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Wo bleibt denn der D-Wogn heit (Wiener Slang)

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08.08.2002
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Wo bleibt denn der D-Wogn heit (Wiener Slang)

Wo bleibt denn der D-Wogn heit

„Hoffantli kummt die Stroßnbauhn boild. Mir gfriern jo scho meine Zechn oh. Da D-Wogn und da Anser san jo a soiche Pimperlbauhnan. De glaubn weus bei der Uni vurbeifoahn kennans sa si a Akademikerviertlstund aussanehma.“

Die Frau tritt von einem Fuß auf den anderen und leidet sichtlich und hörbar unter der Kälte des Wintermorgens. Ich nicht minder, die Straßenbahn lässt wirklich schon lange auf sich warten. Der Wind bläst und das kleine Wartehäuschen am Ring bietet nicht viel Schutz. Ich ziehe mir den Schal bis zur schon halb abgefrorenen Nase hoch.

„Wissns, frira, jo do wor des no aunders. Do haum ma im Winta imma vül schnee ghobt. Do wor ollas weiß und duftig, wia so a steppdeckn. I waas net, es wor anfoch wärma, waun der Schnee die Wölt zuadeckt hod.“

Ich nicke verständnisvoll und erinnere mich gleichzeitg an ähnliche Empfindungen, wenn alles tief verschneit vor mir lag. Das gibt mir immer das Gefühl die Welt ist zugedeckt, geschützt und gewärmt.

„Oba wos ist heit scho no wias amoi woa, nix. Nix ist mehr so. Schaun´s ihna au, wos die auffirn de Narrischn do in de Lända im Nahen Osten. Oder der Ami, waas ma wos der no fia Katastrophn aufabeschwärt, na na. De Wölt woar amal gaunz aunders. Prächtiger, edler, wauns mi verstengan. Net beim Kaiser, den hob i a nimmer gsegn. Auba nocha do woar Zucht und Ordnung, da hot ma gwusst wia ma drau is. Geh heast, wo bleibt denn der D-Wogn heit?“

Ja, Hitler, der Krieg, die Zeit der Zerstörung, da war ja alles besser, verrückte Alte. Soll ich mich herstellen mit ihr, wozu? Lass ihr die Illusion, wenn es ihr gefällt darin zu leben, was kratzt es mich.

„Oba die Jungen, de wissen jo nix. Mir haum jo ollerhaund erlebt daham. Haum olle unsere Watschn kriagt, oba, mir haum a glernt wia ma a ehrliches und aunständiges Leben fiahrt. Schauns ihnas au de Gfraster de heit unterwegs san. Orbeiten woillns net, auba große Schlittn foahrn, des scho. Und wer zoiht des, mia de klan Pensionisten. Mia san sowieso de Augmeierlten, imma wieda.

Wer hot denn des Laund aufbaut, nocha wia da klane Grafiker ollas hi gmocht hot? Nau, wer, mia de Oilden worns.

Antiautoritäre Erziehung! A so a Schaß. A jeda mocht wos a wüll, ka Hülfsbereitschoft, ka Mitanaund gibt’s mehr. Ka Verständnis zwischen de Ganarationen. A jeder nur i und no amoi i.“

Ein Schulbub, von vielleicht 8 Jahren, gesellt sich zu uns und drückt sich in die windgeschützte Ecke des Wartehäuschens.

„Nau Klaner, ist da koid gö? Nau es sads jo hoilt a olle nix mehr gwehnt. Lauta vazogene Baungadn. Wos hättn mir sogn soilln, im Kriag, waast gor net wos des is gö? Do hots nix zum fressen gebn, nur wurmlate Erbsn. Do haum ma glernt wia des is wauma gfriat. Metahoch ist da schnee glegn und net amoi de bombn haum er schmözn kenna, so tief gfruan woar der. Hobts jo ka auhnung.

