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Wichtige Informationen zur Lage der Freiheit
Ich verlasse den Club, es ist schon hell und die Vögel zwitschern. Mein Schädel brummt.
Einige Stunden früher hielt ich es für ein gute Idee, mit dem Fahrrad zu fahren.
Falsch.
Das Schutzblech kratzt am Reifen, ich trete in die Pedale. An einer Ampel muss ich bremsen, das Quietschen fühlt sich an wie ein Besuch beim Zahnarzt.
Ich fahre weiter, die Sonne geht auf, aber schwarz bleibt schwarz.
Die Fahrradkette springt vom Ritzel und ich muss anhalten.
Ein Penner schaut kurz zu mir herüber. Er sieht aus, wie Penner eben aussehen. Er hat eine Flasche Wodka in der Hand, sie ist leer - er scheint es noch nicht bemerkt zu haben - und führt sie immer wieder zu seinen Lippen.
Seine ganze Habe befindet sich in einem Einkaufswagen.
Seine Kleidung scheint lebendig zu sein und wartet sehnsüchtig auf Spenderorgane.
Er schaut mir zu, während ich mich mit meiner Kette abmühe.
Er schaut wieder weg, bemerkt das seine Flasche leer ist und wirft sie auf die Straße.
Wenig später schaffe ich es, die Kette wieder einzulegen, ich kann weiterfahren.
Eine Bäckerei hat bereits geöffnet, ich folge dem Geruch von frischen Backtriebmitteln und
Emulgatoren.
Ich nehme mir einige Brötchen.
Der Penner schaut zu mir herüber. Ich fülle noch eine Tüte mit belegten Brötchen.
Ich bezahle, gehe hinaus auf die Straße, drücke dem Penner die Tüte in die Hand.
Aus keinem besonderen Grund- einfach weil ich es kann.
Er bedankt sich und sagt ich sei ein guter Mensch.
Gierig isst er die Brötchen, es ist kein schöner Anblick. Das meiste bekommen die Tauben.
Ich steige auf mein Fahrrad.
Ich fühle mich gut, ich habe etwas Gutes getan.
Doch die kleine Maude Shuffle in meiner Hosentasche holt mich zurück und spielt Keep on rockin' in a free world.
Ich bin wütend.
Ich fahre schneller, meine Wut verfährt nicht.
Mein Schädel brummt immer weiter, Realitätsflucht macht einen üblen Kater.
Ich denke an den Penner, er ist frei.
Einige Stunden später verlasse ich mein Bett.
Ich schalte meine Spielkonsole ein.
Wenig später tritt ein grimmig aussehender Serbe einem Penner ins Gesicht, aus keinem besonderen Grund- einfach weil er es kann.
(c) 2009 Johannes Fries