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Serie Wenn Liebe lebt

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29.12.2013
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Wenn Liebe lebt

Karsten saß nur da und regte sich nicht.
„Na los, geh schon zu ihr“, forderte Olaf ihn auf.
Seine Augen wurden trüb.
„Sie hat eindeutig dich gemeint.“
„Ich kann nicht.“
„So einfach hast du selbst als Student damals keine abgeschleppt.“
„Ich kann nicht!“
„Ach was“, winkte Olaf ab. „Ich bestell dir jetzt noch einen Drink.“
„Nein.“
„Und dann gehst du da rüber und machst das gleiche bei ihr: Du bestellst ihr einen Drink. Und dann läuft das schon.“
„Ich kann nicht“, sagte Karsten, stand auf und ging aus der Bar.

***

Karsten hing im Sessel, hatte die Beine auf dem Wohnzimmertisch und das Loch, aus dem der Zeh aus der Socke lugte, war etwas zu klein, so dass sich langsam ein Gefühl von Taubheit ausbreitete.
„Maaan“, brummte er, hievte sich hoch und zog die Socke über den Zeh. Dabei griff er das Whisky-Glas und ließ sich wieder in den Sessel fallen. Er nahm einen Schluck und suchte die Fernbedienung.
„Man“, sagte er diesmal laut, als er sie hinter seinem Fuß auf dem Tisch entdeckte.
„Dann eben nicht“, grummelte er, schloss die Augen und lehnte den Kopf an. In Gedanken sah er sich in der Bar mit Olaf und die schöne Unbekannte lief an ihnen vorbei. Als sie sich umdreht, erkennt er das Gesicht seiner Frau. Sie lächelt. In dieses Lächeln hatte er sich vor zwölf Jahren verliebt. Karsten lächelte auch.
Nach einer Weile öffnete er die Augen und sah direkt über ihm, an der Decke, einen Spinnenfaden herunterhängen. Sein Blick schweifte umher und er sah Spinnenweben in den Ecken und Kanten. Er setzte sich auf.
Sein Zeh schaute wieder aus der Socke heraus.
Unter dem Schrank entdeckte er Staubflusen. Auf dem Tisch und Boden lagen Pizzaschachteln.
Ich hatte doch letztens erst aufgeräumt, dachte er.
Es klingelte.
Er stand auf und machte die Tür auf.
„Ey Alter, du bist ja noch gar nicht angezogen“, entgegnete ihm Olaf, der sich die Schuhe auszog und im Wohnzimmer den Fernseher anmachte.
Karsten stand fragend in der Tür.
„Na los doch, geh duschen!“, befahl Olaf vom Sessel aus. „Ich werde so lange was gucken.“
„Waren wir heute verabredet?“
Olaf machte den Fernseher leise. „Du bist seit Wochen das Elend in Person. Ich werde nicht zulassen, dass du hier vergammelst. Also werden wir jedes Wochenende ausgehen, bis du wieder bei Sinnen bist.“
"Aber ..."
"Ich weiß. Aber das ist jetzt fast zwei Jahre her. Du hast genug getrauert, glaub mir."
Karsten ging ohne ein weiteres Wort ins Bad.
Nachdem er sich eingeseift und abgespült hatte, stand er bis zu den Knöcheln im Wasser. Er trocknete sich ab, zog sich an und schaute in die Dusche: das Wasser lief immer noch ab. „Drecks-Siphon“, murmelte er. Dann ging er ins Wohnzimmer.

