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Winterreise

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MRG

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12.03.2020
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Winterreise

Es ist Montag, 16 Uhr. Ich sitze ganz hinten im Hörsaal, vor mir der heruntergeklappte Tisch. Das ausgedruckte Skript liegt vor mir, Thema Resilienz. Ich male Gesichter an den Rand, mein Rücken tut weh vom Sitz.
„Gib dir das“, sagt der Kommilitone neben mir. Er trägt ein schwarzes Nike T-Shirt, ist groß und breit gebaut. Auf seinem iPhone sehe ich einen Snap, das Bild ist nach einigen Sekunden weg.
„Toll“, antworte ich sarkastisch.
„Nur, weil du keine hast.“
Ich wende mich ab, male ein neues Gesicht. Wenn ich nicht zuhöre, hat die monotone Stimme des Professors etwas Beruhigendes. Doch auf einmal wird es still. Ich schaue hoch.

In dem Moment öffnet sich die Tür vorne neben dem Professor. Normalerweise bleibt sie geschlossen, Studenten müssen den oberen Eingang nehmen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Professors kommt herein und hält die Tür auf. Ein elektrischer Rollstuhl fährt in den Saal, darin sitzt ein alter Mann mit Glatze. Um seine Brust ist ein Gurt geschnallt, der hinten an der Lehne festgemacht ist. Gemurmel setzt ein.
Ich stoße meinen Kommilitonen an. „Wer ist das?“
„Du hörst echt gar nicht zu. Hat er doch letzte Woche gesagt“, antwortet er.

„Ruhe, bitte!“, ruft der Professor. Es wird still, man hört nur das leise Summen des Rollstuhls. Dann stellt der Professor den Gast als Komponisten klassischer Musik vor. Zudem sei er Spezialist auf dem Gebiet der Resilienz. Einige klatschen, ich male meinem verunglückten Piratenkapitän eine Narbe über die Wange.
„Sie sind so freundlich“, sagt der alte Mann. „Keine Sorge, ich habe nicht vor, Sie allzu lange zu langweilen. Und stellen Sie gerne Fragen zwischendurch. Passt Ihnen das?“
Mein Kommilitone äfft den Alten leise nach: „Passt Ihnen das?“ Ich muss lachen, während ich die Augenklappe zeichne.

„Wer von Ihnen stand schon einmal vor einem Hindernis, das unüberwindbar aussah?“, fragt der alte Mann. Fehlt nur noch, dass er uns dazu auffordert, die Hand zu heben.
„In solchen Augenblicken hilft uns Resilienz. Es ist die Widerstandskraft der Psyche. Einer der Begründer war sicherlich Viktor Frankl. Er hat, nachdem er mehrere Konzentrationslager überlebte, die Logotherapie entwickelt. Kernaussage ist, dass uns Sinn im Leben widerstandsfähig macht.“ Seine Stimme klingt monoton, als hätte er den Text auswendig gelernt.

Er nimmt einen tiefen Atemzug. „Bei mir gab es auch so ein Hindernis. Ich war auf dem Höhepunkt meiner Karriere als Komponist. Wir waren zu dritt etwas essen.“ Seine Stimme beginnt leicht zu zittern, verliert den professionellen Klang. „Ich erinnere mich an das Gesicht der Kellnerin und an den Geruch von gebratenem Lachs. Als wäre es gestern passiert. Ich war Beifahrer. Wir waren nicht schuld.“ Er macht eine Pause.
„Der Arzt diagnostizierte Tetraplegie. Querschnittslähmung. Ich habe absolut keinen Sinn mehr gesehen. Alles war dunkel. Kennen Sie dieses Gefühl? Wenn alles sinnlos erscheint, man sich fehl am Platz fühlt?“ Seine Stimme ist leiser geworden.

Ich schaue auf das Piratengesicht vor mir mit Narbe und Augenklappe, drehe den Kopf zu meinem Kommilitonen. Er schaut auf sein Handy. Ich hebe meinen Blick erneut, lege den Stift zur Seite. Klein sieht er aus, wie er da in seinem Rollstuhl sitzt. Tiefe Falten ziehen sich durch sein Gesicht.

„Heute kommt es mir erstaunlich vor, wie schnell ich damals kopfüber ins Unglück gestürzt bin.“ Der alte Mann spricht davon, wie er nach dem Unfall im Schockraum aufwachte. Wie die Krankenschwester auf seine Frage, ob er je wieder am Flügel sitzen könne, den Kopf schüttelte.
„Hat mir die Hoffnung genommen. Nicht einmal hassen konnte ich. Habe sogar abgelehnt, als Zeuge gegen den Unfallfahrer auszusagen.“
Er berichtet weiter, dass danach das Selbstmitleid eingesetzt habe. Tagelang habe er sich in seinen negativen Gedankenschleifen verloren. Der Gipfel seines Selbstmitleids sei der Punkt gewesen, als er ein Buch von seiner Tante geschenkt bekam. „Sie hat mir doch tatsächlich ein Buch mit Liebesgedichten des Orients geschickt. Mit so einem kitschigen Titel. Gold auf Lapislazuli.“ Lachend schüttelt er den Kopf, dann wird er schlagartig wieder ernst. Sein Blick wandert ins Leere, wird ausdruckslos. Es wird still im Hörsaal.

Mir brennt eine Frage auf der Seele, die ich dem alten Mann stellen möchte, doch ich habe Angst davor, was mein Kommilitone von mir denken könnte. Scheiß drauf. „Wie haben Sie es geschafft?“, frage ich fast flüsternd. Der alte Mann schaut hoch, erwacht aus seinen schmerzhaften Erinnerungen.
„Bitte?“
„Wie haben Sie es geschafft?“

Er räuspert sich. „Meine Frau und Musik. Sie ist jeden Tag gekommen. Hat mich ermutigt. Manchmal sogar zu viel. Aber sie hat einen CD-Player mitgebracht. Einen altmodischen CD-Player. Und meine Lieblingsmusik angemacht. Mozart, Beethoven und Schubert. Ja, Schuberts Winterreise hat mich schwer getroffen. Er hat in 24 Liedern die Gedichte eines jungen, verzweifelten Wanderers vertont. Nichts drückt den existenziellen Schmerz des Menschseins besser aus. Mein Lieblingslied ist der Leiermann. In dem Lied steht ein alter Mann barfuß auf dem Eis. Er spielt unaufhörlich seine Leier. Keiner sieht ihn an, keiner hört ihm zu. Nur die Hunde knurren. Sein Teller für die Münzen bleibt immer leer. Damals habe ich mich wie der Leiermann gefühlt.“

Ich notiere mir schnell den Namen des Lieds und rutsche auf meinem Sitz nach vorne. Mein Rücken tut nicht mehr weh. Als mich mein Kommilitone antippt, schüttele ich den Kopf. „Später.“

„Da wusste ich plötzlich, dass ich nicht alleine bin mit meinem Schmerz. Schubert hat mich verstanden. Das war der erste Schritt.“ Er schaut mir direkt in die Augen und fragt: „Können Sie das nachvollziehen?“
„Sie waren nicht mehr alleine. Ja. Aber mir ist nicht klar, wie Sie es dann geschafft haben. Aus diesem Schmerz.“
Er nickt. „Gute Frage. Ich habe angefangen mitzusingen. Habe zu Schuberts Musik den Text gesungen. Erst heimlich, nur für mich. Dann vor meiner Frau. Es gibt da diese Stelle beim Leiermann.“ Er atmet tief ein und beginnt behutsam zu singen. Es hört sich ganz natürlich an:

„Und er lässt es gehen
alles, wie es will,
dreht und seine Leier
steht ihm nimmer still.“

Seine tiefe, angenehme Stimme berührt etwas in mir. Ich erinnere mich an meinen Vater, wie er mir vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorlas. Jeden Abend bis auf montags, die besten Erinnerungen an meine Kindheit. Ich durfte die Bücher immer selbst aussuchen. Die gesamten sieben Bände von Harry Potter trug er mit seiner tiefen Stimme vor. Den siebten Band übersetzte er sogar aus dem Englischen, damit ich nicht so lange warten musste. Später, nach der Trennung, bekam ich mit, dass er nichts von J. K. Rowling hielt, die Harry Potter Bücher als gut zusammengeklaute Schundliteratur bezeichnete. Jetzt lebt er mit seiner neuen Frau und einem kleinen Sohn in einer Doppelhaushälfte. Er hat kaum noch Zeit für mich. Ob er ihm auch Harry Potter vorliest?

