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Warum er es doch nicht konnte
Er stand da, der Wind streifte sein Gesicht. Er begann zu zittern. Doch auf seinem Gesicht sah man keine Veränderung. Er hatte immer noch diesen entschlossenen Blick. Er wusste, dass es nun endlich so weit war. Alles würde mal vorbei sein. Während er nun über dies nachdachte, sah man ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht. Doch dann überkamen ihn plötzlich diese Zweifel und er machte wieder einen Schritt zurück. Nein, ich darf jetzt nicht wanken, dachte er. Ich muss stark sein und es tun. Es wird für alle das Beste sein. Aber sie wird es einfach nicht verstehen, da würde auch der Abschiedbrief nichts helfen. Während er darüber nachdachte, merkte er nicht, wie er sich immer weiter vom Rand entfernte.
Doch dann begann er diese Gedanken zu verdrängen, er machte wieder Schritte nach vorne. Verraten habe sie mich, bespuckt und mich ausgelacht. Sie dachten, ich würde es nicht merken, wie sie hinter meinem Rücken Witze über mich machten. Doch ich bin nicht so dumm, wie sie dachten, überlegte er. Er stand wieder fast am Rand. Entfernt begannen einige Vögel Fangen zu spielen. Sie zwitscherten wild durcheinander, doch er hörte dies nicht. Auch für das laute Treiben unter ihm hatte er kein Ohr. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf solche Dinge zu achten.
Er begann, noch mal alles abzuwägen, dabei machte er wieder einige Schritte zurück. Er dachte, das wäre leichter, wieso dauert das nur so lange. Nun begann Schweiß über sein Gesicht zu laufen und er wurde nervöser. Die anderen würden es nicht mal bemerken, dachte er. Ich war ihnen schon immer eine Last, wurde nur von ihnen gefragt, wenn sie mich wirklich brauchten. Er schaute sich um, nun bemerkte er auch die Vögel in seiner Nähe. Wenn ich doch auch nur so sorglos umherfliegen könnte, überlegte er, ohne jegliche Sorgen. Doch wahrscheinlich wäre er selbst als Vogel alleine, erkannte er, er hatte noch nie Glück gehabt. Wieso sollte es als Vogel dann anders sein.
Nun begann er zu weinen, doch nicht wie man es normal kannte. Es war ein stummes Weinen, er verzog keine Miene, atmete ruhig, man sah nur die einzelnen Tränen langsam über sein Gesicht rollen. Wieso haben alle anderen immer so viel Glück, überlegte er, alles was sie wollen, bekommen sie dann auch. Nein, sagte er laut. Er blickte sich schnell um und stellte fest, dass niemand seinen Ausruf gehört hatte. Er wischte sich das Gesicht mit seinem Ärmel ab und flüsterte zu sich selbst, er müsste jetzt stark sein und das hier durchziehen. Jetzt stand er nur noch einen Schritt vom Rand entfernt, doch er hatte nicht mehr den festen und entschlossenen Blick wie am Anfang. Immer mehr Zweifel schossen durch seinen Kopf, er wusste jetzt nicht mehr, ob er es wirklich wollte oder doch nicht.
Das größte Problem ist sie, dachte er. Er liebte sie nicht, nein, er hatte sie auf eine andere Weise gern. Sie hatte Dinge für ihn getan, die sonst niemand gemacht hätte. Er hatte sich inzwischen einige Meter vom Rand entfernt. Blickte jedoch immer noch stur gerade aus. Was tue ich hier, fragte er sich. Wieso soll ich weiter für sie leiden. Sie wird verstehen, dass ich das alles nicht mehr ausgehalten habe. Er kam nun wieder dem Rand gefährlich nahe. Die Vögel hatten inzwischen aufgehört, wie wild durch die Gegend zu fliegen und beobachteten das Schauspiel, das er ihnen bot, interessiert. Er bemerkte wieder diese Blicke, schaute sich um, doch fand er nur die Vögel, die ihn beobachteten. Er nahm einen Stein und warf ihn nach ihnen. Sie flogen aufgescheucht davon. Ja, sogar die Vögel machen sich über mich lustig, überlegte er, weil ich zu schwach bin, das hier zu tun, nein, zu feige bin. Suche meine Ausreden bei ihr, so was hat sie nicht verdient. Er stand nun so nah am Rand wie nie zuvor, seine Fußsohlen waren schon einige Zentimeter über dem Abgrund. Er blickte entschlossen, jetzt war er wieder er selbst und bereit. In Gedanken ging er noch mal alle Fehler durch, die er gemacht hatte. Dadurch stieg seine Entschlossenheit zum Sprung.
Plötzlich klingelte sein Handy, er erschrak und wäre dabei beinahe in den Abgrund gestürzt. Sie war dran und fragte, was er denn heute Abend vorhatte. Sie könnten ja was zusammen machen. Nichts, antwortete er. Dann um acht, fragte sie. Ja, sagte er und beide legten auf. Er drehte sich vom Rand weg und begab sich auf den Heimweg. Die Vögel schauten ihm von einiger Entfernung zu und begannen, wieder Fangen zu spielen.