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Wie Susa auf Capri ihr Lachen wiederfand

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30.10.2007
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Wie Susa auf Capri ihr Lachen wiederfand

Susa sitzt im Sessel. Und sie ist froh. Verdammt froh und dankbar, daß es ein Sessel und kein Sofa ist. Sprich: Nur eine Person Platz hat in diesen Sesseln. Die aus Holz sind, nicht aus Plüsch, was Sessel normalerweise sind. Die Sessel, die Susas Hintern halten sind keine normalen Sessel, sondern Seilbahnsessel und schweben hinauf zum Monte Solaro, dem höchsten Punkt von Capri. Der Krone der Insel, sozusagen.
Susa hätte auch hinauf laufen können. Es gibt da einen schmalen Weg. Aber es ist heiß. Sehr heiß. Zu heiß. Mittagshitze. 40 Grad im Schatten und wahrscheinlich 80 in der Sonne. Zu heiß also, um wilde Wanderungen zu unternehmen. Und eigentlich, wenn man es genau nimmt, auch zu heiß, um sich lautlos und bewegungslos Höhenmeter um Höhenmeter nach oben schweben zu lassen ohne Sonnendach.
Susa hätte auch in Anacapri bleiben können. Im Schatten. Unter einem der Sonnenschirme der Bar direkt am Eingang der Seilbahn. Rein faktisch hätte sie bleiben können. Gefühlstechnisch aber hatte sie keine Wahl; sie mußte gehen. Einfach so. Schnell. Und vor allem allein.
Susa reißt sich den kleinen runden Aufkleber von der Haut. Er ist orange und trägt das blaue Symbol ihrer Reisegruppe. Wie ein betrunkener Schmetterling taumelt er unter Susa gemächlich zu Boden. Landet erst, als Susa dem Gipfel schon gute 5 Meter näher gekommen ist. Stille. Susa schließt die Augen hinter ihrer schwarzen Sonnenbrille. Sonne bräunt Haut, die gerade noch von einem blau-orangenen Aufkleber bedeckt gewesen ist.
Gott! Ihr könnt mich alle mal, denkt Susa, und wünschte, sie könnte die Reisegruppe und jeden Gedanken an sie genauso mühelos zurücklassen wie den kleinen Aufkleber. Die Reisegruppe. Ununterbrochen schnatternd. Belangloses. Fragen stellend, die nicht zu beantworten waren:
„Was kostet `n der Cappucino hier?“ Wollte der Typ wissen, der tatsächlich ein „I love Capri“- T-Shirt trägt, bevor sich die Gruppe geschlossen in die Bar bei der Seilbahn pflanzte.
„Keine Ahnung.“ „Vielleicht 5 Euro?! War ja unten schon so teuer.“ Leicht panischer Tonfall.
Ein Anderer: „ Nee. Bestimmt so um die 4.“ Und ein Weiterer: „Vier Euro?! Oh Gott! Das kann ich mir nicht leisten! Das ist ja der Wahnsinn hier!“
Susas Halsschlagader-von Natur aus leicht geschwollen-hatte angefangen, wütend zu pulsieren. „Schaut mal, ihr Penner! Da liegt eine Karte! Und da noch eine! Auf dem Tisch einen Meter von Euch entfernt. Die nimmt man. Schlägt sie auf und checkt die gottverdammten Preise! Und spart sich diese behämmerte, sinnlose Spekuliererei. Kapiert, ihr Schwachköpfe?!“ Das hätte Susa gerne geschrien in diesem Moment. Laut. Sehr laut. So laut, daß es ganz Capri gehört hätte, und ganz Neapel noch dazu. Von wo sie heute morgen aufgebrochen waren. Aber Susa hat nichts gesagt. Nur die Zähne fest aufeinandergepreßt.
So daß die Kaumuskeln fast ihre Backen gesprengt hatten.
Schon auf dem Schiff hierher hatte es angefangen: „Hört es nachher auf, so zu schaukeln?“ „Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?!“ „Wo kauft man die Karten für die Zahnradbahn?“ „Ich weiß es nicht. Ich war auch noch nie auf Capri. Das habe ich Ihnen doch bestimmt schon zehn Mal gesagt.“ „Ach ja. Ach so. Naja. Aber-wird einem da wohl schlecht in der Zahnradbahn. Ich bin nämlich nicht schwindelfrei. Wie schnell fährt die eigentlich...?“ Susa hätte sich am liebsten ihre blonden Rauschgoldengellocken rausgerissen.
Ein Glück. Oh so ein Glück, daß die Seilbahnsessel nur Platz für einen hatten. Sonst säße jetzt bestimmt ein deutscher Tourist einer anderen, nicht minder entnervenden Reisegruppe neben ihr: „Glauben Sie, da oben ist es sehr voll? Gibt´s da wohl eine Toilette? Ich glaube, ich muß nämlich demnächst mal. Wie lange fahren wir noch?“
Danke. Danke lieber Seilbahnkonstrukteur. Danke für die Einzelsitze. Danke für die Stille. Wem auch immer. Und danke auch, daß ich Annes Quengelgesicht nicht mehr ertragen muß. Und auch nicht ihre Quengelstimme: „Gott! Es ist so heiß. Ich hab Schweißflecke unter den Armen. Das schaut ja gräßlich aus! Diese ewige Latscherei in der Hitze. Mann! Ich kann nicht mehr.“ Als ob Anne gezwungen worden war, diesen Ausflug auf Pfennigabsätzen zu starten. „Kipp Dir einen Limoncello rein und entspann Dich!“ Das war bislang das Letzte gewesen, was Susa heute zu Anne gesagt hatte. Die sprach seit dem kein Wort mehr mit Susa, und schaute überall hin, nur nicht da hin, wo Susa stand. Trink einen Doppelten, hat Susa gedacht, und war dankbar, daß Anne nun andere mit ihrem Genörgel versorgte. Nach wie vor nüchtern. Denn Anne trinkt keinen Alkohol. Nie. Und das in Italien.
Susas neue Sandalen stoßen auf Grund. Angekommen. Mit Sandalen. Und das ist garnicht selbstverständlich. Wären ihr nämlich fast von den Füßen gerutscht. Eben, so zirka auf halber Strecke. In sechs Metern Höhe. Schuhe, die da fielen waren weg. Unwiederbringlich. Waren keine Schneewittchenschuhe, die einem der Prinz hinterhertrug. Keiner trug die einem nach. Nicht mal ein stinknormaler Italiener. Die waren weg. Für immer. Würden im Gras von Capri vor sich hin rotten oder von der trockenen Hitze mumifiziert werden. Würden Tut-Ench-Amun-Schuhe werden. Außer ein streunender Hund kam vorbei und hatte Appetit auf gut gereiftes Leder.
Susa ist jetzt oben. Ganz oben. Höher geht´s nicht.
Oder doch?
Sie springt in die Höhe. Aus dem Stand. In ihren neuen Sandalen. Ja. Geht doch noch höher. Gell, da glotzt ihr blöd, ihr Amitouris da hinten. Wundert Euch, was ich hier rumspringe wie ein entfesselter Flummiball.
Natürlich schaut sich Susa auch um, wie alle Touristen eben. Und vor allem auch nach unten, aufs Wasser, und die Jachten, die sich drauf ausruhen, viele hundert Meter unter ihr. Susa trinkt einen eisgekühlten Lemonsoda für drei fünfzig unter einem Dach aus Stroh. Genießt die Aussicht auf den nackten Oberkörper eines Italo-Amerikaners, der unerhörter Weise mit Begleitung da ist. Genießt es, nach wie vor selbst ohne Begleitung zu sein. Genießt Stille, Wind und Lemonsoda. Und auch den Satz, der plötzlich hart die Stille zerschneidet. Irgendwo aus der Richtung der Sesselbahn weht er herüber: „So eine Scheiße! So eine verfluchte Scheiße! Meine Schuhe! Jetzt hab ich in dieser beschissenen Seilbahn meine Schuhe verloren! Ich dreh echt durch. Scheiße! 200 Euro für den Arsch. Jetzt kann ich barfuß nach Hause latschen. Super! Ich hasse Capri!“
Aus Susas Magen perlt die Lemonsodakohlensäure durch die Speiseröhre zurück nach oben. Und entweicht ihrem Mund als ein schallendes Lachen. So laut, daß ganz Capri es hört.
Und ganz Neapel noch dazu.

 

Hallo Mel Vee,

den Inhalt kann ich gut nachvollziehen. Auch wenn ich in der Regel nicht mit Reisegruppen unterwegs bin, aber es kommt ja das eine oder andere Mal vor, dass man mit Menschen zusammengewürfelt wird, die einem den letzten Nerv rauben. Und den Wunsch nach Stille und „mal für mich sein“ kann ich ohnehin sehr gut nachvollziehen.

Du wiederholst Dich gerne. Sehr gerne. Immer wieder Wieferholungen :D Die sind natürlich schon okay, aber bei der Häufung in diesem doch recht kurzen Text, in dem ja nun nicht so wahnsinnig viel passiert (ist aber völlig okay bei einem Alltagstext) hätte ich mir etwas weniger davon gewünscht. :) Irgendwann verliert das Mittel seine Wirkung und man es wirkt nur noch aufplusternd. Irgendwie.

Etwas Textkram:


Verdammt froh und dankbar, daß

dass


Sprich: Nur eine Person Platz hat in diesen Sesseln.

„nur klein“. Den letzten Teil würde ich streichen. Da, finde ich, ist es definitiv zuviel „Sessel“

sie mußte gehen

musste


„Was kostet `n der Cappucino hier?“ Wollte der Typ wissen

„Was kostet `n der Cappucino hier?“, wollte der Typ wissen

Das hätte Susa gerne geschrien

geschrieen


Nur die Zähne fest aufeinandergepreßt. So daß die Kaumuskeln fast ihre Backen gesprengt hatten

fest aufeinandergepresst
dass

Oh so ein Glück, daß die Seilbahnsessel nur Platz für einen hatten

dass


Ich glaube, ich muß nämlich demnächst mal.

muss


Und danke auch, daß ich Annes Quengelgesicht nicht mehr ertragen muß

dass
muss


Das schaut ja gräßlich aus!

grässlich

und war dankbar, daß Anne nun andere mit ihrem Genörgel versorgte

dass

Und das ist garnicht selbstverständlich.

gar nicht


Wundert Euch, was ich hier rumspringe

"euch" klein
herumspringe


So laut, daß ganz Capri es hört.

dass

Liebe Grüße,
gori

 

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