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Weggesperrt

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22.03.2005
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Weggesperrt

Weggesperrt

Dieter kauerte zusammengekrümmt in seiner Ecke und das klebrige, nasse Dunkel umschloss seinen verschwitzten Körper.
Er hätte sich schon vor langer Zeit das Leben genommen, aber
Du darfst dich nicht umbringen! Lass die Finger von der Schere, du wirst sie noch für einen ganz anderen Zweck brauchen!
Janine erlaubte es ihm nicht.
Er lauschte. Wartete auf Schritte von oben. Bald würden sie kommen. Die Lücke in der Decke würde mit einem leisen Knacken aufgehen und er würde, vom plötzlichen Licht geblendet, sich die Hände vor die Augen reißen müssen. Ihm würde Fraß vorgeworfen werden, Knochen, Essensreste, roher Fisch, wenn er Glück hatte. Dann würde der Deckel auf die Lücke zuknallen und er würde wieder im Dunkeln gelassen werden, bis zur nächsten Mahlzeit.
Nicht war, Janine?
Ja, Dieter, hab keine Angst, der Tunnel ist fast fertig.
Janine war immer für ihn da, nicht so wie sie. Sie leistete ihm Gesellschaft, wenn er allein war, sie machte ihm Hoffnung, wenn er traurig war, und sie erzählte ihm von der Welt da draußen. Manchmal kamen ihre Beschreibungen Dieter eigenartig vor, aber es ist viel Zeit verflossen, seitdem er etwas anderes als die Dunkelheit und die gottverdammte Schere gesehen hatte, und die Welt konnte sich weitergedreht haben.

Wie oft hatte er sich gewünscht
keine Sorge, Liebling, bald bist du frei
so wie sie zu sein, einfach davon schweben zu können, ungehindert durch Wände und Erde.
Aber er würde hier
Bald bist du frei, ich verspreche es dir!
nicht mehr lange bleiben – nein! Denn er hatte den Tunnel fast fertig… und wenn doch, dann bliebe ihm noch die Schere.
Dieter streichelte über ihre glatte Oberfläche. Er wischte sanft die Haarbüschel weg, die an den abgenutzten Spitzen klebten, abgenutzt aber
Keine Sorge, sie werden ihren Zweck schon erfüllen.
Er wollte, die Berührung wäre angenehm, aber das war sie nicht. Jedes Mal, wenn seine Haut das Metall berührte, brannten die Fingerkuppen als griffen sie ins Feuer.

Plötzlich hörte er Schritte. Sie kamen. Schnell verbuddelte er die Schere unter dem schmutzigen Strohhaufen, der ihm als Bett diente - sie durften die Schere nicht entdecken, sie würden sie sich nicht erklären können.
Die Lücke ging mit einem leisen Knacken auf, Licht blendete ihn und zwang sich die Hände vors Gesicht zu reißen, ein Stück stinkendes Etwas klatschte auf dem Boden auf – das Klatschen klang leise und gedämpft, weil der Boden bloß aus Erde bestand.
Als die Lücke zuknallte und die Dunkelheit das elende Geschöpf wieder schützend verbarg, warf er sich auf das ihm zugeworfene Fressen.
Iss, Liebling, du musst stark sein, heute brauchst du besonders viel Kraft.
Es war Fleisch, er wusste es. Das erkannte er sofort am Geruch. Und es war nicht der Geruch des Fleisches, den er erkannte, es war der moderige, süßliche Geruch des grünlich grauen Schimmels darauf, an dem er das Fleisch erkannte.
Ohne sich die Mühe zu machen die an dem vergammelten Fleischstück klebenden Erdklumpen zu entfernen, verschlang Dieter gierig die kostbare Nahrung. Als er damit fertig war, kroch er wieder in seine Ecke. Seine Hände und Knien gruben sich auf seinem Weg dorthin tief in die sich zerlegende Masse aus seinen sich im Laufe der Jahre angesammelten Fäkalien und denen der Ratten. Nicht zu vergessen von seinen Haarbüscheln.

