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Weiß - Rot

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24.09.2005
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Weiß - Rot

Ich starre sie an, unfähig zu reagieren auf das, was ich sehe. Anstatt ihr in die Augen zu sehen, ihr zu zeigen, dass ich für sie da bin, sie beschütze, blicke ich auf ihre Hände, die sich zitternd um die Stuhllehne krampfen. Er steht noch immer an der Couch, mit heruntergelassener Hose, die Brust entblößt, verwirrt über mein Erscheinen. Meine Existenz vielleicht. Ihre blasse Haut schimmert an einigen Stellen rot, dort, wo er sie berührt hat, stärker, als es Liebende tun.
„Jana...?“, stottere ich, weil ich nicht begreifen will. Sehe zu ihr, sie hat den Kopf gesenkt und das lange schwarze Haar hängt ihr ins Gesicht und verdeckt ihre Brüste.
„Wer sind Sie?“, fragt der Mann aufgebracht und zieht endlich seine Hose hoch.
Zuerst überlege ich, bin mir nicht sicher, was ich sagen soll. „Ich bin ihre Partnerin“, sage ich schließlich. Bei diesem Wort zuckt Jana zusammen, sieht auf, sucht meinen Blick, ich sehe Tränen in ihren Augen, ihre Lippen, die „Es tut mir Leid“ formen.
„Gehen Sie. Das hier geht Sie nichts an!“, fordert er und kommt auf mich zu. Ich kann seine Muskeln spielen sehen, an den Armen, am Bauch, er hat geschwitzt.
„Es geht mich sehr wohl etwas an“, erwidere ich entschlossen und spüre, wie sich meine eigenen Muskeln anspannen.
„Gehen Sie!“, schreit er, doch ich rühre mich nicht vom Fleck.
„Dina, bitte, geh“, bittet jetzt auch Jana.
Ich werfe ihr einen schnellen Blick zu. Ihr Gesicht ist aschfahl, ihre Lippen bleich, nackte Angst steht in ihrem Blick, nun zittern auch ihre Arme.
„Nein.“
„Ich gebe Ihnen fünf Minuten“, bringt er hervor.
„Ich rufe die Polizei.“
Als ob er damit nicht gerechnet hätte, bleibt er abrupt stehen. „Soso?“, fragt er nach. „Sie rufen also die Polizei?“
„Ja“, sage ich. Versuche, mein Handy zu finden, da ist er schon bei mir und schlägt mir die geballte Faust ins Gesicht. Kurz wird mir schwarz vor Augen, ich falle und das Handy rutscht mir aus den Fingern, verschwindet unter dem Sofa und ist nun unerreichbar. Der Mann packt mich an der Jacke und zieht mich hoch.
„Nein, bitte nicht!“, schreit Jana und will ihn von mir wegziehen, doch er stößt sie nur brutal zur Seite.
„Seien Sie nicht dümmer als Jana“, flüstert er dicht an meinem Ohr und ich kann seinen Schweiß riechen. Sein Atem geht schnell und ich weiß, er ist geil und wird mich nehmen, hier und jetzt und wenn nicht mich, dann nimmt er sich Jana. Er drückt mir die Arme auf den Boden, ich drehe den Kopf und kann Jana sehen, wie sie an der Wand sitzt, die Knie angezogen, mit weit aufgerissenen Augen auf mich starrend. Sie zittert am ganzen Körper.
„Es tut mir so Leid“, stammelt sie wieder.
„Halt die Klappe“, brüllt er sie an. Dann fügt er sanft hinzu: „Ist doch alles gut Mäuschen. Du weißt, ich muss erst sehen, ob sie auch gut für dich ist. Ich will nur dein bestes, das weißt du doch?“ Sein Gesicht wendet sich wieder mir zu, wässrige, blaue Augen sehen mir ins Gesicht und ich spucke ihn angewidert an. Sofort verpasst er mir eine Ohrfeige, bei der ich denke, dass ich diesmal wirklich ohnmächtig werde, Jana schreit, aber ich werde nicht ohnmächtig. Er nestelt an seiner Hose herum, die er grade wieder geschlossen hatte, hat sie bald geöffnet, wahrscheinlich hat er Übung. Ich hole einmal tief Luft, dann schnelle ich vor und küsse ihn. Verwundert weicht er erst zurück, doch dann erwidert er meinen Kuss, ich streichele seinen Rücken, seine Arme und merke, wie er sich entspannt. „Du weißt also auch, was richtig ist“, presst er hervor und öffnet gierig meine Bluse. Als seine Finger mich berühren habe ich Angst, dass ich mich übergeben muss, aber ich halte den Würgreiz zurück und versuche, ihn ganz sanft von mir runter zu schieben, wobei ich ihm mit der anderen Hand in die Hose greife. Er stöhnt auf und lässt es zu, dass ich ihn zuerst auf die Seite, dann auf den Rücken drehe und mich auf ihn setze. Kalt sehe ich auf ihn herab, greife nach der Nippesfigur, die auf der Kommode steht und schlage sie ihm mit voller Wucht gegen die Schläfe. Springe auf, mache mir nicht einmal die Mühe meine Bluse wieder zuzuknöpfen, sondern hocke mich vor Jana und streichele beruhigend ihr Gesicht. „Hey, ist ja alles gut. Ist alles gut, hörst du? Er wird dir nicht mehr wehtun, ganz bestimmt nicht. Jana?“
