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Warum enden alle Geschichten mit dem Tod?

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11.04.2003
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Warum enden alle Geschichten mit dem Tod?

Mein Freund schreibt Geschichten, er schreibt sehr gut, ich lese viel von ihm.
Früher schrieb er von romantischen Sommer- oder Herbsttagen und von Alltagshelden, die sich zum Schluss selbst überwinden müssen, um der Bedrohung zu entrinnen oder ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen. Heute haben es seine Helden leichter. Sie müssen nur noch sterben. Mein Freund sagt, so bekommt jede Geschichte ein überraschendes Ende. Ich glaube ihm. Es ist ganz einfach: Nachdem sich der Held zum Schluss nicht selbst überwunden hat, sondern alles beim Alten bleibt, überfährt ihn ein Lastwagen oder ein anderes Auto, oder er stirbt schließlich doch an dem Krebs, den er ja noch hatte bevor er sich selbst nicht überwand. Vielleicht ist die Geschichte auch so traurig, dass sich der Freund am Ende erhängt, erschießt, ersticht oder er springt von einem hohen Turm. Mein Freund mag hohe Türme, die benutzt er oft. Das Raffinierte an den Geschichten ist, dass man nie ahnt, dass den Held schon bald der Tod ereilen wird. Die Bäckerin stirbt genau so wie der trinkende Rechtsanwalt, der Schüler von nebenan (von dem man es ja nie gedacht hätte) genau so wie dessen Biolehrer.
Jedes Mal wenn er mir eine Geschichte gibt, denke ich "Der schafft's!" und dann wacht er am nächsten Tag doch nicht mehr auf - Herzattacke. Bevor er mir Geschichten gibt, sagt mir mein Freund immer "Die hat ein überraschendes Ende. Bin gespannt ob du es davor erahnst." Ich antworte dann "Bestimmt nicht" und bin völlig ehrlich dabei.
Einmal hat er mich ganz besonders überrascht. Da war diese Geschichte von der Frau, die sauer auf ihren Mann ist weil sie herausfindet, dass der mit ihrer Kollegin fremd gegangen ist. Wie aus dem Leben! Jedenfalls schimpfte die Frau mit ihrem Mann, doch sie kamen zu keinem Ergebnis, daher blieb erstmal alles so wie es war. Und dann kam nur noch ein letzter Satz:

"Sie ging zu Bett und starb..."

Ich musste weinen als ich das las, auch wenn mich die Frage drängte, warum sie nun gestorben war. Ich rief meinen Freund an, fragte ihn gleich: "Warum?". Er schnaufte nachdenklich, dann sagte er, wie in wundervoll poetischen Gedanken versunken ein einziges, tiefes Wort: "Tja..."

Mein Freund schrieb Geschichten, die las ich gern. Freitag ist er gestorben. Wer hätte das gedacht. Aber das ist nicht so schlimm, weil ich mir schon bei der Beerdigung überlegte, über ihn zu schreiben. Erst recht weil der Augenblick nun so perfekt ist. Ganz am Ende, dachte ich, erwähne ich in nur wenigen Sätzen seinen Tod. Dann steht sein genialer Kopf im Mittelpunkt, nicht der Tod. Der verdient das gar nicht.

Auch habe ich mir etwas ganz Geniales überlegt. Um dem Ganzen eine mysteriöse Note zu geben, sage ich nicht, wie er gestorben ist und beende die Geschichte mit einem einprägsamen, tiefen Satz. Das hätte mein Freund sehr gemocht.

Freitag ist er gestorben.

 

Tolle Geschichte und das Ende kam wirklich überraschend. Noch ein kleines bisschen besser würde sie mir aber gefallen, wenn man wirklich erst mit dem letzten Satz "Freitag ist er gestorben" herausfinden würde, dass er tot ist.

 

Oh! Das nenne ich eine überraschende Geschichte!
Zwischendurch dachte ich "Und was soll das jetzt?", aber das Ende reisst einen in ein großes Erstaunen!
Wirklich: eine gute Idde und ausgezeichneter Stil! Kompliment!
Gruß,
annablume

 

Vielen Dank für die positive Kritik!
Auch eine gute Idee von dir, Bruno. Es gab vor dem Schlusssatz jedoch noch ein paar Dinge, die ich schreiben wollte.
Danke!

 

Ich finde, das hat durchaus seine Berechtigung, dass man eben schon vor dem letzten Satz herausfindet, dass er tot ist. Denn genau das ist ja meistens auch der Schmäh bei dieser Art von Geschichten - mit dem letzten Satz platzt dann die Bombe - der Knalleffekt zum guten Schluss. Ein Text, der diese Geschichten in gewisser Weise parodiert, darf da getrost dem gängigen Schema zuwiderlaufen.

Zum Text als Ganzem: Mir hat er gefallen.

fg
Nurso

 

Hallo Andreas!

Sagt mal, habt ihr Euch abgesprochen?! Du, nurso, annablume und Bruno, alles 6 Beiträge, und dann muss ich hier ankommen und was dazu sagen...

So, zum Text.
Ganz ehrlich, schon bei der Überschrift dachte ich an ein ähnliches Ende. Keine Überraschung hier. Aber die Art, wie Du den Text aufgebaut hast, die Art zu schildern hat mir gut gefallen.
Dass Du im drittletzten Absatz schon erwähnst, dass er gestorben ist, nimmt auch meiner Meinung nach einiges vorweg, es passt nicht in den Aufbau. würd ich umformulieren, lass es doch wirklich bis ganz zum Schluss.
Ansonste wie gesagt gut geschrieben, die Idee hat mir auch gefallen.

schöne Grüße
Anne

 

Na also, geht doch. Anscheinend kannst du auch Texte abliefern, die sich schon zu Beginn als Geschichte entpuppen.
Zudem das Ganze noch in einem angenehm lesbaren Stil untergebracht.
Ähnlich wie Maus kann auch ich hier keine Überraschung deuten, die ich aber so gesehen auch gar nicht vermisse. Schwerpunkt waren für mich Idee und Umsetzung, die einen relativ positiven Eindruck hinterlassen haben.

Nur hast du dich auch mit dieser Geschichte wohl etwas im Forum verirrt. Mal sehen, ob wir ein spezifischeres Genre dafür finden - sofern du nichts dagegen hast.

 

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