Als Dieter in seiner Ecke ankam, plumpste er in den Matsch und rutschte erschöpft an dem nassen kalten Gemäuer entlang.
Er war nicht allein, das spürte er. Es war auch nicht Janine, er wusste, wer es war und grinste. Ein leises Piepen, ein kaum hörbares Vorbeihuschen, ein schneller tödlicher Griff in die Dunkelheit, und ein sterbender Rattenkörper zuckte in Dieters Hand in seiner letzten Agonie.
Zufrieden spürte Dieter, wie warmes frisches Rattenblut an seinem Handgelenk entlang floss.
Du brauchst Nahrung, du musst stark sein.
Er leckte es ab. Dann biss er der Ratte den Kopf ab und spuckte es weg, dorthin, wo sich schon die Köpfe von hunderten ihrer Artgenossen zu einem Hügel sammelten. Dieter hasste den Geschmack der Gehirnflüssigkeit und das knackende Geräusch, mit dem die Augen aufplatzten, deshalb verzehrte er nicht die Köpfe. Einige Sekunden lang pumpte das Herz des Tieres noch Blut aus der Halsschlagader, und Dieter öffnete weit den Mund, um keinen Spritzer der köstlichen warmen Fontäne zu verpassen.
Er tat es wie gewohnt, nach der gleichen Zeremonie, wie in einem edlen Restaurant die Gänge serviert werden. Zuerst machte er sich an die Gliedmassen ran. Er liebte das hohle Knacken der Knochen, als er sie vom Körper abtrennte. Dann gruben sich seine Finger bis zum Handrücken ins Rattenfleisch hinein und rissen den Körper entzwei. Nachdem er genüsslich zuerst die erste, dann die zweite Hälfte verschlang, kaute Dieter noch einige Zeit auf den Knochen rum, bis sie absolut blank waren.

Dieter lehnte sich entspannt an das nasse Gemäuer. Er wollte schlafen, er hoffte von der Zeit davor zu träumen, von der glücklichen alten Zeit, als seine Welt aus mehr als einem dunklen Loch bestand. Aber es kam ganz anders.
Ein plötzliches scharfes Jucken überfiel ihn
Nein! Nicht schon wieder!
Halte durch, Dieter, das ist das letzte Mal!

und breitete sich rasend über den ganzen Körper aus.
Er wusste, was es war, und presste sich schluchzend an die Wand.
Hol die Schere bring mich um mach dem ein Ende will nicht leben!
Nein! Fass die Schere nicht an! Heute ist dein letzter Tag hier!

