Was ist neu

Wohnhausanlage

Mitglied
Beitritt
07.03.2003
Beiträge
13

Wohnhausanlage

Eigentlich wollte er die ihm gut bekannte, breite, schrill erleuchtete Straße mit all ihren Straßenbahnen und Bussen und Haltestellen und Menschen und zugesperrten Geschäften hinaufgehen, aber die grüne Ampel verlockte ihn dazu, über die Straße zu gehen, und dann beschloss er, eine Abkürzung zu nehmen. Er bog in eine Gasse ein, die er nicht mal vom Namen her kannte, nicht mal vom im-Auto-Vorbeifahren-und-zufällig-das-Schild-lesen. Er wusste auch nicht, wohin die Gasse führte, aber es sah so aus, als würde sie parallel zur der breiten, grellen Straße verlaufen, die er verlassen hatte. Plötzlich merkte er, dass er in eine Sackgasse geraten war. Vor ihm lag ein breiter, betonierter Weg durch eine Wohnhausanlage.
Schon in seiner Kindheit hatte er Wohnhausanlagen verabscheut; er hasste die gleich aussehenden Häuser, die Büsche, die kleinen Kinderspielplätze, er hasste das labyrinthartige System, das dort herrschte. Doch es erschien im lächerlich, sich umzudrehen und zurückzugehen; also ging er weiter.
Er schritt langsam den Weg durch die Häuser entlang. Links und rechts von ihm Häuser, dreistöckig, grauweißgrau, mit dunklen Fensterläden und Fensterbretten und Balkons. Niedrige Büsche trennten den drei Meter breiten, betonierten Weg von den unscheinbaren Häusern. Fast hinter allen Fenstern war es dunkel, nur einige waren matt, fast schamhaft erleuchtet. Es dämmerte schon, und es dämmerte, als wenn es Spätherbst wäre, langsam, schleichend, aber doch stechend, und die Straßenlaternen leuchteten gelangweilt und unsicher, standen zu weit auseinander, und ihr Licht war zu traurig. Es war nicht mehr hell, aber auch nicht mehr dunkel, und die Laternen wirkten fehl am Platz, aber doch unentbehrlich. Ihr Licht strahlte Kälte aus und signalisierte ihm: du bist hier fremd. Die Laternen schrien diesen Satz heraus, du bist hier fremd, genauso wie die dunklen Fenster und der Beton und die Büsche und die Seitengänge und die verglasten Haustüren und die Stiegenhäuser dahinter.
Der Weg machte eine Kurve, langsam, kaum merkbar, aber doch gerade so, dass er nicht sehen konnte, was ihn vorne erartete. Alles sah so gleich aus, gleich und kalt. Er fühlte sich alleine, einsam, und als er an einer offenen Haustür vorbeikam, vor der zwei Frauen – eine davon mit einem winzigen, schwarzen Hund – standen und redeten, fühlte er sich noch einsamer als vorher. Die Stimmen der beiden Frauen hingen ihm noch eine Weile nach, wurden immer leiser, immer undeutlicher und immer hässlicher. Er fühlte sich noch einsamer als vorher, hatte, seine geballten Fäsute in die Jackentaschen gesteckt, nur noch einen Wunsch: Raus hier. Raus hier, weg, weg von den Häusen mit den schwarzen Fensteraugen, weg von den kalten Straßenlaternen, weg von den fremden Büschen, weg von dem Weg, auf dem jeden Tag so viele Menschen gingen, die er alle nicht kannte und nicht kennen wollte, weg von allem hier.
Eine böse Vorahnung überkam ihn, nein, sie hatte ihn schon längst überkommen, schon als er merkte, dass er in eine Sackgasse geraten war und nun durch eine Wohnhausanlage gehen musste. Die Vorahnung war die Vorahnung einer zweiten Sackgasse, die Vorahnung eines Hauses, einer Mauer am Ende des grauen Betonwegs. Er hatte Angst davor, umkehren zu müssen. Er hatte Angst vor dem Augenblick, in dem er das Haus erblicken würde, das ihm zuschrie: Sackgasse! Und er hatte Angst davor, diesem Haus dann den Rücken zuwenden zu müssen, seinen Nacken zu entblößen, er hatte Angst davor, diese Wohnhausanlage wieder zurückgehen zu müssen. Er ahnte, wie die Laternen und die Büsche und die Fenster und die Häuser ihn dann auslachen würden, er ahnte, wie mickrig er sich fühlen würde, wie ein Verlierer, der nie die Chance zum Gewinn bekommen hatte, er würde sich so mickrig fühlen wie einer, dem es von vornherein bestimmt war, zu verlieren, und es erst erfuhr, nachdem er schon verloren hatte... Er hatte Angst.
Der Weg bog noch immer etwas nach rechts, ließ ihn immer noch nicht sehen, worauf er zuging. Plötzlich wurde ihm klar, dass er Autolärm hörte. Fünf Schritte später sah er die breite, grell erleuchtete Straße mit all den Menschen und Straßenbahnen.

 

Mahlzeit :)

Och menno, hab grad schonmal versucht zu antworten, aber irgendwie ist mein Beitrag jetzt futsch. Naja - ich probiere es nochmal:

Ich find deine Idee gut, ich mag Geschichten mit alltäglicher, kurzer äußerer Handlung, die dann die Merkwürdigkeiten von Menschen beschreiben. Mir kommen solche Leute dann immer so verdammt bekannt vor.
Trotzdem fand ich deine Geschichte nicht so flüssig zu lesen und einige Sätze unglücklich oder zu kompliziert formuliert, für meinen Geschmack.

Eigentlich wollte er die ihm gut bekannte, breite, schrill erleuchtete Straße mit all ihren Straßenbahnen und Bussen und Haltestellen und Menschen und zugesperrten Geschäften hinaufgehen, aber die grüne Ampel verlockte ihn dazu, über die Straße zu gehen, und dann beschloss er, eine Abkürzung zu nehmen.
Uff, macht ganz gut das Chaos auf der Straße deutlich, stört aber, wie ich finde, in den Text reinzukommen.

parallel zur der breiten, grellen Straße verlaufen, die er verlassen hatte. Plötzlich merkte er, dass er in eine Sackgasse geraten war. Vor ihm lag ein breiter, betonierter Weg durch eine Wohnhausanlage.
Das Wort "breit" ist mir hier beim Lesen in die Quere gekommen..

Zuerst fand ich die Ausführlichkeit der Beschreibung der Straßenlaternen etwas nervig..

die Straßenlaternen leuchteten gelangweilt und unsicher, standen zu weit auseinander, und ihr Licht war zu traurig. Es war nicht mehr hell, aber auch nicht mehr dunkel, und die Laternen wirkten fehl am Platz, aber doch unentbehrlich. Ihr Licht strahlte Kälte aus und signalisierte ihm: du bist hier fremd. Die Laternen schrien diesen Satz heraus, du bist hier fremd
..und zu krass, dass die Straßenlaternen dem Mann signalisieren, dass er fremd ist. Später fand ich die Tatsache dann aber doch nicht mehr so schlimm, als klarer wurde, wie verzerrt der Mann seine Umwelt wahrnimmt.

Das Ende war mir ein bisschen zu schwach und zu schnell. Du hättest sicherlich noch mehr Spannung aufbauen können, immerhin ist dein Protagonist regelrecht in Panik.

Ich selbst habe noch nicht so viel eigenes geschrieben, trotzdem, glaub ich, schreiben wir irgendwie ähnlich. Wie gesagt, ich mag diese Art von Geschichten :)

Besten Gruß

Diebin

 

Hallo Scacy!

Naja, begeistert hat mich Deine Geschichte leider nicht. Dazu empfinde ich sie irgendwie in der Angst des Protagonisten etwas gekünstelt, kann sie wenig nahcvollziehen. Es kann unangenehm sein, sich zu verlaufen und in einsame Gegenden zu geraten, okey, aber sowas? Ich empfand es als zu übertireben. Da das allerdings so gut wie das einzige ist, was Deine Geschichte an Spannung und Handlung ausmacht, blieb mir nicht viel übrigt... :shy:

Eigentlich wollte er die ihm gut bekannte, breite, schrill erleuchtete Straße mit all ihren Straßenbahnen und Bussen und Haltestellen und Menschen und zugesperrten Geschäften hinaufgehen, aber die grüne Ampel verlockte ihn dazu, über die Straße zu gehen, und dann beschloss er, eine Abkürzung zu nehmen.
finde ich als Anfanggsatz nicht geeignet, zu geschachtelt. Zum Thema Abkürzung: ich nehme nur Abkürzungen, wenn ich weiß, es sind welche, sprich den Weg kenne. Anosnsten kann man davon sprechen, einen neuen Weg auszuprobieren.

Er bog in eine Gasse ein, die er nicht mal vom Namen her kannte, nicht mal vom im-Auto-Vorbeifahren-und-zufällig-das-Schild-lesen. Er wusste auch nicht, wohin die Gasse führte,
das würde dann dementsprechen (für meine Begriffe) nicht unter "Abkürzung" fallen.
Plötzlich merkte er, dass er in eine Sackgasse geraten war. Vor ihm lag ein breiter, betonierter Weg durch eine Wohnhausanlage.
von der Vorstellung her könntest Du deutlicher Formulieren: Vor ihm gehts nicht weiter, er kann sich nur zwischen rechts und links der neuen Straße entscheiden (T-Kreuzung). Ich habe hier einen Moment gestutzt, dachte mir: okey, wenn vor ihm ein breiter Weg liegt, warum schreibst Du dann Sackgasse?

Stilistisch: Manchmal schiebst Du recht lange Sätze oder Konsturktionen ein, die das ganze verschachtelt wirken lassen und sich somit etwas schlecht lesen. Wo Du seine Einsamkeit beschreibst, hast Du durchaus einige fantasievolle Beschreibungen drinnen, personifizierst allerdings meinem Geschmack nach zu stark Dinge (Die Straßenlaternen, die ihn anschreien etc.). Alles nur meine Meinung. ;)

schöne Grüße
Anne

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom