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Was bedeutet für euch Hochliteratur?

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Hallo @Nico Levin!


Ich denke, der Ausgangspunkt ist, dass der Text Bedeutung hat, die über das reine Unterhaltungsvergnügen hinaus geht. Texte, die einem wichtig sind, weil sie was in einem auslösen, einen Denkprozess oder eine emotionale Reaktion. Texte, an die man sich noch lange erinnert, die man nach Jahren nochmal rausziehen kann und erneut lesen.

Ich würde hier sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, dass es nicht nur um Texte geht, die einem wichtig sind, sondern um Texte, die über einen längeren Zeitraum immer wieder mehrere Menschengruppen bewegt und/oder geprägt haben. Dazu können Dinge zählen, die sich in der Kultur verewigt haben (wie etwa die Gretchenfrage oder auch die platonische Liebe) oder aber Texte, die schulisch (teilweise über mehrere Generationen hinweg) von mehreren unterschiedlichen Instanzen als lehrreich eingestuft werden - ist noch immer "subjektiv", aber eben nicht mehr ganz so sehr auf ein Individuum beschränkt. Dazu zählen wohl auch Werke wie "Die Welle" oder auch "Die Kinder vom Bahnhofszoo". Bücher, die sich mit Themen beschäftigen, die immer gesellschaftlich relevant sein werden. Also so viel zur Auswahl der Schulliteratur, die unter Klassiker fällt. Ob diese "Schulliteratur-Klassiker" nun aber alle Hochliteratur sind, ist eine andere Frage. Sie haben den Anspruch lehrreich zu sein und (hier ist die Subjektivität unumgänglich) sind auch unterhaltsam, in dem Sinne, dass sie spannend gestaltet sind. Oft ist es ja auch (in guten Schulen) so, dass Themen fächerübergreifend behandelt werden. Wenn man also gerade in Geschichte den zweiten Weltkrieg durchmacht, bietet es sich natürlich auch an in Deutsch ein Buch zu lesen, das sich mit Themen des zweiten Weltkrieges beschäftigt - da stehen ja viele Klassiker zur Auswahl.

Hallo @Maedy!

Nun, das kann aber auch Unterhaltungsliteratur leisten. 50 Shades of Grey und auch Twilight (ersteres ist übrigens Fanfiction vom letzteren) haben in mir Denkprozesse ausgelöst. Nämlich darüber, warum ein prähistorisches Frauenbild gerade weibliche Leser:innen so anspricht. Die Bücher gar zu Bestsellern macht.

Ich bin bei dir, wenn es um die kritische Betrachtung des Frauenbildes geht, das Bücher wie Twilight, Shades of Grey oder andere Werke dieser Richtung vermitteln. Allerdings denke ich, dass man sich, wenn man sich auf diese Art mit der Lektüre beschäftigt, weniger mit der Textkritik und mehr mit der Gesellschaftskritik beschäftigt. Die Fragen, die diese Bücher auslösen, werden ja nicht wirklich in den Büchern behandelt. Was ich damit sagen will ist: Shades of Grey stellt sich nicht die Frage, ob es "okay" oder "gut" ist, was da passiert, sondern legt den FOkus auf Erotik. Und Twilight beschäftigt sich nicht mit der Frage ob es "creepy" ist, dass ein 100-Jahre älterer Mann eine Frau im Schlaf stalkt und dann mit ihr zusammenkommt. Das sind Fragen, mit denen sich ein reflektierter Leser im Nachhinein auseinandersetzen kann, wenn er das Buch kritisiert. Die Bücher selbst erheben aber nicht den Anspruch auf dieses Problem aufmerksam machen zu wollen.

 

Noch ein kleiner Input:

Und an @Maedy zugegeben: Bei den Reaktionen, die ein hochliterarisches Buch in mir auslöst, dachte ich jetzt nicht als erstes an ein zorniges "wie kann man diesen Scheiß nur gut finden". Ich würde aber auch noch unterscheiden zwischen gutfinden und als hochliterarisch anerkennen. Das sind - wenigstens bei mir - zwei Paar Stiefel.

Mir ging es auch darum, zu zeigen, dass Dein Definitionsversuch etwas hinkt, weil man ihn ohne Weiteres auch auf Unterhaltungsliteratur anwenden kann.