Mit jeder Sekunde wurde das Jucken unerträglicher, bis es in den puren Schmerz überging.
Seine Haut brannte, seine Zähne knirschten, seine Augen quollen aus ihren Höhlen heraus. Er fing an zu schreien und schrie, bis der Schrei in ein Heulen überging.
Tausende und Abertausende von harten, nadelartigen drei bis fünf Zentimeter langen Haaren sprossen in Sekundenschnelle wie kleine Bambusstämme durch alle seine Hautschichten, von innen nach außen, an jeder Stelle seines Körpers.
Hände… Rücken… Ferse… Wangen…kein Hautfetzen wurde verschont, jede einzelne Zelle wurde von den Haaren durchstoßen und schickte in ihrem Todeskampf unerträgliche Schmerzsignale.
Seine Haut wurde dunkelgrau – die Haare erreichten die Epidermis. Er heulte auf, er würde jede Sirene übertönen, wenn der Raum nicht von außen schalldicht gesichert wäre, als sie sein Fleisch zerrissen und durch seine Haut an die Oberfläche sprossen. Blut, vermischt mit einer ätzenden gelblichen Flüssigkeit sickerte aus den Tausenden von winzigen Wunden, und die blutverschmierten Haare kletterten erbarmungslos in die Höhe, Zentimeter um Zentimeter. Ein roter Nebel umhüllte Dieters Sinne, er war schützend, er ließ ihn abschalten, aber Dieter wusste, dass das Schlimmste noch kommen würde. Und es kam.
Als der Haarwuchs am Körper, am Gesicht, an den Beinen fast zu Ende war, und das teuflische Brennen wieder nachließ, spürte er das feurige Kribbeln in seinen Nasenhöhlen.
Bitte lass sie nach außen wachsen bitte bitte bitte lass sie nach außen wachsen!
Blut rann ihm in Strömen aus den Nasenlöchern, als die Haare die Innenwände der Nase durchsiebten. Sie wuchsen nach innen. Dieter schrie sich die Seele aus dem Leib, bis er nur noch keuchen konnte. Er griff sich an die Nase, seine Fingernägel schnitten tiefe Wunden in sein Fleisch, er zerriss sich die Nasenflügeln, er würde sich die ganze Nase abreißen, wenn er könnte, wenn er nicht kraftlos zusammensacken würde.
Während er ohnmächtig da lag und sein eigenes Blut schluckte, sprossen seine Nasenhaare weiter ins Innere hinein und machten erst dann halt, als sie auf den Knochen trafen, der die Nase vom Gehirn trennt. Wüchsen sie fünf Millimeter weiter, würden sie ein Teil von Dieters Gehirn durchsieben und in eine zähflüssige Masse verwandeln, die dann langsam aus den zerrissenen Nasenlöchern heraussickern würde.

Wach auf, Liebling, es ist vorbei!
Dieters Augen flatterten langsam auf. Er bemühte sich etwas zu sehen, aber er sah nichts. Natürlich, es war stockfinster, wie immer, aber er versuchte es trotzdem jedes Mal beim Aufwachen. Wenn man auch nur sechs Jahre seines Lebens im Licht verbracht hatte, ließ sich so was nicht abgewöhnen.
Wach auf, du hast heute noch was zu tun!
Er spürte einen erfrischenden Luftwirbel um sich herum, als ob ein unsichtbarer Schmetterling seine großen Flügel schlug, um seinen brennenden Körper zu kühlen.
Danke, Janine.
Komm, steh auf.

Dieter schrie auf, als er aufzustehen versuchte, denn die Haare an den Fersen bohrten sich tief in seine Füße. Er riss sie mit den Zähnen heraus. Dann stemmte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, um sich aufzurappeln, und fiel wieder schreiend hin, denn seine Rückenhaare wurden gegen die zerrissene, blutende Haut gedrückt und hebelten kleinere Fleischfetzen aus dem Rückengewebe. Trotzdem gelang es ihm aufzustehen. Wenn er sich sehen könnte und „Herr der Ringe“ kannte, würde er die verblüffende Ähnlichkeit zu Gollum erkennen, nur dass er aus jeder seiner Körperzelle blutete und von harten stachelartigen Haaren durchsiebt war.
Du weißt, was du zu tun hast, nicht war?
Ja, das wusste er. Er hinkte zum Heuhaufen und holte die Schere heraus. Sie hatte ihm schon mehrmals nach seinen Anfällen gedient. Heute würde sie das auch tun. Und noch etwas ganz anderes. Die Vorfreude ließ Dieter seinen Schmerz vergessen, und er machte sich daran, die Haare abzuschneiden.
Sehr viel Zeit verfloss, bis er damit fertig war, denn die Haare waren hartnäckig und die Schere stumpf. Nachdem die meisten ab waren, überfiel Dieter wieder dieses grässliche Jucken, das Jucken der Wunden, die sich zuschorften. Er würde sich am liebsten den Schorf mit den Fingernägeln vom Fleisch reißen, ihn abkratzen, ihn abbeißen, aber er wusste, dass der Schmerz danach noch schlimmer als der Schmerz beim Anfall war.
Dann tastete er sich wankend zum Tunnel vor. Er befand sich in der dritten Ecke seines Verlieses. In der ersten schlief er, in der zweiten waren die Rattenschädel. Die vierte hatte er nie betreten, denn
Geh nicht hin, ich warne dich, bleib von der Ecke fern!
Janine hatte es ihm verboten, und er wollte sie nicht zornig machen, nein, das wollte er wirklich nicht.

