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Wir müssen reden
Sie hatten Sex.
Mehr als Sex.
Es war wie ein Rausch, wie ein nicht enden wollendes Fest.
Wie Weihnachten ,Ostern und der achtzehnte Geburtstag zusammen.
Gekrönt von einem Jahrtausendfeuerwerk.
So gut wie selten in den letzten fünf Jahren.
Er drehte zwei Zigaretten, während sie mit einem Taschentuch hantierte.
Er zündete beide Zigaretten an, reichte ihr eine davon und sah sie verliebt an.
Nachdem er sich in die Kissen zurück gelegt hatte, nahm er einen tiefen Zug und sagte:
“Du darfst es mir nie sagen.“
Sein Blick war an die Zimmerdecke gerichtet.
“Was darf ich dir nicht sagen?“
“Mach´ einfach Schluss. Lass dir irgendetwas einfallen. Meinetwegen, dass ich zu viel trinke, oder dass es dir nicht passt, dass ich immer die Zahnpastatube offen lasse. Irgendetwas, nur nicht das.“
“Wovon redest du um himmelswillen?“, fragte sie und sah ihn an. Mit dem Handrücken wischte sie sich die immer noch auf ihrer Stirn befindlichen Schweißperlen fort. Das glückliche Lächeln und der verträumte Blick waren aus ihrem Gesicht gewichen.
“Erzähl mir nicht, dass du mich betrogen hast.“ Er warf ihr einen kurzen, ernsten Blick zu.
Sie setzte sich auf. „Wie kommst du denn jetzt darauf ? Es war doch so schön gerade.“
Auch er setzte sich auf, glitt mit seinen Fingern durch ihre schweißnassen Haare und bewunderte ihre Schönheit.
“Alle haben mich bis jetzt betrogen. Alle!“
“Aber ich liebe dich!“
“Das haben die anderen auch gesagt.“
“Du meinst deine Ex – Frau?“
“Ich sagte ALLE!“ Seine Stimme wurde laut.
Sie griff zu ihrem Weinglas, welches auf dem Nachttisch stand und nahm einen großen Schluck.
“Wer sind denn alle, Liebling?“, fragte sie und streichelte seine behaarte Brust.
“Die erste Frau die mich betrog war meine Mutter.“
Er nahm ihr das Glas aus der Hand und trank es aus. Sie machte eine krause Stirn.
“Ich war acht oder neun, spielte auf dem Flur, als ich plötzlich seltsame Geräusche aus dem Schlafzimmer meiner Eltern hörte.“ Er blickte aus dem Fenster als würde dort eine Leinwand hängen, auf der ein Film läuft.
“Es hörte sich an, als würde Mama weinen also ging ich rein.
Mein Vater lag über ihr und sie genoss es. Sie küssten sich. Die beiden waren so dabei, dass sie mich nicht bemerkten. Also schloss ich die Tür und rannte wütend in mein Zimmer. Gestern hatte sie mir noch versichert, dass sie nur mich lieben würde.“
“Ja aber das ist doch ...“, versuchte sie einzuwenden.
“Ich habe meine Mutter wochenlang nicht mehr küssen können“, unterbrach er sie.
Nachdem er das Glas vollgeschenkt und gleich wieder bis zur Hälfte geleert hatte, erzählte er weiter.
“Ein paar Jahre später hatte ich meine erste Freundin. Wir tanzten Blues in einer Kinderdisco. Ich war noch auf der Grundschule. Mein erster Zungenkuss.Am nächsten Wochenende knutschte sie mit einem anderen rum.“
“Ach Liebling“, sagte sie und küsste ihn.
Er streichelte ihr Genick und führte ihren Kopf auf seine Brust.
“Irgendwann kam meine erste große Liebe. Brigitte. Mit ihr hielt es mehrere Wochen, bis wir eines Tages auf eine Party gingen. Es wurde ordentlich getrunken. Ich ging jedoch frühzeitig, weil ich am nächsten Tag arbeiten musste. Sie blieb. Am nächsten Tag erzählte sie mir unter Tränen, dass sie so betrunken war, dass sie sich hinlegen musste und wach wurde sie durch das Gestöhne des Typen, der auf ihr lag.“ Mit schnippischem Tonfall fügte er hinzu: „Sie wurde quasi vergewaltigt.“ Er lachte unmotiviert.
Dann berichtete er von zwei, drei, weiteren Fällen, darunter auch dem seiner Ex - Frau, die vom gemeinsam geplanten Urlaub absprang.
Er fuhr alleine und schlug mehrere sexuelle Angebote aus, um nach seiner Rückkehr zu erfahren, dass sie während seiner Abwesenheit mit einem anderen geschlafen hatte, endlich wieder verliebt sei und sich scheiden ließe.
