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Wand & Wandel
Die Wand der Wende und der Wandel
Where Eye may not remove nor be removed>
Sehr unfrei nach Shakespeare, Son. 25
Der Wandel sei tot, behauptet einer. Als ein andrer zweifelt -
so'n Berg von Kerl fiele doch nicht einfach um!? -
sagt der eine nur >isser aber!<
>Einfach so?<
>So einfach!<
>Wie, vor allem aber: warum konnte das geschehn?<, fragen wir -
dem eine lange Geschichte folgt.
Die begann mit aller überlieferten Geschichte kurz nach den zwo Sündenfällen, die sanktioniert wurden. Da wäre zum einen die Vertreibung aus dem Paradies und zum andern die Sündflut, in der bis auf wenige Auserwählte alles, was beseelt war, ersäuft wurde. Dass von außen keine Gefahr in ihre Welt eindränge und auch nichts aus ihr verloren ginge, mauerten sich die Auserwählten in der Welt ein mit allem, was dazu gehörte, wussten sie doch noch um das Paradies als dem umwallten und befriedeten Garten der Glückseligkeit. So war denn die Wand zugleich Damm gegen die Flut von Außen wie von Innen. Die sicherste und beste aller denkbaren Welten war geschaffen, was es schier endlos zu feiern galt - woher die Welt auch ihren Namen hat: Festung. Doch irgendwann erlahmt die Freude auch am schönsten Fest und die Welt glich immer mehr einem Friedhof, den die Mauer konservierte.
Auf diesem Friedhof biss einst der Storch einem jungen Ding ins Bein. Von da an lief es schwer. Nichts ging mehr so einfach wie vordem. Alles änderte sich. Aus einem Histörchen erwuchs eine Historie, das Mädchen reifte zur Frau, wurde Mutter. Die meinte, Wandel solle das Kind heißen, >da mir alles anders geworden ist mit ihm und durch ihn und weil es von meinem Bein ist!<, doch von wessen Fleisch und Blut es zudem sei, verriet sie nicht. Manch einer vermutete den Wind dahinter, andere einen Geist. Genauso gut hätt's der Storch sein können. Böse Zungen behaupteten, durch ihre Histörchen wüsst' Historie gar nicht, wer oder was den Wandel verursachte.
Lange galt Wandel als träge. Er bewegte sich gleich einem Berg, zeigte den Verstand einer Bananenschale und ein Herz aus Stein. Schlürfenden Schrittes durchmaß er die Welt, bis er nach tausend Jahren gegen die Wand lief. Da wählte der Wandel eine andere Richtung, bis er nach abermals tausend Jahren wieder auf eine Wand stieß. Die Stirn blutete ihm von diesen Begegnungen. So ging die Zeit hin und kam nicht mehr her. Historie weinte um das blöde Kind, dem die Fachwelt attestierte, in der Entwicklung gegenüber der Norm zurückgeblieben zu sein. Mancher sah Wandel als ballästig an. Mit ihm geriet jedes Fest zum Trauerspiel. Die Festung bedurfte seiner nicht. - Es war zum Heulen!
Eines Tages jedoch gab Wandel sich anders. Zunächst sah man nur, dass er ein helleres Gewand trug als zuvor. Dann fiel auf, dass er Herz und auch Verstand zeigte, auch schon mal lachte. Aber deutlicher als all dieses erkannte man, dass der Wandel nun jeder Schnecke davonlief.
Ob das überhaupt der Wandel sei, fragten sich die Leute.
Hinter jedem Wandel stecke ein Weib!, behauptet der Volksmund -
noch heute und zu Recht: Wandel hatte Wende getroffen.
Von Weitem rief er schon, dass auch der Letzte es wisse: hier kommt der Wandel! Aber trotz eines freundlichen und sanften >Dürft' ich mal bitte?!< und eines hernach heftig gebellten >Aus'm Weg!< rührte sich nichts, blieb alles beim Alten und Wandel stieß auf eine Wand, die immer noch stärker war als er je sein könnte.
Wandel schrie vor Schmerz auf: >Das tut weh!<
>Das tut mir leid<, meinte die Wand, >aber was weh tut, tut auch gut.<
>Das tut mir leid!<, krächzte der Wandel und lamentierte:
>Kannstu nicht ausweichen!?
Was stehstu so dumm rum?!
Stehst immer nur im Weg ...< Und ruhiger:
>Hastu mich nicht kommen sehen? Mein Rufen nicht gehört?<
>Aber sicher hab ich dich rufen hören und das Unglück kommen sehn. 's ist aber mein Job von alters her, genau hier zu stehn und das ist gut so -
das muss gut sein -
stünde ich sonst seit tausenden von Jahren hier?<, antwortete die Wand so ruhig, wie jemand, der seine Arbeit gut macht und darum weiß, dass maßgebliche Stellen es wissen. Aber die Wand hatte Mitleid mit dem großen und groben Klotz, dessen Stirn blutete wie Sau.
>Hab ich dich arg verletzt?
Bistu noch wo verletzt? -
Wie kann ich dir helfen?<
>Geh weg oder doch aus dem Weg<, was der Wandel ob der Hilfsbereitschaft verlegen stotterte. Die Zunge wog schwer. Das Herz wurd ihm warm. Die Knie wurden ihm weich, als sie sagte:
>Werd doch bitte nicht kindisch!
Gerade das kann ich nicht,
dürft' es auch gar nicht.<
Aber weil auch sie ihn mochte, verriet sie, dass in der Festungs Mauer Lücken seien, von denen noch Franz-Joseph K wusste und berichtete. Durch die Lücken hielten die Auserwählten Kontakt zur Außenwelt. >Da kannst auch du herausfinden, denn immer sich Beulen zu holen nützt niemand.<
Ob dieser K zu sprechen sei, fragte Wandel, aber die Wand lachte Tränen, war doch aller Welt bekannt, dass Joseph K grundlos vorm Gesetz abgeurteilt wurde und der Franz schuldlos verreckte.
Wandel lief heiß. Wie ein Blitz sauste er nun durch die Festung, dass die Leute sich verwundert die Augen rieben. Der Blitz schlug mit lautem Krachen ein. Wandel hatte sich verknallt! Zwar hatte er keinen Weg aus der Festung gefunden, doch erkannte Wandel sein Weib und wurde eins mit ihm.
Noch heute kann man den Fleck in der Wand sehen, wo der Blitz eingeschlagen hatte.
Wandel tät' not, ist aber tot.
Die Wand hat Bestand.