Was ist neu

Warum Franz K. sich dann doch umbrachte

Mitglied
Beitritt
03.07.2001
Beiträge
9

Warum Franz K. sich dann doch umbrachte

Vorwort:
In diese Geschichte ist die traurige Erfahrung mit eingeflossen, wie es ist keinen Vater mehr zu haben. Nichtsdestotroz ist sie KEINE authentische wiedergabe dessen was mir wiederfahren ist. Alle Daten und Namen sind frei erfunden.


---------------------------------------------------


(Auszug aus einem Zeitungsbericht vom 6.7.01)

JUNGER MANN BEGING SELBSTMORD IN SEINEM ZIMMER

Köln - Gestern Morgen beging der junge Heranwachsende
Franz K. in seinem Elternhaus Selbstmord. Seine Mutter
fand ihn am Abend des Tages in seinem Zimmer mit
aufgeschlitzten Halsschlagadern. Die Gründe sind noch
unbekannt, jedoch lassen erste Ermittlungen auf schwere
soziale Probleme schließen. (...)

(Auszug aus dem Tagebuch des Jungen)

18. März 2001 (Sontag)
Liebes Tagebuch.
Heute habe ich Geburtstag. Natürlich haben wir mit einer fetten Fete in meinen Geburtstag reingefeiert. (Mein Gott, ich wusste nicht das man so besoffen werden kann! *g*) Das einzige was meine Freude etws getrübt hatt, war das ich einen Filmriss von rund drei Stunden hatte, aber so ging es warscheinlich vielen. Naja, jetzt muss ich erstmal mit meinen Verwanten "feiern". Der Papa wollte auch kommen, aber ich bin eher skeptisch was das angeht... wir werden sehen.
Nachtrag: Hallo schon wieder. Ich wollte nur sagen, das der Papa wie erwartet nicht gekommen ist. Ich frage mich was für eine billige Ausrede er jetzt wieder hat.

20. März 2001 (Dienstag)
Liebes Tagebuch.
Ich kann nicht weinen. Ich kann und kann und kann nicht weinen. Dabei würde ich so gerne! VERDAMMT PAPA!!!!!!!!
Aber lass mich das etwas genauer erklären. Also: Seit er diesen Unfall hatte ist er so seltsam geworden. Er kahm heute zu uns, warscheinlich um mir zu Geburtstag zu gratulieren, aber als ich nach hause kahm hatte er schon wieder einen Anfall. Zuerst weinte er, die Mama solle doch zu ihm zurück kommen und als das nur wieder Streit brachte, rastete er völlig aus! Er ging auf die Mama los und wollte sie schlagen, aber da ging ich dann dazwischen. Den blauen Fleck werde ich ihm NIE VERZEIHEN!! Ich hoffe er kommt bald zur Vernunft.

(Auszug aus einem Zeitungsbericht vom 7.7.01)

ERMITTLUNGEN IM FALL FRANZ K. BRINGEN ERSTE ERGEBNISSE

Köln - Die Ermittlungen im Fall Franz K. der sich vor zwei
Tagen in seinem Zimmer die Halsschlagadern aufgeschlitzt hat,
dauern weiter an. Erste Erkentnisse zeigen auf, das er
regelmässig Streitereien mit seinem Vater hatte. Weiterhin
ergab sich das sich selbiger vor vier Wochen am 5.6.2001
aufgrund bisher ungeklärter Tatsachen das Leben nahm. (...)

(Auszug aus dem Tagebuch des Jungen)

13. Mai 2001 (Sontag)
Liebes Tagebuch.
Heute bin ich beim Papa gewesen. Ich hab mir einfach gedacht: "Wenn DU nicht den ersten Schritt tust, dann endet diese Sache so wie bei meinem Onkel und ihr sprecht nie wieder ein Wort miteinander." Ich fuhr also zu ihm und dann habe ich erst begriffen WIE schlimm die ganze Sache für ihn ist. Er scheint keinen Ausweg zu sehen. Er liebt die Mama so sehr das er ohne sie nicht leben kann. Doch aus seiner Sicht ist die Situation so festgefahren das er komplett ausziehen will, das er die Mama endgültig verlassen will. Aber so wie ich das sehe wird er es nicht schaffen von ihr loszukommen. Naja, wir werden sehen... Wir haben uns vorgenommen demnächst mal was zusammen zu unternehmen, so wie er z.B. mit meiner Schwester oder meinem Bruder was gemacht hat. Es wird bestimmt toll.

20. Mai 2001 (Sontag)
Liebes Tagebuch.
Papa und ich haben die Sache mit dem Unternehmen auf unbestimmte Zeit verschoben. Vielleicht in vier Wochen oder so, wenn der ganze Schulstress etwas weniger wird. Ansonsten hatten wir ein tolles "Männergespräch", zum ersten Mal seit Jahren! Ich habe vor das demnächst zu vertiefen.

(Auszug aus einem Zeitungsbericht vom 8.7.01)

FALL FRANZ K. ABGESCHLOSSEN

Köln - Die Ermittlungen im Fall Franz K. sind abgeschlossen.
Hier der Polizeibericht: Franz K. brachte sich aus mehreren
Gründen um.
1. Sein Vater nahm sich einen Monat vorher sein Leben weil
sich seine Frau von ihm getrennt hatte und er psychisch nicht
damit fertig wurde. Da Franz anscheinend genauso depressiv
veranlagt war wie sein Vater, kam er nicht mehr aus dem Tief
heraus. Er kappselte sich vollständig von seinen Freunden und
seiner Familie ab und kam nur noch zum Essen aus seinem Zimmer
heraus.
2. Stress in der Schule. Franz war kein besonders guter Schüler
und ausserdem hackten anscheinend seine Klassenkammeraden immer
auf ihm herum.
(...)

