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Wie Spaghetti aus der Dose auch blutige Eingeweide sein können

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26.09.2006
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Wie Spaghetti aus der Dose auch blutige Eingeweide sein können

Der Bahnsteig quillt über vor müden Menschen. Kaum einer lächelt und ein paar ausgelassene Teenager gehen den Leuten gehörig auf die Nerven. Sie sprechen eine Mischung aus Deutsch und Türkisch, oder dem, was ich dafür halte, und ernten giftige Blicke von den Umstehenden. Plötzlich wendet sich ein angegrauter Mittdreißiger an mich.
»Ich schwör, Alter, dieses Pack kann doch nicht mal reden«, imitiert er die Jugendlichen.
»Na ja«, sage ich, »sind doch Kinder. Wir haben in dem Alter immer schärft sich gesagt, oder wetten und sind den Alten damit auf den Keks gegangen.«
»Die können ja machen, was sie wollen, aber in der Öffentlichkeit sollen sie gefälligst diesen Scheiß bleiben lassen, kommen zu uns, wollen hier leben und können nicht einmal unsere Sprache, wo sind wir denn?«
»Kommen zu uns, ist gut. Die wurden doch hier geboren.«
Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm um meiner Ruhe willen zu, dass ihr Geschrei nervt.
Endlich kommt die U-Bahn. Alle schieben sich auf die Türen zu, lassen die herausströmenden Fahrgäste nur widerwillig an sich vorbei. Der Kerl, der mich angesprochen hatte, steht im Hintergrund, mischt sich nicht in das Gedränge, fängt aber plötzlich an, die Jugendlichen zu beschimpfen.
Die Türen schließen sich. Ein kleiner Junge, der neben seiner Kopftuch tragenden Mutter sitzt, steht auf und berührt mich an der Hand.
»Sitzen Sie«, sagt er und macht mir Platz.
»Das ist lieb von Dir, aber die paar Stationen kann ich auch stehen«, sage ich.
Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut grimmig vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.

Meine Gedanken springen, finden nirgends Halt. Erlebnisse aus meiner Schulzeit formen unscharfe Bilder vor meinem inneren Auge. Langsam werden die Bilder schärfer, als ob jemand am Fokus gedreht hätte und nach ein paar Sekunden erinnere ich mich an eine Episode, die ich damals als sehr unangenehm empfunden habe. Sie läuft wie ein Film vor mir ab.

Unsere Internatsgruppe war in zwei Lager aufgeteilt: Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammenhielt und ... die anderen, die Außenseiter. Wir waren beinahe mit dem Abendessen fertig, rissen Witze über unsere Lehrer, unterhielten uns über die neue Scheibe von Guns 'n' Roses und deren ekelhaftes Coverbild, dessen Ähnlichkeit mit dem heutigen Abendessen erstaunlich war. Blutige Innereien, die in Wahrheit Spaghetti aus der Dose waren.
Krachend flog die Tür auf. Robert. Wie so oft war er spät dran. Etwas stimmte nicht, das wussten wir alle auf Anhieb. Als hätte Robert einen Dimmer betätigt, stahlen sich gleichzeitig die Reste des Sonnenlichts vom Himmel, verkroch sich die Gemütlichkeit des wohlverdienten Feierabends in das Waldstück unweit des Internats.
Alle waren verstummt. Alle hatten darauf gewartet, was Robert tun würde, starrten ihn an. Was es da zu glotzen gäbe, hatte er gefragt, warum alle so still seien, wollte er wissen. Keiner gab eine Antwort.
Robert setzte sich seinem Zimmergenossen Thomas gegenüber und schaufelte umständlich Spaghetti auf seinen Teller. Scheiße, hatte Robert gesagt, denn wir hatten ihm von der Fleischsoße nichts übrig gelassen, und er warf den Schöpflöffel in den Topf zurück. Dabei spritzte ein kleiner Rest auf sein Hemd. Alle hatten es gesehen, nur ihm selbst war es nicht aufgefallen. Das war so typisch für ihn und ich bekam Mitleid und fühlte mich schuldig, weil ich zwei Portionen gegessen hatte. Er war harmlos, immer freundlich, hatte ein irgendwie kindliches Lachen, für das ihn die Mädchen immer so süß fanden. Das reichte natürlich nicht aus, um mit ihm gehen zu wollen oder darauf scharf zu sein, von ihm geküsst zu werden. Die Mädchen wollten aufmüpfige Draufgänger. Dafür verhielt er sich zu angepasst, ließ sich alles gefallen, auch von Lehrern, die ihn damit aufzogen, dass er oft langsam war. Die Klassenkameraden schwiegen dann immer und wenn die Lehrer nach einer Weile bemerkten, dass sie etwas Falsches getan hatten, verstummten sie, standen peinlich berührt in der Gegend herum, um nach endlosen Minuten, als wäre nichts gewesen, mit dem Unterricht weiterzumachen. Man musste Robert beschützen, fand ich. Er war einer von denen, für die man die Schuld für seine vergessenen Hausaufgaben auf sich nehmen würde, hätte man mehr Mut, aber er vergaß sie ja nie, die Hausaufgaben. Er war ein Streber, fanden wir. Trotzdem schrieb er schlechte Noten.

