- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Wenn alles schief läuft (oder Geschichte eines Traums)
Wenn alles schief läuft
Es war dunkel in der Stadt. Fast schon zu dunkel. Er saß in seinem Büro, was ihm gleichzeitig als Einsatzzentrale diente. Schlicht eingerichtet, aber dafür höchst zweckmäßig ausgestattet. Der Anrufbeantworter blinkte. Er bewegte seinen schweren Leib zum Telefon und drückte auf den Knopf. Als die Meldung abgelaufen war, wusste er, was es zu tun gab. Ein Notruf aus der Nordstadt. Eine junge Frau wurde zu Hause von ihrem Exfreund bedroht. Ein wichtiger Einsatz wartete auf ihn. Er ging zum Spind, welcher sich auf dem Flur befand und zog seinen schwarzen Anzug an. Zu seiner Verwunderung, passte er nicht mehr. Er hatte Mühe, den Einteiler über seinen enorm angewachsenen Bauch zu ziehen. Als er eingekleidet war, betrachtete er sich im Spiegel. Er sah keinesfalls wie ein Superheld oder ein Retter der gepeinigten Menschheit aus. Ihm kam es so vor, als sei er ein großes Stück Fleischwurst, welches in eine viel zu enge Hülle gepresst worden war. Er schaltete sein Handy ein und hinterließ eine Textnachricht für seine Kollegin. Er würde gleich vor ihrer Tür stehen.
Mit schnellen Schritten begab er sich in die Garage. Seid wann trug er eine Brille? Alles sehr verwunderlich. Das Auto, welches er dort vorfand, entsprach auch nicht seinen Vorstellungen. Anstatt dem gewohnten schwarzen Flitzer mit 500 PS, fand er eine alte, klapprige Kiste aus der ehemaligen DDR vor. ‚Trabant Turbo’ stand auf der Motorhaube. Er setzte sich in das Fahrzeug und suchte die Automatikschaltung. Alles was er fand, war eine alte, ausgeleierte Gangschaltung mit vier Gängen und Rückwärtsgang. „Diese ewigen Sparmaßnahmen“, fluchte er, als er aus der Garage fuhr und auf die Straße abbog. Einige Kilometer musste er zurücklegen, um bei seiner Kollegin anzukommen. Doch der Wagen enttäuschte ihn. Die Höchstgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern reichte gerade einmal dazu aus, einen Viehtransporter zu überholen. Was war nur geschehen?
Als er vor dem Haus seiner Kollegin anhielt, wurde die ganze Situation immer perplexer für ihn. Was war mit ihr geschehen? Ihre langen, blonden Haare waren kurz geworden, um genau zu sagen, sie hatte eine Glatze bekommen. Außerdem war ihr makelloser Körper stark verändert. Konnte es sein, dass sie innerhalb eines Tages fast 90 Kilo zugenommen hatte?
Bei ihr schien alles noch viel extremer, als bei ihm selber verlaufen zu sein. Sie bekam ihren roten Anzug noch nicht einmal mehr zu, so dass aus dem Reißverschluss am Rücken ein riesiges Stück Fleisch herausragte. Als sie sich zu ihm in den Wagen setzte, wurde das Bodenblech fast 3 cm in Richtung Asphalt gedrückt. Doch er ließ sich nichts anmerken. Mit Tempo 60 bewegte er sich auf den Ort zu, den seine unbekannte Klientin auf dem Anrufbeantworter angegeben hatte. Als sie das Haus erreichten, setzten beide ihre Masken auf. Sie stürmten auf die Eingangstür des Appartements zu. Er trat die Tür ein. Ein höllischer Schmerz zog von seinem rechten Fuß über die Wirbelsäule bis in seinen Kopf. Was war nur los? Er blickte in die Küche. Dort saß eine zusammengekauerte, junge Frau in der Ecke neben dem Kühlschrank. Ein Mann, der ihr Exfreund zu sein schien, stand auf dem Tisch und bedrohte sie mit vorgehaltener Pistole. „Da sind sie ja endlich, Herr Batman!“ rief die Frau erwartungsvoll. Als er seine Waffe aus dem Gürtel ziehen wollte, fand er nichts anderes als eine alte Banane. Der Mann auf dem Tisch lachte und feuerte mit seiner Pistole auf die Brust von Batman, der wie entgeistert auf die Banane starrte. Als die Kugeln in seine Brust einschlugen, schrie er lauthals auf.
Plötzlich öffnete sich die Tür seines Schlafzimmers. Die vertraute Stimme seiner Mutter sprach zu ihm:
„Pierre, was ist den wieder los? Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht immer diese gewalttätigen Serien gucken sollst, bevor du schlafen gehst. Die sind nicht gut für dich.“