(Auszug aus dem Tagebuch des Jungen)

21. Mai 2001 (Montag)
Liebes Tagebuch.
Wo soll ich anfangen? Am besten mit einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisse (eigentlich ist in der Zwischenzeit nur eine wichtige Sache passiert...) OK, machen wir's so kurz wie möglich. Der Papa hat sich am 5.5.01 UMGEBRACHT. Er hat einen schrecklichen Tod gewählt, nämlich den Erstickungstod. Ich hab noch nie so doll geweint wie als ich das erfahren habe. Ich habe einen seelischen Zusammenbruch erlitten. Danach war ich für eine Woche depressiv und zwar richtig, d.h. das ich zu nichts mehr fähig war, zu keinen Gefühlen und tuen konnte ich erst recht nichts. Doch ich hab mich aufraffen können. Jetzt sprühe ich nur so vor Elan und ich hab den Papa schon fast vergessen. Jedefalls versuche ich nicht mehr daran zu denken. Das blöde an der Sache ist, das das Hänseln jetzt weiter geht. Und nicht nur das, jetzt habe ich sogar einen Erpresserbrief gefunden! Die Säcke erpressen mich mit angeblichen Fotos die auf meinem Geburtstag gemacht wurden. Ich werde nicht darauf eingehen. So langsam halte ich es nicht mehr aus in der Schule. Irgendwann töte ich sie alle! Ach ja, ich habe wieder angefangen "Goethes Erben" zu hören. Diese Musik macht mich irgendwie froh, ich verstehe es auch nicht.

30. Juni 2001 (Samstag)
Liebes Tagebuch.
Es ist viel passiert. Ich hatte vor drei Wochen einen Nervenzusammenbruch und musste in eine psychatrische Anstallt eingeliefert werden. Aber sie haben mich nicht lange dabehalten. Die haben immer irgendwas von wegen "Vater" gelabert und das ich "damit fertigwerden" müsse. Ich habe nicht verstanden was die gemeint haben. OK, der Papa ist tot, was gibt's da fertig zu werden? Naja, ich hab halt so getan als ob ich alles einsehen würde und dann haben die mich halt freigelassen. Direkt danach ich wieder depressiv, diesmal aber nur drei Tage. So langsam gehts mir wieder besser. Ich glaube ich hab mich damit abgefunden den Papa nur noch auf den paar Fotos die wir haben zu sehen.

(Letzter Eintrag im Tagebuch des Jungen)

5. Juli 2001 (Donnerstag)
Liebes Tagebuch.
Ich kann so nicht mehr weiterleben. Auserdem sehe
ich keinen Sinn mehr darin. Ich halte das Messer
schon in der Hand. Doch halt! Sollte ich nicht auch
mal an meine Mutter und meinen Bruder und meine Schwester
denken? Was machen die wenn ich nicht mehr bin? Doch
das Angeot ist zu verlockend. Tot. Hmmm, noch vor einem
halben Jahr habe ich gesagt das Slebstmord egoistisch
und unfair ist... Jetzt verstehe ich den Papa völlig!
Ich weiß jetzt WARUM er sich das Leben genommen hat.
Doch es war falsch von ihm. Und ich darf jetzt nicht
den selben Fehler wie er machen. Doch dann müsste ich
weiterhin leben und mich ihm stellen und es bewältigen.
Ja, das mach ich. Leben ist ein Geschenk und ein Geschenk
darf man nicht so einfach kaputt machen!


P.S.: !!!!!SSCCHHEEIISS DDRRAAUUFF!!!!!


(c) 06.07.2001 by Marco Kirchhof

 

Wow!
Das ist eine Geschichte in die sich wohl jeder hineinfühlen kann. Oder wer hatte in seiner Jugendzeit nicht schon mal ein messer in der Hand? ich schon.
Die idee, die Geschichte in Tagebuchform und mit Zeitungsartikel zu verfassen finde ich sehr gut. Nur ein kleiner Kritikpunkt! Eine Tageszeitung wird nie eine Story verfassen, wie du es getan hast. das nimmt der Geschichte etwas die Glaubwürdigkeit, aber ansonsten, einfach super!
Franz

In jedem steckt ein kleiner Spinner, nur ich lasse ihn raus!

 

Hallo Marco,

viele Fakten enthält deine Geschichten, harte Fakten, rauh und rissig wie Felsgestein, durch die verschiedenen Textsorten werden sie dem Leser in verschiedener perspektivischer Einfärbung nahe gebracht. Viele erzähltechnischen Probleme können mit diesem Vorgehen entstehen. Aber es gefällt mir, wie unbekümmert du drauflosschreibst. Man müsste vielleicht die ganzen Konflikte, wie sie im familiären Umfeld der Hauptfigur vorhanden sind, noch etwas genauer darstellen. So wirkt alles sehr roh und grob dem Leser vorgesetzt. Aber vielleicht ist das beabsichtigt. Zumindest darf man dir bescheinigen, dass der Leser von deinem Text sich sehr stark berührt fühlt.

Mit freundlichem Gruß

Hans Werner

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom