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Windschattenjahre

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19.05.2015
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Windschattenjahre

Georgia verschwand an einem Sturmtag, der heulend die Stadt anzischte, Fassaden verletzte, während Sturzbäche auf den Asphalt krachten, Neonblitze den Tag erhellten und die Menschen in die Häuser flohen.

Ich stieg triefnass die Treppen hoch, hörte dem Holz zu, das unter den Schuhsohlen ächzte, kam im vierten Stock an, schnaufte aus, freute mich über das satte Klicken der Tür und schlüpfte in das Dachwohnungsnest, das wir damals bewohnten. Ich schnüffelte durch den Flur und roch sie nicht mehr, ließ die Stille langsam in mich sickern. Der Apfelduft des Reinigungsmittels schlug mir entgegen, darunter war nichts, kein Menschenhauch, kein Georgia-Parfüm. Die Kissen, die Decke lagen sauber gefaltet auf dem Bett, der Küchentisch blitzte wie eine leergefegte Insel, auf der Kommode stand die Vase mit den bunten Blumen, die ich gestern mitgebracht hatte. Die Zettel fehlten, die Haarbänder, das Porzellanblumenschälchen, in das sie Uhr und Schmuck legte, wenn sie heimkam. In den Schränken lachten mir Kleiderbügel entgegen, verhöhnten mich. Ich zögerte, begriff, riss Schubladen auf und wünschte mir, einen der Hauchzartstrings zu finden, durchsichtig, schimmernde Haut darunter, die pulsierende Hitze ihrer Haut. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und schloss die Augen.
Ich nahm das Handy, streichelte über das Display, suchte, wartete auf eine Verbindung, erfuhr, dass der Teilnehmer nicht erreichbar sei. Schließlich öffnete ich den Ordner mit den Fotos, blätterte durch die Bilder, schaute manche lange an, stellte mir ihre Haare, ihre Haut vor, löschte jedes einzelne, verwischte die Spuren und versteckte Georgia, sperrte sie weg. Dann nahm ich eine Glückspille und schlief ohne Traum.

„Du bist ekelhaft, ein kalter Egoist, der an nichts als seinen miesen Geschäften interessiert ist“, hatte Georgia gesagt. Die Worte vergaß ich nicht, schließlich verließ mich ihre Kaminfeuerstimme.

***

Ich dachte, dass alles anders wäre, wenn ich mich von Karl befreite. Weil ich ihn so sehr liebte, dass nichts von mir übrigblieb. Jeden Tag fieberte ich darauf hin, ihn zu sehen, um ihn zu streicheln, ihn zu spüren und zu lieben. Ihm war’s egal, er bemerkte es nicht. Seine Gleichgültigkeit, die Kälte, die von ihm ausging, fraß mein Herz auf. Er konnte stundenlang über die Verwicklungen seiner Geschäfte sprechen, chinesische, südamerikanische Aktien, Derivate, Investments, die er sich ausgedacht hatte. Ich hörte zu, starrte in seine glühenden Augen, war eifersüchtig auf die Begeisterung, die ihn packte, die Gesten, die einen Dirigenten vor einem großen Orchester zeigten. Wenn ich von mir, den Schülern, denen ich Italienisch beibrachte, meinem Kinderwunsch erzählte, zuckte Karl, erstarrte, öffnete eine Flasche Wein und wartete darauf, dass meine Worte versickerten.

Ich ging, ohne eine Spur zu hinterlassen, anders war’s nicht möglich. Seither sind fast zehn Jahre vergangen, zu viel Zeit, um es für einen Wimpernschlag zu halten. Ich hatte einen Mann. Ich hatte ein Kind, weggestorben, noch bevor es zur Welt kam. Ich stelle es mir als Engel vor und finde es manchmal oben am Himmel. Dann bin ich nach Italien zurück, in den Staatsdienst eingetreten, pendle jetzt zwischen Rom und Catania. Ab und zu treffe ich mich mit Männern, was soll man machen, wenn man allein ist. Meine Eltern wohnen nicht weit von mir. Ich liebe sie.

Da war dieser Urlaub, als ich Karl meine Heimat zeigen wollte. Sizilien glänzt am schönsten, wenn die Wüstenglut aus der Sahara herüberweht, die Insel gefangen nimmt und in einen Dämmerzustand versetzt, die Menschen trunken von der Sonne den Schatten suchen, in kühlen, abgedunkelten Räumen die Tage verdämmern. Karl und ich verbrachten die Zeit zwischen Kissen und Decken, die wir nie aufschüttelten, die vom Liebesschweiß durchtränkt waren, mit fröhlichen Abenden in der Trattoria, bei Tanten und Onkeln, berauscht vom Wein und in den Nächten mit den schamlosesten Zärtlichkeiten. Wir schafften es nicht, zum Ätna hochzufahren, zum Gipfel zu wandern und den Vulkan zu spüren, der die ganze Gegend prägt, schoben den Ausflug immer weiter vor uns her, bis uns keine Zeit mehr blieb.
Wir saßen beim Frühstück, rührten im Espresso, nippten daran, eine Welle heißer Luft drang von draußen herein, als ich den Laden zurückschlug und das Fenster einen Spalt öffnete.

„Ich glaube, der Ätna will uns nicht. Heute wird’s auch nichts mit dem Gipfelausflug“, sagte ich und streichelte seinen Oberkörper. Karl schaute kurz nach draußen und sagte leise, ohne dass er den Blick vom Horizont abwandte: „Weißt du, was wir machen? Wenn wir uns je verlieren, egal, was passiert, treffen wir uns heute in zehn Jahren, am 25.Juli, 16 Uhr, oben auf dem Ätna, am Hauptkrater.
„Und was, wenn wir Kinder haben?“, fragte ich.
„Dann nehmen wir sie mit.“
„Einverstanden.“
„Versprichst du mir das? Egal, was passiert?“
„Ja, ganz egal, was passiert.“

Danach küsste er mich und ich spürte eine Erleichterung, als hätten wir uns dadurch Ewigkeit verschafft.

***

Ich bestelle ein Taxi, das mich zum Commerzbankturm bringt, obwohl ich vom Westend aus hinlaufen könnte. Bevor ich ihnen entgegentrete, erleichtere ich mich auf den Vorstandstoiletten des 49. Stocks, ziehe an dem Zipper, spritze gegen das Porzellan und blicke auf die Stadt, die sich vor mir ausbreitet. Urinal ist an der Außenwand des Gebäudes angebracht, darüber ein Panoramafenster. Ich betrachte die Dächer der Kaufhäuser, die Ameisenmenschen in Sommerkleidern, atme tief durch, obwohl der Strahl, den ich gegen das Porzellan spritze, sie nicht trifft, bemerke Krähen, die in Höhe des Aussichtspunktes segeln, als spielten sie mit der Luft, als genössen sie es, sich fallen zu lassen und wieder aufzusteigen. Vielleicht planen sie ein Picknick ganz oben auf dem Turm, dort, wo die Vorstände nicht mehr hinkommen.

Ich komme gleichzeitig mit den anderen zum Besprechungsraum. Reimer weist zur Tür und lässt mir den Vortritt. Seine beiden Assistenten zeigen ihr Harvard-Uni-Sankt-Gallen-Grinsen und tragen Aktenpapiermäppchen. Alle drei setzen sich mir gegenüber. Ihre Rasierwasserdüfte wehen als Kräuterteemischung zu mir.
„Wir haben unser Engagement geprüft und eine Entscheidung getroffen, Karl, wir steigen aus. Ich kann’s nicht mehr verantworten, leider. Cum-Ex-Geschäfte, Sojabohnenpreise, soll ich dir alles auflisten? Völlig undurchsichtig, was du machst. Bis Ende des Monats muss die Einlage wieder bei uns sein!“

Die Kerle neben ihm lächeln. Reimer schaut mich zum ersten Mal an, faltet die Hände, als wolle er beten, lugt unter der Brille hervor und zeigt mir Ich-kann-nichts-mehr-für-dich-machen-ich-hab-das-nicht-alleine-entschieden-Augen.
„Wir kommen bestimmt irgendwann wieder ins Geschäft,“ sagt er aus dem Off.
Die Maschine in mir rattert, zerkleinert die Wut zu Brei, ich wappne mich, nehme Haltung an.
Ein wohliges Sausen fließt mir durch den Bauch, als ich den Turm hinabschwebe, als wäre ich eine der Krähen, die an der Glasfassade vorbeigeflogen sind. Es gibt eine Lösung, über die ich schon lange nachgedacht habe. Heute ist der 21. Juli.


Im Club wummern Beats, bedrängen und penetrieren mich, wabern im Bauch. Ich spüre die Hitze der wogenden Körper, die Lichtkugelblicke, die sich ins Nichts richten, die Barrieren, mit denen wir uns umgeben. Wodka hetzt durch meine Kehle und ich lasse mich von Traumbildern treiben, die vor meinen Augen entstehen, Fantasiegebilden, Dämonenfratzen, Engeln. Ein Kerl tanzt eine Feenschönheit an, Haare umhüllen die Gestalt bis zu den Beinen, pechschwarze Seide fließt über ihren Rücken. Ich beobachte ihre Bewegungen, die sich wiegenden Hüften, stelle mir ihre Küsse vor, bis ein Mann im Blickfeld auftaucht, seinen Rhythmus ihrem anpasst, sie auf einer Woge reiten und ich die Teufelsfratze des Kerls wahrnehme, die mich angrinst, ein rotes Blutgesicht mit Hörnern und Gletscheraugen. Am nächsten Morgen wirbeln Wodkastürme in meinem Kopf, die Satansaugen verfolgen mich, der faulige Geschmack im Mund lässt sich nicht beseitigen. Die Bettdecke fühlt sich kühl an, das Hämmern lässt nach, als ich die doppelte Pillenportion genommen habe. Ich wundere mich, dass ich mich in meiner eigenen Wohnung wiederfinde. Der Rothko an der Wand gegenüber dem Bett, die roten aufgerauten Flächen rotieren und zeigen mir die grinsenden Teufelsfratzen aus dem Club.

Der Jahrestag rückt näher, die zehn Jahre sind vorbei, die Verabredung auf Sizilien, die Georgia bestimmt vergessen hat. Ich werde hinfliegen, egal, ob ich sie dort vorfinde, oder nicht. Ich durchstöbere das Gedächtnis, denke an sie, an die Luftzeit, die Frühlingsglückstage, die Nächte, in denen das Aufwachen ebenso schön wie das Einschlafen war, weil ich ihrem Atem lauschen konnte und an die Schuld, die ich auf mich geladen, das Leid, das ich ihr angetan habe. Ein paar Tage noch, viel Zeit, wenig Zeit, je nachdem. Ich buche Tickets nach New York, Catania, Acapulco.

***

Das Smartphone vibriert, obwohl ich es lautlos gestellt habe, verlangt volle Aufmerksamkeit, tanzt, schwebt über die Tischplatte, Millimeter nur, aber so aufgeregt, als wäre es ein Wesen, das zu schreien und weinen vermag. Der Anruf kommt von der Dienststelle in Rom, unterbricht die Stille des Sommerurlaubs mit der Nachricht, auf die ich gewartet habe. „Der Drache ist unterwegs, er fliegt nach New York und anschließend nach Catania. Die Maschine landet am 25. Juli frühmorgens.“ Drache. Den Codenamen habe ich ausgewählt. Für mich war er einer, feuerspeiend, schuppig, mit meterdicker Haut, die sich rau und kalt anfühlte, mit Dornen und Stacheln, Augen, die mich verzehren, töten konnten, mit der Kraft zu zerstören und jeden zu beschützen, der zu ihm gehört. Sein Drachenwesen hatte ich vor allem anderen geliebt, die Fähigkeit zu Grausamkeit und größter Zärtlichkeit zugleich, die Kraft, die in ihm steckte. Und doch hörte ich sein Drachenherz nicht pochen, als ich es am meisten brauchte, Wut, Angst, Enttäuschung zerfetzten und verwirrten mich. Deshalb hinterließ ich damals keine Spuren.

Wir spazierten am Main entlang, hielten uns an der Hand, beobachteten die anderen Pärchen, einige, die miteinander schwiegen, andere, die sich ineinander vertieften, gestikulierten, diskutierten, Familien mit Hunden und Kinderwagen. Der Frühling erfüllte die Luft mit Zwitschern. Wir setzten uns zwischen die Leute ans Ufer, die Bier tranken, rauchten und Musik hörten. Ich wusste, dass ich es ihm sagen musste, es nicht mehr aufschieben konnte.

„Ich hab ein Geheimnis, Karl.“
„Erzählst du’s mir?“
„Dann wär’s kein Geheimnis mehr.“
„Warum hast du davon angefangen, wenn du’s nicht erzählen willst?“
„Weil’s dich auch betrifft.“
Karl stand auf, fuchtelte mit den Händen, lachte, lief zum Main, zeigte zum Wasser.
„Wenn ich reinspringe und zur anderen Seite schwimme, sagst du's mir dann?“
„Nein, du Spinner!“
Er zog sich das Shirt über den Kopf, die Schuhe aus, nestelte an der Hose.
„Ich kann auch nackt rüber schwimmen. Außerdem nehme ich dich mit.“
Er umarmte mich, steckte mir die Zunge in den Mund, wollte mir das Top abstreifen.
„Nein, ich sag’s dir nicht.“
„Komm schon!“
Dann küsste er den Hals, den Bauchnabel, drückte mich an sich.
„Okay, ich sag’s dir. Ich bin schwanger.“
Er setzte sich auf, starrte auf die Silhouette der Stadt, den Kaiserdom, die Türme.
„Was? Bist du sicher?“
„Ja, gestern war ich beim Frauenarzt.“
„Von wem ist es?“
Ich nehme erst gar nicht wahr, was er da sagt.
„Warum fragst du das?“
„Na ja, muss ich doch wissen.“
„Ich denke von dir, ja, wahrscheinlich von dir!“, schleudre ich ihm ins Gesicht.
„Willst du’s behalten?“
Ich stehe auf und laufe davon, drehe mich nicht um. Er kommt mir nicht hinterher.

***

Im Spiegel sehe ich morgens einen Kerl mit Welteroberungslächeln, ein Fürst, ein König mit Satansgesicht. Selbst die Krone deutet sich über den wirren Schattenhaaren an. Die weißen Barthärchen, die Warze neben der Nase, die Furchen auf der Stirn, existieren nicht, waren nie vorhanden, weil ich es nicht wollte, ich, der Gott meiner Welt. Der Rasierer kreischt wie Kreide auf einer Schultafel. Danach streichle ich die weiche Haut und stelle mir die feine Georgia-Klavierhand vor, die mit den Fingerspitzen über meine Wangen haucht. Es kommt mir vor, als hätte es nach ihr keine anderen gegeben, nichts als aneinandergereihte Abenteuer.

Die Maschine hebt ab, steigt auf. Ich bin bereit, die Dämonen zu besiegen. Ich lehne mich im Businessclass-Seat zurück. Als der Anflug auf New York beginnt, habe ich eine Menge Transaktionen erledigt, Geld verscharrt, Mails losgejagt und den Akku des IPhones wundgewhatsappt. Auf dem Weg zum Hotel betrachte ich die Menschen auf den Gehsteigen, die Bettler mit umgehängten Schildern, auf denen ihr Schicksal verzeichnet ist, die Frauen mit Nylonbeinen, die sich gegen die Hitze stemmen, in Ich-bin-auf-dem-Weg-nach-oben-Kostümen, die Männer in Businessjeans, Karriereanzügen, die Laptoptaschen geschultert wie Waffen. Ich werde die Einladung zum Galageburtstagsempfang mit einem Besuch bei Jerzy verbinden, um die Zukunft zu regeln.

Hill hält das Champagnerglas wie eine vorwurfsvolle Aufforderung und begutachtet mit Gefrierpunktaugen die Eintreffenden im Lüstersaal des Ritz.
„Da bist du ja, Karl! Ich habe schon auf dich gewartet.“
Ich lächle. Betrunken grinst Hill wie Mickymaus. Eine Hand reicht mir ein Glas Champagner. Als ich die Lichtaugen der farbigen Dienerin sehe, die Marmorfigur, die sie in eine Göttin verwandelt, senke ich den Blick.
„Die Kleine ist scharf, oder? Wusste gar nicht, dass du auf was Exotisches stehst.“
Ich starre Löcher in die Luft, sage nichts.
„Ich kann dir die Nummer von ihr besorgen.“
„Du bist so ein Scheißkerl“, zische ich Hill an.
„Ach übrigens. Ich habe da was gehört, paar Leute haben dich im Visier.“ Er lacht Tränen und wendet sich ab, um sich mit den neu Eintreffenden zu beschäftigen.
Stimmengewirr schlägt mir entgegen, als ich mich weiter in den Saal bewege. Das Licht der Kronleuchter jagt Blitze durch den Raum, beugt sich und stößt auf die Clowns-, die Karnevalsgesichter der Gäste. Ich bleibe bei den Schroeders stehen, Klienten, die ich seit Jahren berate, wichtige Leute, wohlhabend, einflussreich, begieße Helene mit Komplimenten über ihre makellos gestraffte Kunstfigur, das knallrote Understatement ihres 10.000 $ Chanel-Kostüms und spule ohne nachzudenken Roboter-Formelsätze ab. Die Schroeders freuen sich und versprechen mir eine sechsstellige Summe, die ich für sie anlegen soll, völlig unwichtig, weil ich in ein paar Tagen eine Schattengestalt sein werde, so wie die Göttin, die mir das Glas Champagner gereicht hat. Ich schleiche mich nach einer Stunde aus dem Saal.

***

Sie zeigen mir Fotos, Videosequenzen an der Sicherheitsschleuse in New York. Ich versichere ihnen, dass er es ist, schaue sie mir genau an, suche nach den Augen, bemerke, wie gebückt er geht, welche Last auf den Schultern liegt, denselben weggetretenen Gesichtsausdruck, mit dem er mich damals angeschaut hatte, als er mit mir in die Klinik ging. Wir schwiegen, zwischen uns spürte ich einen Graben, den wir nicht überwinden konnten. Ich hörte dem Arzt zu, der mich fragte, ob ich den Eingriff wirklich ohne Vollnarkose über mich ergehen lassen wolle. Eine Krankenschwester spreizte die Beine. Der Doktor hatte graue Haare, graue Augen und riss mir den Leib mit einem Gerät auf, das sich wie ein Schwert anfühlte, erklärte mir, dass er jetzt die Spritze setzen würde, ein kleiner Stich, mehr nicht, sagte er und dass er das Wesen, das noch gar keins war, aus mir heraussaugen werde, sobald das Mittel wirke und dass dann alles vorbei sei. Ich blickte in mich, sah das Baby, ein Mädchen, so hübsch und zart, atmete schneller, wollte weinen, rufen, schaffte es nicht und zog mich tief in mich zurück, wollte es einfach geschehen lassen.

