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Was bedeutet für euch Hochliteratur?

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Hallo @jimmysalaryman!

Ich muss ein klein wenig nörgeln, es tut mir leid, ich kann nicht anders:

Hochliteratur oder allgemein: Hochkultur ist doch ein Begriff der Abgrenzung. Etwas ist Hochkultur oder eben nicht. Ich glaube, alle suchen nach einem möglichst objektiven Kriterium, was es aber eben nicht zu geben scheint.
Ich bin bei dir, wenn es darum geht, dass es schwer ist Begriffe wie Hochliteratur oder auch Hochkultur zu definieren und ja, es stimmt sicherlich, dass Begriffe wie Hochliteratur (Hochkultur ja eher seltener, weil man sich - soweit meine Erfahrung - da eher die Hochkulturen der Antike vorstellt) als eine Abgrenzung verwendet um selbst besser darzustehen: "Ich lese ja nur richtige Literatur, mit dem trivialen Zeugs lass mich ja in Ruhe..." - so in die Richtung.

Aber jetzt kommt das große "aber": Begriffe sind erstmals dafür da, um Dinge voneinander abzugrenzen. Es geht ja darum, Dinge zu kategorisieren bzw. letztenendes auch darum, Dinge voneinander unterscheiden zu können. Ich denke, dass der Begriff "Hochliteratur" schon irgendwo seine Berechtigung hat - auch wenn er keine genauen Grenzen hat. Tatsächlich ist es so, dass viele Begriffe keine klaren Grenzen haben - du musst dir dafür nur Gemüse und Obst anschauen und wie viele Botaniker leidenschaftlich damit beschäftigt sind darüber zu streiten, welche Pflanze jetzt wegen welchen Merkmalen welcher Gruppe zugehörig ist. Oder wann jetzt das Mittelalter endet und die Neuzeit anfängt und und und... Sowohl dort als auch bei dem Begriff der Hochliteratur sucht man einer Möglichkeit der Abgrenzung. Mir ist klar, dass es dir hier um eine Form der gesellschaftlichen Abgrenzung geht (ich hoffe, ich missverstehe dich hierbei nicht und lege dir keine Worte in den Mund). Das ist ja auch etwas, das ich bei meinem ersten Eintrag hier schon bemängelt habe, nur glaube ich, dass das das ist, was die Gesellschaft eben mit dem Begriff Hochliteratur macht - das ist falsch verstandene Abgrenzung. Ich denke, dass es in der Abgrenzung von Begriffen wie Hochkultur darum geht, dass man so objektiv wie möglich "Eigenschaften" bzw. "Kriterien findet, die eben nicht auf subjektiven Empfindungen beruhen. Was natürlich schwer ist, weil wir alle von unserer Subjektivität beeinflusst sind. Wenn es nun - und das steht zumindest bei den Definitionen von Hochliteratur dabei, die ich gefunden habe - so ist, dass Hochliteratur sich dadurch auszeichnet, dass sie unterhält und lehrt, dann ist das eine Abgrenzung zu Literatur die nur lehrt (wie beispielssweise ein Buch über die historischen Zusammenhänge im zweiten Weltkrieg) und eine Abgrenzung zur Literatur, die nur unterhält (wie beispielsweise der kleine Eisbär). Nun kann aber noch immer jemand kommen und sagen: Mich hat das Buch über die historischen Zusammenhänge aber auch unterhalten und ein anderer kann kommen und sagen: Nein also, der kleine Eisbär war schon eine lehrreiche Geschichte über Freundschaft. Meiner Meinung nach liegt darin die Schwierigkeit der Definition.

Dass es gesellschaftlich so ist, dass Menschen sich mit "Hochliteratur schmücken", ist zwar dumm, aber ich glaube nicht, dass das die Schwierigkeit in der Begriffsfindung ausmacht. Es ist eher die Sache an sich. Außer im naturwissenschafltichen Bereich (und selbst da stoßt man heutzutage öfter an Grenzen) scheint es fast unmöglich, Begriffe klar zu definieren und dennoch ist es notwendig, eine gewisse Abgrenzung vorzunehmen - so schwammig sie auch sein mag, ich vergleiche das immer gerne mit sogenannten "Richtlinien". Gemüse ist weniger süß als Obst. Das Mittelalter endet so ca. um Luther und Hochliteratur sollte lehrreich und unterhaltsam sein und dazu auch eine möglichst-hübsche Sprache enthalten. Ja, ist schwammig, aber es gibt irgendwie doch einen Rahmen her und innerhalb dieses Rahmens - sowie an seinen Grenzen kann man sich bewegen.

Was das Erinnern oder Nicht-Erinnern der Dinge innerhalb eines Begriffes angeht - in Bezug auf vergessene Autoren/Werke - das sehe ich recht unproblematisch und zwar in dem Sinne, dass auch Ereignisse, die im Rahmen des Begriffes Mittelalter stattgefunden haben, aber vergessen wurden, weiterhin zum Mittelalter gehören. Ebenso wie vergessene Pflanzen weiterhin in die Gattung fallen, der man sie auf Grund bestimmter Merkmale zuordnen kann.

Wer den Anspruch erhebt, klar definieren zu können, was Hochliteratur ist, in dem Sinne, dass er den Anspruch erhebt, alle Werke ausklammern zu können, die nicht dazu gehören, der hat nicht verstanden wie derartige Begriffe funktionieren. Wer glaubt, dass er ein besserer Mensch ist, weil er nur Goethe, Schiller und Shakespeare liest, der ist menschlich sowieso unterm Hund und damit - zumindest mir - die Zeit nicht wert.

Ist so ein Begriff, den ich mir abgewöhnt habe, weil er Scham und Schuld impliziert. Ich höre fiesen 80er Jahre Hair-Metal und schäme mich null dafür. Warum auch? In wessen Augen macht mich das zu einem schlechteren Menschen und sind das dann Menschen, mit denen ich mich abgeben wollen würde?

Wegen "Guilty Pleasures" - da musst ich aus zwei Gründen lachen. Zum einen, weil ich selbst eine Playlist habe, die so heißt und zum anderen, weil ich auch ein kleiner Metal-Head bin. In meiner "Guilty Pleasures"-Liste findet man aber kein einziges Metall-Lied, sondern eher die Dinge, die man mir nicht zutrauen würde. ;) Ich schäme mich nicht wirklich für die Liste, sondern fand es nur witzig, sie so zu nennen.

 
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Hallo @Nico Levin!


Ich denke, der Ausgangspunkt ist, dass der Text Bedeutung hat, die über das reine Unterhaltungsvergnügen hinaus geht. Texte, die einem wichtig sind, weil sie was in einem auslösen, einen Denkprozess oder eine emotionale Reaktion. Texte, an die man sich noch lange erinnert, die man nach Jahren nochmal rausziehen kann und erneut lesen.

Ich würde hier sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, dass es nicht nur um Texte geht, die einem wichtig sind, sondern um Texte, die über einen längeren Zeitraum immer wieder mehrere Menschengruppen bewegt und/oder geprägt haben. Dazu können Dinge zählen, die sich in der Kultur verewigt haben (wie etwa die Gretchenfrage oder auch die platonische Liebe) oder aber Texte, die schulisch (teilweise über mehrere Generationen hinweg) von mehreren unterschiedlichen Instanzen als lehrreich eingestuft werden - ist noch immer "subjektiv", aber eben nicht mehr ganz so sehr auf ein Individuum beschränkt. Dazu zählen wohl auch Werke wie "Die Welle" oder auch "Die Kinder vom Bahnhofszoo". Bücher, die sich mit Themen beschäftigen, die immer gesellschaftlich relevant sein werden. Also so viel zur Auswahl der Schulliteratur, die unter Klassiker fällt. Ob diese "Schulliteratur-Klassiker" nun aber alle Hochliteratur sind, ist eine andere Frage. Sie haben den Anspruch lehrreich zu sein und (hier ist die Subjektivität unumgänglich) sind auch unterhaltsam, in dem Sinne, dass sie spannend gestaltet sind. Oft ist es ja auch (in guten Schulen) so, dass Themen fächerübergreifend behandelt werden. Wenn man also gerade in Geschichte den zweiten Weltkrieg durchmacht, bietet es sich natürlich auch an in Deutsch ein Buch zu lesen, das sich mit Themen des zweiten Weltkrieges beschäftigt - da stehen ja viele Klassiker zur Auswahl.

Hallo @Maedy!

Nun, das kann aber auch Unterhaltungsliteratur leisten. 50 Shades of Grey und auch Twilight (ersteres ist übrigens Fanfiction vom letzteren) haben in mir Denkprozesse ausgelöst. Nämlich darüber, warum ein prähistorisches Frauenbild gerade weibliche Leser:innen so anspricht. Die Bücher gar zu Bestsellern macht.

Ich bin bei dir, wenn es um die kritische Betrachtung des Frauenbildes geht, das Bücher wie Twilight, Shades of Grey oder andere Werke dieser Richtung vermitteln. Allerdings denke ich, dass man sich, wenn man sich auf diese Art mit der Lektüre beschäftigt, weniger mit der Textkritik und mehr mit der Gesellschaftskritik beschäftigt. Die Fragen, die diese Bücher auslösen, werden ja nicht wirklich in den Büchern behandelt. Was ich damit sagen will ist: Shades of Grey stellt sich nicht die Frage, ob es "okay" oder "gut" ist, was da passiert, sondern legt den FOkus auf Erotik. Und Twilight beschäftigt sich nicht mit der Frage ob es "creepy" ist, dass ein 100-Jahre älterer Mann eine Frau im Schlaf stalkt und dann mit ihr zusammenkommt. Das sind Fragen, mit denen sich ein reflektierter Leser im Nachhinein auseinandersetzen kann, wenn er das Buch kritisiert. Die Bücher selbst erheben aber nicht den Anspruch auf dieses Problem aufmerksam machen zu wollen.

