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Wie ein Star

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21.11.2019
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Anmerkungen zum Text

Angelehnt an den derzeit katastrophalen Zustand der koreanischen Musikindustrie und in Gedenken an die durch Selbstmord verstorbenen Stars in 2017 und 2019, auf dass diese Industrie endlich zur Vernunft kommen möge.

Wie ein Star

Ein Junge, keine vierzehn Jahre alt, gehörte zu der Sorte junger Menschen, die einst mit großen Hoffnungen in das mehrstöckige moderne Gebäude mitten im Herzen der koreanischen Hauptstadt Seoul getreten waren.
Er war kein Einzelfall; vielmehr einer von vielen, deren Träume oft von Leidenschaften, manchmal von Talenten, selten von beiden entfacht und Hoffnungen von Müttern genährt wurden.
Die Kinder träumten von Bühnen und Beifall, die Mütter hofften auf Erfolg und Reichtum, die Väter warteten sehnsüchtig auf ihren Feierabend.
Dieser Junge hatte auch Hoffnungen, aber nur im kleinen Stil. Er wollte sich bei einem Casting beweisen, Anerkennung bekommen, gefördert werden, lernen.
Doch dafür musste er zuerst an der Konkurrenz vorbei, um einen Ausbildungsplatz an eines der renommierten Plattenfirmen Südkoreas zu erhalten.
Kaum, dass er in die Vorhalle getreten war, verschlug ihm der glamouröse Anblick den Atem. Glitzernde Marmorböden erstreckten sich unter seinen Füßen, über ihm eine hohe Decke mit hell erleuchteten Kronleuchtern. Die Wand gegenüber bestand zum Großteil aus LED-Displays und präsentierte die Musikvideos der Sänger und Bands, die bei dieser Plattenfirma unter Vertrag standen.
Auf der rechten Seite war eine Art Lounge mit Bar und vielen Sitzgelegenheiten, dem gegenüber befand sich die Empfangstheke, zu der er vorsichtig und eingeschüchterter denn je hin tapste. Die Rezeptionisten lächelte ihm freundlich zu und wies ihm den Weg. Seine Nervosität hielt sich noch in Grenzen, doch nach zwei Korridoren und drei Türen sah das beim Anblick all seiner Mitstreiter wieder ganz anders aus.
So beeindruckend das Foyer alleine schon sein mochte, es war dennoch kein Vergleich zu dem aufgeregten Herzklopfen, das er angesichts der rappelvollen Halle bekam, in die er schließlich vorsichtig hineintrat.
Etliche andere Kinder füllten den riesigen Raum. Waren es vielleicht hundert? Oder mehr? Manche waren deutlich jünger als er, andere schon älter und fast ausgewachsen. Es hatten sich Grüppchen gebildet, von denen der größte Lärm ausging. Gesang drang aus jeder Ecke, einige übten ihre Choreographie nochmal ein, manch anderer saß oder stand an eine Wand gelehnt und schien alles andere auszublenden.
Nervös wischte er sich die schwitzigen Hände an seiner Hose ab und versuchte tief durchzuatmen, doch das leichte Zittern wollte nicht aus seinem Körper weichen. Erst nachdem er aufgerufen wurde und sein Talent vorstellen durfte, übertrumpfte das Gefühl der aufgeregten Euphorie die Nervosität, als ihm verkündet wurde, dass er ausgewählt wurde. Er konnte es kaum fassen, als er den Casting-Raum verließ, wollte der Freude in seiner Brust Luft machen, spürte sein Herz gegen seine Rippen klopfen, als ob es ausbrechen wollte, versuchte sich vorzustellen, was ihn alles erwarten würde, als er jäh vom Personal vor den Türen abgeholt und zur Rezeption geführt wurde, um sein Vertrag unterschreiben zu können. Er schwelgte in süßen Träumereien von seiner unbekannten Zukunft, konnte es kaum abwarten, das stolze Gesicht seiner Mutter zu sehen.
Während er an der Rezeption angekommen auf seinen Vertrag wartete, geschah etwas, dass er sein Leben lang nicht vergessen würde. Einer der Top-Stars dieser Plattenfirma schritt an denselben Empfangstresen, an dem sein neuer Lebensweg auf ihn wartete.
Eight höchstpersönlich machte neben ihm Halt und blickte interessiert zu ihm runter. Er fragte ihn nach seinem Namen und was ihn herführte. Über alle Maße sprachlos schaffte er es ihm zu antworten, war stolz, als er dabei nicht stotterte.
„Ein neuer Azubi, sagst du? Hör mal, Junge“, begann er ernst und auf einmal schien die Luft dicker geworden zu sein. Er konnte fühlen wie die Atmosphäre sich mit Spannung füllte und war sich nicht sicher, ob er wirklich dieser Person zu hören wollte.
„Ich gebe dir einen Ratschlag: Lauf weg, so lange du noch kannst. Sobald du diesen Vertrag unterschrieben hast, existierst du nicht mehr. Denk darüber nach oder du könntest es bereuen“, sprach er und nichts erinnert ihn mehr an Eight. Es waren die Wörter eines Fremden, doch er war zu jung gewesen, um zu verstehen, was er meinte.
Nicht mehr existieren? Er war doch da, um zu lernen und irgendwann dann zu arbeiten.
Er hatte die Absicht gehabt, ihn zu fragen, was er denn damit meinte, aber da war er bereits verschwunden. Damals war die Versuchung zu groß gewesen, um ihr großartig zu widerstehen, und Eights Worte ergaben keinen Sinn, also unterschrieb er den Vertrag mit seinem Namen, Kim JinYoung, ohne zu ahnen, dass Park Mingyu sich so der Firma ausgeliefert hatte, nur um für immer in Eight festzusitzen.
Vier Jahre nach diesem seltsamen Gespräch fand Park Mingyu einen Weg aus Eight hinaus. Ein paar Tage später wünschten ihm seine Fans, Freunde und Verwandte in Frieden zu ruhen, da erneut ein Stern erloschen war.
Ein weiteres Jahr darauf stand JinYoung als “Dragon” auf der Dachterrasse der Plattenfirma, während der kühle Nachtwind in seine Haut schnitt. Er wollte etwas frische Luft schnappen, sich beruhigen, wieder einen klaren Kopf bekommen und wenn das alles nicht half, sich dann an die vielen lieben Bekundungen erinnern, an all die Aufmunterungen, die so selbstverständlich klangen, so klar wie die Sterne am Himmel, deren Lichter ihn wieder zur Vernunft leiten sollten. Er erkannte die Konstellationen in der schwarzen Nacht jedoch nicht, hörte nur das Selbst aus dem “selbstverständlich”, womit jeder so eilig reagierte, wenn er ihnen seine Sorgen mitteilte.
Er hatte sich von den Lichtern in die Irre führen lassen, Hoffnung in ihnen gesehen, nur um zu realisieren, dass sie, jetzt da er sie an seiner Seite brauchte, ganz gleich wie sehr er auch seine Hand ausstreckte, in Wahrheit Welten voneinander entfernt waren. Er griff nach Lichtern längst vergangener Zeiten.
Die angezündete Zigarette zwischen seinen Lippen fiel herunter. Er beobachtete wie es an dem mehrstöckigen Gebäude herabfiel, an dessen Spitze er sich hochgearbeitet hatte. Der Tabak glühte in der Dunkelheit auf wie ein Stern, kurz bevor es erlosch, wie er, kurz bevor er einen Fuß auf das Geländer setzte.