Als wolle er ihnen Schmerzen zufügen, stocherte Robert in seinen trockenen Spaghetti herum. Immer stärker hieb er darauf ein, zelebrierte ein immer wütenderes Gemetzel und knallte schließlich die Gabel quer über den Tisch. Wir, die Schaulustigen, zuckten zusammen. Roberts Gesicht war rot geworden. Er öffnete seinen Mund und ließ einen Tsunami angestauter Aggressionen über Thomas hinwegschwappen. Thomas' rechte Hand lag auf dem Tisch. Nach und nach ballte sie sich zu einer Faust. Schuldbewusst und mit gesenktem Kopf nahm er den Ausbruch hin, als hätte er seit langem damit gerechnet. Er wäre ein Dreckschwein, hatte Robert gesagt, ein vulgäres Arschloch, eine stinkende Sau, die sich in ihrer eigenen Scheiße suhle. Thomas rührte sich nicht, er sagte nichts. Niemand sagte etwas, auch nicht die Erzieherin.
Ich glaube, daran gedacht zu haben, etwas tun zu müssen. Minutenlang steigerte sich Roberts Wutausbruch. Auf jedes schlimme Schimpfwort folgte ein neues, noch schlimmeres und jedes ließ Thomas ein wenig kleiner werden. Immer mehr unangenehme Details spie Robert über Thomas in unsere Runde. Er sei ein vulgäres Schwein, röche wie ein Krokodil, das noch nie davon gehört hätte, dass man sich zu waschen hat. Das Trommelfeuer wollte kein Ende nehmen. Robert wurde lauter und lauter, schrie bald wie ein Verrückter. Robert, unser Strahlemann, dem sonst nie ein böses Wort über die Lippen gekommen war.

Schließlich hatte ich genug. Keiner hatte etwas gesagt, keiner hatte eingegriffen. Es war doch nur Thomas, der Einzelgänger, der sich vor dem Fernseher immer die Hand unter den Pullover steckte und in seinem Bauchnabel pulte. Das hatte mir einer von den anderen gesagt. Eklig! Thomas, der immer treudoof alles gemacht hat, was man ihm gesagt hatte. Heute wäre er mal dran mit Bezahlen, hatte damals unsere Erzieherin gewitzelt und er hatte dann tatsächlich die Zeche für zehn Leute bezahlt, damals, im Biergarten. Wie blöd muss man sein? Viel wichtiger aber war mir die Frage, wie man diese Naivität so hatte ausnutzen können? Vielleicht, nein, mit Sicherheit wollte Thomas nur dazugehören und cool sein, sich aus der Einsamkeit freikaufen, mit seinem gesparten Taschengeld, das er ansonsten nur für billige Romanheftchen verschleuderte.

