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Wie es beginnt

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29.11.2005
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Wie es beginnt

Du stehst am Fenster. Weil ich es so will. Ahnst nicht, welches Wetter ich dir geben könnte, während du hinausblickst. Noch schaust du ins Nichts. Du weißt auch nicht, ob du allein bist, oder ob ich dir einen aufregenden Traumprinzen auf das Bett zaubern werde, der dort vielleicht abwartend verharrt, deine Schönheit begehrend, deine Nähe herbeisehnend. Oder einen entfremdeten Ehemann mit einem Packen übler Vorurteile beladen, müde vor sich hinstarrend, mit den Gedanken schon längst in einer anderen, für ihn besseren Geschichte.

Ich schließe die Augen. Du bleibst am Fenster. Ruhig. Gesichtslos. Ohne Klischees. Noch nicht einmal blond.

„Ich will leben“, flüsterst du aufreizend zwischen meinen Gedanken. Meiner Fantasie fällt es leicht, sich in dich zu verlieben. Sie weiß viel mehr von dir als ich und verrät es mir nur zögernd. Noch traue ich ihr nicht. Sie ist unbelehrbar romantisch.

Am Fenster verweilend geboren, in einen beliebigen literarischen Augenblick hinein, der sich noch nicht gegen alle Zweifel hat behaupten können, in einem Raum voller Gelegenheiten und Tücken. Das Fenster steht offen genug für Straßenlärm oder Vogelgezwitscher. Von einem leichten, sanft an der Gardine zupfenden Windzug befreie ich dieses Bild. Viel zu oft hat er das schon tun müssen, ist dieser Banalität vermutlich längst überdrüssig geworden und soll sich nun endlich besseren Momenten zuwenden dürfen. Ich spüre ihn kurz – und erlaube ihm das nicht. Ich will mehr Einmaligkeit um dich herum!

Du bleibst in diesem Raum. Plötzlich bemerke ich deine nackte Haut, bemalt vom Licht der Abendsonne. Verführe dich dazu, dich langsam umzudrehen und mich anzusehen. Entdecke eine Träne auf deiner Wange, glitzernd wie eine Perle. Ich sitze auf dem Bett. Lächle dich zuversichtlich an. Ab jetzt ist alles möglich ...

 

Noch nicht einmal blond.

:thumbsup:
Ab jetzt ist alles möglich...
möglich ...
Hi Rick,
erst mal :thumbsup: fürs gute Korrkturlesen (du willst wohl, dass meine Kritiken noch unkonstruktiver aussehen :dozey: ). War ja auch kein langer Text ;)
Ja, die Geschichte gefällt mir hauptsächlich wegen ihrer Kürze; also, schon vom Thema her, aber länger hätte die Geschichte zu so einem Thema net werden dürfen :)
Der Autor hat schon Macht ... in seiner eigenen, von ihm erschaffenen Welt und er kann mit den Prots machen, was er will.
Fand ich echt gelungen!
Das mit dem Windzug: Kritisiert der Autor sich da selbst? Aslo, der Autor in der Geschichte jetzt. Das er an sich selbst feststellt, dass er klischeehaft, wiederholend geschrieben hat?
Bruder :sad: Tserk

 

Ich hab aber doch was!

sanft an der Gardine zupfendem Windzug

zupfenden

Die Anreden werden groß geschrieben.

Die Geschichte gefällt mir. Die Träne ist nun das Einmalige, der Ausgangspunkt der Inspiration? Finde ich nicht sonderlich überzeugend, da dieses Bild ebenfalls abgegriffen ist, aber sonst ... gut!

Helau und schönes Wochenende!

 

Hallo Rick

So eine ähnliche Idee hatte ich auch mal: Mein Prot wird plötzlich lebendig und steht als Abbild meiner geheimsten Träume und Sehnsüchte vor mir.
Die Kg gefällt mir sehr gut, nicht nur weil du die richtigen Formulierungen findest um mich in die Geschichte zu entführen, sondern weil du mit wenigen treffenden Worten eine melancholische, romantisch angehauchte Stimmung schaffst.

Hatten wir nicht alle schon mal so ein Bild vor den Augen? Der/die Prot steht vor dem Fenster und einem selbst ist nach Romantik, Gefühl, Herzschmerz zumute. Und was passiert, die Bilder die einem als erstes einfallen, die so treffend zu sein scheinen, dass es keine anderen, besseren geben kann, sind Klischees.
Deine Geschichte ist keines.

Hat mir sehr gut gefallen und mich ein bisschen melancholisch zurück gelassen (ich bin halt sehr emotional).

Wenn du Pech hast, schreib ich eine Fortsetzung dazu. ;)

Lieben Gruß, Ph:)enix

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Bruder Tserk

Danke vielmals für das Lob. Ja, das ist wohl meine kürzeste Kurzgeschichte und ich gebe dir Recht, da es nur ein Beginn ist, darf es eben auch nicht besonders lang sein. Freut mich sehr, dass der Text so schnell Anklang bei dir finden konnte.

Das mit dem Windzug: Kritisiert der Autor sich da selbst? Aslo, der Autor in der Geschichte jetzt. Das er an sich selbst feststellt, dass er klischeehaft, wiederholend geschrieben hat?

Nein, das ist keine unmittelbare Selbstkritik sondern einfach nur die Erkenntnis, welche Gedanken einem beim Beschreiben einer Situation durch den Kopf gehen. Oft sind es einfache, häufig benutzten Bilder, aber man ist immer auf der Suche nach einmaligen Vergleichen und Formulierungen. Denke, das geht uns allen so.

@ DrWinter

Danke für den Korrekturhinweis. Ist immer wieder eine meiner Schwächen. Mit dem "Du" bin ich mir unsicher. Muss das wirklich auch in einer KG zwingend als direkte Anrede immer und unter allen Umständen groß geschrieben werden? Ich werd's wohl ändern müssen. Schade. Aber danke, dass dir die Geschichte gefallen hat. Die Träne ließ sich nicht vermeiden. Gebräuchlich, keine Frage, aber sie zeigt den möglichen Beginn der Geschichte an. So war es gedacht.

@ Phoenix26

Auch dir lieben Dank für die nette Kritik. Es macht mich sehr stolz, das du die Formulierungen lobst, die dich in die Geschichte "entführt" haben. Welch schöner Vergleich!

Ich habe diesen Text auch tatsächlich im Bewusstsein verfasst, dass es garantiert nicht nur mir so geht. Man hat am Anfang nur ein Bild und fängt an, über eine Story nachzudenken, die daraus entsehen könnte. Und genießt halt auch ein wenig die Macht, das eben alles möglich sein konnte. Und so sitzt man auf dem Hochsitz seiner Träume und wartet darauf, dass es endlich im Unterholz der Gedanken zu knistern beginnt, bis das scheue Wild der guten Ideen langsam auf die Lichtung der Erkenntnis tritt.

Wenn du eine Idee für eine Fortsetzung für die Geschichte hast: Es würde mich freuen, von dir in die nächste Situation geführt zu werden.

Grüße von Rick

 

@Rick

Muss das wirklich auch in einer KG zwingend als direkte Anrede immer und unter allen Umständen groß geschrieben werden?
Nein! Nach der neuen RS sowieso nicht.
Gruß, Elisha

 

@ Elisha

wunderbar, ich liebe die neue Rechtschreibung! Meinte, mich auch vage an diese neue Regelung erinnern zu können - dann lasse ich das so. Danke.

Grüße von Rick

 

Die Anreden werden groß geschrieben.
das mit "zupfenden" war schon peinlich genug (jaja, das Alter ...). Die Anrede wird nur bei "Sie" "Ihren" etc. großgeschrieben, nach der neuen Rechtschreibung wird das "du" nicht mehr großgeschrieben (das man sowieso nur in Briefen großgeschrieben hat nach alter RS)
Bruder :sad: Tserk

 

Hi Rick,

mir gefällt dieser Text auch gut, bis auf Folgendes, bei dem ich mir unsicher bin, wie du es gemeint hast:

Plötzlich bemerke ich deine nackte Haut, bemalt vom Licht der Abendsonne.
Entdecke eine Träne auf deiner Wange, glitzernd wie eine Perle.

Für mich jeweils klischeebeladene Bilder. Zuvor schreibst du, dass du der Prot mehr Einmaligkeit geben willst und dann kommen diese Standards. Wolltest du da den Prot als Autor auf die Schippe nehmen oder deute nur ich diese zwei Zitate als Klischees? Für mich bringen diese zwei Sätze die ganze Geschichte ins Wanken.