Schreie lösten die Erstarrung. Plötzlich stand Karl neben dem Bett, brüllte, redete auf den Arzt ein, wollte stoppen, was schon vorüber war. In einem Eimer, das mein Blut aufgefangen hatte, lag es. Karl weinte, schluchzte wie ein Kind und nahm mich in die Arme. Ich hatte ihn nie zuvor weinen sehen.

***

Jerzy treffe ich in einer Bar an der 45. Er trägt Jeans, Psychedelic-Shirt und Baseballcap, dazu feinste Nubuklederstiefel, schaut an mir vorbei und klatscht mich zur Begrüßung ab.

„Was gibt’s, Kumpel? Du warst erst vor drei Wochen hier.“
„Ist dringend.“
„Ja? Siehst mies aus, Karl.“
„Hab ne Menge Ärger am Hals.“
„Und jetzt?“
„Weißt du noch, was ich dir damals in der Hütte an deinem scheiß masurischen See gesagt habe? Wenn’s zu heiß wird, hör ich auf, verschwinde ich einfach. Wozu habe ich mir sonst in Acapulco ein Strandhaus gekauft?“
„Das ist kein scheiß masurischer See! Der See heißt Sniardwy! Du verträgst keinen polnischen Wodka, Mann, das ist alles.“
„Ihr panscht das Zeug auch!“
„He Karl, ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht auf die Wichser mit den dicken Brieftaschen einlassen sollst. Bringt kein Glück. Hab ich das gesagt, oder nicht?“
„Hast du.“
„Und jetzt soll ich dir aus der Scheiße helfen, was?“
„Kann man so sagen.“
„Okay. Und wie?“
„Du jagst alles, was ich habe mitsamt dem Kapital der Kunden, so oft über den Globus und durch die Cloud, dass am Ende keiner weiß, wo ich mit dem Geld bin.“
„Walpurgisnacht, yea!“
„Schaffst du das?“
„Mm, vielleicht, ja, Mann, kann klappen.“
„Du bist der beste, Jerzy, wusste ich immer. Wie lange brauchst du?“
„Muss ich vorbereiten, ist nicht so einfach. Ein paar Wochen schätzungsweise.“
„Drei, maximal, vier Tage, mehr Zeit habe ich nicht.“
„Du bist wahnsinnig, Karl!“
„Stimmt!“
„Okay. Legen wir los. Was machst du so lange?“
„Ich fliege nach Catania und dann nach Acapulco.“
„Nettes Programm. Was machst du in Catania?“
„Georgia treffen, ich hab dir von ihr erzählt.“
„Du bist komplett verrückt.“

Mir bleibt noch etwas Zeit, bevor der Flieger nach Italien startet. Ich lasse mich nach Ellis Island fahren, weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, vom Kranz der Freiheitsstatue aus über die Stadt zu schauen und dort Handy und SIM-Karte luftzubegraben. Als ich ankomme, lese ich auf einem Schild, dass man seit 9/11 nicht mehr hochdarf, Brandschutz, viel zu gefährlich. Die Fahrt zum Empire State Building dauert zu lange, also werfe ich mein Smartphone samt Inhalt in einen Container und trinke an der Bude mit den Souvenirs einen Kaffee, der nach Suppe schmeckt. Ein sanfter Wind schickt mir Seeluft in die Nase und ich beobachte die kreisenden Möwen, die ihre Kinderlaute ausstoßen.

***

Ich frage mich, ob Karl sich wie damals über den Kopf streichen wird, als könne er seine Gedanken dadurch ordnen, ob er nach Zedern und Leder riecht, nach Milch und Schokolade schmeckt, ob er die Muskeln unter der Babyhaut noch anspannen kann, die Stimme fest und wie ein Lied klingt, in seinen Augen noch das lodernde Feuer wohnt, ob er noch küssen kann, als wolle er mich verbrennen, mich in sich schlingen, wärmen, nie mehr loslassen, ob seine Stimme sich immer noch überschlägt, wenn ihn etwas empört, ob er kurz vorm Orgasmus leise Schreie ausstößt, als wäre er ein Vogel, ein Drache, der seine Beute packt.

Wir lassen Catania hinter uns, nach oben, dem Ätna entgegen. Der Lärm der Stadt verrauscht, je weiter wir uns von ihr entfernen, die Luft atmet sich anders, Teer, verrotteter Müll und der verwirrende Geruch der Bewohner, ihr Schweiß und ihre Parfums verflüchtigen sich, der Duft von Wildblumen und Kräutern, Korkeichen und Johannisbrotbäumen breitet sich aus, der Vulkan, seine wütende Hitze, Schwefel mischen sich darunter, fühlen sich wie Heimat, wie eine lächelnde Kindheit an. Giuseppe schweigt und summt ein Lied, das ich nicht kenne, während er gemächlich die Serpentinen hochfährt. Als junger Mann wollte er Künstler werden, mindestens ein Michelangelo, verbrachte die Jugend in Rom, Turin und Florenz, erzählte mir meine Mutter mit einem Blick, als ob sie einst in ihn verliebt gewesen wäre. Seit ich denken kann, führt er Leute auf den Ätna, liebt den Vulkan und malt ihn heimlich, wie man sich erzählt.

***

Je näher ich Georgia komme, desto klarer wird ihr Bild, als ob sie aus dem Schattenengel, dem pastellfarbenen Gemälde, auf dem ich sie abgebildet habe, in die Wirklichkeit gelangen könnte. Ich schließe die Augen und spüre ihre Apfelsinenwangen, sehe sie vor mir in Grazienhaltung, das Gewicht auf ein Bein verlagert, höre die Georgia-Stimme und schmecke ihre Vanillezunge, wie sie mich überfällt, kitzelt, über alle Maße erregt und mich vollständig verschlingt. Ihre Nähe hat sich immer wie Heimat angefühlt, wie Familie, Zuhause, Ewigkeit, vielleicht weil sie ihre Eltern nicht kannte, als Pflegekind aufwuchs, so wie ich auch, nur dass meine Pflegeeltern in ihrem Wagen verbrannt sind, als ich gerade 18 war. Nach ihrem Verschwinden richtete ich mich in dem ein, was man so Leben nennt, ließ die Zeit verstreichen, amüsierte mich und liebte, was mir Geld brachte.

Der Kerl, die mich zum Krater bringen soll, der ‚leader del vulcano’, wie er sich selbst nennt, heißt Emilio, entpuppt sich als Klischee-Italiener, bewegt sich o-beinig, hat eine olivenölgegelte Frisur und eine Ich-krieg-euch-alle-Statur. Ich habe ihn während des Fluges online geordert. Er holt mich am Flughafen ab. Ich will vor ihr oben sein, wenn sie denn kommt. Der GLK klettert Woge um Woge, Kurve um Kurve nach oben. Der Druck in meinen Ohren nimmt zu, während ich mich an die Hitzetage erinnere, die ich mit Georgia auf der Insel verbracht habe. Wir fahren an Dörfern vorbei, die staubig, unberührt, menschenfeindlich wirken, dann durch Baumsiedlungen, Wälder, die seltsam dunkel aussehen, als hätten sie etwas zu verbergen. Als wir sie hinter uns lassen, sehe ich den Vulkan, rauchüberzogen, von Wolken umkränzt. Emilio erklärt mir, dass ein Sturm aufkommen könnte. Wir müssten schnell nach oben, bevor das Wetter umschlüge. Als ich genauer hinsehe, überspannt Zauberleuchten den Berg, als wäre er die Behausung von Dämonen und Feen. Wir kommen zu einem Hochplateau, wo Emilio den Wagen abstellt. Ein scharfer Wind umtobt mich, als wir aussteigen. Er könne mich zu einem der Krater bringen, höre ich ihn sagen. Meine Gedanken irrlichtern, weil ich nicht weiß, an welchem ich Georgia finde. Wir steigen aus, während ich darüber nachdenke, Staub über mein Gesicht jagt und Schwefel in meine Nase dringt. Mir fällt ein, dass die Kopfschmerzen verschwunden sind. Ich suche den Horizont ab und entdecke die Teufelsgesichter, die ich erwartet habe. Ich bin viel zu früh dran, müsste Stunden auf sie warten, ohne zu wissen, wo. Emilio bringt mich zum nächstgelegenen Schlund, aus dem mir Rauch und Gestank entgegenschlägt, sonst nichts, obwohl mich nach vorne beuge, die Hölle in der Tiefe suche. Im Nebel suche ich vergeblich nach Gesichtern. Wir kehren um, sperren das Pfeifen und Wüten des Vulkans aus, als wir die Autotüren schließen. Ich nenne Emilio die Adresse, wo er mich hinbringen soll.

***

„Da braut sich was zusammen“, sagt Giuseppe und deutet nach oben. Rauch steigt vom Krater zum Himmel. Wolken zeigen sich, dunkel, bedrohlich, Wind kommt auf, bläst uns entgegen, als wolle er mit uns spielen, pfeift durch die geöffneten Fenster. Mein Blick wandert am Horizont entlang. Ich fühle mich ganz leicht, als könne ich fliegen. Mein Bauch summt, obwohl die Wolken wie Hexengesichter aussehen. Ich schalte das Handy aus.
„Wo sind die anderen?“, frage ich ihn.
„Postieren sich längst.“
„Dann fahr mich bitte nach Hause, Giuseppe.“
„Und die anderen?“
„Die kommen schon zurecht.“

***

Am Straßenrand wachsen Maulbeerbäume. Ich setze mich in ein Café, bestelle Cassata, trinke Limoncello und Mokka. Zauberleichtigkeit bemächtigt sich meiner, Schattenzeit verstreicht, ohne dass ich es bemerke. Ein Geländewagen hält auf der anderen Straßenseite. Ich erkenne Georgia an den Engelsbewegungen und gehe ihr entgegen.

***

Karl wischt sich über den Kopf und kommt zu mir, sieht müde aus, als habe er jahrelang nicht geschlafen, die Haut glänzt babyweich, das T-Shirt flattert wie eine Fahne und er weint Drachentränen, zarte, große Tropfen, die auf den trockenen Boden fallen wie Geschosse. Ich streichle seine Wangen, will feststellen, ob er echt ist.

„Ich war oben am Krater“, sagt Karl.
„Jetzt bist du hier", sage ich.

 

Liebe Maria,

wie schön, dass du mir deine Gedanken zu dem Text mitgibst, vielen Dank für deine Zeit, das ist sehr hilfreich, weil ich ja weiter nach Wegen suche, versuche, mich unmittelbarer auszudrücken, eine Sprache zu verwenden, die zu mir gehört und den Leser trifft.

Das Urinal ist an der Außenwand des Gebäudes angebracht, darüber ein Panoramafenster.
Ich habe bis hierhin das Problem gehabt, das Geschlecht deines Erzählers herauszufinden. Ist er nun ein Mann oder eine Frau.
na ja, hast du schon mal versucht, ein Urinal zu benutzen, stehend?

wundgewhatsappt
Also das ist wirklich ein unschönes Wort. So ekelhaft unschön.
kann sein, es drückt aber was aus.

Diese Wiederholung und auch was davor war, machte mir eindeutig klar, dass sie ihn verfolgt und das mit irgendeiner Absicht,
die Wiederholung war dumme Isegrims-Schussligkeit, mehr nicht. (ist raus)

Was die falschen Spiele von Karl sind, brauche ich als Leser nicht wirklich, aber Georginas Plan hätte mich doch interessiert. Sie beide denken an die schönen Zeit, die sie hatten, aber das, was nach der Abtreibung passiert, das war so bitter, dass ich einfach nicht verstehen möchte, wieso Georgina ihm doch zum Treffpunkt gefolgt ist. Das ist ein Narbe, die niemals heilen wird, da wird nicht einmal die Zeit viel ausrichten können, und doch nimmt sie den Termin wahr und ich verstehe einfach ihre Beweggründe nicht. Wieso vergibt sie ihm das?
vielleicht habe ich das nicht deutlich genug ausgearbeitet, aber er will ja die Abtreibung im letzten Moment verhindern und beide sind jung, die Gedanken und Gefühle verklebt, erkennen die grausame Wirklichkeit zu spät, für beide ist das arg, beide scheitern, das verbindet sie auch.