„Dieses Lied war der Wendepunkt. Wissen Sie, als ich erkannte, dass ich sehr wohl noch singen konnte, habe ich nach und nach wieder einen Sinn gesehen.“
Dann spricht er davon, wie Stephen Hawking ihn inspirierte und dass er heute per Computer komponiere, den er über seine Gesichtsmuskeln steuere.
„Das erste Mal wieder komponieren. Nach dem Unfall. Sie können sich das nicht vorstellen. Damals hätte ich das nie geglaubt.“ Er sieht glücklich aus, seine Augen leuchten. Dann dreht er den Kopf und schaut auf die Uhr an der Wand. „Aber ich rede schon viel zu lange. Lassen Sie mich Ihnen abschließend noch mitgeben: Suchen Sie sich liebevolle Partner oder Partnerinnen.“ Ein verschmitztes Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Es gibt Gelächter. „Nein, im Ernst. Und lernen Sie, alles so gehen zu lassen, wie es ist. Akzeptieren Sie die Situation und dann werden Sie aktiv. Glauben Sie mir, es gibt immer eine Möglichkeit.“

„Was für ein Vortrag“, sage ich zu meinem Kommilitonen.
Er schaut mich an, schüttelt den Kopf.
„Spinner. Gib dir das“, antwortet er und zeigt mir wieder einen Snap auf seinem iPhone. Diesmal antworte ich nicht.

 
Quellenangaben
https://hampsongfoundation.org/resource/winterreise-texts-and-translations/
Verwendete Wörter
Rollstuhl, Zeuge, Lapislazuli, Flügel, kopfüber

Hey @MRG ,

Hört sich nach einem coolen Lehrer an. Ich kann mich an meinen Musikunterricht in der Schule erinnern, wo wir eine sehr strenge Lehrerin hat. Manchmal muss man da einfach Glück haben.

Hmm, cool ist relativ. Ich stand auf jeden Fall gut mit ihm. Und mit dem Glück hast du Recht. MMn steht und fällt der gesamte Unterricht mit dem Lehrer.

Tja, das war ein Volltreffer, hab ich mir heute Nachmittag angehört (finde, dass solche Musik auch beim Lernen mega hilfreich ist). Ich bin auch total der Soundtrack-Fan und ich fand Mist in the Mire richtig gut. Ansonsten war noch Exploration und Scarred Earth klasse. Wenn du da noch weitere gute Tipps hast, kannst du mir dir gerne mitteilen. Glaube, da kommen wir auf einen Nenner.

Ein Seelenverwandter :D aus dem Unravel-Album noch z.B. Departure, das geht richtig ab. Die Frage ist natürlich, was man mit der Musik verbindet. Ich zocke recht gerne; hab glaube ich schon mal gesagt, dass es mir größtenteils um Abenteuer und Geschichten geht, da mache ich zwischen Spielen, Filmen oder eben Büchern keinen großen Unterschied. Andere Leute sind wegen schönen Sätzen oder Lyrik auf Wk, ich eben wegen Geschichten. Wenn du irgendwann mal ein wenig Zeit übrig hast, hol dir Witcher 3. Ohne Scheiß. Hab ich mir für 20 Euro im Sale geholt und bestimmt 120 Stunden drin verbacht. War aber auch Lockdown, also was solls.
The Vagabond und After the Storm von Martin Przybytowicz, Flight over Venice von Jesper Kyd, I am Shay Patrick Cormac von Elitsa Alexandrova, The Clones von Kevin Kiner und Zane's True Potential könnten dir gefallen. Ist ne sehr breite Auswahl. Wie gesagt, das sind alles Lieder, die auch irgendwie einen Nostaligiefaktor haben :bounce: lass mich wissen, ob du welche davon kennst und welche du empfehlen kannst.

Ist jetzt beides überarbeitet und ich fühle mich jetzt besser, was den Text angeht.

Super! Dann hat mein Kommentar ja was gebracht.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Moin @Meuvind,

cool, dass du dich noch mal meldest.

MMn steht und fällt der gesamte Unterricht mit dem Lehrer.
Ja, auf jeden Fall. Ist in der Uni genauso, finde ich.

in Seelenverwandter :D aus dem Unravel-Album noch z.B. Departure, das geht richtig ab.
Sehr cool! Mich hat auch noch Rusted Apart richtig gut abgeholt.

Ich zocke recht gerne; hab glaube ich schon mal gesagt, dass es mir größtenteils um Abenteuer und Geschichten geht, da mache ich zwischen Spielen, Filmen oder eben Büchern keinen großen Unterschied.
Interessant, ist bei mir tatsächlich ähnlich. Ich bin ein absoluter Skyrim Fan. Finde auch den Soundtrack da absolut großartig. Meine Favoriten sind da "Far Horizons", "The Streets of Whiterun" und "Ancient Stones". :D

Wenn du irgendwann mal ein wenig Zeit übrig hast, hol dir Witcher 3.
Hab ich schon von gehört, denke da schaue ich nach der Klausurenphase mal rein, wenn ich die Zeit hab.

Flight over Venice von Jesper Kyd
Eins meiner Favoriten! Ich höre mir deine anderen Vorschläge noch an, danke!

Super! Dann hat mein Kommentar ja was gebracht.
Ja, auf jeden Fall. :-)

Beste Grüße
MRG

 

Hallo @MRG,

bei Schubert bin ich raus. Will sagen, ich habe leider keine Ahnung davon. Ich weiß, Bildungslücke, kommt vielleicht noch :) Habe mir aber eben nach deiner Geschichte Der Leiermann angehört, um zu verstehen, welche Töne im Hintergrund laufen. Das ist ein sehr schwermütiges, aber schönes Stück, das klingt tief drinnen nach - gefällt mir.

Nun zu deiner Geschichte. Ich habe beim Überfliegen der Kommentare gesehen, dass du den Anfang geändert hast. Finde ich gut, ich mag so unmittelbare Einstiege auch lieber. Der ursprüngliche Anfang hatte etwas Erklär-Bäriges, also gute Entscheidung, dich davon zu trennen :)

Ich bin ein bisschen hin- und hergerissen. Irgendwie mag ich, was du da erzählst und auch wie das aufgezogen wird, aber es kommt mir gehetzt vor. Für mein Gefühl könnte die Geschichte länger sein, im Sinne von lebendiger. Organischer. Im Moment wirkt das alles noch ein bisschen statisch, künstlich.
Das ist ein total interessantes Thema, ich hätte mehr Dialog zwischen dem älteren Herrn und seinen Zuhörern, vielleicht nach der Vorlesung, vielleicht mittdendrin, keine Ahnung, gut gefunden. So ist es oft sehr einseitig. Älterer Herr erzählt, in dem Zuhörer geht was vor, älterer Herr erzählt weiter. Ich hoffe, du weißt, was ich damit sagen will.

Die Veränderung im Verhalten des Erzählers finde ich gut gemacht.
Erst lacht er noch über die oberflächlichen Bemerkungen seines Kommilitonen, aber dann

Ich schaue auf das Piratengesicht vor mir mit Narbe und Augenklappe, drehe den Kopf zu meinem Kommilitonen. Er schaut auf sein Handy. Ich hebe meinen Blick erneut, doch diesmal schenke ich dem alten Mann meine volle Aufmerksamkeit.
Das finde ich ne lebendige Szene. Der ältere Herr erzählt gerade von seinem Schicksalsschlag, der Kommilitone gafft weiter in sein Handy, und der Zuhörer merkt langsam, hier berührt ihn etwas. Für meinen Geschmack müsstest du das auch gar nicht so ausformulieren. Sondern eher so in Richtung Ich hebe meinen Blick erneut, lege den Stift zur Seite. Sowas in der Art, das klar macht, er hört auf mit seiner Nebenbeschäftigung und widmet sich voll und ganz dem Vortrag. Dann braucht es die ausgelutschte Formulierung volle Aufmerksamkeit schenken gar nicht.

Damals habe ich mich wie der Leiermann gefühlt. Auch mein Teller war leer.
Streichkandidat.

Als mich mein Kommilitone antippt, schüttele ich den Kopf. „Später.“
Ein weiterer Schritt, sich von der Ignoranz des Sitznachbarn loszulösen.

Mir brennt eine Frage auf der Seele, die ich dem alten Mann stellen möchte, doch ich habe Angst, was mein Kommilitone von mir denken wird. „Scheiß drauf“, denke ich und melde mich.
Hier doppelt sich das denken und denke ich. Ich würde einfach schreiben: Scheiß drauf, ich melde mich. Du schreibst ja aus der Ich-Perspektive, brauchst also diesen Zusatz denke ich gar nicht. Eigentlich braucht es nicht mal das ich melde mich. Wenn du solche Zusätze weglässt, kommt man näher an deinen Prot heran.

