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Wiesnbesuch

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13.09.2007
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Wiesnbesuch

„Mama, der Ronny kommt mich zur Wiesn besuchen. Darf er bei uns übernachten?“ fragte Carolin.
„Klar“, sagte ich.
Ronny, das ist der Sohn meiner Jugendfreundin. Kenne ihn schon seit seiner Geburt. Oft habe ich auf ihn aufgepasst. Er ist mir ans Herz gewachsen, wie man so schön sagt.
Sein Stiefvater nicht, denn das ist mein Exmann, nun liiert mit meiner Exfreundin.
Aber Ronny, den mag ich.
„Klar kann er kommen.“, habe ich also geantwortet und an nichts Böses gedacht.
Drei Tage später klingelt es zur verabredeten Zeit.
„Moment!“, rufe ich durch die Sprechanlage, zurre mein Dirndl fest, öffne.
Da steht er vor der Tür, der Ronny und...
Ich lasse ihn rein, schließe eilig.
„Mama!“, tadelt meine Tochter. „Du musst doch“ - es klingelt erneut - „auch den Papa reinlassen!“
„Nein!“
Sie schiebt mich weg und tut es. Da steht der: „Hallo erst 'mal. Hier, ich hab überraschend frei gekriegt und da dachte ich mir. Steht Dir gut, das Dirndl. Wann ziehn wir los?“
„Geht mal, mir ist plötzlich übel. Ich lasse das heute sein. Na los, sonst bekommt ihr keinen Platz mehr im Zelt!“
Endlich allein überlasse ich mich meinen inneren Abgründen. Schaue Wallace, erfreue mich am Gemetzel. Träume, wie ich Messer schwingend Blut vergieße. Und er heult, und er winselt um Gnade. Und es klingelt.
Bierselig schwankt mein Ex herein, Ronny vor sich durch meine Wohnung schiebend. Ronny wehrt sich, pöbelt, rangelt, verpasst ihm einen prächtigen Armschwinger und lässt sich auf die Katzenbetten in meinem Schlafzimmer fallen. Empört stieben die Miezen zu beiden Seiten davon. Ronny schnarcht schlagartig.
„Trag ihn rüber!“, befehle ich dem Ex. Er versucht's, knurrend tritt Ronny zu und mein Ex windet sich würgend am Boden, den Bauch haltend.
„Gut“, lobe ich, „Aber lass, lass ihn jetzt. Kannst drüben auf dem Sofa schlafen. Hier hast Du eine Decke. Caro? Wo ist Carolin eigentlich?“
„Ei verbibscht, ist die nich schon da?“, gluckst er.
„Geh, geh schlafen!“; zische ich und rufe Caro auf dem Handy an.
„Mami, ich sitz in der Bahn.“
„Wo bist Du denn, Caro?“
„Weiß nich“, kichert sie, „aber ich bin sehr seriös.“
„Carolin, jetzt schau doch mal, da gibt es Schilder an den Bahnhöfen, oder frag jemanden, wo?“
„Oh, das is ja, ich bin ja, eh, sorry, wo-sin-wir-denn-hier? Holzkirchen? Mami, die sagen Holzkirchen! Was is das für'n Scheiß.“
„Carolin, Du musst aussteigen, hörst Du, jetzt! Gut, jetzt schau, wann die nächste S-Bahn zurückfährt. An den Tafeln oben, siehst Du's?“
„O was für ein Scheiß, Mami, die nächste fährt in 124 Stunden, ohr, nee, so lange, was soll ich denn jetzt machen?“
Ich dirigiere sie zu den Taxis, lasse mir den Fahrer an ihr Handy geben. Er heißt Herr Schlüter und hört sich vernünftig an. Er möchte bei mir klingeln wegen der Bezahlung.
Erschöpft lasse ich mich zurück ins Bett fallen.
„PUHH!“ johlt es vom Fußende.
Schrecke schreiend hoch. Steht der Ex da, in Unterhosen:
„Hier, willst Du, wolln mir nich. Ich dachte, wir könntn mal bissel schnattern mal, reden.“
„Nein!“, brülle ich. Und „Raus!“
„Och so, na danne.“, schwankt er davon.
In meinem Schlafzimmer stinkt's wie 10 Bierleichen. Ronny rührt sich nicht, aber seine Lebenszeichen sind unüberhörbar. Ich öffne das Fenster, werfe ihm eine Decke über, ziehe mir noch was über, denn es klingelt. Bezahle das Taxi, bringe meine Kleine ins Bett und begebe mich selbst in das meine.
Lächelnd schlafe ich ein, mit dem tröstlichen Gedanken, dass dieser Spuk in ein paar Stunden vorbei sein wird.
Für immer und ewig.
Im Traum lasse ich mich gleich noch einmal scheiden.

 

Hallo Marai,
vielen Dank für Deine Kritik und Dein Interesse an meiner KG.
Ja, das Oktoberfest ist gemeint.
Kinder sind schon zugelassen, es gelingt ihnen leider auch oft, sich zu betrinken, was natürlich versucht wird, zu unterbinden.
Aber der Kevin und die Caro sind schon Jugendliche im korrektem Alter (Kevin wollte allein nach München reisen, die Protagonistin hat ihn zwar von Kindheitsbeinen an gekannt, aber das liegt schon lange zurück), der Oktoberfestbesuch zielt direkt aufs Bierzelt ab, was beim Familienausflug mit Kindern unüblich ist. Die Tochter nennt ihre Mama betrunken Mami - betrunken übliches Verhalten.
Ob die Protagonistin im Traum oder ihrer Fantasie das Messer schwingt, finde ich egal für die KG. Ich dachte, sie ist eingeschlafen.
Die Miezen stieben davon, stimmt, danke.
Der Ex kommt nicht ungeschoren davon - er wird einen ordentlichen Kater haben. Vielleicht nötigt sie ihn zu einem üppigen Frühstück.
Liebe Grüße in die Schweiz, Damaris :-)

 

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