Endlich reagiert sie und sieht mich an. Ob sie realisiert, dass es vorbei ist? „Es tut mir Leid...“
„Es muss dir nicht Leid tun.“
„Aber ... er ... du ...“
„Es ist in Ordnung, hörst du? Es ist gut.“
Sie sieht mich stumm an, nickt und ich setze mich neben sie. Jana lehnt den Kopf an meine Schulter. Verdammich, wieso habe ich es nicht eher bemerkt, wieso habe ich es nicht gesehen? „Es ist nicht deine Schuld, Jana“, sage ich mit fester Stimme, um sie zu beruhigen. Sie fängt leise an zu weinen, ich streichele ihre Schultern, halte sie fest, küsse ihr Haar.
„Wie lange?“, frage ich irgendwann, Jana zuckt zusammen und ich bereue sofort, gefragt zu haben. Doch wider Erwarten antwortet sie doch. „Viele Jahre. Zehn. Vielleicht. Fünfzehn. Ich weiß es nicht. Ich habe es vergessen. Es tut mir Leid.“
„Nein, es muss dir nicht Leid tun. Jana, verstehst du das?“ Ich hebe sanft ihr Kinn an, so dass sie mir in die Augen blickt. „Ich liebe dich.“ Es klingt wie ein Versprechen. Sie lächelt und erwidert schlicht: „Ich weiß. Ich dich auch.“ Dann wird ihr Blick trüb und das Lächeln erlischt. „Er mich auch.“
„Nein, Jana, denk das nicht, niemals. Er liebt dich nicht.“
„Er hat es gesagt.“
„Würde er dich lieben hätte er dir das nicht angetan.“
„Aber...“
„Vertrau mir.“
Sie bricht wieder in sich zusammen, weint hemmungslos in meinem Schoss, krallt ihre Finger in meine Hose, zittert. Wieder das kleine Mädchen, wie damals, als ich sie im Park aufgelesen habe. Sie saß dort auf einer Bank, viel zu dünn angezogen, weinend, alleine und hilflos. Und ich war so dumm, mich zu ihr zu setzen, acht Jahre älter. Ich war besorgt um sie, die ich nicht kannte. Wie lange ist es jetzt her? Fünf Jahre vielleicht? Ja, sie muss vierzehn gewesen sein. ‚Du musst es doch wissen’, will ich sie anschreien. ‚Du musst doch wissen, dass er dich nicht liebt. Dass er dich ausnutzt. Verdammt, du bist 19, wieso hast du nichts getan?’
„Wieso hast du es mir nicht erzählt?“, frage ich stattdessen bloß tonlos.
Das Schluchzen wird etwas leiser, aber sie blickt nicht auf als sie antwortet. „Was hätte ich denn sagen sollen?“
„Vielleicht etwas in der Richtung, dass er dich missbraucht!“, fauche ich wütend und sie fährt erschrocken zurück. Mit weiten Augen starrt sie mich an.
„Du hättest mir nicht geglaubt.“
„Natürlich hätte ich dir geglaubt.“
„Nein“, erwidert sie unter Tränen. „Hättest du nicht. Niemand hat mir geglaubt, niemand.“
Ich stutze. „Du hast es erzählt? Wem hast du es erzählt, Jana, wem?“
„Ist doch nicht wichtig“, resigniert sie und tastet nach ihrem Pullover, den sie sich hastig überstreift. „Nichts ist mehr wichtig. Ich habe dich verloren.“
„Was redest du? Jana?“ Schnell stehe ich hinter ihr und ziehe sie an mich.
„Fass mich nicht an, Dina. Ich bin schmutzig.“
Und wie sie das sagt weiß ich, wieso sie mir nichts erzählt hat. Ich erinnere mich noch an den Abend, an dem wir uns gegenseitig beichteten, dass wir auf Frauen stehen. Sie meinte, sie wäre sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht bi wäre und ich erwiderte heftig, ich würde niemals mit einer Frau schlafen, die schon mit einem Mann geschlafen hat. Es war bevor wir zusammen gekommen sind. Es war bevor ich wusste, dass ich alles für sie tun würde.
„Oh Gott, Jana, so meinte ich das doch nicht.“
Sie reißt sich los und weicht von mir zurück. „Komm nicht näher. Du sollst nicht...“ Doch ich packe sie sanft am Arm, ziehe sie zu mir uns küsse sie. Ich spüre, wie verkrampft sie ist, doch dann lockert sie sich plötzlich und beginnt wieder, heftig zu weinen. Ich wiege sie hin und her und beteuere wieder: „Ich liebe dich!“ Eine Weile stehen wir da, sie weint und ich tröste sie. Dann gibt sie sich auf einmal einen Ruck und richtet sich kerzengrade auf. „Wir sollten jetzt die Polizei rufen.“
Erstaunt über ihre Entschlossenheit nicke ich nur und krabbele auf der Erde herum, um das Handy hervorzuholen. Sie hat kein Telefon in ihrer Wohnung. Es dauert nicht lange, bis die Beamten hier sind. Sie wecken den Mann, den ich bis jetzt nur von Fotografien kannte. Als sie ihn abführen ruft ihm Jana hinterher: „Tschüss, Papa.“