Das ist hier ja nur ein kleiner Ausschnitt, aber das Thema Resilienz ist eines, mit dem jeder Mensch seine ganz eigenen Erfahrungen verbindet. Und mit dem auch jeder Mensch ganz anders umgeht. Manche sind dazu in der Lage, sich von schlimmen Ereignissen zu erholen, andere nicht. Sie scheitern eben daran, dass sie nicht akzeptieren können, was ist und von dort aus weitergehen. Das ist so ein vielfältiges Thema, vielleicht wäre es schön, nur einen kleinen Einblick zu erlangen, warum der ältere Herr auf einmal zu dem Prot durchdringt. Eine Verbindung, die mehr Nähe schafft.

So viel mal von mir, du weißt ja, alles subjektiv, vielleicht ist was dabei, das du sinnvoll findest :)

Viele Grüße
RinaWu

 

Guten Abend @RinaWu,

da hast du mir ja einen tollen Kommentar geschrieben, gibt mir viel zum Überlegen. Deine ersten Vorschläge habe ich weitestgehend eingearbeitet, wo das direkt möglich war. Für die anderen Impulse werde ich mir etwas Zeit nehmen, um das einzuarbeiten. Denn ich finde, du hast da gute Punkte angesprochen. Besonders interessant war für mich, dass es noch statisch ist und organischer werden kann.

Ich habe beim Überfliegen der Kommentare gesehen, dass du den Anfang geändert hast. Finde ich gut, ich mag so unmittelbare Einstiege auch lieber. Der ursprüngliche Anfang hatte etwas Erklär-Bäriges, also gute Entscheidung, dich davon zu trennen :)
Erleichtert mich, dass du das sagst. Spricht für die Überarbeitung und das ist etwas, was ich immer gerne lese.

Irgendwie mag ich, was du da erzählst und auch wie das aufgezogen wird, aber es kommt mir gehetzt vor. Für mein Gefühl könnte die Geschichte länger sein, im Sinne von lebendiger. Organischer. Im Moment wirkt das alles noch ein bisschen statisch, künstlich.
Dieser Punkt ist sehr gut, spricht er doch eine Kernproblematik des Textes an, die ich bislang so noch nicht auf dem Schirm hatte. Aber ja es stimmt total, jetzt kann ich es auch sehen. Und ich kann gut nachvollziehen, was du meinst. Mir gefällt es auch, dass du hier direkt einen Vorschlag bringst, wie ich das erreichen kann:

Das ist ein total interessantes Thema, ich hätte mehr Dialog zwischen dem älteren Herrn und seinen Zuhörern, vielleicht nach der Vorlesung, vielleicht mittdendrin, keine Ahnung, gut gefunden. So ist es oft sehr einseitig. Älterer Herr erzählt, in dem Zuhörer geht was vor, älterer Herr erzählt weiter. Ich hoffe, du weißt, was ich damit sagen will.
Ich muss offen zugeben, dass ich mich mit Dialogen total schwer tue und ewig brauche bis ich halbwegs damit zufrieden bin. Du triffst hier ins Schwarze, habe es mir vielleicht etwas einfach gemacht. Da setze ich mich noch einmal dran, wobei mir durchaus bewusst ist, dass ich damit aus meiner Komfortzone gehe und der Text vielleicht etwas leiden könnte. Das Risiko gehe ich gerne ein, will ja besser werden. :D

Die Veränderung im Verhalten des Erzählers finde ich gut gemacht.
Erst lacht er noch über die oberflächlichen Bemerkungen seines Kommilitonen, aber dann
Vielen Dank, dass freut mich gerade richtig, weil das durch die Kommentare der anderen angeregt worden ist und ich es in der Überarbeitung erst eingebaut habe.

Für meinen Geschmack müsstest du das auch gar nicht so ausformulieren. Sondern eher so in Richtung Ich hebe meinen Blick erneut, lege den Stift zur Seite. Sowas in der Art, das klar macht, er hört auf mit seiner Nebenbeschäftigung und widmet sich voll und ganz dem Vortrag. Dann braucht es die ausgelutschte Formulierung volle Aufmerksamkeit schenken gar nicht.
Man merkt, dass du dich auskennst mit dem Schreiben. Freue mich, dass du dein Wissen hier mit mir teilst. Habe ich verbessert.

Streichkandidat.
Das ist einer meiner "Darlings", tue mich da furchtbar schwer, den zu streichen. Ich werden bei der Überarbeitung darüber nachdenken.

Das ist so ein vielfältiges Thema, vielleicht wäre es schön, nur einen kleinen Einblick zu erlangen, warum der ältere Herr auf einmal zu dem Prot durchdringt. Eine Verbindung, die mehr Nähe schafft.
Auch wieder eine interessante Anregung. Wenn ich dich hier richtig verstehe, dann würde so eine Erfahrung des Protas dafür sorgen, dass der Text organischer wird? Ich weiß noch nicht genau, wie ich das umsetzen kann, werde mich daran in der Überarbeitung versuchen.


Insgesamt finde ich das einen sehr guten Kommentar. Du hast mir da noch einiges aufgezeigt, wo ich selbst noch nicht drauf gekommen bin. Erst jetzt wird es für mich offensichtlich und schon lese ich meinen eigenen Text anders. Vielen herzlichen Dank, das war echt hilfreich.

Beste Grüße
MRG

 

Hallo noch einmal, @MRG

Super, freut mich, dass ich dir ein bisschen helfen konnte :)

Ich muss offen zugeben, dass ich mich mit Dialogen total schwer tue und ewig brauche bis ich halbwegs damit zufrieden bin.
Ja, das kenne ich nur zu gut. Meine ersten Geschichten hatten kaum Dialoge und wenn, dann sehr einseitig, sehr langatmig und unnatürlich :D Bis mir hier auch mal jemand gesagt hat, mach doch mal mehr davon, übe übe übe. Hab da anfangs auch echt Probleme mit gehabt, aber da hilft wirklich nur Übung. Und laut vorlesen, damit man merkt, ob das als Dialog funzt oder nicht.
Wenn man dann langsam das Gefühl dafür bekommt, machen Dialoge aber echt Spaß und sind ein total gutes Mittel, eine Geschichte natürlich voranzutreiben, ohne viel zu erklären oder eben zu statisch zu schreiben. Seine Figuren im wahrsten Sinne sprechen zu lassen :)

Also stell dich unbedingt dieser Herausforderung :thumbsup:
Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,

schön, dass du noch mal reingeschaut hast.

Ja, das kenne ich nur zu gut. Meine ersten Geschichten hatten kaum Dialoge und wenn, dann sehr einseitig, sehr langatmig und unnatürlich :D
Das mit dem unnatürlichen trifft bei mir auch zu, finde deinen Tipp da cool mit dem laut vorlesen. Ansonsten habe ich bislang so den Eindruck, dass guter Dialog so kurz wie möglich sein sollte und dabei trotzdem so viel Inhalt wie möglich transportiert. Ist für mich allerdings noch leichter gesagt, als geschrieben.

Wenn man dann langsam das Gefühl dafür bekommt, machen Dialoge aber echt Spaß und sind ein total gutes Mittel, eine Geschichte natürlich voranzutreiben, ohne viel zu erklären oder eben zu statisch zu schreiben. Seine Figuren im wahrsten Sinne sprechen zu lassen :)
Ich habe bei einigen Kurzgeschichten hier im Forum wirklich nur staunen können, wie unglaublich gut die Dialoge sind. Und das macht mir als Leser dann auch richtig Spaß, solche Geschichten zu lesen.

Also stell dich unbedingt dieser Herausforderung :thumbsup:
Danke, finde es motivierend, dass du dir noch mal die Zeit genommen hast zu kommentieren. Sitze schon an der Überarbeitung. :-)

Wünsche dir ein schönes Wochenende.


Beste Grüße
MRG

 

Guten Abend @MRG

tja, die Winterreise, der Leiermann daraus, fein aufgebaute Anspielungen, eine zweite Ebene, wenn ich die Herkunft des alten Mannes bedenke, eine dritte, insofern finde ich den Text kunstvoll komponiert.
Um die Ebenen besser zu verzahnen, fehlen mMn noch ein paar Anknüpfpunkte oder anders gesagt, einzelne Stellen, die tiefer eintauchen, in die Musik zB oder auch in deinen Erzähler, von dem ich wenig erfahre.
An der Geschichte lohnt es sich aber zu feilen, das Gerüst steht.