Nun könnte man entgegenhalten:

Was ich damit sagen will ist: Shades of Grey stellt sich nicht die Frage, ob es "okay" oder "gut" ist, was da passiert, sondern legt den FOkus auf Erotik. Und Twilight beschäftigt sich nicht mit der Frage ob es "creepy" ist, dass ein 100-Jahre älterer Mann eine Frau im Schlaf stalkt und dann mit ihr zusammenkommt. Das sind Fragen, mit denen sich ein reflektierter Leser im Nachhinein auseinandersetzen kann, wenn er das Buch kritisiert. Die Bücher selbst erheben aber nicht den Anspruch auf dieses Problem aufmerksam machen zu wollen.

Aber aufgepasst. Auch Unterhaltungsliteratur hat meist eine “Message”, etwas, das sie aussagen will.

Twilight ist z. B. ein mormonischer Erziehungsroman, woraus Meyer bei Interviews auch gar keine Hehl machte. Es geht darum zu vermitteln, dass Sex erst nach der Ehe (vor Gott) erlaubt ist. Dazu nutzt Meyer ganz bewusst das Vampirmotiv, nachdem der Biss des Vampirs in der Literatur nicht selten für die Entjungferung steht. Deshalb ist auch so wichtig, dass Bella erst nach der Ehe zum Vampir wird und dazu auch noch unbefleckt durch eine Spritze und nicht einem erotischen Biss.

Ferner wird unchristliches Gedankengut vermittelt. Bella (Eva) will Edward (Adam) beständig zum außerehelichen Sex verführen. Edward (Adam) ist derjenige, der die Lust Bellas ständig drosselt. Und selbst nach der Ehe ist Edward noch damit beschäftigt Bellas ungezügelte Lust zu drosseln.

Das ist eine Message, die Meyer rüberbringen will. Dieses Bild wird in Europa allgemein kritisch gesehen, wird aber in Amerika zelebriert.

Ebenso die Tribute von Panem. Eine Message, über die die Lesenden nachzudenken habe, ist dem Text nicht abzusprechen.

Und 50 Shades als Fanfiction von Twilight macht das Gegenteil und “befreit die Lust”, korrigiert an dieser Stelle also Meyers Message, was in Amerika eine kleine Sensation war.

Und einmal streng genommen: Shakespeare würde wohl von den meisten als Hochliteratur gesehen werden. Aber nehmen wir “All ado about nothing”. Den Plot hätte auch Pilcher schreiben können. Zwei mögen sich nicht, sind aber Single und die Freund:innen beschließen sie aus ihrer Einsamkeit zu erretten und sie miteinander zu verkuppeln, weil jeweils kein/e andere/r, besser/e Partner/in in Sicht ist. Noch ein bisschen Kriegsdingsbums drumherum und fertig ist die schmachtende Komödie, die auch von Degeto hätte verfilmt werden können.
Nichts gegen Shakespeare und ich finde auch ”All ado about nothing” sehr amüsant, aber was Hochliteratur ist, ist mehr ein gesellschaftlicher Konsens, der eigentlich nicht wirklich einer Definition zugänglich ist. Und meist sieht es da für Jugendromane schlecht aus, weil dieser Konsens nicht von Jugendlichen gemacht wird, sondern Erwachsenen.

 

Hallo @Maedy!

Twilight ist z. B. ein mormonischer Erziehungsroman, woraus Meyer bei Interviews auch gar keine Hehl machte. Es geht darum zu vermitteln, dass Sex erst nach der Ehe (vor Gott) erlaubt ist. Dazu nutzt Meyer ganz bewusst das Vampirmotiv, nachdem der Biss des Vampirs in der Literatur nicht selten für die Entjungferung steht. Deshalb ist auch so wichtig, dass Bella erst nach der Ehe zum Vampir wird und dazu auch noch unbefleckt durch eine Spritze und nicht einem erotischen Biss.

Zu deinen Ausführungen bezüglich Twillight und 50 Shades kann ich nur „wow“ sagen. Vor allem bei Twillight war mir die ganze Symbolik nicht bewusst! :O

 

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