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Waschtag
Wie jeden Samstag Nachmittag fuhr Herr Zeist auch diese Woche seinen bordeaux roten, alten Mercedes aus der Garage auf den Gehweg.
Er wohnte mit seiner Frau, einer zehn Jahre jüngeren Stewardess mit wasserstoffblonden Haaren und seinem neun Jahre alten Sohn in einem Einfamilienhaus am Stadtrand.
Vor drei Jahren erst waren sie hier in diese ruhige Gegend in den Neubau gezogen, der genauso aussah wie die zehn anderen Häuser in der Straße und sich von denen in den Parallelstraßen nur durch den grünen Anstrich unterschied.
Herr Zeist holte einen Eimer warmen Wassers mit einem Schuss FIT sowie einen alten Schwamm und zwei seiner alten Unterhemden, die er jede Woche zum putzen benutzte. „Scheiße.“, brummte er, ging ins Haus um die Politur zu holen, die er vergessen hatte und trat dabei versehentlich in die Blumenrabatte, die den Weg zur Tür, zu beiden Seiten säumte. Die Politur hatte er erst vor kurzem aus dem Fernsehen bestellt. „Wirkt Wunder.“, sagte Herr Zeist des öfteren begeistert zu seinen Freunden im Skat-Club.
Während er im Haus war, kackte ihm eine Taube auf die Frontscheibe.
Herr Zeist stellte die Politur neben den Eimer, sah die Exkremente des Vogels und schaute grimmig zu der alten Birke etwas abseits des Wohngebietes, auf der sich deutlich sichtbar vereinzelte Vögel tummelten. Er tauchte den Schwamm in das nun schon lauwarme Wasser und klatschte ihn auf die Motorhaube. Nachdem er seinen Schatz, den alten Mercedes in den er sein gesamtes Herzblut steckte, komplett eingeseift hatte, fiel ihm auf, dass der Eimer mit klarem Wasser zum Abspülen noch im Flur stand. „Gottverdammt.“, entfuhr es ihm, als er eilig zurück ins Haus lief, ihn zu holen und er über den Fußabtreter stolperte auf dem, ganz klassisch, „Home sweet Home“, in bunten Farben geschrieben stand.
Während er den Eimer holte schiss eine Amsel auf die Seitenscheibe.
Sein Sohn Bernd stürzte aus der Tür, an seinem Vater vorbei, der ihn daran erinnerte, dass im Haus nicht gerannt wird. Der Eimer schwankte gefährlich. Bernds Freund war zum Spielen gekommen. Einen fleckigen Fußball unter dem Arm hatte er mit großer Aufmerksamkeit den Vogelkot beobachtet, wie er die Scheibe herablief. Die beiden Jungen begannen den Fußball auf der Straße hin und her zu kicken, einhergehend mit lautem Rufen. Herr Zeist kippte den Eimer über seinen Wagen. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die grüne Trainingsjacke, die er trug, hatte dunkle Flecken am Rücken und unter den Armen. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel.
Er begann den Mercedes mit einem Unterhemd zu trocknen. Bernd schoss den Fußball knapp am Heck vorbei, rannte dem Ball schnell hinterher, der weiter Richtung Birke rollte. „Geht weiter weg! Wehe du triffst ihn. Ich möchte keine Delle haben.“, rief Herr Zeist Bernd zu, der den Ball wieder die Straße entlang kickte. Sein Vater öffnete die Politur, ließ den Deckel fallen und hob ihn unter Fluchen wieder auf, dennoch froh, dass er nicht unter dem Auto verschwunden war. Grob begann er über das ganze Dach zu reiben und kippte immer mehr Politur darauf und rieb weiter. Die gesamte Prozedur wurde von einem lautstarken Quietschen begleitet.
Ein Luftzug kühlte seinen Kopf mit den spärlichen, in der Sonne silbern glänzenden Haaren und trieb einen Vogelschwarm vom Baum. Herr Zeist rieb und polierte als ob sein Leben vom Glanz des Wagens abhinge.
Erneut schissen zwei Vögel auf den guten Mercedes. Direkt vor seinen Augen.
Mit einem lautem Knall schlug der Fußball am Seitenfenster ein. „Verdammte Scheiße noch mal.“, schrie Herr Zeist und schlug mit der Faust auf die Motorhaube.
Da war eine Delle.