Oder ich verstehe es nicht. Keine Ahnung, in letzter Zeit funktioniere ich einfach nicht mehr so gut.
Georgia und Karl funktionieren ja auch nicht, das zeigt sich in ihrem Handeln, diese Widersprüchlichkeit.
Derzeit bin ich irgendwie kaputt und kann mich kaum für eine Geschichte begeistern. Sorry.
komm schon, Arsch hoch, Kreuz durchdrücken, rausschreien!

Es ist ein Text mit vielen schönen Sätzen, die mich doch stellenweise etwas erdrückt haben, weil mir die Formulierungen doch etwas zu viel wurden, aber die Geschichte funktioniert.
ja, daran muss ich arbeiten, mit den Mitteln sparsamer umgehen.

Liebe Grüße und ein Superkräfteglücksjahr für dich
Isegrims

 

Liebe Chutney,

so ein schöner Kommentar, vielen Dank, fühlt sich gut an. Besonders weil ich mich immer noch auf dem Weg befinde, und sich langsam das Gefühl einstellt, es ist der richtige, der Klang stimmt und an Einzelheiten kann ich arbeiten.

Und wo ich gerade dabei bin, schreibe ich dir gleich noch meine Gedanken zu deiner Geschichte. Sie ist wieder sehr sinnlich, verspielt und ich glaube fast, dich fasziniert diese Upper-class-world. Schöne Menschen, viel Geld, Aktentaschen und Hauchzartstrings.
na ja, faszinieren, das wäre politisch nicht korrekt, diese Welt beherbergt Menschen, mit Gefühlen und Hoffnungen, Schmerzen und Leid, und ein paar davon kenne ich. Ich bewerte und bewundere sie nicht, allein weil sie einer Gruppe angehören.

Fast kommt es mir so vor, als könne sich der Text nicht ganz entscheiden zwischen dem Rauschhaften, Idealisierten und der Realität.
gute Beobachtung, beim Schreiben war ich schneller in der Rauschewelt und musste doch zurück zur Realität.

Die Sprache der beiden ist sehr ähnlich und da gerade du für mich für so eine chamäleonhafte sprachliche Vielfalt stehst, hätte ich mir hier auch vorstellen können, dass du die Erzählstimmen der beiden stärker differenzierst.
ich dachte, das hätte ich besser ausgearbeitet, schließlich verwendet nur er die Knall-Bum-Feuerwerk-Stilmittel. Aber klar, beide sind Gefangene ihrer Träume

wenn er die Stille in sich einsickern läßt, hat das sowas abgeklärtes, meditatives. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass er sich nur für Derivate interessiert.
denk dir das so: Karl ist ein Mann, der in seiner eigenen Derivate-Nerd-Welt lebt, seine Leidenschaft lebt, im Job, in seinen Träumen.

Der Mann wirkt bisher in seinem Verhalten auf mich nicht wie ein Drache. Eher schwach, duckt sich weg, wenns drauf ankommt, ein Zocker ohne Verantwortungsgefühl. Wie kann sie ihn noch derartig idealisieren?
ja, da könnte ich das eine oder andere starke Bild einbauen, eine Szene, irgendetwas, muss ich mal drüber nachdenken.

So eine dramatische Szene, wo er erkennt, dass sie für die Gegenseite arbeitet, versucht zu fliehen, dass sie ihn schnappen. Eine Schlußszene, wo ich den Drachen in ihm sehen kann und nicht nur einen, dem es jetzt irgendwie doch zuviel wird, noch auf sie zu warten da oben. Ich bin ja immer für ein Happyend, aber hier macht es doch das Ganze ein bisschen zu seicht, finde ich.
super Idee, an die ich mich nicht herangewagt habe, da muss ich mir einen Plan Machen, kleines, groß, großes klein beschreiben, so eine Actionszene, Spannung, ich weiß.

Ich antworte bald auf deinen Kommentar, herzlichen Dank und ich bin schon riesig gespannt darauf, dich kennenzulernen, Isegrims.
o ja, ich bin auch sehr gespannt auf dich und alle anderen und freue mich sehr

Liebe Kaminfeuergrüße (haha, da muss man aufpassen, wenn man die Zusammensetzungen schon mal verwendet hat)
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

sehr schöne, nachdenkliche Liebesgeschichte mit zwei Erzählsträngen. Der Strang, in dem es um die Gefühle der beiden geht, die sie damals, bzw. heute für einander empfinden. Und der Strang, in dem es darum geht, dass sie heute aus beruflichen Gründen Gegner sind. Gefällt mir gut.

Was ich schade finde: im zweiten Strang wird sehr viel über seine Welt erzählt - fast zu detailliert. Die Episode in NY trägt mMn nur wenig zur Geschichte bei. Über ihre Jagd nach Wirtschaftsverbrechern erfährt man dagegen weniger. Ein paar wenige Sätze hätten da vermutlich schon gereicht.

Das Ende finde ich schön, weil es mich anregt, im Kopf weiterzuspinnen, ob sie jetzt mit nach Acapulco kommt oder nicht. Das vorige Ende (zumindest soweit ich das den Kommentaren der anderen entnehmen konnte) war ja etwas eindeutiger, aber auch platter dadurch.

Drei Kleinigkeiten habe ich noch gefunden:

Mir fällt ein, dass die die Kopfschmerzen verschwunden sind.
Muss es nicht heissen: mir fällt auf?
Und da steht noch zwei mal die.

Wir kehren um, sperren das Pfeifen und Wüten des Vulkans weg, als wir die Autotüren schließen
Sperren sie das Pfeifen und Wüten nicht eher aus, wenn sie die Autotüren schliessen?

viele Grüße
Philipp

 

Hallo wegen,

danke für deinen genauen Blick: ich mach's jetzt, ändere die Zipper-Stelle, wie folgt, die Stelle ist unpräzise, das stimmt. So stehts's jetzt da:

Bevor ich ihnen entgegentrete, erleichtere ich mich auf den Vorstandstoiletten des 49. Stocks, ziehe an dem Zipper, spritze gegen das Porzellan und blicke auf die Stadt, die sich vor mir ausbreitet.

