte, taten sie ihr Leid, wegen des Klischees und der Inhaltslosigkeit den sie verkörperten. Aber sie fand nie die richtigen Worte in wichtigen Situationen.[ENTER]
„Was gibt es da noch zu sagen?“ wandte sich Moritz an sie.
apropros: Bist du dir sicher, dass du nicht Scham meinst? -> "Gleich darauf bereute sie ihre Worte und schämte sich wegen des Klischees und der Inhaltslosigkeit, die sie verkörperten."


Ciao, FLoH.

 

Hallo kashila,

als ich den ersten Satz deiner Geschichte las, muss ich ganz ehrlich segan, war mein erster Gedanke:
"Oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet."
Aber ich habe weiter gelesen und schon zweite Satz hat mir besser gefallen und so ließ ich mich also ein auf deine Erzählung wirklich sehr gut gelungen ist. Du hast einen tollen Schreibstil.
Aber insgesamt erinnert mich diese GEschichte an eine von mir, unter der die Kritik auftauchte, dass die Geschichte der beiden Protagonisten gar nicht zum Tragen kam. Warum ist es Schluss? Was war geschehen?
Und das ist das Tragende an meiner Kritik, weshalb die Geschichte mir nicht recht gefallen mag. Die beiden Protagonisten bleiben leider ein wenig hintergrundslos und flach - eben ohne Profil, man kann sich niemanden darunter vorstellen.
floh hat ja eigentlich das meiste schon angesprochen, was den Kleinram angeht, ich geh deswegen nicht mehr darauf ein.

Fazit: Eigentlich muss ich ein dickes SCHADE unter die Geschichte kleben, da du auf jeden Fall einen tollen Schreibstil hast, aber die Geschichte eben keine Substanz und deswegen auch irrelevant wirkt.

cu_christoph

 

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