 

Hallo LynnAi,

dein kurzer Text hat mir solala gefallen. Ich sage dir mal, warum. Zum einen kenne ich mich mit asiatischen Bands nicht aus, so dass ich nur erahne worum es geht. Die Namen der Bands und Künstler sind mir jedenfalls nicht geläufig und ich kann nicht beurteilen, inwiefern das wichtig ist.

Zunächst einmal geht es, so nehme ich an, um die Korruption, Kälte etc. im Musikgeschäft, die jetzt nich nur für den asiatischen Raum gilt, sondern meines Erachtens universell ist.

Erzählerisch geht mir das alles zu schnell. Du hangelst dich textuell relativ lang an dem Casting des Jungen entlang, um dann nach dessen kurzen Austausch mit Eight eine Tirade auf das Musikbusiness loszulassen. Den Einstieg mit dem Jungen finde ich nicht so schlecht, aber hier wird mir zuviel erzählt. Binde in doch in Situationen ein, erlaube ihm Dialoge mit den Machern der Show, damit klar wird, dass sie in ihm nur eine potentielle eierlegende Wollmilchsau sehen.

Sprachlich ist der Text in Ordnung, auch das Bild am Ende (Zigarette) finde ich erzählerisch gelungen.

Insgesamt noch zu unausgegoren, aber erzählerisch ist da schon ein Stil zu erkennen. Nimm dir den Text doch nochmal zur Brust, überlege dir eine Struktur und wie du Szenen mit Dialogen einbauen kannst. Sinnvoll erscheint es mir auch, dass du dich nochmal fragst, was deine Botschaft überhaupt sein soll.

LG,

HL

 

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