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Wenn das Licht ausgeht
Aufgeregt knipste Simon die Taschenlampe unter seiner Bettdecke an. Mit leuchtenden Augen schlug er das Buch auf, das er sich heute Nachmittag heimlich aus dem Bücherregal seiner großen Schwester genommen hatte: „ Im Blutrausch“. Zufällig hatte er mitbekommen, wie Lara ihrer besten Freundin am Telefon davon erzählt hatte: „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen nachdem ich angefangen hatte es zu lesen – ehrlich, ich hab mir fast in die Hose gemacht!“. Seitdem brannte Simon darauf, das Buch selber in die Finger zu bekommen. Allerdings hätte seine Mutter nie erlaubt, dass er so etwas lesen würde. Denn was für seine 18jährige Schwester völlig ok war, das war für Simon noch lange nicht das Richtige – das war zumindest ihre Meinung. Simon grinste. „Sie hätten mir halt die Taschenlampe nicht zum letzten Geburtstag schenken sollen. So merken sie auf keinen Fall, dass ich mir eines von Laras Büchern geliehen habe.“ Aufgeregt schlug er die erste Seite auf und begann zu lesen…
Simons Herz raste. Jetzt wusste er, was seine Schwester gemeint hatte. Schon gleich zu Beginn der Geschichte war eine junge Familie grausam von einer Horde Vampire abgeschlachtet worden. Schnell schlug er das Buch wieder zu. Vielleicht sollte er besser morgen weiterlesen, im Hellen. Es war ja schließlich schon spät. Und seine Eltern wären sicher böse, wenn sie ihn erwischen würden. Ja, genau, er sollte jetzt besser schlafen. Simon legte das Buch weg, knipste die Taschenlampe aus und zog die Decke fest bis unter sein Kinn. „Ganz schön dunkel ist es auf einmal“, dachte er. Schnell machte er die Augen zu. „Schlaf einfach ein, und denk nicht mehr an das Buch“, sagte er sich. „Das ist schließlich nur eine Geschich… „ Aber Moment! Hatte er da nicht ein Geräusch gehört? Ein leises Kratzen, als wäre jemand an der Hauswand entlang gestrichen? Simon zog die Decke noch ein Stück höher. „Sei nicht albern“, redete er sich ein. „Du bist zehn Jahre alt und hast ja jetzt wohl keine Angst, nur wegen dieses blöden Buches!“ Angestrengt horchte er ins Dunkel. Nein, da war nichts. Er musste sich das nur eingeredet haben. Ganz bestimmt.
Simon kniff seine Augen noch etwas fester zu und versuchte, an etwas anderes zu denken. „Schlaf jetzt gefälligst ein! Es gibt keine Vampire.“ Schnell drehte er sich zur Wand, zog sich die Bettdecke bis an die Stirn und kauerte sich fest zusammen. Unter der dicken Daunendecke wurde ihm heiß, schon rann ihm der Schweiß an seinem Körper herunter. Aber das war ihm egal. Auf gar keinen Fall würde er die Bettdecke auch nur einen Millimeter nach unten ziehen. Plötzlich fuhr Simon zusammen. Diesmal hatte er etwas gehört, da war er sicher. Ein Geräusch, als würde jemand vorsichtig an seinem Zimmerfenster rütteln. Simon schauderte. Das musste der Wind gewesen sein. Ganz sicher. Aber er würde sich jetzt auf keinen Fall umdrehen, um das herauszufinden. Und darum sah er auch den dunklen Schatten nicht, der draußen vor seinem Fenster stand. Und auch nicht die roten Augen, die ihn mit gierigem Blick anstarrten.