„Ich komme nicht mit.“
„Was?“, monierte Olaf.
„Du willst mich doch nur verkuppeln.“
„Na und? Was ist denn dabei?“
„Meine Frau ist tot.“
„Ja. Genau deshalb will ich dich ja hier rausholen.“
„Mir geht’s gut. Danke, dass du dir Sorgen machst.“
„Komm schon, du musst wieder unter die Leute.“
„Meine Frau ist tot“, sagte Karsten leiser.
„Du kommst mir jetzt nicht mit Good Will Hunting!“
„Kennst Du den Witz, wo …“
Olaf wartete.
„Wo die Frau aus dem Bad kommt und verschmitzt zu ihm sagt: Ich habe mich gerade rasiert, weißt du, was das bedeutet?“
„Nein“, sagte Olaf leicht genervt.
„Daraufhin verdreht er die Augen und sagt: Klar, das bedeutet, dass ich den Siphon wieder sauber machen muss.“
Olaf lächelte kurz. „Oh, du wirst witzig. Das ist gut. Lass uns gehen.“
„Ich komme nicht mit“, sagte Karsten, ging in den Flur und öffnete die Tür. „Bitte geh jetzt!“
„Was?“, entrüstete sich Olaf. „Ich werde Dich an einem Samstagabend nicht mehr allein lassen.“
„Bitte, Olaf!“
„Warum?“
„Danke, dass du mich duschen geschickt hast. Aber ich habe heute noch etwas vor.“
„Na gut“, lenkte Olaf ein. „Aber nur, weil du was vorhast. Alleine abgammeln lasse ich nicht mer gelten.“
„Das geht in Ordnung“, sagte Karsten und reichte Olaf die Hand.
Olaf schlug ein und ging.
Karsten schloss die Tür und blieb einen Moment im Flur stehen. Dann ging er ins Bad und fing an, den Siphon sauber zu machen.

 

Hi @pantoholli

Karsten hat eindeutig den Verlust noch nicht überwunden. Da wäre interessant zu wissen, wie lange sie tot ist.
Das mit dem Loch im Socken, das Spinnennetz, die Aufforderung, zu duschen und die leeren Pizzakartons zeigen, dass Karsten sich etwas hängen lässt. Vielleicht ein wenig zu viel für den kurzen Text. Eines davon und ggf. ein ungepflegtes Äußeres (Dreitagebart, zotteliges Haar) hätte für die Kürze bestimmt gereicht.

Formal denke ich, dass der Text gut zur Flash Fiction passt.

Textkram:

„So einfach hast du selbst als Student damals keine abgeschleppt.“
Ziemlich umständlicher Satz. Vielleicht umdrehen/ändern?
"Selbst als Student ..."

„Ach was“, winkte Olaf ab. „ich bestell dir jetzt noch einen Drink.“
ab, "ich ...
oder: ab. "Ich ...

„Ich kann nicht“ sagte Karsten, stand auf und ging aus der Bar.
nicht", sagte

Maaaaan“, brummte er,
Maaan (i.d.R. max. drei Vokale)

„Man!“, sagte er diesmal laut, als er sie hinter seinem Fuß auf dem Tisch entdeckte.
„Dann eben nicht“, grummelte er,
Ausrufezeichen und "laut" ist doppeltgemoppelt.
Wofür der Zeilenumbruch?

„Dann eben nicht“, grummelte er, schloss die Augen und lehnte den Kopf an. Er dachte an den Besuch in der Bar mit Olaf, an die Unbekannte und an seine Frau.
Nach einer Weile öffnete er die Augen und sah direkt über ihm, an der Decke,

Auf dem Tisch und Boden waren Pizzaschachteln von vier Bestellungen.
Denkt er echt an die Zahl Vier?
Vielleicht: "Pizzaschachteln der vergangenen Woche."

„Ich hatte doch letztens erst aufgeräumt“, dachte er.
Würde Gedanken nicht wie wörtliche Rede darstellen, sondern bloß kursiv.

Er stand auf und machte die Tür auf.
„Ey Alter, du bist ja noch gar nicht angezogen“, entgegnete ihm Olaf, der sich die Schuhe auszog und im Wohnzimmer den Fernseher anmachte.
"entgegen" passt m.E. nicht ganz.
Ist ja eher so etwas wie antworten oder reagieren, aber Karsten sagt oder macht ja nix.

„Danke dass du mich duschen geschickt hast.
Danke, dass

Dann ging er ins Bad und fing an, den Siphon sauber zu machen
Ja, er ist noch voll in Gedanken bei seiner verstorbenen Frau.

Gefällt mir gut, könnte aber auch noch ausgebaut werden.
Und schön, wie sich sein Freund um ihn kümmert. So einen kann man immer gebrauchen.
Da fällt mir gerade ein, dass die Geschichte aus der Sicht von Olaf sicher auch interessant wäre. Weil da vielleicht auch besser der Stumpfsinn, das bedrückende Gefühl, das Karsten auslöst, gezeigt werden könnte. Also nicht bloß ein Zeigen wie aktuell, sondern die Auswirkungen auf andere.

Wünsche dir einen tollen Sonntag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @GoMusic

ich hab mich über Deinen Kommentar sehr gefreut :)

Karsten hat eindeutig den Verlust noch nicht überwunden. Da wäre interessant zu wissen, wie lange sie tot ist.
12 Jahre verheiratet und seit 2 Jahren tot. mhm - ich hatte das so fest im Kopf - und so oft in den "Notizen" zum Text stehen, dass mir das völlig klar ist. Aber dann hatte irgendwie keine Stelle im Text gepasst das einzubauen, ohne dass der Diralog dan "gekünstelt" wirkt. mhm - Ich überlege nochmal, on ich das irgendwo einflechten kann, ohne das es so "informativ für den Leser" aussieht.

Die formalen Kleinigkeiten habe ich gleich korrigiert.

dachte ... an ... an ... an ...
Ich habe das an-denken entfernt - Danke für den Tipp.

"entgegen" passt m.E. nicht ganz.
Ist ja eher so etwas wie antworten oder reagieren, aber Karsten sagt oder macht ja nix.
Für mich drückt das "entgegnete" aus, dass er ihm durch die Tür gleich "entgegen" kommt und wollte mit dem Wort nicht das "Antworten" auf etwas, sondern die Bewegung des Hereinkommens (Als Antwort auf das Tür öffnen) ausdrücken.

Formal denke ich, dass der Text gut zur Flash Fiction passt.
Das mag sein. Ich bin mir bei der Kategoriesierung eher unsicher.

Da fällt mir gerade ein, dass die Geschichte aus der Sicht von Olaf sicher auch interessant wäre.
Das stimmt - gute Idee. Passt aber nicht zu meinen "Wenn Liebe ..."-Texten. Da will ich mit den Protagonisten schon an jemandem bleiben, der "betroffen" ist.

Gefällt mir gut, könnte aber auch noch ausgebaut werden.
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!
Schöne Woche!viele Grüße
pantoholli

 

Hallo @pantoholli

12 Jahre verheiratet und seit 2 Jahren tot. mhm - ich hatte das so fest im Kopf - und so oft in den "Notizen" zum Text stehen, dass mir das völlig klar ist. Aber dann hatte irgendwie keine Stelle im Text gepasst das einzubauen, ohne dass der Diralog dan "gekünstelt" wirkt.
Es gibt da ja Jubiläen bei 12 und 12,5 Jahren. Vielleicht kannst du ja eine Erinnerung daran einbauen.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Danke @GoMusic
das hat mir Anstoß gegeben, das noch einzuflechten.
Ich habe die Daten beim An-Denken ;) und im Dialog eingebaut.

Ich denke, dass ist nicht zu platt informativ ;)

Danke.

 

Hallo @pantoholli ,
dein Text ist ganz nett. Nicht originell, aber solide geschrieben. Beim ersten Lesen bereitete mir der angedeutete Witz von Karsten etwas Kopfschmerzen, da ich es als inkonsequente Darstellung seiner Stimmung gehalten hatte. Beim zweiten Mal kam es dann aber besser rüber.
Gruß:)

Ansonsten fiel mir nur noch etwas Kleines auf:

Als sie sich umdreht, erkannte er das Gesicht seiner Frau.
Hier ist der erste Satzzteil im Präsens, der zweite im Präteritum. Auch wenn es nur im Traum ist, finde ich es etwas unstimmig.

 

Hallo @Pepe86

Aber: "Als sie sich umdrehte" geht irgendwie garnicht :D
im Ernst: Das mit den Zeitformen ist mir auch schon beim Schreiben aufgefallen. Im nächsten "Sie lächelt." habe ich es ja noch komprimierter im Präsens. Ich dachte mir, ich lass es erstmal so, als Stilmittel, dass ihm im Gedenken an seine Frau für ihn die Zeit keine Rolle mehr spielt.
Bin mir noch unschlüssig....

Danke für Deinen Kommentar.

Gruß
pantoholli

 

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