Paar Stellen, die ich dir zeigen möchte

Wenn ich nicht zuhöre, hat die Stimme des Professors etwas Beruhigendes.
schöne Beobachtung, könntest du aber genauer beschreiben: wie klingt die Stimme?
Dann stellt der Professor den Gast als erfolgreichen Komponisten vor.
erfolgreich ist derart nichtssagend, fast so, als ob ich gar nichts von ihm erfahre: womit hat er Erfolg, was für Musik schreibt er?
Ich schaue auf das Piratengesicht vor mir mit Narbe und Augenklappe, drehe den Kopf zu meinem Kommilitonen
diese Einschübe mit den Zeichnungen, das machst du sehr geschickt, funktioniert als roter Faden
Tiefe Falten ziehen sich durch sein Gesicht. In seinen Augen liegt dieser Blick, dieser Blick der mir sagt, dass er den Schmerz und das Leid und die Leere kennt.
das mit den Falten, fein, aber danach dieses allgemeine Schmerz-Leid-Seele-Zeugs
Mir hat Musik geholfen. Schubert hat mich verstanden. Ich verdanke ihm viel. Mein Lieblingsstück ist die Winterreise, D911: Der Leiermann. In dem Lied steht ein alter Mann barfuß auf dem Eis und spielt unaufhörlich seine Leier. Keiner sieht ihn an, keiner hört ihm zu.
klingt sehr spröde, hier wäre die Stelle, wo du etwas über die Schumannschen Liederzyklen einwerfen kannst, nicht als tell, aber doch so, dass der Leser die Musik versteht
„Sie fragen sich, was das Wichtigste bei Resilienz ist? Ich sage, die eigene Situation akzeptieren und aktiv werden.“ Dann beginnt er mit dem fachlichen Teil, stellt einen Bezug zwischen Vorlesung und Frankls Logotherapie her.
okay, der alte Mann erzählt von seine Lebensweisheiten, aber ich habe nicht kapiert, was das mit dem Thema der Vorlesung zu tun hat
„Ich möchte Ihnen mitgeben, dass Sie lernen, alles so gehen zu lassen, wie es ist. Akzeptieren Sie die Situation und dann werden Sie aktiv. Denn Sinn ergibt sich nicht durch Nachdenken, sondern aus unseren Taten. Gibt es Fragen?“
und insgesamt sind das ja in der Summe Binsen, mir zu viele
Spinner. Gib dir das“, antwortet er und zeigt mir wieder einen Snap auf seinem iPhone. Diesmal antworte ich nicht.
erzähl doch mal, was auf dem Swap zu sehen ist.

viele Grüße und wie ich gesehen habe bis morgen bei der Lesung sorry da habe ich mich getäuscht :D
Isegrims

 

Guten Morgen @Isegrims,

vielen Dank für deinen Kommentar, freut mich. Du sprichst da auch einige Punkte an, an denen ich arbeiten möchte. Momentan sitze ich sowieso an der Überarbeitung, da kommt dein Kommentar genau richtig.

tja, die Winterreise, der Leiermann daraus, fein aufgebaute Anspielungen, eine zweite Ebene, wenn ich die Herkunft des alten Mannes bedenke, eine dritte, insofern finde ich den Text kunstvoll komponiert.
Habe ich gerne gelesen, danke!

Um die Ebenen besser zu verzahnen, fehlen mMn noch ein paar Anknüpfpunkte oder anders gesagt, einzelne Stellen, die tiefer eintauchen, in die Musik zB oder auch in deinen Erzähler, von dem ich wenig erfahre.
Das ist einer der Punkte, an denen ich arbeiten möchte. Die Umsetzung fällt mir dabei noch nicht ganz so leicht, merke das auch gerade an der aktuellen Überarbeitung. Werde es allerdings versuchen. :-)

An der Geschichte lohnt es sich aber zu feilen, das Gerüst steht.
Das ist sehr motivierend, ich bin mal gespannt, ob ich das mit der Überarbeitung noch ausbauen kann.

wie klingt die Stimme?
Interessanter Punkt, da kann ich noch genauer werden. Nehme ich mir mit.

erfolgreich ist derart nichtssagend, fast so, als ob ich gar nichts von ihm erfahre: womit hat er Erfolg, was für Musik schreibt er?
Da habe ich es mir wahrscheinlich etwas zu leicht gemacht. Spontan hatte ich gerade die Idee, dass ich auch durch die Musik, die er komponiert vielleicht die Ebene der Musik weiter ausbauen kann. Ja, das ist eine gute Anregung.

diese Einschübe mit den Zeichnungen, das machst du sehr geschickt, funktioniert als roter Faden
Schön, dass es für dich funktioniert hat.

das mit den Falten, fein, aber danach dieses allgemeine Schmerz-Leid-Seele-Zeugs
Doch etwas über das Ziel hinausgeschossen? :D Ich denke über diese Stelle nach.

klingt sehr spröde, hier wäre die Stelle, wo du etwas über die Schumannschen Liederzyklen einwerfen kannst, nicht als tell, aber doch so, dass der Leser die Musik versteht
Auch ein guter Vorschlag. Ich weiß nur nicht genau, ob ich das nicht als tell im Dialog hinbekomme. Hier bin ich mir noch nicht sicher, aber die Anregung nehme ich mit.

okay, der alte Mann erzählt von seine Lebensweisheiten, aber ich habe nicht kapiert, was das mit dem Thema der Vorlesung zu tun hat
Er spricht über Residenz und verknüpft das Storytelling mäßig mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Und am Ende wird bei solchen Reden ja häufig eine Lektion mitgegeben. So sollte das gemeint sein.

und insgesamt sind das ja in der Summe Binsen, mir zu viele
Ja, das kann ich nachvollziehen. Der Text ist noch etwas zu künstlich. Ist eine gute Beobachtung, denke, dass mir das dabei helfen wird, den Text organischer bzw. lebendiger zu gestalten.

wie ich gesehen habe bis morgen bei der Lesung
Ich wollte eigentlich dabei sein, da muss ich mich schnell drum kümmern. Hab mich da schon gefreut. Also, hoffentlich bis heute Abend.


Beste Grüße
MRG

 

Hallo @MRG!

Dein Text ist ein sehr guter Text, er berührt, er löst eine Rührung aus. Aber es ist eben ein sehr moderner Text, einer der positiven Psychologie, die fest an die kognitive Umstrukturierung und Wertschätzung glaubt, an die Selbstwirksamkeit, die durch eine kleine Änderung des Denkens kolossales auslösen kann. ICH muss meine Wahrnehmung und verändern, dann wird alles wieder gut. Oder besser, alles wieder händelbar.

Naja, und wenn du das nicht schaffst, dann ... naja, dann Pech gehabt.

Liebe @MRG, mein Kommentar ist persönlich. Es ist keine Textkritik. Vielleicht kannst du trotzdem daraus etwas nehmen.

Dass dein Text Wirkung erzeugt, flüssig und gut geschrieben ist, brauche ich dir nicht zu sagen. Aber - ganz persönliche Meinung - da ist etwas, was mich stört - das du um Gottes Willen nicht umsetzen musst - und das ist die professionelle Art deines Protagonisten. Carlo hat das mit "Story-Telling" gut umschrieben. Hier lese ich eine Geschichte von einem Menschen, der weiß, wie man eine Story aufbaut, die Aufmerksamkeit beim Publikum erweckt und kraft seiner rhetorischen Fähigkeiten Wirkung erzeugt. Der kann Effekte. Das ist überraschend viel Show. Dazu ist er mir ... zu glatt. Das Setting ist ein Hörsaal. Das könnte ein guter TEDx-Talk sein.

Zu Anfang erwähnt er Viktor Frankl ...

„Ich möchte über Resilienz sprechen“, sagt der alte Mann im Rollstuhl weiter. „Einer der Begründer war sicherlich Viktor Frankl. Er war jüdischer Psychiater und überlebte vier Konzentrationslager.“ Er unterbricht sich, es herrscht betretenes Schweigen.
Provokant gefragt: Und wenn es drei gewesen wäre, wäre er kein Begründer für Resilienz? Mit deinem Text hat das nur bedingt zu tun, klar. Mich erinnert das an einen Streit vor einigen Jahren, den ich auf der Arbeit mitbekam: Zwei Frauen um die 90 behaupten, ihr Bruder habe in einem "richtigen KZ" eingesessen, der Bruder der anderen aber nicht. "Mein Bruder war in Auschwitz und deiner nur in Dora." So in etwa, den genauen Wortlaut habe ich nicht mehr im Kopf. Tja. Das sind ... Momente aus dem Paralleluniversum.