Er buddelte sich durch das Stroh hindurch, mit dem er den Tunnel jedes Mal nach getaner Arbeit sorgfältig zugedeckt hatte. Jetzt achtete er nicht mehr, wo er das Stroh hinschmiss, er würde es nie wieder einsammeln müssen.
Dieter legte den fünfzig Zentimeter breiten und steil ansteigenden Spalt frei und kroch es hinauf, bis es so eng wurde, dass er nicht mehr vorankam. Dann stieß er mit der Schere in die steinige Erde, löste Klumpen ab und beförderte sie nach unten, immer und immer wieder das gleiche, Zentimeter um Zentimeter legte er sich den Weg in die Freiheit frei.
Mach weiter, Sohn, mach weiter, gleich ist es so weit, mach weiter!
Dieter mochte es, von ihr „Sohn“ genannt zu werden, er steigerte das Tempo. Erde flog ihm ins blutverschmierte Gesicht, in den Mund, in die klaffenden verschorften Nasenlöcher, aber nichts hielt ihn auf, und nach irgendeinem Scherenstoß nach Tausend von solchen Stößen explodierte weißes Licht in seinen Augen. Es kam so überraschend und schmerzte so sehr, dass er die Schere fallen ließ und mit fest zugekniffenen Augen einen halben Meter zurück nach unten rutschte.
Janine schien das Licht nicht zu stören, er spürte, wie sie an ihm vorbei nach oben schoss.
Komm schon, mein Sohn, worauf wartest du? Wir sind frei!
Sehr langsam gewöhnten sich Dieters Augen an das Tageslicht, und er kroch langsam nach oben. Mühelos durchbrach er mit einigen Fausthieben die letzte dünne Erdschicht, kletterte hinaus und sank auf die Erde nieder.
Eine Flut von Informationen, die schon vergessen schienen, überschwemmte ihn. Dieter spürte das Gras unter sich, es war angenehm weich und saftig, irgendwo hörte er Wasser plätschern, ein Vogel zwitscherte etwas vor sich hin, eine Fliege summte an ihm vorbei, er nahm den Duft des Grünes wahr und den der Blumen, er spürte eine kühle Brise seine Haut tätscheln, er…
Er machte die Augen auf, und sie schmerzten ihm von der Buntheit und Prächtigkeit der Welt.
Das Blau des Himmels, das Grün der Wiese, das unerträglich helle Weiß der Sonne – er hatte das wiedergewonnen, was er schon vor langer, langer Zeit verloren hatte. So könnte er ewig da liegen, aber
Steh auf, du bist noch nicht fertig, du weißt, was du zu tun hast!
Janines bedrohliche Stimme riss ihn auf die Beine.
Klettere wieder rein und hol die Schere!
Nein ich will nicht da rein ich will nicht nein nie wieder nein!