 

Noch ein kleiner Input:

Und an @Maedy zugegeben: Bei den Reaktionen, die ein hochliterarisches Buch in mir auslöst, dachte ich jetzt nicht als erstes an ein zorniges "wie kann man diesen Scheiß nur gut finden". Ich würde aber auch noch unterscheiden zwischen gutfinden und als hochliterarisch anerkennen. Das sind - wenigstens bei mir - zwei Paar Stiefel.

Mir ging es auch darum, zu zeigen, dass Dein Definitionsversuch etwas hinkt, weil man ihn ohne Weiteres auch auf Unterhaltungsliteratur anwenden kann.

Nun könnte man entgegenhalten:

Was ich damit sagen will ist: Shades of Grey stellt sich nicht die Frage, ob es "okay" oder "gut" ist, was da passiert, sondern legt den FOkus auf Erotik. Und Twilight beschäftigt sich nicht mit der Frage ob es "creepy" ist, dass ein 100-Jahre älterer Mann eine Frau im Schlaf stalkt und dann mit ihr zusammenkommt. Das sind Fragen, mit denen sich ein reflektierter Leser im Nachhinein auseinandersetzen kann, wenn er das Buch kritisiert. Die Bücher selbst erheben aber nicht den Anspruch auf dieses Problem aufmerksam machen zu wollen.

Aber aufgepasst. Auch Unterhaltungsliteratur hat meist eine “Message”, etwas, das sie aussagen will.

Twilight ist z. B. ein mormonischer Erziehungsroman, woraus Meyer bei Interviews auch gar keine Hehl machte. Es geht darum zu vermitteln, dass Sex erst nach der Ehe (vor Gott) erlaubt ist. Dazu nutzt Meyer ganz bewusst das Vampirmotiv, nachdem der Biss des Vampirs in der Literatur nicht selten für die Entjungferung steht. Deshalb ist auch so wichtig, dass Bella erst nach der Ehe zum Vampir wird und dazu auch noch unbefleckt durch eine Spritze und nicht einem erotischen Biss.

Ferner wird unchristliches Gedankengut vermittelt. Bella (Eva) will Edward (Adam) beständig zum außerehelichen Sex verführen. Edward (Adam) ist derjenige, der die Lust Bellas ständig drosselt. Und selbst nach der Ehe ist Edward noch damit beschäftigt Bellas ungezügelte Lust zu drosseln.

Das ist eine Message, die Meyer rüberbringen will. Dieses Bild wird in Europa allgemein kritisch gesehen, wird aber in Amerika zelebriert.

Ebenso die Tribute von Panem. Eine Message, über die die Lesenden nachzudenken habe, ist dem Text nicht abzusprechen.

Und 50 Shades als Fanfiction von Twilight macht das Gegenteil und “befreit die Lust”, korrigiert an dieser Stelle also Meyers Message, was in Amerika eine kleine Sensation war.

Und einmal streng genommen: Shakespeare würde wohl von den meisten als Hochliteratur gesehen werden. Aber nehmen wir “All ado about nothing”. Den Plot hätte auch Pilcher schreiben können. Zwei mögen sich nicht, sind aber Single und die Freund:innen beschließen sie aus ihrer Einsamkeit zu erretten und sie miteinander zu verkuppeln, weil jeweils kein/e andere/r, besser/e Partner/in in Sicht ist. Noch ein bisschen Kriegsdingsbums drumherum und fertig ist die schmachtende Komödie, die auch von Degeto hätte verfilmt werden können.
Nichts gegen Shakespeare und ich finde auch ”All ado about nothing” sehr amüsant, aber was Hochliteratur ist, ist mehr ein gesellschaftlicher Konsens, der eigentlich nicht wirklich einer Definition zugänglich ist. Und meist sieht es da für Jugendromane schlecht aus, weil dieser Konsens nicht von Jugendlichen gemacht wird, sondern Erwachsenen.

 

Hallo @Maedy!

Twilight ist z. B. ein mormonischer Erziehungsroman, woraus Meyer bei Interviews auch gar keine Hehl machte. Es geht darum zu vermitteln, dass Sex erst nach der Ehe (vor Gott) erlaubt ist. Dazu nutzt Meyer ganz bewusst das Vampirmotiv, nachdem der Biss des Vampirs in der Literatur nicht selten für die Entjungferung steht. Deshalb ist auch so wichtig, dass Bella erst nach der Ehe zum Vampir wird und dazu auch noch unbefleckt durch eine Spritze und nicht einem erotischen Biss.

Zu deinen Ausführungen bezüglich Twillight und 50 Shades kann ich nur „wow“ sagen. Vor allem bei Twillight war mir die ganze Symbolik nicht bewusst! :O

 

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