„Heute kommt es mir erstaunlich vor, wie schnell ich damals kopfüber ins Unglück gestürzt bin.“ Der alte Mann spricht von den ersten Tagen in der Klinik, als die Krankenschwester auf seine Frage, ob er je wieder am Flügel sitzen könne, den Kopf schüttelte

Liebe @MRG, tut mir Leid für meine nölende Art. Aber mich hat gewundert, dass er an keiner Stelle Familie, Freunde, Verwandte, Kinder erwähnt. Die Tante schenkt ihm ein Buch. Er berichtet von sich. Wie er sich ändert. Klingt ja logisch, aber ... irgendwie auch nicht. Ich hätte mir etwas handfesteres, härteres erwartet. Soziale Unterstützung als wichtigster Prädiktor für Therapieerfolg. Sprich einen Menschen, der die Konzepte der Resilienz auf sich anwendet und sie auch sieht, der die Idee - so brutal das klingt - an sich selbst beweist.

Das war's!
Lg
kiroly

 

Hallo @kiroly,

ich habe deine Kommentare unter zwei Challenge Beiträgen gelesen und ich mochte, wie genau die Analyse der jeweiligen Text war. Das gleiche denke ich jetzt auch hier, weil du trotz vielen Kommentaren etwas für mich Neues ansprichst. So habe ich meinen Text bislang gar nicht gelesen.

Dein Text ist ein sehr guter Text, er berührt, er löst eine Rührung aus.
Das ging runter wie Öl, gerade weil auch so viel Arbeit in dem Text steckt. Herzlichen Dank, bedeutet mir etwas.

Aber es ist eben ein sehr moderner Text, einer der positiven Psychologie, die fest an die kognitive Umstrukturierung und Wertschätzung glaubt, an die Selbstwirksamkeit, die durch eine kleine Änderung des Denkens kolossales auslösen kann. ICH muss meine Wahrnehmung und verändern, dann wird alles wieder gut. Oder besser, alles wieder händelbar.
Ja, das geht genau in diese Richtung. Spannend, arbeitest du selbst in dem Kontext oder hast du da einen psychologischen Hintergrund?
Ansonsten bin ich etwas über das Wort "glaubt" gestolpert, ich sehe es nicht als einen Glauben an. Denn Selbstwirksamkeitserwartungen funktionieren auch dann, wenn ich nicht an "Psychologie" glaube. Aber ja, ich verstehe was du meinst und kann dir da zustimmen.

Liebe @MRG, mein Kommentar ist persönlich. Es ist keine Textkritik. Vielleicht kannst du trotzdem daraus etwas nehmen.
Es ist "lieber". :D
Deinen Kommentar finde ich sehr gut, gerade weil er persönlich ist. Ich hänge gerade bei der Überarbeitung daran, den Text organischer und lebendiger zu machen. Da finde ich deinen Impuls ausgesprochen hilfreich.

Aber - ganz persönliche Meinung - da ist etwas, was mich stört - das du um Gottes Willen nicht umsetzen musst - und das ist die professionelle Art deines Protagonisten. Carlo hat das mit "Story-Telling" gut umschrieben. Hier lese ich eine Geschichte von einem Menschen, der weiß, wie man eine Story aufbaut, die Aufmerksamkeit beim Publikum erweckt und kraft seiner rhetorischen Fähigkeiten Wirkung erzeugt. Der kann Effekte. Das ist überraschend viel Show. Dazu ist er mir ... zu glatt.
Die professionelle Art, die mechanische Abarbeitung eines Vortrags ja, das macht es glaube ich künstlich. Finde ich interessant. Habe mir deinen Kommentar direkt ausgedruckt und zu meinem Text gepackt. Das ist etwas, worüber ich nachdenken möchte. Und ich glaube, dass hier viel Potential liegt, um den Text lebendiger zu machen. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht genau, ob mir das gelingt. Freue mich da aber drauf, auch wenn ich momentan noch nicht so weitergekommen bin, wie ich mir das vorstelle. Vielen Dank!

Und wenn es drei gewesen wäre, wäre er kein Begründer für Resilienz?
Ja, das meinst du mit dem Effekt und der Wirkung, nicht wahr? Sehr guter Punkt, das möchte ich mir unbedingt anschauen.

Aber mich hat gewundert, dass er an keiner Stelle Familie, Freunde, Verwandte, Kinder erwähnt. Die Tante schenkt ihm ein Buch. Er berichtet von sich. Wie er sich ändert. Klingt ja logisch, aber ... irgendwie auch nicht. Ich hätte mir etwas handfesteres, härteres erwartet. Soziale Unterstützung als wichtigster Prädiktor für Therapieerfolg.
Verstehe, auch das trägt zur Professionalität bei, sorgt wohl auch dafür, dass es mehr wie ein Ted-Talk rüberkommt.

Mensch, da hast du mir einen interessanten Kommentar geschrieben. Das gibt mir viel zum Nachdenken, mal schauen, in welcher Form ich das umsetzen werde. Ich merke jedenfalls, dass ich durch deinen Kommentar und durch die Kommentare der anderen nach und nach immer mehr Ansatzpunkte für die Überarbeitung bekomme, die mir vorher in dieser Schärfe einfach gar nicht bewusst waren. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.


Beste Grüße
MRG

 

Habe den Text überarbeitet und versucht einerseits die Ebene mit der Musik zu vertiefen, andererseits den Text lebendiger und organischer zu machen. Und ich habe den Vorschlag von dir mit eingebaut @kiroly und versucht, diese Professionalität des alten Mannes zu durchbrechen.

Vielen Dank für all die hilfreichen Kommentare!

 

Hallo @MRG

Ansonsten bin ich etwas über das Wort "glaubt" gestolpert, ich sehe es nicht als einen Glauben an. Denn Selbstwirksamkeitserwartungen funktionieren auch dann, wenn ich nicht an "Psychologie" glaube. Aber ja, ich verstehe was du meinst und kann dir da zustimmen.
Stimmt, da gebe ich dir recht. Aber schön, dass du trotzdem die Message verstanden hast :-)

Die professionelle Art, die mechanische Abarbeitung eines Vortrags ja, das macht es glaube ich künstlich. Finde ich interessant. Habe mir deinen Kommentar direkt ausgedruckt und zu meinem Text gepackt. Das ist etwas, worüber ich nachdenken möchte. Und ich glaube, dass hier viel Potential liegt, um den Text lebendiger zu machen. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht genau, ob mir das gelingt. Freue mich da aber drauf, auch wenn ich momentan noch nicht so weitergekommen bin, wie ich mir das vorstelle. Vielen Dank!
Im Text wirkt das jetzt anders, du hast eine Mahlzeit eingebaut, aber gut gefällt mir der Einstieg seiner Rede: Er hat den Text auswendig gelernt, oder es wirkt so. Das ist ja auch so ein typisches Unsicherheits-Vermeidungs-Mittel: Der feste Glaube, dass durch das Aufsagen einer Zeile all das Nervöse, Unsichere und Klumpige in einem auflöst. Ja, das war genau mein Punkt. Natürlich musst du dem Vorschlag niemals folgen, es war nur eine Idee und Idee sind dazu da, um sie abzulehnen. Produktion statt Analyse, quasi. Okay, jetzt klinge ich kompliziert, ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Und wenn es drei gewesen wäre, wäre er kein Begründer für Resilienz?
Ja, das meinst du mit dem Effekt und der Wirkung, nicht wahr? Sehr guter Punkt, das möchte ich mir unbedingt anschauen.
Ja genau. Ja ja ja genau.

Lg
kiroly

 

Hallo @kiroly,

vielen Dank, dass du noch einmal reingeschaut hast.

Im Text wirkt das jetzt anders, du hast eine Mahlzeit eingebaut, aber gut gefällt mir der Einstieg seiner Rede: Er hat den Text auswendig gelernt, oder es wirkt so.
Ich bin bei der Recherche auf ein Interview einer Frau mit Tetraplegie gestoßen und sie hat zwei Details erzählt, die an dem Tag des Unfalls passiert sind. Hatte dabei Gänsehaut und habe weiter recherchiert, es gibt da das Phänomen der Flashbulb-Memories. Es geht um detailgenaue und lebhafte Erinnerungen bei emotional stark mitnehmenden Ereignissen oder zumindest entsteht die Illusion, dass die lebhaften Details genau so passiert sind. Das war die Idee hinter der Mahlzeit.
Freue mich gerade, dass das mit dem Einstieg seiner Rede besser funktioniert. Mir gefällt es so auch besser, ich glaube, das macht ihn menschlicher.

Natürlich musst du dem Vorschlag niemals folgen, es war nur eine Idee und Idee sind dazu da, um sie abzulehnen. Produktion statt Analyse, quasi. Okay, jetzt klinge ich kompliziert, ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Ja, das verstehe ich. Am Ende ist es ja mein Text und mir ist es auch schon passiert, dass ich so viel überarbeitet habe, dass der Text immer schlechter geworden ist. Ich finde es hier allerdings hilfreich, weil mir der Text durch die Idee deutlich besser gefällt. Und mir war es wichtig, dass der alte Mann im Rollstuhl als menschlich wahrgenommen wird und nicht als ein etwas distanzierter Vollprofi.

Ja genau. Ja ja ja genau.
War ein hilfreicher Punkt, bin froh, dass ich das überarbeitet habe. Finde es so besser.


Danke, dass du noch einmal reingeschaut hast. Sehe das nicht als selbstverständlich an und freue mich da drüber. :)


Beste Grüße
MRG

 

Es gibt nur eine Antwort: why worry?, @MRG, nicht wahr?

Ich liebe dieses Thema der Resilienz. Deinen Protagonisten in eine Vorlesung dafür zu setzen, seinen eigenen Zugang finden zu lassen, mich rückblickend für sein Bedürfnis dafür teilhaben zu lassen, hat mir gut gefallen.

Ich liebe Gaur Gopal Das, der dazu einen kleine humorvolle Sequenz vorgetragen hat. Die Kernfrage: do you have a problem in life? No? Then why worry? Yes? Can you do something about it? No? Then why worry? Yes? Then why worry? Es ist ja ein Trugschluss, Probleme lösen zu wollen, die unabänderlich sind. Abfinden klingt dann immer so resigniert. Am Ende ist es eben einfach weiterleben und das Problem, besser die Tatsache mitzutragen als etwas, was das eigene Leben dann eben ausmacht. Der glatzköpfige Mann weiß seine eigene Geschichte zu erzählen.

Damals habe ich mich wie der Leiermann gefühlt.“
Das ist doch klar. Ich brauche das nicht.
Nike T-Shirt,

iPhone
Und wozu sind die Nennung der Marken notwendig?

Einen schönen Samstag und freundlicher Gruß. Kanji

 

Guten Abend @Kanji,

danke für deinen Kommentar und deine Zeit. Ich habe mich gefreut:

Deinen Protagonisten in eine Vorlesung dafür zu setzen, seinen eigenen Zugang finden zu lassen, mich rückblickend für sein Bedürfnis dafür teilhaben zu lassen, hat mir gut gefallen.
Das lese ich gerne, schön, dass es für dich funktioniert hat. :)

Ich liebe Gaur Gopal Das, der dazu einen kleine humorvolle Sequenz vorgetragen hat. Die Kernfrage: do you have a problem in life? No? Then why worry? Yes? Can you do something about it? No? Then why worry? Yes? Then why worry? Es ist ja ein Trugschluss, Probleme lösen zu wollen, die unabänderlich sind.
Kenne ihn gar nicht, finde allerdings genau diese Kernfrage sehr interessant. Das ist ja letztendlich auch der Kern meiner Geschichte. Ich finde Ajahn Brahm großartig, das dürfte in eine ähnliche Richtung gehen.

Am Ende ist es eben einfach weiterleben und das Problem, besser die Tatsache mitzutragen als etwas, was das eigene Leben dann eben ausmacht. Der glatzköpfige Mann weiß seine eigene Geschichte zu erzählen.
Ja, genau das ist die Idee. Klasse, dass du das so herausgelesen hast für dich. Du fasst das hier gut zusammen, genau.

Das ist doch klar. Ich brauche das nicht.
Bei der Stelle habe ich schon ordentlich gekürzt und das ist schon der ein oder andere "Darling" draufgegangen. Denke, dass ich den Satz drinlasse, weil er mir selbst gut gefällt. Allerdings denke ich noch einmal drüber nach, weißt ja wie das mit den "Darlings" ist.

Und wozu sind die Nennung der Marken notwendig?
Ich will damit den Kommilitonen besser charakterisieren. Es sagt ja auch immer etwas aus, wenn sich jemand für Nike und iPhone entscheidet. Idee ist hier, dass er so als "cool" dargestellt wird. Er gehört zu den beliebten Studenten. Gebe zu, es ist etwas Stereotyp. Denke allerdings, dass ich das drin lasse. Habe dabei auch einen ehemaligen Kommilitonen von mir im Kopf. :D

Schön, dass du mir deinen Leseeindruck dagelassen hast. Habe mich besonders darüber gefreut, dass die Kernidee rauskommt und funktioniert. Wünsche dir auch ein schönes Wochenende.


Beste Grüße
MRG

 

Tach @MRG,

weiter geht's bei dir, freu mich auf den Text!

Vorlesungssaal
Kenne ich nur als Hörsaal.

Er trägt ein schwarzes Nike T-Shirt, ist ziemlich groß und breit gebaut. Auf seinem iPhone
Ist das relevant, dass er groß und breit gebaut ist und sein Shirt von Nike ist, frage ich mich. Ansonsten würde ich die Marken weglassen, auch aus iPhone Handy machen, aber das mag Geschmackssache sein.

Seine Stimme beginnt, leicht zu zittern, verliert den professionellen Klang.
Erst habe ich hier gedacht: Dass seine Stimme da zu zittern beginnt, kann ich mir nicht ganz vorstellen, es sei denn, er schauspielert das, da er diese Geschichte sicher nicht zum ersten Mal ezählt, und bei "Spezialist auf dem Gebiet..." stelle ich mir vor, dass er öfter solche Vorträge gibt. Allerdings könnte es natürlich schon auch richtig sein, dass er nicht oft solche Reden gibt, besonders nicht vor einem so großen Publikum. In dem Fall - vergiss es einfach :D

Er macht eine Pause, scheint sich intensiv zu erinnern.
Das ist ja eine Erklärung, eine Deutung. Könntest du auch einfach als Beobachtung schreiben, und zwar, dass er zB kurz abwesend ist, aus einem der Fenster starrt, innehält...

als er ein Buch seiner Tante geschenkt bekam.
Hier habe ich mich kurz gefragt: Ist es ein Buch, das der Tante gehörte, ist es ein Buch das sie selbst geschrieben hat, oder ist es einfach ein Buch, das ihm seine Tante geschenkt hat? Im nächsten Satz wirds dann klar.

Den siebten Band übersetzte er sogar aus dem Englischen, damit ich nicht so lange warten musste.
Wow, das ist mal n Ding!

Suchen Sie sich eine liebevolle Frau.“
Hier leuten bei mir direkt die Alarmglocken ;) Ist doch keine Vorlesung nur mit männlichen Studenten!? Und selbst wenn, was ist mit denen, die nicht auf Frauen stehen? Klar, kann natürlich der "Fehler" des Gastes sein, nicht deiner als Autor (es sei denn, es sitzen auch Frauen im Hörsaal, denn dann fände ich es realistischer, er würde "Partner" sagen).

Ein schönes Ende, eine schöne Geschichte, gefällt mir. Ich mag, wie du die Musik mit dem konkreten Lied einarbeitest und deinem Prot so einen Halt gibst. Und der allerletzte Satz zeigt, dass man manchmal wirklich "nur" seine Einstellung ändern muss, denn so vieles passiert im Kopf. Ist halt leider nicht immer so leicht, so einfach es auch im Nachhinein klingt.

Viele Grüße,
rainsen

 

Hallo @rainsen,

vielen Dank, dass du vorbeigeschaut hast, freut mich. Deine Geschichte steht bei mir auch schon auf der Liste.

Kenne ich nur als Hörsaal.
Habe ich angepasst, danke ist so genauer.

Ist das relevant, dass er groß und breit gebaut ist und sein Shirt von Nike ist, frage ich mich. Ansonsten würde ich die Marken weglassen, auch aus iPhone Handy machen, aber das mag Geschmackssache sein.
Das ist so eine Stelle, wo sich wohl die Geister scheiden. Es ist eine Stelle dir mir wichtig ist, denn es arbeitet hier ein bisschen mit einem Stereotyp, Gym, Nike und iPhone. Soll aussagen, dass er zum Mainstream und zu den Coolen gehört. Ich sehe ihn als Kontrast zum Prota und mag die Stelle ziemlich gerne. Nichtsdestotrotz denke ich da noch einmal drüber nach.

Allerdings könnte es natürlich schon auch richtig sein, dass er nicht oft solche Reden gibt, besonders nicht vor einem so großen Publikum. In dem Fall - vergiss es einfach
Die Idee ist hier, dass er wieder so stark in die Vergangenheit gezogen wird, dass er sich wieder an diese Verzweiflung erinnert und daher weg vom auswendig gelernten Ted Talk kommt und hin zum ehrlichen und authentischen alten Mann im Rollstuhl.

Das ist ja eine Erklärung, eine Deutung. Könntest du auch einfach als Beobachtung schreiben, und zwar, dass er zB kurz abwesend ist, aus einem der Fenster starrt, innehält...
Genau, es ist eine Deutung. Ich habe später schon drin, dass er in die Leere starrt und daher war es mir wichtig, hier eine Abwechslung auch sprachlich reinzubringen. Hatte auch erst das scheinen nicht drin und habe das dann nachträglich eingefügt, damit es zur Perspektive passt.

Ist es ein Buch, das der Tante gehörte, ist es ein Buch das sie selbst geschrieben hat, oder ist es einfach ein Buch, das ihm seine Tante geschenkt hat? Im nächsten Satz wirds dann klar.
Sehr aufmerksam gelesen, vielen Dank! Ich habe jetzt ein "von" ergänzt, so sollte es hoffentlich direkt deutlich werden.

Wow, das ist mal n Ding!
Basiert auf eigener Erfahrung, haha! :D Nur zum Glück in die positive Richtung und nicht wie hier geschildert in die negative.

Hier leuten bei mir direkt die Alarmglocken ;) Ist doch keine Vorlesung nur mit männlichen Studenten!? Und selbst wenn, was ist mit denen, die nicht auf Frauen stehen? Klar, kann natürlich der "Fehler" des Gastes sein, nicht deiner als Autor (es sei denn, es sitzen auch Frauen im Hörsaal, denn dann fände ich es realistischer, er würde "Partner" sagen).
Ja, da gebe ich dir recht. Ich habe das "Und" rausgestrichen, sodass er das halb im "Scherz" sagt. Ist dir das so klarer? Das ist ein Fettnäpfchen, in das ich möglichst nicht treten will. Gedacht war es jedenfalls als ein humorvoller Einschub von dem alten Mann im Rollstuhl, der allerdings auf der Wahrheit basiert. Ohne seine Frau hätte er es nicht geschafft, das wollte ich damit deutlich machen.

Ein schönes Ende, eine schöne Geschichte, gefällt mir. Ich mag, wie du die Musik mit dem konkreten Lied einarbeitest und deinem Prot so einen Halt gibst. Und der allerletzte Satz zeigt, dass man manchmal wirklich "nur" seine Einstellung ändern muss, denn so vieles passiert im Kopf. Ist halt leider nicht immer so leicht, so einfach es auch im Nachhinein klingt.
Vielen Dank, das freut mich zu lesen. Muss ehrlich sagen, dass ich die Geschichte nicht so hinbekommen hätte, ohne die ganzen Kommentare. Ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Sichtweise auf den eigenen Text durch die Kommentare verändert. Habe diese Tendenz häufig zu schnell mit meinen eigenen Texten zufrieden zu sein und vieles zu übersehen. :D
Da kann ein guter Kommentar noch mal eine ganz neue Perspektive und Ansatzpunkte für die Überarbeitung liefern.
Das mit der Musik ist mir auch ganz wichtig, darauf basierte die ursprüngliche Idee und das Lied hat mich richtig berührt.
Ja, das mit der Einstellung und der Neubewertung ist echt hilfreich. Aber eben auch so unglaublich schwierig, wie du schon schreibst.

Möchte mich herzlich für deinen Kommentar bedanken, habe deine Anmerkungen soweit eingebaut. Freue mich schon auf deinen Text


Beste Grüße
MRG

 

Hallo MRG,
irgendwie fühle ich mich dir verbunden, weil in meinem Beitrag auch eine Geschichte innerhalb der Geschichte erzählt wird. Gar nicht so einfach.
Bei dir gibt es eigentlich zwei Geschichten, die des alten Komponisten und die Geschichte, wie seine Worte etwas in dem jungen Mann anrühren. Dabei erfahren wir auch etwas über den Erzähler und diese Verbindung finde ich gut gemacht. Im Grunde fühlt sich der junge Mann von seinem Vater verraten. Dessen Aussage über Harry Potter ist wirklich bitter, weil er damit etwas, was für den Jungen heilig war, sein Band zu seinem Vater, verleugnet und kaputt macht. Wenn er den ganzen Band übersetzt hat, dann hat ihm das sicherlich auch etwas bedeutet. Der Vater bekommt da etwas doppelgesichtiges, verlogenes, der vielleicht in diesem Moment jemanden beeindrucken will. Der alte Mann gibt ihm nun beides, ein Vorbild, wie man mit Schmerz fertig werden kann und ein Gegenbild zu seinem Vater, denn du schilderst ihn sehr echt, für mein Empfinden zum Teil etwas überbetont nah an seinen Gefühlen.

Wenn ich nicht zuhöre, hat die monotone Stimme des Professors etwas Beruhigendes. Doch auf einmal wird es still. Verwundert schaue ich hoch.
Schöne Stelle
Er macht eine Pause, scheint sich intensiv zu erinnern.
Da würde ich mir den Mann vielleicht doch etwas weniger emotional wünschen. Das hat etwas so Intimes, was ich mir eher in einem Zweiergespräch vorstellen würde, als bei einer Vorlesung. Ich denke, er kann echt sein, ohne, dass er sich völlig in seinen Erinnerungen verliert. Für mich wären der obige Satz und die beiden folgenden Zitat entbehrlich. Auch, weil sie so sehr beschreibend/interpretierend sind.
Seine Stimme ist leiser geworden, Verletzlichkeit schwingt mit.

„Wie haben Sie es geschafft?“, frage ich fast flüsternd. Der alte Mann schaut hoch, erwacht aus seinen schmerzhaften Erinnerungen.

Seine tiefe, angenehme Stimme berührt etwas in mir. Ich erinnere mich an meinen Vater, wie er mir vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorlas.
Das wiederum finde ich einen schönen Übergang.
Lassen Sie mich Ihnen abschließend noch mitgeben: Suchen Sie sich eine liebevolle Frau.
Sind denn da nicht auch Frauen im Saal? Oder meint er direkt den Erzähler?
Was für ein Vortrag“, sage ich zu meinem Kommilitonen.
Er schaut mich an, schüttelt den Kopf.
„Spinner. Gib dir das“, antwortet er und zeigt mir wieder einen Snap auf seinem iPhone. Diesmal antworte ich nicht.
Für mich könnte es auch hier enden.
Ich habe mir danach die Winterreise von Schubert heruntergeladen. Der Leiermann ist mein neues Lieblingslied. Während ich es höre, hoffe ich zum ersten Mal, dass mein Vater auch meinem Halbbruder Harry Potter vorliest.
Das ist mir ein bisschen zu edel.
Ich habe bei der Gelegenheit auch den Leiermann gehört und mochte das Stück sehr. Das ist auch eine Qualität deiner Geschichte, dass sie mit dieser konkreten Erwähnung ein kleines Geschenk enthält.

Ich habe das gerne gelesen, MRG,

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Chutney,

ich finde deinen Kommentar sehr gut und habe auch die Punkte von dir weitestgehend eingebaut, nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen habe. Ja, das geht ja in eine ähnliche Richtung wie von @rainsen vorgeschlagen und ich habe es verändert. Auch das mit der Frau habe ich angepasst, denn das sollte so nicht rüberkommen.
Besonders hat mich gefreut, dass für dich die Geschichte in der Geschichte funktioniert hat. Ich habe auch die emotionalen Beschreibungen des Mannes rausgenommen, bis auf eine Stelle von der ich mich nicht trennen wollte.

irgendwie fühle ich mich dir verbunden, weil in meinem Beitrag auch eine Geschichte innerhalb der Geschichte erzählt wird. Gar nicht so einfach.
Finde ich interessant, dass du das anregst. Die Geschichte in der Geschichte lese ich vor allem auch bei Neil Gaiman immer sehr, sehr gerne.

Bei dir gibt es eigentlich zwei Geschichten, die des alten Komponisten und die Geschichte, wie seine Worte etwas in dem jungen Mann anrühren.
Ja, ganz genau, so ist es. Schön, dass das so klar bei dir angekommen ist. :)

Im Grunde fühlt sich der junge Mann von seinem Vater verraten. Dessen Aussage über Harry Potter ist wirklich bitter, weil er damit etwas, was für den Jungen heilig war, sein Band zu seinem Vater, verleugnet und kaputt macht. Wenn er den ganzen Band übersetzt hat, dann hat ihm das sicherlich auch etwas bedeutet.
Ich wollte die Verletzung des Protas darstellen, damit der alte Mann im Rollstuhl nicht einfach nur sein Mitleid anregt, sondern ihn tief anspricht. Und damit er ihn so berühren kann, muss etwas da sein. Schön, dass es so rübergekommen ist. An der Stelle habe ich lange gebastelt, freut mich daher doppelt.