Nachdem er sich den letzten Schluck Wein eingegossen hatte und eine weitere, die dritte, Zigarette angezündet hatte, erzähle er die letzte Geschichte.
“Und vor dir gab es noch diese Supermarktverkäuferin, ihren Namen habe ich aus meinem Gedächtnis gestrichen. Wir waren fast ein halbes Jahr zusammen und immer wieder beteuerte sie mir ihre Liebe. Nachdem ich von ihren Kindern aber immer wieder mit falschem Namen angesprochen wurde, machte ich Schluss, um einer weiteren Enttäuschung vorzugreifen.
Ich wollte nichts mehr hören von „es tut mir leid, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte", oder: „ich war so betrunken und fühlte mich so einsam". Es war Schluss aus und vorbei. Ich fühlte mich relativ gut, Ich fühlte mich auf der sicheren Seite. Verstehst du?“
Sie nickte.
“Ich wusste ja nicht, ob sie wirklich fremdgegangen war. Ich habe einfach vorher Schluss gemacht. Ein genialer Schachzug.“ Er sprach schnell und laut.
Ihr Kopf lag immer noch auf seiner Brust. Sie hörte sein Herz pochen.
Einen Schluck aus dem Glas, einen Zug an der Zigarette.
Seine Stimme wurde wieder ruhig.
“Zwei Wochen später war ich bei einem Kumpel, um mir mit ein paar Leuten ein Fußballspiel im Fernsehen anzuschaun. Bevor das Spiel begann saßen wir rum und tranken Bier. Ein Handy machte durch einen Piepton darauf aufmerksam, dass eine Nachricht eingegangen war.
“Oh nicht die schon wieder. Die nervt.", sagte der Besitzer des Handys.
“Was denn? Wieder eine von deinen Fickmäusen?", fragte ich.
Der Typ war einer von denen, die nichts anbrennen lassen, weißt du?“
Sie nickte wieder.
"Nee, nichts aufregendes. Hab mich mit der Braut `n bisschen rumgeknutscht, zwei - dreimal getroffen und jetzt bombardiert sie mich mit Mails: Ich liebe dich du bist der einzige und, und, und."
"Zeig mal", sagte ich. Er gab mir lachend sein Handy.
Mich traf der Schlag.
Fast genau dieselben Worte, die sie mir schrieb nachdem ich Schluß gemacht hatte.
Ich klickte die Zeilen runter.
Absender : Die Nummer der Verkäuferin.
Ich wurde blass. "Wann hast du dich mit ihr rumgeknutscht ?", fragte ich.
"Na ja vor drei - vier Wochen", antwortete der Kumpel. "In irgend einer Disco. Sie war mit `n paar Arbeitskolleginnen da. Sah noch am besten aus."
Ich erinnerte mich. "Ich mach`n Weiberabend", hatte sie gesagt. Ich war praktisch ausgeladen. Einer der wenigen Wochenenden, die wir nicht miteinander verbracht hatten.
Ich gab ihm das Handy wieder. "Alles in Ordnung ?", fragte er wohl meine Blässe bemerkend.
"Ja ,ja", sagte ich mit einem gekünsteltem Lächeln und griff zur Flasche.
Ich war fürchterlich blau an diesem Abend.-
Sie hob ihren Kopf von seiner Brust, sagte: „Mein armer Schatz“ - und küsste ihn.
“Ich werde dich nie enttäuschen.“
Während er noch über dieses Wort ENT – TÄUSCHUNG nachdachte (man unterliegt einer Täuschung und wird von ihr befreit), glitt ihre rechte Hand zwischen seine Beine.
Zwei Wochen später musste sie auf eine Geschäftsreise.
Er schaute alle 15 Minuten auf sein Telefon, in der Hoffnung eine Nachricht von ihr vorzufinden.
Nichts!
Die Blöße, sie anzurufen, wollte er sich nicht geben.
Stattdessen lief er in seiner Wohnung auf und ab und malte sich aus, wie die gesamte männliche Belegschaft es mit ihr triebe.
Oder noch schlimmer, einer der Kollegen berührte ihr Herz, indem er ihr erzählte, dass er die selben Interessen wie sie hätte. Einer, der alles hätte, was sie an ihm vermisste.
Und von diesen Männern, dessen war er sich sicher, gab es eine Menge, auch wenn sie ihm immer wieder versicherte, wie toll er wäre.
Obwohl es ihm schwer fiel, setzte er sich an seinen Computer und arbeitete.
Das Telfon klingelte.
Endlich!, dachte er, ließ sich aber Zeit, den Hörer abzunehmen.
“Na , treulose Tomate“, lachte er aufgesetzt in den Telekommunikator.
Er vernahm ein Räuspern.
“Hallo?“
“Ja Hallo“, ihre Stimme zitterte.
“Was ist los?“
Eine kurze Pause.
“Robert?“
“Ja?“
„Wir müssen reden.“