Ach, ich gebe dir beim Satz der wörtlichen Rede absolut Recht. Ich meinte das am Schluss: sagt er aus dem Off.
Das kannte ich so noch nicht. Aber finde es jetzt auch nicht weiter störend.
seine Stimme soll cool klingen, wobei ich damit auch ausdrücken möchte, dass er die anderen gar nicht mehr hört.

Liebe Grüße
Isegrims

Hallo Achillus,

Ich finde es nicht ganz so einfach, auf deinen Kommentar zu antworten, weil ich deine Kritik erst einordnen muss, um zu entscheiden, mit welcher Motivation du sie geschrieben hast. Letztlich glaube ich, dass du mir einige wertvolle, wertschätzende Hinweise gegeben hast, die mir weiterhelfen. Mit dem, wie du es nennst "gespreizten Stil" gehe ich natürlich Risiken ein, die du zurecht benennst, aber, was viel wichtiger ist, er bietet mir Ausdrucksmöglichkeiten, über die ich bisher nicht verfügte und die eine Sprache ermöglichen, die eine ganze Menge Leser ästhetisch anspricht. Das ist die wichtigste Erkenntnis.

Ich finde, Du übertreibst es mit der Suche nach dem originellen Ausdruck. Durch diese überbordende Sprache bekommt der Text etwas Gespreiztes, etwas Neurotisches, Hysterisches. Er flattert herum wie ein Paradiesvogel beim Balzen.
es geht mir nicht um Originaltäts-Balzerei, sondern darum, dem Leser etwas anzubieten. Ich weiß dennoch, dass ich sparsamer sein muss.

Ist diese Sprache ehrlich? Mag merkwürdig klingen, so zu fragen, aber es geht mir um dieses Streben nach Effekten.
ist eine Sprache ehrlich, die einem erwartbaren System folgt, das ich hundert/tausendmal gelesen habe?
Aber die Grenze beginnt für mein Empfinden dort, wo die Sprache mehr Aufmerksamkeit erregt, als der Inhalt verdient.
die Sprache darf ruhig Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn Sprache zurücktritt, Lücken entstehen, gerät man nahe an die Beliebigkeit.

Ich denke, Du hast genug sprachliche Möglichkeiten, um Texte abwechslungsreich, stimmungsvoll und lebendig zu schreiben. Viele Passagen sind jetzt bereits sehr gut, finde ich.
dankeschön

Ich wusste zu Beginn mehrmals nicht, wer denn jetzt berichtet bzw. erzählt.
mm, ich mag Texte mit mehreren Perspektiven, die Trennung ist nicht ganz so einfach, muss ich nachdenken, wie ich ich diesen Eindruck in Zukunft vermeide.

das Ergebnis ist insgesamt wahrscheinlich nicht so, wie Du es Dir wünschst, könnte ich mir vorstellen.
och, ich bin ganz zufrieden, der Text bestätigt am Ende den stilistischen Weg, den ich einschlage. In der Summe geht es vor allem um Entwicklung.

Liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo Vulkangestein,

freut mich sehr, dass du ein weiteres Mal reingeschaut hast und die Entwicklung der Geschichte verfolgst. Die beiden wesentlichen Elemente (die Abtreibung und der veränderte Schluss), die ich hinzugefügt habe, benennst du ähnlich, wie ich es auch empfinde. Der Text ist jetzt runder, obwohl er weiter Fragen offenlässt. Um die allerdings ausreichend tief zu beantworten, bräuchte ich viel mehr Platz.

du zeichnest insgesamt ein schönes Bild Karls aus ihrer Sicht, das von ihren mal positiven, mal negativen Erinnerungen lebt.
ich wollte die Realität besser abbilden, kein Glanzbild produzieren.

Der (innere) Konflikt in der Gegenwart findet für mich kaum statt, auch wenn sich ein Hadern zwischen den Zeilen herauslesen lässt.
die beiden sind in einem Kokon gefangen, um den Konflikt in der Gegenwart besser auszuleuchten, müsste ich sie konkreter beschreiben, ich finde die Schwebe aber filgerichtig.

Für mich gelingt die Szene natürlich wegen ihrer Tragik, aber auch, weil einige Dinge ungenannt bleiben (u.a.: wer wollte die Abtreibung, wer nicht - wie hat sich das dann geändert ...). Das stärkt die Darstellung einer schönen aber auch tragischen Beziehung zwischen den beiden sehr stark, finde ich daher sehr gelungen.
sie erklärt ihm, dass sie schwanger wird, in der Szene steckt alles drin, die Abtreibung ergibt sich daraus und manchmal denke ich, dass sich allein daraus eine Kurzgeschichte ergeben hätte. Die wäre etwas luftiger, weniger opulent, ohne Knallbummeffekte und hätte sicher funktioniert, weil sie so schwebend daherkommt.

Liebe Nachtgrüße
Isegrims

 

Umgangssprachlich nämlich wird runter sowohl für herunter als auch für hinunter verwendet.
Was nichts anderes heißt, als dass ich von einem Haus zwar nicht herunterspringen, sehr wohl aber runterspringen kann.
ich spring ja auch nicht gerade oft runter, hinauf ist mir ohnehin lieber, zu den Sternen am besten, fliegend, nicht springend.
Liebe Grüße
Isegrims


Hallo Geschichtenwerker,

ich verstehe deine Gedanken gut, die Vorbehalte gegen den Stil, der extremere Mittel benutzt, einer gemächlichen Leserwartung zuwiderläuft. Deshalb bin ich sehr froh, dass du mir mitteilst, wie dieser Stil, der doch zu mir gehört, bei dir ankommt. Im Ergebnis weiß ich noch nicht, wie ich damit umgehe, weil ich einerseits große Zustimmung andererseits Ablehnung erfahre. Die kritischen Kommentare beziehen sich meist auf ein Übermaß an Effekten, stellen sie aber nicht komplett infrage. Vielen Dank jedenfalls für die Auseinandersetzung mit Text und dem Stil.

Tja, Du weißt, dass ich meine Schwierigkeiten mit Deinem Stil habe, das ist so eine Art "Hass-Liebe".

Ich finde Deine Kreativität, die wie ein nicht enden wollendes Feuerwerk auf einen einprasselt, faszinierend, aber auch ermüdend.

solange Liebe dabei ist, bin ich auf dem richtigen Weg.

Und dann ist es vorbei und sie fallen glücklich ins Bett.
ein Glücksfeuerwerk, das bedeutet schon viel, wenn das gelingt.


Und das finde ich schade, denn vor lauter Feuerwerk nehme ich Deine Geschichte gar nicht wahr.
ja, darin besteht die Aufgabe in zukünftigen Texten, mehr Zusammenklang,, die Geschichte durch das Feuerwerk erglänzen zu lassen.

Für mich müsstest Du aber trotzdem ein paar weniger Raketen zünden, um mich nicht zu ermüden und mich auch die Geschichte wahrnehmen zu lassen.
Teil der Lösung, um Leser mitzunehmen, könnte es sein, die Raketenfrequenz zu verringern.


Liebe Grüße
Isegrims

 

Hi Fliege,

na ja, ich mag normalerweise deine Kommentare, weil sie Impulse geben wollen. Deshalb freut es mich, dass du dich mit dem Text beschäftigt hast. Vielen Dank dafür, und für die Zeit.

hola, dieser Text ist sprachlich wie eine 100 m Schnur Chinaböller. Irgendwann wird alles einfach nur noch laut und nebelig und fast unerträglich. Starkes Verb - bum - zusammgesetztes Substantiv (Wortschöpfung) - knall - starkes Verb - bum - Verb - bum - Zusammensetzung - knall usw. usw. Der Text verliert jegliche Leichtigkeit.
mm, da gibt es ein seltsames hysterisches Phänomen, besonders in Kommentar-Threads: einer stellt eine These auf (Feuerwerk, Knallbumm-Effekte) und die anderen lesen den Text in Erwartung des benannten Phänomens, das sie dann bestätigen und verstärken.
Ich habe die Knallkörper gezählt: Der Text hat 3789 Wörter, 20309 Zeichen, enthält 22 Wortschöpfungen, vier Satz-Wort-Zusammenfügungen. Die Böller werden darüber hinaus ausschließlich von Karl gezündet. Viel? So viel, dass der Text sprachliche Eleganz verliert?
Außerdem: was spricht gegen starke Verben?

Ich fand das auch gut, so den Rückblick auf die Beziehung der beiden, das kommt für mich schon raus, diese Hassliebe, dieses nicht miteinander und nicht ohne einander.
genau darüber wollte ich schreiben, solange das durchdringt, erfüllt sich auch der Zweck des Textes :Pfeif:

Rückblick erzeugt ja nun keine Spannung, die kommt ja erst mit dem aktuellen Geschehen auf, aber als sie auf ihrem Höhepunkt ist, ist die Geschichte zu Ende.
ich will den Schluss nicht allzu vehement verteidigen. Die Geschichte lebt nicht von der Spannung und könnte noch eine ganze Strecke weitergehen.

So gar so gern, dass ich dachte, das wäre auch mal eine Aufgabe, ich will auch über so ein Paar schreiben .
wär ich gespannt, was du daraus machst.

Bin jetzt gespannt, wo die stilistische Reise mit Dir in Zukunft hingeht.
zu den Sternen (?) Warum auch nicht?
Ein isegrimsches Superjahr wünsche ich Dir,
yea:thumbsup:

Liebe Grüße und einen sternenzauberfliegenden Wochenstart
Isegrims

 

Hallo philipp,

dankeschön für deine Anmerkungen, die Auseinandersetzung mit dem Text und die Zeit, hat mich sehr gefreut.

sehr schöne, nachdenkliche Liebesgeschichte mit zwei Erzählsträngen.
na ja, zwei Stimmen, ne Menge Sprachballons, aber Liebe, wenn du die in der Geschichte spürst, dann ist viel gewonnen.

Was ich schade finde: im zweiten Strang wird sehr viel über seine Welt erzählt - fast zu detailliert. Die Episode in NY trägt mMn nur wenig zur Geschichte bei.
kann sein, interessante Beobachtung, der Text ist wild gewachsen, durcheinander, Szene um Szene, und ganz verzichten wollte ich auf die NY-Episode nicht.

Liebe Grüße, wie schön, dass heute endlich ein Sonnenwonnenglückstag war (und vollmonden obendrein), wünsche dir viele davon
Isegrims

 

Moin Isegrims.
Meine Vorleser waren ja schon sehr fleißig, und dem wäre auch meinerseits wenig hinzuzufügen, außer, dass auch ich mir mehr "Futter" über Georgina gewünscht hätte. Ich fand die Zweiteilung in IHN, und SIE - Abschnitte ganz gut, hätte mir aber auch dort noch ein wenig mehr verbindendes gewünscht, abseits des inneren, gespeicherten 10 Jahrestermins auf dem Vulkan. Ich meine, was versprechen sie sich beide davon? Welche Hoffnungen treiben sie? Welche Sehnsüchte, welches Verlangen? gerade das kommt mir hier noch gewaltig zu kurz, aber ich habe die Hoffnung, dass Du da frisch ausgeruht nochmal editmäßig drangehst. Dass Du was draufhast, ist definitiv klar zu sehen! Meint: der LORD

 

Hi Lord Arion (GOT-Fan?)
vielen Dank für deine Einschätzung. Mittlerweile habe ich etwas Distanz zu dem heißgelaufenen Text, in den ich eine Menge Energie gesteckt habe. Da kommen mir deine Anmerkungen ganz recht.:Pfeif:

Ich meine, was versprechen sie sich beide davon? Welche Hoffnungen treiben sie? Welche Sehnsüchte, welches Verlangen? gerade das kommt mir hier noch gewaltig zu kurz, aber ich habe die Hoffnung, dass Du da frisch ausgeruht nochmal editmäßig drangehst.
Ja, das stimmt, schließlich sind zehn Jahre vergangen, eine Menge Zeit entscheidende Zeit für beide. Vielleicht arbeite ich weiter an dem Text, müsste wohl eine Novelle, einen Roman draus machen. Aber ob der Stoff das hergibt?:confused:

Dass Du was draufhast, ist definitiv klar zu sehen! Meint: der LORD
das höre ich natürlich gerne, dankeschön. :shy:

Liebe Taunuswaldgrüße
Isegrims

 

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