Heit gibt’s jo kann richtig´n Winter mehr, is jo dauernd vü zwoarm. Waast jo gor net wia des is, waunn der Schnee ollas vül költer ausschaun losst. Ach ihr Kinderln hobts jo ka auhnung wos des fia a Zeit woa frira. Des Ölend und die Tetschn de ma kriagt haum zwegn nix.“

Ein Quietschen auf den Schienen erlöst den kleinen Buben und mich. Beide streben wir dem zweiten Waggon zu, nachdem die alte Frau zielstrebig den Eingang zum vorderen Waggon in Anspruch nimmt, innerlich noch zerrissen ob sie gegen oder für die alte Zeit ist, und den Schnee mag, der wärmend sein kann, oder eben auch auch nicht.

„Wos wüllst mochn, de kennt se jo net aus de Oide, hot jo ka Auhnung von irgendwos. Kennan eh olle nur bled keifn“ zuckt der Kleine mit den Schultern und steigt ein. Dann nimmt er seinen Gameboy aus der Tasche, beginnt sein Spiel angespannt auf dem Einzelsitz ganz vorne sitzend und schweigt, so wie ich.

 

Hallo Eva,

das ist echt kein Scherz, das mit dem "früher gab's Zucht und Ordnung" hört man immer wieder. Abzuratende Linien sind ferner: 5, U6 zu den Nachtstunden, Schnellbahn bei Bummelstreik der ÖBB..., sowie eine gewisse Buslinie genannt 26A Kagran-Aspern. Die solltest mal ausprobieren, fährt nämlich zum General-Motors Werk, und kommt´halbstündlich. Besonders lecker in der Früh, wenn ale ins Industriegebiet zur Arbeit fahren hehehe...

 

Servus Echnaton!

Den hab ich schon einmal nehmen müssen, aber wenn ich jetzt von mir gebe, was ich mich damals geärgert hab - wer weiß wie nahe ich den Worten und Ausdrucksweisen der Oiden aus der Gschicht kumm?

Schönen Sonntag noch für dich - lieben Gruß Eva

 

Hallo schnee.eule,

sehr schön g´schrieb`n! Wenn das früher so toll war, es ist doch einfach, die Heizung abzudrehen, und die Diät auf Erbsen umzustellen (das würde manchen Cholesterinspiegel senken).
Wenn der Junge `mal von seinen Problemen erzählen könnte, würde sich mancher wundern, was manche jungen Leute auch heute noch aushalten müssen.
Noch eine Anmerkung aus `Hägar´: „Früher, da war das Leben hart, wir mußten auf Steinen schlafen!“ „Aber Papa, wir schlafen doch auch auf Steinen!“ „Ja, aber früher – da waren die Steine noch hart!“

Tschüß... Siegbert

 

Servus Woltochinon!

Es ist, wie immer, sehr schön deine Gedanken zu meinen Worten zu lesen. Und wie recht du hast. Den angestrebten Zustand dieser "Klageweiber" könnte man sehr leicht herstellen.
Kinder zu fragen wie sie ihr Leben erleben wäre wahrscheinlich ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Das motzige Reagieren auf Angriffe oder Überbehütungen, würden wie das Verstecken hinter dem Computerspiel an Stellenwert verlieren, würden sie sich anerkannt und wahrgenommen fühlen.

Einen schönen Tag für dich - Eva

 

Hallo schnee.eule,

vielen Dank für die Gedanken, die Du durch Deine Texte bei mir auslöst.

Tschüß... Siegbert

 

Liebe Eva!

Fast eine Woche ist es schon her, daß ich Deine Geschichte gelesen habe, und nachdem ich mindestens fünfmal begann, Dir zu schreiben, nahm ich mir vor, noch etwas zu warten. Aber jetzt ist es soweit... :)

Einerseits macht Deine Geschichte unzweifelhaft nachdenklich, andererseits ist mir das Bild der Alten zu überzeichnet, zu klischeehaft - nein: zu sehr von der erzählenden Protagonistin in ein Eck gedrängt, in das sie durch ihre eigenen Aussagen gar nicht kommen würde.

Zu Beginn stellst Du sie in meinen Augen positiv dar, wo sie von der Decke aus Schnee spricht, die alles wärmer macht.
Im nächsten Zitat wünscht sie sich die gute alte Zeit zurück. - Und das ist der Punkt, wo ich mich von der Protagonistin in eine Richtung gedrängt fühle, mit ihrem Kommentar dahinter.
Die alte Frau sprach ja gar nicht explizit von Hitler. Sie hat ja vielleicht ganz andere Dinge gemeint, wie etwa den Zusammenhalt unter den Menschen, den sie damals vielleicht gespürt hat. In der Not halten die Menschen ja immer mehr zusammen, und je besser es uns geht, desto weniger ist davon zu bemerken.
Mir hat eine alte Frau z.B. erzählt, daß sie früher hier im Hof des Gemeindebaus Obst und Gemüse angebaut haben und so "gemeinsam besser über die schwere Zeit gekommen sind". - Auch ist natürlich die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg ein Zusammenschweißen der Menschen gewesen, das es in der Form seither nicht mehr gegeben hat. - Ich glaube, daß viele alte Leute vielmehr diese Dinge meinen, wenn sie von der guten alten Zeit sprechen.

Sie spricht ja auch im nächsten Zitat vom Wiederaufbau, Hilfsbereitschaft und Miteinander... Die Sache mit Hitler wurde ihr nur von der erzählenden Protagonistin in den Mund gelegt...

Als sie mit dem Buben spricht, bringt sie zuerst ähnliches zum Ausdruck. Sie versteht unter "vazogene Baungadn" jene Kinder, die zu Hause keinen Halt mehr finden, weil sich niemand wirklich kümmert, wohlstandsverwahrloste Kinder sind ja auch wirklich keine Seltenheit. Nur scheint sie die Schuld dafür bei dem Buben selbst zu suchen, statt in der Gesellschaft.

Und da kommt sie plötzlich von ihren positiven Darstellungen mit der wärmenden Schneedecke zu den negativen. Auf einmal war es kalt, Elend und Prügel hat sie gespürt...
Sie weiß es wohl selbst nicht, was besser ist. Ein Elend mit dem anderen vergleichend kommt sie mir vor, doch wird sie mißverstanden. Sowohl von der Protagonistin wie auch von dem Buben, der sein Elend noch gar nicht merkt, in einer kommunikationsarmen "Kommunikationsgesellschaft" vereinsamt.

Du zeigst alle diese Widersprüche auf, doch ist mir die Protagonistin durch ihr Hitler-in-den-Mund-legen unsympathisch, sie wirkt altklug, alles am besten wissend und über den Dingen stehend, was sicher auch durch die abgehobene Sprache entsteht.

Also, eine Geschichte, die mich so viel zum Nachdenken bringt (Du weißt ja nicht, was ich da schon alles weggelöscht habe...:D), ist aber trotz meiner Antipathie der Protagonistin dieser Geschichte gegenüber gut! :)
Nur ist mir nicht ganz klar, ob Du die Protagonistin so darstellen wolltest, wie sie bei mir ankommt...?

Was Deine Schreibweise betrifft, erschwerst Du es Nichtwienern meiner Meinung nach unnötig. Etwa das Wort "woillns" - hier hast Du das Film-Wienerisch mit dem richtigen vermischt. Entweder ist es wie in Filmen gesprochen "wollns" oder ein echtes "woinns". "Woillns" ist eher ein Zungenbrecher... :D
Ebenso "Auba" - ein au hab ich hier noch nie gehört. Es ist ein Mittelding zwischen einem a und einem o, also entweder "aba" oder "oba".
"Ganarationen" - das erste e hört man: Genarationen
"Oilden" - "Oidn" - sagst Du ein "l"???
"soilln" - soinn
"vül költer" - vü köter
"wüllst" - "wüst" oder besser "wü´st"

Sonstiges:

"wia so a steppdeckn" - Steppdeckn

"I waas net,..." - waaß

"Oba wos ist heit scho no wias amoi woa, nix. Nix ist mehr so." - scho no, wias... "ist" würde ich auch ohne t schreiben

"wos die auffirn de Narrischn" - auffirn, de...

"A jeda mocht wos a wüll" - mocht, wos... - würde auch statt wüll "wü" schreiben, danach kommt noch die Hülfsbereitschoft, die ich Hüfsbereitschoft schreiben würde - hurch da´s au... ;)

"8" = acht

"Nau es sads" - Nau, es sads

"nix zum fressen" - Fressen

"Do haum ma glernt wia des is wauma gfriat." - glernt, wia des is, wauma - würde auch wauma analog zu haum ma auseinander schreiben

"schnee" - Schnee

"auhnung" - Auhnung

"wos des fia a Zeit woa friara" - woa, friara

"innerlich noch zerrissen ob sie..." - zerrissen, ob

""...olle nur bled keifn" zuckt der Kleine - keifn", zuckt

Alles liebe
Susi

 

Liebe Susi !

Na prack - ich glaub das muss ich mir ausdrucken.
Dann nehme mir auch 5 Tage Auszeit um zu antworten.
Bin schon gespannt was ich da unterm Strich rüber krieg von dir - bis dahin lieben Gruß Eva

 

Servus Susi !

Also ich habe mich mit all deiner vorsichtig vorgetragenen Kritik an meinem Erzähler, letztlich an mir als Schreibender, auseinandergesetzt Nun denn –

Gespräche, wie ich eines beschrieben habe, erlebe ich immer wieder. In die Hitlerzeit-Problematik vermischt sich natürlich ein gesellschaftliches Manko, ebenso wie ein Generationskonflikt. Alte oder einsame Menschen wollen reden, sich mitteilen, aber es gibt oft keinen der ihnen zuhört. Sie leben alleine und sind ohne Ansprache, vielleicht tagelang. Sie gehen hinaus auf die Straße und beginnen einfach drauf los zu reden, in der U-Bahn, beim Warten in der Haltestelle oder im Park. Anfangs ist der Passant manchmal noch versucht zu antworten, meist endet es in einem Lächeln oder Kopfschütteln und Wegschauen.

Dann fangen diese, von der Umwelt nicht wahrgenommenen, Leute an zu granteln, sind unzufrieden, wollen ihren Frust über Gott und die Welt loswerden. Und dann fallen eben auch zitierte Sätze. Dass sie nicht die, von dir fast erhoffte, Hinterhofromantik meint, drückt sich für mich dadurch aus, dass sie eben diese Begriffe verwendet: Zucht und Ordnung.

Ich kenne schon viele Ansager dieser Art, gerade aus der Straßenbahn wo Menschen auf Jugendliche schimpfen. „Das hat sich damals keiner getraut, dies oder das zu tun, da hätte es dies und das nicht gegeben“. Susi, das musst du doch auch schon erlebt haben. Ich denke nicht, dieser Frau auf der Straße etwas aufzudrängen was sie gar nicht ausdrücken will, schließlich erwähnt sie auch später im Text den kleinen Grafiker, ebenso gegensätzlich wie den Schnee der einmal wärmt und einmal Kälte vermittelt.

Es geht ihr ums Reden, ums Luftmachen, oder einfach ums Reden um des Redens willen. Es spricht ja keiner mit ihr, sie ist ihr eigenes Pro und Contra.

Dem Kind wiederum unterstelle ich keineswegs Schuld an der Kommunikationsarmut mit der es leben muss. Kinder werden werden immer wieder als Schmarotzer dargestellt, als würden sie in einem nicht gegönnten Schlaraffenland leben. Und die Reaktion des Jungen in der Geschichte, ist zum einen das Unverständnis auf den Angriff der Frau, er ist verletzt, dreht die Spirale der Frustration weiter. Zum anderen ist er bereits ebenso isoliert wie sie.

Und der Protagonist sieht das alles und schweigt, verdrängt, reagiert nur innerlich, wenn überhaupt. Gemeint war ein Aufzeigen eines oberflächlich geführten, täglichen Konfliktes, eine mundartliche Gesellschaftskritik die sich durch eine Vielfalt von Personen noch unendlich ergänzen ließe. Aber die hier sind schon so gemeint wie sie dargestellt sind, ich muss sie in keine Ecken drücken - sie sind schon drin.

Besonders lieben Gruß an dich - Eva

 

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