Lieber Gruß
bernadette

 

Tserk schrieb:
Die Anrede wird nur bei "Sie" "Ihren" etc. großgeschrieben, nach der neuen Rechtschreibung wird das "du" nicht mehr großgeschrieben (das man sowieso nur in Briefen großgeschrieben hat nach alter RS)

Über letzteres hat man sich ja gestritten, aber prinzipiell habt ihr recht. Ich hatte mir nur eingebildet in der Zeitung gelesen zu haben, dass man es mittlerweile wieder groß schriebe, aber war wohl Wunschdenken.

 

Hallo Rick,

ich gehe jetzt mal gar nicht ins Detail. Ich finde es einfach schön, dass du ein Gegengewicht stellst. Der Autor kann eben nicht mit seinen Prots machen, was er will, wenn er sie ernst nimmt und sich entwickeln lässt, wie Kinder.
Deiner erschafft sie nicht nur, er bemerkt und entdeckt etwas an ihr, wenn es auch die von bernadette nicht ganz zu Unrecht kritisierte Träne ist. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Rick,
gestern aus Zeitmangel verschoben, kommt jetzt mein Kommentar: das Verhältnis zwischen Autor und Figuren ist ein interessantes Thema. Den oder die Prot als "Wesen " und nicht nur Produkt der eigenen Fantasie zu verstehen, ist dabei eine Möglichkeit ( wie ich es ja auch bei "David" oder "Vom weisen Weibe ..." gemacht habe).
Trotzdem kommt es mir vor wie der Anfang einer Geschichte; ich hätte gern noch mehr davon gelesen.
Gruß, Elisha

 

Hi Rick

Gefällt mir auch gut. Du kannst anscheinend nicht nur mit langen GEschichten glänzen! Ich weiß auch nicht mehr, was ich noch weiteres schreiben soll.

Meine Lieblingsstelle vielleicht:

Ich will mehr Einmaligkeit um dich herum!
Du setzt den Autor schön mit einem Maler gleich.

Gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

@ bernadette
ich finde Klischees grundsätzlich nicht schlimm, wenn man sorgsam mit ihnen umgeht. Und die beiden Sätze, die du zitierst, habe ich tatsächlich ganz bewusst so geschrieben. Es sind zwei Bilder, natürlich sehr gängig, die aber viel mehr Inhalt für eine mögliche Geschichte preisgeben, als alles zuvor Geschriebene. Wenn eine Träne ein Klischee ist, wie sollte man sie anders benennen? Okay, das mit der Perle ist natürlich ... aber was soll's? Ich wünsche nur, das man es vor seinenm geistigen Auge nachvollzieht und sich zu fragen beginnt: warum? Danke, dass dir der Text grundsätzlich gefallen hat.

@ sim
das ist es, man meint, man habe die Macht, aber irgendwie machen sie dann doch mit einem, was sie wollen.

@ someday
Ich habe mich sehr über deine positive Meinung zu meinem Werk gefreut!

@ Elisha
Tja, möglicherweise wird phoenix das weiterführen? Ich musste diesmal auch richtig wider meiner Natur handeln, so früh abzubrechen, aber das Konzept war von vornherein so angelegt. Ich freue mich über dein Kompliment, dass du gern noch mehr davon gelesen hättest. Danke.

@ aris
So kurz ist verdammt schwer. Da kann sich kein Wort verstecken. Danke für deine gute Meinung.

Grüße von Rick

 

Hallo Nachtschatten,

ich bin sehr froh, dass im Forum keiner sehen kann, wenn ich rot werde. Gerade war es mal wieder so weit. Danke für die gute Meinung. Das freut mich sehr.

Zu deiner Frage: Schreiben und Gedankenwelt und Figuren, die daraus entstehen, und bei denen man glaubt, man würde sie beherrschen - und dann vermischt es sich und bekommt plötzlich irgendwie ein Eigenleben. Nur eine Kleinigkeit manchmal, bei der ich denke, jetzt hat eine von mir erfundene Figur plötzlich etwas gemacht, was ich eigentlich gar nicht wollte. Klingt verrückt, aber so ist es manchmal. Und dann entstehen Geschichten in der Geschichte und ich sehe Bilder, die sich zusammenfügen und etwas Eigenes schaffen. Vieles davon wird dann aber in der Nachbearbeitung wieder zurecht gestutzt.

Grüße von Rick

 

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