Was ist neu

Wie Treibholz

Beitritt
22.11.2005
Beiträge
993
Zuletzt bearbeitet:

Wie Treibholz

Ein Schotterweg, übersät mit Spuren von Kinderwagen und Pärchenschritten, dann folgt, ich kann ihn nicht bis zum anderen Ufer überblicken, ein gestorbener Teich, umgekippt, eine einsame kleine Ente ackert sich durch dunkelgrünen Schlick, der so fest ist, dass Dosen nicht versinken, und ein Fahrrad, dessen Vorderrad bei jedem Windstoß leicht angetrieben wird, ragt heraus.
Alles schwach beleuchtet durch eine Laterne, die ihr Licht müde in den nächtlichen Park spuckt.
Ich strecke einen Arm über die Parkbanklehne; das Eichenholz ist kalt und schon etwas feucht, die Nacht ist spät, der Morgen früh.
Noch immer hämmert der Bass in meinen Ohren, meine Beine wippen unruhig, mein Herz schlägt einen schnellen Takt, und wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich noch auf der Welt, in der die Diskokugel die Sonne ist. Das Licht des Stroboskopes durchflackert noch mein inneres Auge, und Felis ist bei mir, unsere nassgeschwitzten Körper prallten gegeneinander, wollten sich festhalten, und wir küssten uns schließlich, als sie signalisierte, das Leuchtstäbchen in meinem Mund haben zu wollen. Der Kuss dauerte lange, dauerte eine Bahnfahrt, dauerte ein Treppenhaus, endete in ihrem Zimmer, in ihrem Bett und glühte in einem zarten Traum nach.
Im Grunde kannte ich diese Frau genau diesen Kuss lang. Denn vor ungefähr einer Stunde bin ich aufgewacht und habe versucht, mich leise anzuziehen, um auf dem Balkon zu rauchen, während in meinem Bauch die Schmetterlinge fickten. Auch sie erwachte etwas und fragte mich, nuschelnd und mit geschlossenen Augen, wo ich denn diese ganzen vielen Narben herhätte. „Ich hole mir schnell was zu trinken, dann erzähl ich es dir“, hatte ich geflüstert und jetzt sitze ich hier und suche die kleine Ente, die sich durch den Schlick kämpft. Es ist mittlerweile hell geworden, erste Wolken schubsen sich über die Himmelsleinwand, und ich finde die kleine Ente auf dem Rücken treibend. Schade.
Schade ist es auch, dass ich vor Felis flüchten musste, aber ich bin nicht hierher gekommen, in diese fremde Stadt, ohne jemanden zu kennen oder jemandem gesagt zu haben, wo ich jetzt arbeite, um über meine Vergangenheit zu reden. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Sofort musste ich wieder an die dunklen Winkel in meinem Elternhaus denken, in denen ich mich vor diesem einen Menschen versteckt habe, wenn er verdreckt und staubig und betrunken von der Arbeit kam. Ich mochte den Winter, da es zu dieser Zeit schon dunkel war, wenn er sich auf die Suche nach mir machte. Dann fand er mich manchmal nicht, wenn er schon zu betrunken war, und das Licht im Keller wieder einmal nicht funktionierte. So war die Dunkelheit zu einem wichtigen Freund geworden.
Felis hatte die Narben diese Nacht gestreichelt, hatte kurz gestockt, das habe ich gemerkt, als sie das erste Mal mit ihren Fingern hinübergeglitten war, jedoch nicht gefragt. Sie fragen nur sehr selten, wenn sie betrunken sind, und so ist der Alkohol zu einem Hilfsmittel geworden. Ich selbst trinke nicht, denn ich möchte nicht so sein wie dieser Mensch, den ich nicht wiedersehen muss, wenn ich es nicht will, und der doch so viele Wunden in mir gelassen hat, die niemals verheilen, die ich mit ins Grab nehmen werde.
Felis ist nicht die Erste, bei der ich mich nicht melden werde, die ich nicht wiedersehen werde, die ich im erhitzten Bett zurückgelassen habe, wobei ich auch mich wieder einsam vorfinde, hier auf dieser Parkbank, die Sonne drückt ihr Licht in die Welt, macht alles noch hässlicher, als es eh schon ist. Ich mag den Sommer nicht, das sagte ich ja schon.
Es beginnt zu regnen und ich bin durchnässt, als ich zuhause eintreffe, rauche, sich der Sommerregen gegen die Fenster schmeißt, ich den Veranstaltungskalender durchforste und an diesen Menschen denken muss, zu dessen Fratze sich jetzt sogar schon der Rauch formt; ich möchte nicht schlafen, niemals mehr, denn da ist er immer, so lebendig wie früher. Ich werde aufwachen und die Wunden werden wieder bluten, da ich sie aufreiße, während ich schlafe, denn schon zu sehr bin ich an den Schmerz gewohnt. Aber zumindest kann ich mir sicher sein, dass mich niemand nach den Narben fragen wird, wenn ich wach werde. Und morgen Abend werde ich mich wieder durch die Nacht treiben lassen und vielleicht dort stranden, wo nicht nach meiner Herkunft gefragt wird, wo es als Information reicht, dass ich nicht verloren herumtreibe.

 

Hallo

Das hier soll mein erster Beitrag in meinem Studienseminar "literarisches Schreiben" werden. Als Schreibauftrag gab es 3 Aufgaben:

Es soll der Anfang von einem Roman sein, und daher nicht abgeschlossen sein und neugierig auf mehr machen. Es ist jetzt dann natürlich keine abgeschlossene Kurzgeschichte, aber auch als solche kann man dieses Text ja ohne Probleme sehen.

1. Erschließen Sie einer Figur in drei Schritten den Handlungsraum.

Das habe ich einfach in Vergangenheit Gegenwart und Zukunft aufgeteilt und die 3 Räume vermischt. Ist ja so auch üblich.

2. Benutzen Sie dazu das sprachliche Missverständnis (Kalauer, Fehlleistung) als voran treibendes Moment.

Das hab ich nicht verstanden, weil ich in der ersten Sitzung auch nicht dabei war. (ist ja ein Kurs für höhere Semester, in den ich mich da reingeschmuggelt hab) und daher hab ich es einfach weggelassen, lässt sich aber bestimmt irgendwie reinreden. :D

3. Benutzen Sie dabei bewusst die Mölichkeiten des parataktischen und des hypotaktischen Satzbaus.

War ja, wie gesagt, die erste Stunde nicht da. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, aber ich glaube, ich soll einfach bewusst einen Stil anwenden.

Ich dachte, das interessiert manche hier vielleicht. Wer also Lust hat, mir bei meinen "Hausaufgaben" zu helfen, ich würde mich freuen.

Ansonsten kann diese Geschichte natürlich wie gehabt als ganz normale KG behandelt und kritisiert werden.

lieben Gruß

 

Hi ZP

Das ging aber schnell. Danke, dass du dich damit befasst hast. ja, punkt 2 wird wohl so was sein. Ist ja hier auch drin, muss ich nur gut drüber labern können.

Was ist mit dem angesprochenen Satz? Warum findest du ihn grauenhaft?

Ich denke, das wird bei Germanistik immer angeboten. Als Ersti darf ich diesen Kurs ja auch noch nicht belegen. ich bin mal gespannt, wie lange ich da sitzen darf! Wir haben auch kreatives Schreiben, aber das war schon überfüllt. Und noch so ein paar wirklich interessante Kurse.

lieben Gruß

 

Mit dem zu pathetisch könntest du Recht haben. Aber ich werde ihn stehen lassen, denn ich finde ihn wichtig. Vielleicht kann ich ihn etwas abändern.

 

Hallo Aris

bin echt total ergriffen von der Sprachgewalt, die diesen Text beherrscht. Da kann ich nur huldvoll meinen Kopf neigen. Ein wahrer Genuss diese Kg zu lesen, zumindest sprachlich. Inhaltlich ist er natürlich alles andere als "schön", aber Stil und Inhalt fließen wunderbar ineinander über. Spricht mich auf allen Ebenen an.
Wenn ich etwas zu bemängeln hätte, dann wäre es der letzte Absatz. Der Teil hinkt ein klein wenig hinterher, was deine gekonnt Formulierung angeht. Immernoch stark, im Vergleich mit dem übrigen Text jedoch in meinen Augen seichter.

Beeindruckt
weltenläufer

 

Hi Aris,

ich kritisiere die Geschichte einfach so, ohne auf die Hausaufgaben einzugehen, das vorab.

Mich hat die Geschichte nicht überzeugt. Das liegt daran, dass ich schon zuviele Geschichten hier gelesen habe von betrunkenen Proletariervätern oder Stiefvätern, die ihre Kinder verprügeln. Ich glaube von dir auch schon eine wenn nicht sogar zwei gelesen zu haben.
Die vielen Sätze, die mit Komma verbunden werden finde ich anstrengend zu lesen.

übersäht

übersät

das Licht des Stroboskopes durchflackert noch die Dunkelheit,

das verstehe ich nicht ganz, da du ja vorher schreibst, das eine Lampe das LIcht müde ausspuckt. Flimmert es noch so vor seinen Augen von dem Discolicht?

während in meinem Bauch die Schmetterlinge fickten.

das empfinde ich als etwas sehr gewollt. Für meinen Geschmack passt es nicht zu der vorher eher sanften Sprache.

Der letzte Abschnitt mit den Wunden ist mir auch was zu pathetisch.