 

Hallo obedience,

so gut die Geschichte auch geschrieben ist, bin ich mir doch nicht sicher, ob der Missbrauch durch den Vater etwas ist, das man heutzutage noch als "Pointe" bringen kann/muss. Zum Glück hat sich das Thema schon zu sehr in unseren Köpfen festgesetzt, ist nicht mehr so tabuisiert. Für eine Geschichte heißt das. Der beabsichtigte Schockeffekt bleibt aus. Letztlich weiß man die ganze Geschichte über, dass von dem Vater die Rede ist.

Anstatt ihr in die Augen zu sehen, ihr zu zeigen, dass ich für sie da bin, ich sie beschütze, blicke ich auf ihre Hände, die sich zitternd um die Stuhllehne krampfen.
greife nach der Nippäsfigur, die auf der Kommode steht und schlage sie ihm mit voller Wucht gegen die Schläfe.
Nippesfigur

Das war aber auch schon alles, was ich zu meckern hatte. ;)
Die Geschichte ist spannend geschrieben, lässt sich gut lesen, ist vom Plot her routinierte "Inzestware", die das Grauen in den üblichen Bildern darstellt.
Das ist durchaus glaubwürdig.
Ein unterschied liegt in der gegenwärtigen Bezíehung und vor allem in dem dummen Ausspruch, der zu Beginn dieser Beziehung einmal stattgefunden haben muss. Gibt es lesbische Frauen, die so denken?

Lieben Gruß, sim

 

@sim: hey, dankt für dein kommentar. ja, das thema ist wohl schon oft behandelt worden. ich hatte grade ein buch darüber gelesen und es hat mich so mitgenommen, dass ich es irgendwie rauslassen musste. dass vorher schon klar ist, wer er ist, war beabsichtigt. ich wollte mehr herausstellen, dass sie ihn immer noch so anredet. huh, der fehler mit nippäs ist mir irgendwie peinlich. mein word hat es in der vorigen version angestrichen und ich dachte: häh, wird das nicht mit e geschrieben, aber dann habe ich meinem word geglaubt. fehler.
bestimmt gibt es lesbische frauen, die so denken. ich meine, kann man natürlich nicht genau wissen, aber für manche ist es schwerer, wenn zb ein kerl ihr die freundin ausspannt, als eine andere frau. von daher sollte das einfach zeigen, dass sie eben nicht mit einer bisexuellen zusammen sein möchte. aber vll ist das auch unrealistisch. ich werde mich mal umhören

 

Hallo obedience,

ich habe eine ähnliche Einschätzung wie sim. Die Geschichte ist gut geschrieben, Atmosphäre und Gefühle werden gut vermittelt. Einzig der Übergang zwischen dem ins Gesicht spucken und dem Küssen des Vaters ging mir zu schnell, da kam ich nicht mit.

Natürlich ist es keine Überraschung, dass es um den Vater geht. Als Pointe hätte es mir auch nicht gefallen. Ich gehe sogar so weit, zu fragen, ob du den letzten Satz nicht ganz streichen willst? Die Geschichte braucht ihn eigentlich nicht.

Sie wecken den Mann, den ich bis jetzt nur von Fotografien kannte.
Bis zu diesem Satz hat mich meine Frage, woher nur sie weiß wer er ist, aber umgekehrt nicht, beim Lesen gestört. Könntest du dieses Erkennen von den Fotos nicht irgendwo eher unterbringen?

Thematisch hat mich deine Geschichte nicht ganz so beeindruckt, da das Thema nicht mehr viel Außergewöhnliches hat. Macht aber nichts, da sie gut geschrieben und umgesetzt ist.

Viele Grüße,
Juschi

 

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