Diese Geschichte verfolgt mich. Nicht ununterbrochen, alle paar Monate mal, zum Beispiel wenn ich in der U-Bahn Leute sehe, die andere beschimpfen. In solchen Situationen frage ich mich, ob mich meine Erinnerung trügt. Nachts, wenn ich im Bett liege und darüber nachdenke, ob meine heutigen Überzeugungen damals schon funktioniert haben, drehe ich mich von einer Seite zur anderen, zerwühle meine Decke, bis mir kalt wird, und überlege dabei, was wohl aus Thomas geworden ist. Je länger meine Gedanken darum kreisen, desto mehr habe ich das Bedürfnis, ihn anzurufen. Ich weiß nicht, ob ich etwas mit ihm zu reden wüsste, aber so gerne würde ich ihn fragen, ob meine Erinnerung der Wahrheit entspricht und ich Partei für ihn ergriffen habe. Für Thomas, mit dem ich nichts zu tun hatte und das auch nicht unbedingt wollte. Eigentlich konnte ich mir schon denken, warum Robert so ausgerastet war. Thomas hatte es mit der Körperpflege nie sonderlich genau genommen, sowas ist schwer zu ertragen, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber musste man ihn dafür vor allen anderen zur Schnecke machen? Und immer wenn ich über die Sache nachdenke, wünsche ich mir, dass er mir meine Zweifel nimmt und bestätigt, dass ich auf seiner Seite, sein Retter gewesen bin, sein Held. Das würde mir helfen, denn dann müsste ich beim Gedanken an die Situation nicht mehr zusammenzucken, sondern könnte sie hinter mir lassen.
Nach einer Weile schweifen meine Gedanken ab. Thomas und Robert verblassen in meinen Gedanken und der Wunsch, Thomas' Telefonnummer herauszufinden, verlässt mich wieder. Ich lasse es dann dabei bewenden. Bestimmt hatte er es längst vergessen und ich bin mir sicher, damit nur bittere Erinnerungen in ihm zu wecken. Es ist wohl besser, das Vergangene Vergangenheit sein zu lassen. Wenn nur diese Ungewissheit nicht wäre.


© 2008 by Georg Niedermeier, München.

 
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Hallo Schreibär!

Deine Geschichte will ich schon länger kommentieren, habs aber bisher nicht geschafft. Aber jetzt. Ich habe nicht alle Kommentare gelesen, wenn sich was wiederholt musst du es halt nochmal lesen. ;)

Textliches:

und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.
Zwei Sachen: Die Kommas gehören da mMn nicht hin. Und ich bin jetzt nicht so der Konjunktiv-Experte, aber heißt es nicht "nerve"?
unscharfe Bilder vor meinem inneren Auge. Langsam werden die Bilder schärfer,
Wortwiederholung
Sie läuft wie ein Film vor mir ab.
Nur mal so nebenbei: Ich finde es klingt schöner wenn das Subjekt am Satzanfang in einigen Fällen vermieden wird, wie hier z.B. oder auch hier:
Die Tür flog krachend auf.
Er war wie so oft spät dran.
Ist nur ein Vorschlag.
und ... die Anderen, die Außenseiter.
die anderen
Etwas stimmte nicht, das wussten wir alle auf Anhieb und gleichzeitig, als hätte Robert einen Dimmer betätigt,
Ich kann mir nicht helfen, jedes Mal wenn ich diesen Satz lese, denke ich, dass "gleichzeitig" sich auf die Gedanken der Jungen bezieht, also als würden sie gleichzeitig und auf Anhieb den selben Einfall haben. Ich würde da zwei Sätze draus machen.

Zu den Zeitformen: Im Mittelteil wirfst du häufig den Plusquamperfekt und Präteritum durcheinander, da musst du nochmal drüber schauen.

Ich hab die Geschichte ja jetzt schon einige Male in verschiedenen Fassungen gelesen, aber die Rahmenhandlung finde ich immer noch in Ordnung. In der ersten Version war es schon so, dass die Rahmenhandlung gegenüber dem Mittelteil stärker war, jetzt ist es genau umgekehrt, allerdings finde ich das nicht weiter schlimm. Der Rahmen ist halt das was er ist, ein Rahmen.
Die Geschichte gefällt mir sehr gut. Die Prots sind sehr autentisch und subtil gezeichnet, du verzichtest auf Schwarz-Weiß-Malerei und so lässt sich das Ganze angenehm lesen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte ruhig auch ein bisschen länger sein könnte, z.B. würde ich noch näher auf Robert eingehen, der ja am Schluss fast völlig ausgeklammert wird, obwohl ich zu Beginn den Eindruck hatte, dass Robert genauso wichtig ist für die Handlung wie Thomas, wenn nicht sogar wichtiger.

Eigentlich konnte ich mir schon denken, warum Robert so ausgerastet war. Thomas hatte es mit der Körperpflege nie sonderlich genau genommen, sowas ist schwer zu ertragen, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber musste man ihn dafür vor allen anderen zur Schnecke machen?
Diese Erklärung finde ich auch jedes Mal ein bisschen unbefriedigend. Robert wird ja so als der Ruhige beschrieben, um sein Austicken als Leser zu verstehen und nachzuvollziehen muss man diesen Robert vielleicht noch besser vorgestellt bekommen und auch die Beziehung zwischen ihm und Thomas.