Das ich finde, dass du sprachlich was drauf hast, weißt du aus meinen anderen Kritiken.
Sorry, für kein besseres Statement,aber ich bin eben von deinen anderen Geschichten verwöhnt!

Lass dich nicht erwischen;)

LG
Katinka

 

Hallo zusammen

Ach ja, ist ja nicht dein Thema, dieses Vater Ding. :D

Hier ist noch viel mehr von älteren Geschichten von mir übernommen, und die angesprochenen Sätze sind aus anderen Geschichten. Mein Fanclub weiß da mehr bescheid als du :D
Ist ja auch legitim, sind ja meine Sätze.
Im Grunde wollte ich Gas geben, denn den Leuten im Kurs muss ich, im Gegensatz zu hier, ja noch was beweisen. :D

Das hier ist eine typische Aris Geschichte, behaupte ich einfach mal so.
und daher kann ich mir nicht erklären, liebe katinka, wie du diese Geschichte nicht mögen kannst, wenn du von meinen sonstigen Geschicten, die dieser hier sehr ähnlich sind, so verwöhnt sein kannst, ohne diese hier zu mögen.

Aber seis drum. Mit deinen ratschlägen hast du Recht, wurde schon verbessert. Nur mit dem Pathetischen habe ich noch schwierigkeiten. Aber da fällt mir schon noch was ein.

Zumindest den weltenläufer konnte ich endlich mal wieder überzeugen. Das gibt mir doch Mut, den Text in einer Gruppe vorzulesen. Ich hoffe, ich habe nicht zu sehr in die Stilistikkiste gegriffen und übertrieben, denn manche mögen das ja immer nicht so.
Wie gesagt, sprachlich hab ich einige Sachen von mir gesammelt, daher wahrscheinlich die Gebaltheit. :D

Danke euch allen

und lieben Gruß

 

Hi Aris,

Das hier ist eine typische Aris Geschichte, behaupte ich einfach mal so.
und daher kann ich mir nicht erklären, liebe katinka, wie du diese Geschichte nicht mögen kannst, wenn du von meinen sonstigen Geschicten, die dieser hier sehr ähnlich sind, so verwöhnt sein kannst, ohne diese hier zu mögen

ja, man merkt deine handschrift ohne zweifel. wenn ich deine vorherigen nicht gelesen hätte, wäre ich möglicherweise zu einem anderen ergebnis gekommen. das ist so wie beim lieblingsschriftsteller, man will ihn wiedererkennen, aber mit was neuem. wenn man dann merkt etwas wird wiederholt ist man enttäuscht.
"Das Klavier" oder "Von Vater und Sohn" finde ich einfach besser.

meine bescheidene meinung, lieber aris.

lg
Katinka

 

Hallo Aris,

sprachlich finde ich diese Geschichte sehr ansprechend; trotz der Kürze erkennt man die Getriebenheit des Prot ganz gut. Die Begegnung mit der Frau hast du gut skizziert, da kam für mich echt was rüber. Probleme habe ich mit der Glaubwürdigkeit. Wenn jemand von seinem Vater missbraucht/geschlagen wurde, hat er sicherlich ein Problem damit anderen zu vertrauen, aber die Stadt zu wechseln und jede Frau immer nur einmal treffen? Warum?
Jedenfalls macht der "Anfang" Lust auf mehr, das war ja eins der Ziele...

helldunkle Grüße,
lightdark

 

Hallo

Deine "bescheidene" Meinung, katinka, ist mir hier sehr wichtig. Ich hatte auch überlegt, ob ich einfach was altes von mir nehme und vorlese, aber ich denke, etwas neues geschrieben zu haben ist schon angebracht.
Meine anderen Geschichten sind halt KGs, also abgeschlossene Geschichten, die sich für diese Schreibaufgabe nicht verwenden lassen würden.

@nachtschatten na, das beruhigt mich ja schon mal etwas. Es geht mir auch darum, das alle anderen Studenten in dem Kurs eher so lustige Liebesgeschichten geschrieben haben, kaum mit metaphern und so was. Und dann komm ich mit so was Metaphernüberladenem und schwermütig traurigem. Ich will mal sehen, was das wird. Aber ich hatte auch keine Lust, anders zu schreiben, als ich es gerne möchte, mich zurückhalten oder so, das ist nichts für mich.

hallo lightdark

ja, danke fürs kommentar und den Lob.

Das "Warum" ist sicherlich eine Sache, die sich in einem Roman nicht direkt am Anfang klären sollte, denn dann wäre er ja schon vorbei.
Er tut es, weil er vergessen möchte. Was sicherlich ein unmögliches Unterfangen sein wird, da er ja auch selber sagt, dass er die Wunden niemals wird vergessen können. Genau diese Unmöglichkeit soll die Schwere dieser Geschichte ausmachen.

lieben Gruß

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom