Warten
Wächserne Maske aus Unbewegtheit, vor nacktem Entsetzten, vor schwarzer Angst. Kein Ausdruck, keine Tränen, kein Leben.
Er sitzt da, herausgelöst aus der Welt, gehört längst nicht mehr zu uns. Bewegungslos, einer hässlichen, kalten Schaufensterpuppe gleich.
Er gehört nicht zu uns.
Er schaut nicht auf. Er kann es nicht wahrhaben, gar verstehen.
Seine Welt... gibt es lange nicht mehr.
Er hat die Straßen rot gepflastert, im Rausch der Macht, der Vergänglichkeit. Für alle Zeiten rot.
Niemand kann es je übermalen, niemand.
Alles, was sie können, ist, noch ein weiteres Stückchen rot anzufügen.
Rot.
Mit rot wollen sie rot überdecken.
Es wird nicht funktionieren. Sie wissen es. Sie werden es dennoch tun. Der Versuch kostet sie nichts, nichts als ein Wort.
Die alte Bibel, der alte Gott, jeder kann es verstehen. Lest die Bibel. Wir sind Christen.
Er gehört nicht zu uns. Nicht mehr. Vor Jahren, Monaten... das war etwas anderes.
Auch da gehörte er nicht zu uns, wir wussten es nur noch nicht.
Jetzt weiß es jeder, jeder kann es sehen, lesen, hören, von grellen Stimmen verkündet.
Jeder.
Und dann kann jeder weiter die Hektik seines Lebens vorantreiben, niemanden muss es kümmern.
Manche wird es kümmern.
Sie werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und zu Gott flehen, ihn verdammen und verwünschen ob seiner Tatenlosigkeit.
Oder sie werden heulen in ihren Löchern, darauf bedacht, dass niemand es sieht.
Oder sie werden sich mit Alkohol betäuben, Anteilnahme ersäufen in goldenem Rausch.
Oder sie werden jubeln, die Fäuste erhoben, für das Recht gerade stehen, ihr Recht. Sie lieben das rot, sie lieben die alte Bibel.
Dies ist nur die Gerechtigkeit!
Er sitzt, er wartet. Weiß, was geschehen wird. Kann es nicht fassen. Sein Innen kämpft, zerreißt sich, findet keinen Ausweg. Verzweiflung, unfassbare Seele, abgewürgt und missachtet, von schwarzem Schimmel zerfressen.
Er kann nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, nicht mehr leben vor starrem Entsetzen angesichts dieses seines Lebens.
Ihr rot. Sein rot. Der Kreis schließt sich. Ein Ende gibt es nicht, nicht für ihn.
Sein Außen immer noch starr, nirgends dringt das Innen hervor. Die Hülle darf nicht brechen, darf ihn nicht freigeben, nicht diese letzte Umhüllung seiner Selbst.
Was wird bleiben?
Rauer Stein, eine Erinnerung an rot. Einige Fetzen Papier, in dicken Stapeln geordnet.
Gerechte Menschen.