Eine unsichtbare Hand schubste ihn am Rücken dem Erdloch entgegen!
Doch du wirst – das letzte Mal!
Ehe er sich versah, war Dieter schon auf dem Weg nach unten. Er rutschte aus, er rutschte mit dem Rücken den Spalt hinunter und riss sich den Schorf ab, der sich auf den Wunden bereits gebildet hatte. Dieter schrie, der Schmerz überschwemmte ihn, machte ihn verrückt, ließ ihn mit dem Kopf gegen die Tunneldecke schlagen, ließ ihm schwarz vor Augen werden, aber in zwei Sekunden war der Schmerz weg. Jetzt viel behutsamer, machte Dieter sich auf den Weg nach unten, bis er die Schere wieder fand. Jetzt, wo er die Welt da draußen gesehen hatte, konnte er es sich nicht mehr vorstellen, eine einzige Minute in diesem dunklen stinkigen Loch zu verbringen, nie wieder Loch, nie wieder Dunkelheit, und kletterte, so schnell wie möglich nach oben.
Als er mit den Scheren draußen war, spürte Dieter sanfte Berührungen an seiner Wange.
Guter Junge. Du willst doch deine Mutter nicht enttäuschen? Geh jetzt hin und erledige die Aufgabe, die dir bestimmt ist!
Zum ersten Mal sah sich Dieter um. Er fand sich im Vorgarten eines hübschen Einfamilienhauses wieder – wie gut er diesen Ort wieder erkannte, wo er doch so lange versucht hatte ihn aus seinem Gedächtnis zu löschen! – und schlich sich, die Schere fest in der Hand, ans Haus heran. Als er plötzlich eine alte Schaukel links von sich entdeckte, blieb er wie angewurzelt stehen. Tränen flossen ihm über die Wangen. Zitternd streckte er ihr die Hand entgegen, machte ein paar unsichere Schritte auf sie zu. Doch sie hielt ihn fest.
Nein, das lässt du schön bleiben!
Aber ich…
Du gehst ins Haus und tust, was du zu tun hast!
Aber ich…
Willst du denn wieder ins Loch gesteckt werden?
Nein, aber…
Diesmal wird´s keine Hilfe geben, diesmal wird´s für immer sein!

Dieter kehrte wieder um und schlich sich ans Fenster des Hauses. Es war dunkel da drin, aber er konnte ein schwaches blaues Flimmern im Inneren erkennen – es war ein Fernseher, wurde ihm bald bewusst. Geduckt, schlich er sich an der Wand entlang zur Hintertür – sie war offen.
Mit einem leisen Knacken
ging immer die Lücke auf und blendete ihn
ging sie auf und ließ ihn herein. Er befand sich nun im Flur. Alles kam ihm so bekannt vor und doch so fremd. Jeder Geruch weckte Erinnerungen, die Atmosphäre war so heimisch und doch erweckte sie einen Hass in ihm, der ihn alle seine Zweifel vergessen ließ.
Vorsichtig, ganz ruhig, sie dürfen dich nicht hören.
Lautlos schlurfte Dieter durch den Flur zum Wohnzimmer, dort, woher das bläuliche Flimmern kam. Jetzt hörte er den Fernseher.
„Die Geschichte, sie ist ein Rad, das sich nach zwei Pi wieder an der gleichen Stelle befindet…“, erzählte ein Mitglied des philosophischen Quartetts, als Dieter den Kopf durch den Türrahmen streckte und zwei mit dem Gesicht zum Fernseher und mit dem Rücken zu ihm gewandte Gestalten auf der Couch in dem abgedunkelten Zimmer sah.
Tue es! Töte sie! Töte sie beide! Worauf wartest du?
Er zögerte.
Werbung kam. Eine zeitlang Stille. Und dann:
„Hast du ihn heute gefüttert?“, fragte die Frau.
Der Mann explodierte.
„Ja, verdammt! Warum fragst du mich denn? Er ist ein Monster, er verdient es nicht mal gefüttert zu werden, er wäre doch froh tot zu sein, warum füttern wir die Missgeburt überhaupt, warum fragst du mich so was und vermiest mir die ganze Stimmung mit dem…“
Bevor sein Vater den Wutausbruch zu Ende schreien konnte, rammte Dieter die Schere in seinen Nacken. Blut spritzte auf den teuren Couchbezug, der Mann sank leblos in sich zusammen. Sofort war die Schere aus dem toten Körper entfernt und fuhr in die Höhe.
Jawohl! Genau! Das ist mein Sohn! Erledige sie!
Janines triumphierende Stimme hallte schrill in Dieters Kopf wieder.
Die blutverschmierte Schere fuhr wieder herunter, diesmal auf das erstaunte Gesicht der Frau, die das Geschehen mitverfolgte, aber nicht realisierte, was ihr gerade zustoß. Die Schere durchbohrte ihr Auge, durchbrach die Schädeldecke und zermatschte die linke Gehirnhälfte. Sie war auf der Stelle tot.
Dieter sank erschöpft auf den Boden. Auf einmal spürte er, dass Janine nicht mehr da war.
„Ich wurde frei, als ich aus dem Loch kam“, dachte er, “Aber sie wurde erst jetzt frei, da meine Eltern tot sind.“