Das klingt alles nach sehr viel Kritik, aber ich hab die Geschichte sehr gern gelesen, ich finde bloß, dass du da noch mehr draus machen kannst und solltest.

Liebe Grüße,
apfelstrudel

Achso, bevor ichs vergesse:

abschließend möchte ich mich noch bei Apfelstrudel bedanken. Deine Vorabkritik hat mir sehr geholfen, den Text in die richtige Richtung zu bringen. Danke!
Gern geschehen. :)

 

Grüß Dich, Apfelstrudel!

Schön, dass du dich nochmal so ausführlich mit meiner Geschichte befasst hast.

und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.
Zwei Sachen: Die Kommas gehören da mMn nicht hin. Und ich bin jetzt nicht so der Konjunktiv-Experte, aber heißt es nicht "nerve"?
auch ich habe das Gefühl, dass man sich die, da sparen könnte. Werde ich entfernen.
Ich habe mich jetzt ein wenig umgesehen, wie das mit dem Konjunktiv geht, bin aber daraus auch nicht schlauer geworden. Meine Variante gefällt mir eigentlich besser, aber wenn es einer definitiv sagen kann, werde ich es natürlich ändern.

unscharfe Bilder vor meinem inneren Auge. Langsam werden die Bilder schärfer,
Wortwiederholung
stimmt wohl, finde ich aber eigentlich nicht störend. Vielleicht fällt mir noch was Besseres ein.

Nur mal so nebenbei: Ich finde es klingt schöner wenn das Subjekt am Satzanfang in einigen Fällen vermieden wird
interessant. Das werde ich mir genauer anschauen.

Etwas stimmte nicht, das wussten wir alle auf Anhieb und gleichzeitig, als hätte Robert einen Dimmer betätigt,
Ich kann mir nicht helfen, jedes Mal wenn ich diesen Satz lese, denke ich, dass "gleichzeitig" sich auf die Gedanken der Jungen bezieht ... Ich würde da zwei Sätze draus machen.
Gute Idee und den zweiten Satz werde ich nach deinem obigen Vorschlag umstellen.

Zu den Zeitformen: Im Mittelteil wirfst du häufig den Plusquamperfekt und Präteritum durcheinander, da musst du nochmal drüber schauen.
das liegt wahrscheinlich daran, dass ich aus Bayern komme und im Wikipedia heißt es, dass das Kriterium hier kaum benutzt wird. Das ist aber nur eine blöde Ausrede für meine Aversion, mich mit Grammatik auseinanderzusetzen.:Pfeif:

Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte ruhig auch ein bisschen länger sein könnte, z.B. würde ich noch näher auf Robert eingehen, der ja am Schluss fast völlig ausgeklammert wird, obwohl ich zu Beginn den Eindruck hatte, dass Robert genauso wichtig ist für die Handlung wie Thomas, wenn nicht sogar wichtiger.
Dass Robert keinen größeren Raum in der Geschichte einnimmt, liegt am nicht vorhandenen Wissen des Erzählers um Roberts genauere Situation. Für die Geschichte hat Robert auch keine übermäßige Relevanz, denn er ist lediglich eine Art Stichwortgeber für die Gedankengänge des Erzählers. Insgesamt ist das zweischneidig, denn man könnte sich für beide Personen gezwungen sehen, Partei zu ergreifen. Zum einen für Robert, der sich von Thomas' vernachlässigter Körperpflege gestört fühlt und zum anderen für Thomas, der sich öffentlich demütigen lassen muss. Der Erzähler entscheidet sich für den in dem Augenblick schwächeren. Er entscheidet sich, ihm eigentlich helfen zu müssen und nicht im anderen, der schon lautstark für seine Sache eintritt.

Diese Erklärung finde ich auch jedes Mal ein bisschen unbefriedigend.
dass Thomas Robert buchstäblich stinkt, ist mit Sicherheit eine unbefriedigende Begründung. Damit wollte ich aber zeigen, dass es für die anderen, schweigenden Anwesenden ein mehr oder weniger unerklärlicher, unberechtigter Ausbruch war. Sie können es nicht nachvollziehen, wollen es womöglich gar nicht und heften das unter »der spinnt halt« ab. Im Grunde lässt es erkennen, wie unbedeutend Thomas und Robert in der Gruppe waren.

