- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Wie geschaffen fürs Volk
Spielerisch tummelte sich Franzl durch den Park, lief mit Hunden um die Wette und versuchte Blätter, die von den Bäumen herunterfielen, einzufangen, bevor sie den Boden berührten. Sichtlich amüsiert betrachteten ihn dabei seine Eltern aus hinterlistiger Distanz und genoßen den kindlichen Entdeckungsdrang ihres Sprößlings.
"Er ist noch so unschuldig, nicht wahr Franz-Karl?" sprach sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Du hast Recht, Sophie." antwortete er und überlegte sichtlich angestrengt, welche Bemerkung er dem noch hinzufügen sollte. Er wusste, dass sie sich nun von ihm irgendetwas hochgeistiges erwartete.
"Lass ihn das genießen solange er noch kann. In der heutigen Zeit werden die Kinder ohnehin viel zu schnell erwachsen..." presste er aus seinen schmalen Lippen heraus und hoffte, dass sie sich mit dieser Antwort zufrieden geben würde, erntete stattdessen aber nur einen enttäuschten, harschen Blick.
Der Junge hatte inzwischen eine Spielpartnerin gefunden, es war die kleine Elisabeth. Sie trug ein Kleid aus feinem Stoff und scheute sich nicht davor, sich von ihm in die Kunst der Blätterjagd einweihen zu lassen. Elisabeths Mutter, die eine Allee weiter ein Glas Rotwein kredenzte, kringelte sich unterdessen vor Lachen aufgrund des Anblicks, der sich ihr bot.
Der frisch gebackene Held der Herbstblattjäger schlief an diesem Tag, wie bereits so oft in seinem Leben, mit einem Lächeln im Gesicht ein. Doch es gab auch Momente, da hatte der 11jährige Franzl Angst. Zum Beispiel, wenn sich sein Vater über seine Arbeit beschwerte oder wieder einmal über seinen arroganten Bruder Hasstiraden verbreitete. Seine Mutter konterte darauf immer, dass er froh sein könne, überhaupt so weit gekommen zu sein. Und an seinem Bruder könne er sich in allen Belangen ein Beispiel nehmen, führte sie ihre Argumentation stets weiter aus. Danach sprach sie von göttlicher Vorsehung und davon, dass er sein Schicksal endlich akzeptieren solle. Franzl hatte jedoch nie wirklich begriffen, wovon seine Mutter in solchen Situationen sprach.
Er dachte oft Stunden darüber nach, was Vater wohl so an Onkel Ferdinand störte? Er war doch ein lieber, netter Mann...
******* 7 Jahre später *******
"Habe die Ehre, mein alter Schlachtenbummler! Wie geht`s uns heut an solch einen geschichtsträchtigen Tag?" mit diesen Worten begrüßte der 50jährige Schuhmachermeister seinen jahrelangen besten Freund, den er Sonntag für Sonntag in seinem liebsten Wiener Kaffeehaus traf.
"Was willst ma denn damit sagen?" erwiderte er mit müdem Ausdruck und starrte schlaftrunken auf die Wanduhr die 9:00 anzeigte.
"Kurt, du bist mir vielleicht eine Schlafhaube!" lachte er lauthals. "Da nimmt das Schicksal unserer großartigen Monarchie eine entscheidende Wende und du ziehst nicht einmal Notiz davon. Sogar die billigsten Gazetten berichten davon, aber was red ich? Lies selbst!" Sekunden später klatschte er eine etwas abgegriffene, aber aktuelle Zeitung auf den Tisch.
"2.Dezember 1848 - Kaiser Ferdinand I. dankt ab!
Franz Joseph von Österreich, der Sohn von Erzherzog Franz-Karl und seiner Gattin Sophie von Bayern wird zum Kaiser gekrönt!" diese Worte bildeten die Schlagzeile. Sein Atem stockte, während er geschockt in das vertraute Gesicht seines Freundes starrte.
"Ich weiß, dass dir der Kaiser Ferdinand sympathisch war... Kommst du damit zurecht?" fragte stirnrunzelnd der Schuhmacher.
"Ober! Ein Schnapserl bitte." antwortete Kurt.