Am nächsten Morgen entdeckte eine Nachbarin, die Zucker leihen wollte, dass die Hintertür des Hauses des Richters offen stand, und betrat neugierig das Gebäude. Als sie den ausgemagerten und blutverschmierten Jungen im Wohnzimmer liegen entdeckte, dessen Haut eine einzige Wunde zu sein schien, rannte sie in Panik weg und verständigte, als sie wieder zu sich kam, die Polizei. Die Polizisten waren in wenigen Minuten in vollem Aufgebot und mit Maschinenpistolen bewaffnet da und nahmen den Jungen widerstandslos fest, nachdem sie die Leichen auf der Couch entdeckt hatten.

„Ist ´ne hässliche Geschichte“, sagte Kommissar Wolf zu seinem Kollegen bei einem Drink in der Bar, „Stell dir vor, die Richterfamilie hat den Jungen sieben Jahre lang, seit, als er sechs war, die ersten Anzeichen seiner Mutation sich bemerkbar gemacht haben, in diesem Drecksloch gehalten. Sie haben ihn mit Abfall gefüttert, sodass er Ratten hatte essen müssen!
Wir haben in einer Ecke mindestens drei hundert Rattenschädel entdeckt! Sie haben das bloß getan, weil es ihrem Ruf schaden würde, wenn die Welt von ihm erführe.“
„Woher weißt du das alles? Sie können es dir ja nicht erzählt haben. Und der Mutantenjunge auch nicht, weil er sich in seiner Zelle umgebracht hatte.“
„Ja, er hatte sich mit den eigenen Fingernägeln die kehle durchgeschlitzt. Kurz, nachdem man das Licht in seiner Zelle ausgeschaltet hatte… Hatte wohl Angst im Dunkeln… Ich weiß das ganze von ihrem Hausarzt – der hat bei mir im Verhör gesungen - das Schwein hat all die Jahre alles gewusst und geschwiegen…“
Sie stießen ohne ein Wort zu sagen an. Kommissar Wolf bestellte die nächste Runde. Einen Moment Stille. Dann fuhr er fort.
„Das Merkwürdigste ist aber: Wir fanden da ein Skelett im Loch, in der entfernten Ecke. Wir konnten sie identifizieren – es war die Großmutter des Jungen, Janine Lehmann war ihr Name. Sie wurde vor etwa fünfzig Jahren als vermisst gemeldet, als sie schwanger war. In der Autopsie haben wir festgestellt, dass sie ebenfalls an dieser Mutation litt – deshalb wurde wohl auch sie hineingesteckt… Und das schaurigste ist, wir haben alte Bissspuren an ihren Knochen gefunden – das bedeutet, dass sie ihr Kind, das sie in dem Loch zur Welt gebracht haben musste, mit ihrem eigenen Fleisch ernährte. Neben den Bissspuren fanden die Leute von der Sicherung Spuren von einem spitzen metallischen Gegenstand, die zu der Tatwaffe, der Schere, passten. So hat sich die Mutter wohl das Fleisch von den Knochen abgekriegt um ihren Sohn zu füttern.“
„Und ihr Kind überlebte?“
„Ja, er musste gerettet worden sein. Er war Dieters Vater.“
„Und dann hatte er seinen eigenen Sohn ins Loch gesteckt, weil er diese Mutation hatte?“
Zustimmendes Nicken. Dann Schweigen.
„Ist schon komisch, die Geschichte. Sie ist ein Rad, und bei zwei Pi ist es wieder an der gleichen Stelle.“

 

Ach ja, das wollte ich noch hinzufügen:
Die Geschichte widme ich einem Freund von meinem Freund, der sicher nicht in diesem Zusammenhang genannt werden möchte. Er inspirierte mich zufällig zu dieser Geschichte, als wir in eine Disco wollten, und mein Freund mir über seinen Freund erzählte, dass bei dem jenigen eckelige Nasenhaare zu sehen waren.
:D :D :D

 

Hallo Roland,

erst einmal zwei formale Dinge:
"Die blutverschmierte Schere fuhr wieder herunter, diesmal auf das erstaunte Gesicht der Frau, die das Geschehen mitverfolgte, aber nicht resignierte, was ihr gerade zustoß."

Ich denke, du meinst "realisierte" und nicht "resignierte"

"“Aber sie wurde erst jetzt frei, als meine Eltern tot sind.“" Das Tempus passt nicht, es müsste entweder heißen: "Aber sie ist erst jetzt frei, da meine Eltern tot sind." oder "Aber sie wurde erst frei, als meine Eltern tot waren."

Zu deiner Geschichte: inhaltlich gefällt sie mir, aber an deinem Stil solltest du vielleicht noch ein wenig arbeiten:
"Es war Fleisch, er wusste es. Das erkannte er sofort am Geruch. Und es war nicht der Geruch des Fleisches, den er erkannte, es war der moderige, süßliche Geruch des grünlich grauen Schimmels darauf, an dem er das Fleisch erkannte."
Nettes Bild *hrhr, aber zu oft das Wot "Fleisch".
Auch ansonsten wirkt das ganze noch etwas holperig, der Schluß kommt wenig spektakulär daher, es ist entäuschend, dass sich das ganze in einem Absatz nur durch Wiedergabe des Polizisten aufklärt.

 

Hallo Dornenkind,
danke, dass du meine Geschichte gelesen und geantwortet hast.

Zu deiner Geschichte: inhaltlich gefällt sie mir, aber an deinem Stil solltest du vielleicht noch ein wenig arbeiten:
Da stimme ich dir vollkommen zu. Jetzt, wo ich die Geschichte wieder durchlese, merke ich, dass ich an der Umsetzung der Idee noch etwas arbeiten sollte. Wenn mir eine besserer Satz einfällt als der mit ´Fleisch´und ich mehr Zeit habe, schreibe ich einiges um.

Gruß
Roland

 

abgenutzt aber
Keine Sorge, sie werden ihren Zweck schon erfüllen.
abgenutztKOMMA; keine
Als sie den ausgemagerten und blutverschmierten Jungen im Wohnzimmer liegen entdeckte
abgemagert oder ausgemergelt; sag statt entdeckte
"Ja, er hatte sich mit den eigenen Fingernägeln die kehle durchgeschlitzt.
Kehle
Und das schaurigste ist
Schaurigste groß
Hi Roland,
man merkt, wer dich beeinflusst hat :D nicht nur an deinem Nick.
Sorry, is mir zu abgedroschen. Okay, das Motiv, sag ich mal, die Mutation ist neu, aber das Thema wurde schon zuhauf behandelt, sorry.
Alles nur geklaut! ;)
Deinen Stil finde ich hingegen ziemlich gut.
Bruder Tserk

 

Hi Tserk,
erstmals wieder danke fürs lesen und Kommentieren und die Fehlerliste. Die Fehler werde ich heute Abend in meinen drei von dir kommentierten Geschichten alle mal gleichzeitig ausmerzen.

Sorry, is mir zu abgedroschen. Okay, das Motiv, sag ich mal, die Mutation ist neu, aber das Thema wurde schon zuhauf behandelt, sorry.
Das stimmt, es gibt ziemlich viele Geschichten dieser Sorte. Aber die war für mich eine Art Schreibübung im Gedankenbeschreiben und Sachenbeschreiben und eben so ein kleiner Experiment.
Deinen Stil finde ich hingegen ziemlich gut.
Komisch, der andere Kommentator sagt genau das Umgelekrte. :)

Gruß
Roland

 

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