Robert wird ja so als der Ruhige beschrieben, um sein Austicken als Leser zu verstehen und nachzuvollziehen muss man diesen Robert vielleicht noch besser vorgestellt bekommen und auch die Beziehung zwischen ihm und Thomas.
dem kann ich teilweise zustimmen. Natürlich könnte man das ganze besser nachvollziehen, wüsste man, wie die Beziehung zwischen den beiden aussieht, aber weil es so unscharf bleibt, bekommt das Ganze meiner Ansicht nach mehr Härte. Ich wollte in der Geschichte nicht diskutieren, wie das Ganze genau zu Stande gekommen ist und ich wollte die beiden auch nicht bis ins kleinste porträtieren, denn dann würde sich der Sinn der Geschichte verschieben. Der Konflikt des Erzählers steht im Vordergrund und der würde, je größer das Hintergrundwissen ausfällt, immer nebensächlicher werden.

ich hab die Geschichte sehr gern gelesen, ich finde bloß, dass du da noch mehr draus machen kannst und solltest.
das freut mich sehr! Mal sehen wie es weitergeht, vielleicht nehme ich mir den Text irgendwann noch einmal vor, aber fürs erste ist er jetzt abgeschlossen.

Liebe Grüße,
Georg

 
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Hallo Schrei Bär,

eigentlich auch schon ein Klassiker, sich - angestoßen durch ein Ereignis in der Gegenwart - an zurückliegende Begebenheiten zu erinnern, an jene Menschen, mit denen man einst die Vergangenheit teilte, und dann kommen einem plötzlich die Außenseiter in Erinnerungen, die besonderen Typen und die Geschichten, in denen man irgendwie versagte, was dann immer noch wie unbewältigter Ballast in der Erinnerung herum liegt.

Deine Geschichte ist gut und unterhaltsam geschrieben. Dennoch gibt es einen Bruch, der mich total aus dem Rhythmus brachte. Diesen Bruch empfand ich an der Stelle, an der du nach Roberts Auftauchen und Beschreibung - was ihn ins Zentrum meines Interesses rückte - dann eine Wendung vollziehst und plötzlich den Schwerpunkt der Handlung auf Thomas verlagerst. Ich kann nicht genau erklären warum, aber mich hat das völlig irritiert beim ersten Lesen. Das ist, als würde mich ein Film mit einer Person vertraut machen, die dann einer anderen begegnet, sich mit dieser anderen Person kurz unterhält und dann, wenn sich beide wieder trennen, würde die Kamera plötzlich der anderen Person folgen (ich glaube Bunel hat mal einen seiner Filme mal so konzipiert). Da muss man sich dann jedenfalls erst einmal völlig umorientieren.

Mich würde interessieren, ob du diesen Bruch ganz bewusst so geplant hast.

Du stellst mir als Leser ja zuerst Robert so vor, als wäre er im weiteren Verlauf der Handlung der, auf den es ankommt. Aber tatsächlich ist es dann Thomas, um den es im Wesentlichen geht - jedenfalls so, wie ich die Geschichte verstehe.

Man muss die Geschichte dann zwangsläufig noch einmal lesen, weil man, mit dem Wissen, dass es diesen Bruch geben wird, besser und glatter durchkommt.

So zerfällt deine Geschichte in drei Teile:

- Die Gegenwart
- Robert
- Thomas

Und auch beim zweiten Lesen fügen sich diese drei Teile nicht gänzlich nahtlos ineinander. Es liest sich nicht wie eine Geschichte sonder wie eine dreiteilige Geschichte.

Das ist zunächst einmal eine Erkenntnis. Ob das nun sonderlich stört, wirst du jetzt wahrscheinlich wissen wollen. Ehrlich gesagt: Nö. Aber beim ersten Mal Lesen, da hat es mich doch ziemlich irritiert.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick!

danke, dass auch du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu kritisieren.

Deine Geschichte ist gut und unterhaltsam geschrieben. Dennoch gibt es einen Bruch, der mich total aus dem Rhythmus brachte. Diesen Bruch empfand ich an der Stelle, an der du nach Roberts Auftauchen und Beschreibung - was ihn ins Zentrum meines Interesses rückte - dann eine Wendung vollziehst und plötzlich den Schwerpunkt der Handlung auf Thomas verlagerst. Ich kann nicht genau erklären warum, aber mich hat das völlig irritiert beim ersten Lesen.
dieser Bruch war nicht wirklich mein Ziel, aber er war natürlich auch notwendig. Zu anderen Kritiken habe ich schon geschrieben gehabt, dass ich nicht Robert und Thomas porträtieren wollte und auch keine detaillierte Geschichte über die Hintergründe der Situation, die Situation selbst, und die Lösung der Situation schreiben wollte, sondern darüber, wie der Erzähler mit seiner ungenauen Erinnerung daran umgeht. Robert und Thomas sind nicht der Schwerpunkt in der Geschichte, sondern der Erzähler.
Das ist, als würde mich ein Film mit einer Person vertraut machen, die dann einer anderen begegnet, sich mit dieser anderen Person kurz unterhält und dann, wenn sich beide wieder trennen, würde die Kamera plötzlich der anderen Person folgen (ich glaube Bunel hat mal einen seiner Filme mal so konzipiert). Da muss man sich dann jedenfalls erst einmal völlig umorientieren.
größtenteils ist das Ganze dem beschriebenen Ablauf geschuldet. Ich zeige zuerst den »Täter«, dann gehe ich kurz darauf ein, wer das »Opfer« ist und erst dann fängt eigentlich die Geschichte an. Es ist die Geschichte des Erzählers. Der Erzähler ist die Hauptfigur.
Schwierig zu erklären; Thomas und Robert sind die Auslöser für die Gewissensbisse des Erzählers. Im Grunde interessieren die beiden den Erzähler nicht so genau, in interessiert vielmehr, ob sein schlechtes Gewissen gerechtfertigt ist oder nicht. Das mag selbstsüchtig erscheinen, ist es zu großen Teilen auch, aber so ist das Leben. Menschen kommen und gehen und wir finden nichts dabei.
Mich würde interessieren, ob du diesen Bruch ganz bewusst so geplant hast.
richtiggehend geplant war das nicht, aber mir schien es beim Schreiben stimmig. Durch diese Methode wird das Ganze aber auch sehr individuell lesbar und jeder kann für sich selbst heraus finden, wessen Schicksal ihn am meisten berührt. Jeder hat sozusagen die Möglichkeit, Partei zu ergreifen, für wen, bleibt jedem selbst überlassen, was in deinem nächsten Satz im Grunde deutlich wird.
Du stellst mir als Leser ja zuerst Robert so vor, als wäre er im weiteren Verlauf der Handlung der, auf den es ankommt. Aber tatsächlich ist es dann Thomas, um den es im Wesentlichen geht - jedenfalls so, wie ich die Geschichte verstehe.
wie gesagt, mir ging es im wesentlichen um den Erzähler, aber ich habe mir schon gewünscht, dass sich auch bei den anderen Figuren etwas findet, das den Leser festhält.
Man muss die Geschichte dann zwangsläufig noch einmal lesen, weil man, mit dem Wissen, dass es diesen Bruch geben wird, besser und glatter durchkommt.
ja, das scheint mir tatsächlich eine Schwierigkeit mit dem Text zu sein, allerdings weiß ich nicht, wie ich das sinnvoll ändern könnte.
So zerfällt deine Geschichte in drei Teile

...

Und auch beim zweiten Lesen fügen sich diese drei Teile nicht gänzlich nahtlos ineinander. Es liest sich nicht wie eine Geschichte sonder wie eine dreiteilige Geschichte.

dem kann ich ehrlich gesagt nicht so ganz folgen. Thomas und Robert sind ja nicht für sich allein stehende Teile. Sie gehören zusammen, auch wenn zwischen ihnen keine weitere (sichtbare) Interaktion als der Zusammenstoß erfolgt.

Das ist zunächst einmal eine Erkenntnis. Ob das nun sonderlich stört, wirst du jetzt wahrscheinlich wissen wollen. Ehrlich gesagt: Nö. Aber beim ersten Mal Lesen, da hat es mich doch ziemlich irritiert.
immerhin hat es nicht besonders gestört, darüber bin ich schon mal froh. Ich verstehe schon, dass es irritierend war, aber ich sehe ehrlich gesagt keinen Ausweg. Geschichten teilen sich ja eigentlich immer in mehrere Segmente auf. Da ist schon alleine das klassische Einleitung/Hauptteil/Schluss-System. Die von dir gesehenen Teile können auch nicht für sich stehen. Sie bilden ein ganzes und keins der Elemente darf fehlen, sonst ist es keine Geschichte mehr, höchstens der Ansatz einer Charakterstudie, der aber zu nichts nütze wäre.

wie gesagt, ich wüsste jetzt nicht, wo ich mit Veränderungen ansetzen könnte.

Trotzdem herzlichen dank fürs Lesen und für deinen Kommentar.
Georg

 

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