- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 14
Wie es beginnt
Du stehst am Fenster. Weil ich es so will. Ahnst nicht, welches Wetter ich dir geben könnte, während du hinausblickst. Noch schaust du ins Nichts. Du weißt auch nicht, ob du allein bist, oder ob ich dir einen aufregenden Traumprinzen auf das Bett zaubern werde, der dort vielleicht abwartend verharrt, deine Schönheit begehrend, deine Nähe herbeisehnend. Oder einen entfremdeten Ehemann mit einem Packen übler Vorurteile beladen, müde vor sich hinstarrend, mit den Gedanken schon längst in einer anderen, für ihn besseren Geschichte.
Ich schließe die Augen. Du bleibst am Fenster. Ruhig. Gesichtslos. Ohne Klischees. Noch nicht einmal blond.
„Ich will leben“, flüsterst du aufreizend zwischen meinen Gedanken. Meiner Fantasie fällt es leicht, sich in dich zu verlieben. Sie weiß viel mehr von dir als ich und verrät es mir nur zögernd. Noch traue ich ihr nicht. Sie ist unbelehrbar romantisch.
Am Fenster verweilend geboren, in einen beliebigen literarischen Augenblick hinein, der sich noch nicht gegen alle Zweifel hat behaupten können, in einem Raum voller Gelegenheiten und Tücken. Das Fenster steht offen genug für Straßenlärm oder Vogelgezwitscher. Von einem leichten, sanft an der Gardine zupfenden Windzug befreie ich dieses Bild. Viel zu oft hat er das schon tun müssen, ist dieser Banalität vermutlich längst überdrüssig geworden und soll sich nun endlich besseren Momenten zuwenden dürfen. Ich spüre ihn kurz – und erlaube ihm das nicht. Ich will mehr Einmaligkeit um dich herum!
Du bleibst in diesem Raum. Plötzlich bemerke ich deine nackte Haut, bemalt vom Licht der Abendsonne. Verführe dich dazu, dich langsam umzudrehen und mich anzusehen. Entdecke eine Träne auf deiner Wange, glitzernd wie eine Perle. Ich sitze auf dem Bett. Lächle dich zuversichtlich an. Ab jetzt ist alles möglich ...