Der alte Mann gibt ihm nun beides, ein Vorbild, wie man mit Schmerz fertig werden kann und ein Gegenbild zu seinem Vater, denn du schilderst ihn sehr echt, für mein Empfinden zum Teil etwas überbetont nah an seinen Gefühlen.
Interessanter Punkt, das mit dem Gegenbild zu seinem Vater sehe ich erst jetzt so klar. Ich hatte ihn eher als Vorbild gedacht, finde ich spannend, dass du es so gelesen hast. Ansonsten habe ich einige emotionale Beschreibungen rausgenommen.

Da würde ich mir den Mann vielleicht doch etwas weniger emotional wünschen. Das hat etwas so Intimes, was ich mir eher in einem Zweiergespräch vorstellen würde, als bei einer Vorlesung. Ich denke, er kann echt sein, ohne, dass er sich völlig in seinen Erinnerungen verliert.

Sind denn da nicht auch Frauen im Saal? Oder meint er direkt den Erzähler?
Habe ich angepasst, das hatte auch @rainsen angesprochen, ist ein Fettnäpfchen, was ich vermeiden möchte.

Das ist mir ein bisschen zu edel.
Ich denke wirklich darüber nach, die letzen Sätze rauszustreichen, wie von dir angemerkt. Da habe ich mich noch nicht entschieden, ich kann deinen Punkt jedenfalls verstehen. Er spielt hier so ein bisschen den edlen Ritter, ja ich denke da drüber nach. Vielleicht nehme ich die letzen Sätze raus.

Ich habe bei der Gelegenheit auch den Leiermann gehört und mochte das Stück sehr. Das ist auch eine Qualität deiner Geschichte, dass sie mit dieser konkreten Erwähnung ein kleines Geschenk enthält.
Wie schön, dass es dir auch gefallen hat. Mich hat es total berührt und es ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Vielen herzliche Dank für deinen schönen Kommentar! :)

Beste Grüße
MRG

 

Hallo @MRG ,

bevor ich dir auf deinen Kommentar zu meiner Reise antworte, will ich erst mal ein paar Gedanken zu deiner Winterreise loswerden. Übrigens: super Titel, sag ich da nur.
Stell dir mal vor, du hättest dich auch für den Titel Die Reise entschieden, wären jetzt zwei Geschichten mit dem gleichen Titel im Rennen. :D
Blödsinn, war nicht zu befürchten, hast ja eine Anleihe bei Schubert getätigt.

Und den Einstieg hast du gekürzt, kündigst nun nicht mehr an, dass du gleich eine Geschichte erzählen wirst, sondern springst sofort ins Geschehen. Gute Entscheidung!

Du erzählst in einem angenehmen ruhigen Tonfall und sprachlich gibt’s nix zu meckern, oder nicht viel, ich lese unaufdringliche, saubere Formulierungen.
Aber Luft nach oben ist ja immer. Und da möchte ich dich an ein paar Beispielen auf Kleinigkeiten aufmerksam machen, die als Anregung gedacht sind. Ein Feinschliff sozusagen plus Politur.

Es ist Montag, 16 Uhr. Ich sitze ganz hinten im Hörssaal, vor mir der heruntergeklappte Tisch.
Das Fehlerteufelchen saß auch mit im Hörsaal

Das ausgedruckte Skript liegt vor mir, Thema Resilienz. Ich male Gesichter an den Rand, mein Rücken tut weh vom Sitz.
Das Desinteresse schön gezeigt. Auch später im Text, wenn er seine Zeichnung weiter vervollkommnet.

Er trägt ein schwarzes Nike T-Shirt, ist ziemlich groß und breit gebaut.
Ziemlich, eigentlich, fast, beinahe, was weiß ich sind Füllwörter, überflüssig wie ein Kropf. Sie relativieren eine Aussage immer. Ist der Kommilitone nun groß und breit oder ist er es nicht?
Ist ziemlich verschwunden, kommt ein viel deutlicheres Bild von dem Kerl zustande. Probiers mal aus!

Ich wende mich ab, male ein neues Gesicht. Wenn ich nicht zuhöre, hat die monotone Stimme des Professors etwas Beruhigendes. Doch auf einmal wird es still. Verwundert schaue ich hoch.
Ja, die Stimme eines Hypnotiseurs, die Stelle mag ich.
Will dir nicht reinreden, aber probiere das auch mal aus, verwundert streichen. Die Aussage bleibt dieselbe. Denn der Protagonist malte ja bisher gelangweilt Gesichter und das Hochschauen weist schon darauf hin, dass etwas Besonders ansteht.

In dem Moment öffnet sich die Tür vorne neben dem Professor. Normalerweise bleibt sie immer geschlossen, Studenten müssen den oberen Eingang nehmen.
Ich denke, das immer drückt dasselbe wie normalerweise aus. Ein Begriff könnte gestrichen werden.

Ich stoße meinen Kommilitonen an. „Wer ist das?“
„Du hörst echt gar nicht zu. Hat er doch letzte Woche gesagt“, antwortet er.
Nur so ein Gedanke: Hat der Prof doch letzte Woche gesagt, wäre deutlicher.

Seine Stimme klingt künstlich, als hätte er den Text auswendig gelernt.
Sind das nicht zwei verschiedene Aussagen?
Mit künstlicher Stimme verbinde ich beispielsweise blechern, verzerrt, roboterhaft. Aber wenn ein Text auswendig gelernt wurde, erkennt man das am monotonen Tonfall, keine Pausen, wenig Höhen und Tiefen. Weißt, was ich meine?

Höhepunkt seines Selbstmitleids sei der Punkt gewesen, als er ein Buch von seiner Tante geschenkt bekam. „
Vllt. fällt dir etwas ein, um die Doppelung zu vermeiden.

Mir brennt eine Frage auf der Seele, die ich dem alten Mann stellen möchte, doch ich habe Angst, was mein Kommilitone von mir denken wird. Scheiß drauf. „Wie haben Sie es geschafft?“, frage ich fast flüsternd. Der alte Mann schaut hoch, erwacht aus seinen schmerzhaften Erinnerungen.
„Bitte?“
„Wie haben Sie es geschafft?“
Gefällt mir, dass er die Frage zweimal stellen muss, obwohl er sich Gedanken macht, was man wohl über sein Verhalten denken könnte.
Der Satz scheint mir aber nicht vollständig, besser: Ich habe Angst davor, was mein Kommilitone von mir denken wird (könnte, würde?) Befürchte, dass sogar eine Konjunktivform nötig ist.

Vllt. könntest du auch zwischendurch den Kommilitonen austauschen, Abwechslung reinbringen durch Mitstudent, Nebenmann, Banknachbar, …?

Er räuspert sich. „Meine Frau und Musik. Sie ist jeden Tag gekommen. Hat mich ermutigt. Manchmal sogar zu viel. Aber sie hat einen CD-Player mitgebracht. Einen altmodischen CD-Player. Und meine Lieblingsmusik angemacht. Mozart, Beethoven und Schubert. Ja, Schuberts Winterreise hat mich schwer getroffen.
Getroffen trifft es! Tja, die Momente gibt es, in denen die Kraft und Schönheit der Musik ganz tief eindringen. Keine Ahnung, was da mit uns passiert. Ich hatte mal in einer Mozart Oper mit Tränen der Rührung gekämpft.

„Was für ein Vortrag“, sage ich zu meinem Kommilitonen.
Er schaut mich an, schüttelt den Kopf.
„Spinner. Gib dir das“, antwortet er und zeigt mir wieder einen Snap auf seinem iPhone. Diesmal antworte ich nicht.
Der Prota zeigt seine Begeisterung offen und es ist ihm schnurzpiepegal, was der andere über ihn denken könnte. Feine Entwicklung, schönes Ende, das Schweigen. :thumbsup:

Feine Geschichte. Wenn ich etwas zu bemängeln hätte, dann, dass du die klare Botschaft der KG so explizit ausformulierst.

„Dieses Lied war der Wendepunkt. Wissen Sie, als ich erkannte, dass ich sehr wohl noch singen konnte, habe ich nach und nach wieder einen Sinn gesehen.“
oder hier
Ein verschmitztes Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Es gibt Gelächter. „Nein, im Ernst. Und lernen Sie, alles so gehen zu lassen, wie es ist. Akzeptieren Sie die Situation und dann werden Sie aktiv. Glauben Sie mir, es gibt immer eine Möglichkeit.“
Für mich wäre das nicht nötig gewesen, ich hatte diese Erkenntnis selber schon gewonnen.
Aber das kann dann Aufgabenstellung und Herausforderung für deine nächste Geschichte sein. :lol:


Danke für die feinfühlige Geschichte.

Dir ein sonniges Wochenende und liebe Grüße
peregrina

 

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