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- Anmerkungen zum Text
Nunja, Enkel und - selbst für mich überraschend, ein Steuerfall, werden mich bist Montag beschäftigen, dass ich diesen kurzen Beitrag einstelle, denn das eigentliche Projekt (ein etwas anderes "Fähnlein der sieben Aufrechten") handelt von Umsiedlung und Umbettung und das jeder gespannt ist, wie die "Verschissmussdebatte" weitergeht, hier schon mal die Einleitung, die sehr an die Leute von S... erinnert, nur eben ganz anders:
„Gartzweiler“ meint nach dem ältesten Sprachgebrauch eine durch Landsknechte oder Söldner „gesicherte Landschaft“. Die erste Silbe kam uns über das fanzösische Verb „garder“, das „schützen“ und „bewachen“ meint und zu Zeiten Karl des Kühnen als „gard/e, gart“ für ein „Landsknechtsheer“ und allgemeiner einen „Kriegshaufen“ am Anfang der neuhochdeutschen Sprache steht für den einzelnen Söldner, der auf der „garde“, der „Hut“ liegt und sich heute noch im Gardisten zeigt.
Der zwote Teil des Ortsnamens ist eine Ableitung von der lat. „villa“, die im ahd. „wilari“, mhd. „wila“, den Herrenhof meint und im mittelhochdeutschen „wil(e)“ („Weile“) im Sinne einer Zeitdauer oder Zeitraums, der kurz oder nahezu ewig, i. d. R. aber immer irgendwo dazwischen eine glückliche Verbindung eingeht - für die Herrschaft des Herrenhofes und nicht so sehr für das Fußvolk.
Und nirgends in der Mitte Europas zeigt sich deutlicher als im Städtedreieck AC, K und MG die Nähe des Wirtschaftsliberalismus von freiem Unternehmertum zum braunen Sumpf und staatlicher Gewalt, die am Volkstrauertag 2019 an einem rechtsrheinischen Denkmal der Opfer des Nationalsozialismus eine treffliche Zusammenfassung als „Verschissmus“ erhielt.
Wie laut Schrift schreit
oder
Schreibenlernen nach Gehör und alternatief schreiben, wie man spricht
zur Verschissmussdebatte
Jiddisches Sprichwort
Jedes Jahr hat seine besonderen Tage und bevor das Kirchenjahr mit dem Totensonntag sich dem Ende zuneigt, soll in der Woche zuvor am Volkstrauertag weit über Tiutschiulant hinaus der Opfer zweier Weltkriege gedacht werden.
So auch im 75. Jahr nach dem 8. Mai 1488, da zu Dymmten – einem Örtchen zwischen Calau und Schilda, unweit der Stelle, wo Ruhr und Rhein sich vereinen, ein Fähnlein von sieben oder acht, die genaue Zahl ist nicht mehr zu ermitteln, Gedenkenden der Schock in die Knochen fuhr und die Augen überliefen. Denn als der Kranz an dem Gedenkstein der Opfer der Weltkriege niedergelegt war und die Trauerschleife endlich ihren Text freigab, lasen sie „Den Opfern von Krieg und Verschissmuss“, entrüsteten sich und vermuteten einen Anschlag auf die guten Sitten, den Anstand und die öffentliche Ordnung.
Was war geschehn?
Nach den Recherchen ergibt sich folgendes Bild:
Am Montag vor besagtem Sonntag rief der Vorsitzende der Gedenkenden wie jedes Jahr zuvor den Gärtner seiner Wahl an, bestellte für besagten Termin und Ort einen Trauerkranz mit Schleife und Aufschrift und der gute Mann nahm wie gewohnt die telefonische Bestellung entgegen.
Hier gilt es kurz innezuhalten!
Dieser Montag ist weit über die Dymmtener Grenzen hinaus auch ein besonderer Tag in Tiutschiulant!
An dem Tage nämlich, da zunächst der Hoppeditz alljährlich um elf Uhr elf erwacht und das närrische Treiben in der Abenddämmerung einen etwas anderen Höhepunkt findet in Erinnerung an die Teilung eines roten Mantels durch einen römischen Offizier mit einem Bettelmanne*. Schon hier zeigt sich die tiefe Kluft mitten durch die Gesellschaft, nennen die einen es Martinsfest, so die andern Lichterfest.
Aber die Kluft im Lande reicht viel tiefer, wenn Jecken und Gläubige Glühwein trinken, die einen mit, die andern ohne, also ein Placebo ... Es geht halt mehr als ein Riss durch Tiutschiulant und im Karneval ist fast alles erlaubt – wobei das schulische Experiment „Schreiben nach Gehör“ nicht so sehr eine halbtaube Nuss wie mich erwischt, als die schwächsten der gesellschaftlich Schwachen, wie eben jetzt zu Dymmten.
An diesem elften im elften vor besagtem Sonntag rief also der Vorsitzende der Gedenkenden wie jedes Jahr zuvor den Gärtner seiner Wahl an, bestellte für besagten Termin und Ort einen Trauerkranz mit Schleife und Aufschrift und der brave Mann nahm gewissenhaft die telefonische Bestellung nebst den Worten „… [den 'opfɐn fon kri:k unt ‘faʃızmuz]“ entgegen, reichte die Bestellung gewohnheitsmäßig an die gerade eingestellte junge Floristin weiter und gab ihr der guten alten Tradition verpflichtet die Telefonnummer der Druckerei für Schleife und Aufdruck, und das Mädchen tat, wie ihm geheißen, notierte den Text und begann mit der Arbeit, rief zunächst den Drucker an, der immer schon Schleife nebst Aufdruck geliefert hatte, und flocht den Kranz, wie es sich gehört für Weisungsgebundene.
Wir wissen nicht, was in der Druckerei vor sich ging. Möglich, dass ein Geselle oder der Meister selbst vor dem ersten Entwurf der Aufschrift stand und meinte, die Vorsilbe „Fa“ gebe es nicht auf Tiutschiu, höchstens an seinem höchsten Tag, dem „Vatertag“. Es könne sich also nur um einen „Ver“hörer oder eher noch um einen Schreibfehler handeln und nach der neueren Rechtschreibung müsse „scheißen“ zwar mit „sz“ oder dem sogenannten scharfen „s“ geschrieben werden, nicht aber das kurzsilbige „schissen“, und wenn man halt „muss“, dann „muss“ man eben das durch die Kurzsilbigkeit erzwungene „ss“ verwenden, das sicherlich nix mit dem mehr oder weniger leckeren und gedehnten „Mus“ oder der schnuckeligen „Muse“ zu tun hat. Der gute Mann korrigierte quasi die telefonische Durchsage [den 'opfɐn fon kri:k unt ‘faʃızmuz]“, wie ihn das seine Deutschlehrer und die Rechtschreibreform rieten und raten.
Am Montag der darauffolgenden Woche - genau heute vor zehn Tagen kam - es in aller Herrgottsfrühe zu einem kurzen und letzten, sehr einseitigen Gespräch zwischen Gärtner und Floristin, als das Mädchen den Verkaufsraum zu Dymmten betrat.
„Pack deine Sachen!
Kannst gehn.“
* Gendergerecht wäre natürlich die alternative Schreibweise und Darstellung als „Martina“ auf der Stute, die die Jacke teilt. Leider lässt sich nicht nachweisen, dass auch nur eine Amazone in den Legionen diente.
Selbst das Gebäck das in o. g. Zeitraum gerne verteilt wird, hat trotz der pluralistischen Stute vorneweg nix mit dem rheinischen Sauerbraten zu tun. Aber wie kommt der Stutenkerl zu seiner Pfeife?