Wolfsblume
Die Nacht schimmert silbern und Sternregen stiebt
Als sich vor den Mond eine Wolke schiebt
Nichts hält mich mehr drinnen, ich muss hinaus
Auf ledernen Pfoten verlass ich das Haus
Zum Wolfe verwandelt, wies immer geschieht
Wenn Nachts in den Wäldern die Wolfsblume blüht
Drei Nächte im Monat blüht die Wolfsblume über den Wäldern. Ein großer, silberner Ball, dessen Licht die Nacht verdrängt. Dessen Licht die Schatten noch dunkler erscheinen lässt. Die Alten nennen den Vollmond so. Die Alten und die, die an die Bestie glauben.
Die Bestie, die die Wolfsblume braucht.
Die Bestie, die des Nachts jagt.
Die Bestie, die im Silberlicht lebt.
Die Zeit des Vollmondes hat gerade begonnen. Die schwarzen Nächte ohne Mond und ohne Sternen sind vorbei. Ein besonderer Duft liegt über den Wiesen, wenn der Nebel am dichtesten ist.
Mein Rock wird nass vom Tau und mein Rücken schmerzt durch das dauernde Bücken. Doch die besten Kräuter wachsen nah am Boden und öffnen ihre Knospen erst im Frühtau. Mein Korb soll heute voll werden, denn es ist Markttag im Dorf. Außerdem ist Frau Alas nah am Tag ihrer Niederkunft und ich will nach ihr sehen.
Ich komme nicht oft ins Dorf; meine Hütte liegt abseits des Weges, im Wald. Dort lebte ich bisher mit Mütterchen Grisma, aber sie wurde alt und starb. Keine der Tinkturen oder Arzneien, die sie herstellte, half dagegen.
Nun liegt sie vergraben auf der kleinen Lichtung, unter einigen Steinen, damit die Waldtiere sie nicht annagen. Ich habe sie nicht gemocht, dennoch schaudert es mir bei dem Gedanken, eines Tages ihre Knochen auf dem Boden zu finden.
Seit sie fort ist, gehe ich auch wieder ins Dorf. Sie brauchen eine Hebamme und ich Gesellschaft. Ich vermisse die Alte nicht.
Der Ort ist voll, voller als sonst. Der wöchentliche Markt hier zieht Händler und Käufer aus anderen, kleineren Dörfern an. Meine Kräuter habe ich bereits verkauft und das Geld ist ein ungewohntes, aber süßes Gewicht in dem Beutel an meinem Gürtel.
Wie ein Kind gehe ich an den Ständen entlang, beschaue mir dieses und jenes. Natürlich spüre ich die Blicke der Anderen. Selbst die Menschen, die nicht von hier sind, schauen verstohlen, mustern mich, meine Kleidung. Mein Haar ist geschmückt mit Federn; Felle hängen an meinem Rock. Keiner spricht mich an, nur diese Blicke.
Ich spüre heiße Röte auf meinen Wangen und an einem Stand mit Stoffen bleibe ich stehen. Ohne viele Worte kaufe ich der Verkäuferin mit dem Kopftuch einige Ellen eingefärbter grüner Wolle ab und verstaue sie in meinem Korb. Mit dem Geld wollte ich andere Dinge kaufen, doch ich will nicht mehr angestarrt werden. Der Stoff wird ein Kleid werden, so eines, wie alle anderen hier auch tragen. Ich will auf den Markt gehen, so, als wäre ich einer unter ihnen.
Schnell gehe ich fort von dem Marktplatz, den bunten Ständen und den Blicken. Einige verwinkelte Gassen führen mich an der Schmiede vorbei, zu der kleinen Bäckerei von Meister Alas. Seine Frau begrüßt mich und bittet mich herein zukommen, kaum, dass ich geklopft habe.
„Setzt euch doch Frau Tanui! Trinkt Tee mit mir!“ Frau Alas ist eine breite Matrone mit halblangen Haaren, dunkelblond. Ihr Bauch fällt kaum auf, wie es sonst bei Schwangeren der Fall ist; ihre Körperfülle verdeckt alles.
Sie drückt mich auf einen Stuhl, stellt Tee und kleine Kuchen vor mich hin. „Ich bin froh, dass euch nichts geschehen ist“, plappert sie los, ohne auf meinen Gruß zu warten. „Man hört doch soviel...“
„Warum sollte mir denn etwas geschehen sein Frau Alas?“
Ihr Mund in dem teigigen Gesicht öffnet sich, als wolle er mir sagen, dass es eine Sünde wäre, den Grund für ihre Sorgen nicht zu kennen.
„Ihr habt es also noch nicht gehört?!“
Es hört sich an, als wolle sie Atem holen und gleichzeitig sprechen. „Das ganze Dorf spricht bereits davon!“
Beruhigend berühre ich ihre Hand. „Sprecht langsam Frau Alas, ich verstehe euch sonst nicht.“
Tatsächlich atmet sie tief ein an und beginnt dann: „ Das ihr es noch nicht gehört habt, ist mir unbegreiflich! Nun ja, also ich habe es auf jeden Fall von Frau Hinti, und die hat es von Güttchen Katas ältester Tochter. Deren Freundin war nämlich dabei, als sie Porgus Zweiten Jungen befragten...“
Fast muss ich lächeln angesichts ihrer Aufzählung. Die Frauen im Dorf haben wohl nicht viele Vergnügungen, außer dem Klatsch, dem sie dafür mit umso mehr Eifer nachhängen. Doch was sie dann sagt, lässt mich jedes Lächeln vergessen.
„... der Kleine war vollkommen verstört und einige dachten sogar, er wäre verwirrt, weil er die Kleine umgebracht hatte...“
„Umgebracht?“ Ich wiederhole das Wort automatisch, weil ich es nicht glauben kann.
„Aber ja! Er hat die Tochter des Pfarrers ermordet aufgefunden! Hinter dem Bach, bei der Weidenlichtung!“
Ich spüre, wie ich blass werde.
„Katas Älteste Tochter meinte, der Junge war im Wald gewesen um Pilze zu pflücken – es ist ja die Zeit dafür - und hatte sich gewundert, dass die Champions so rote Flecken hätten. Und als er die Flecken wegwischen wollte, sah er, dass es Blut war! Dann hätte er hinaufgesehen und da hätte die Kleine gehangen. Mit aufgerissenen Augen hätte sie auf ihn hinabgesehen und mit ihren eigenen Därmen wäre sie an den Ast über ihm befestigt gewesen! Stellt euch das vor Frau Tanui, welches gottesfürchtige Wesen kann so etwas getan haben?! Einem Kind, dass noch keine drei Lenze zählt!“
Fassungslos sitze ich vor ihr und kann es nicht glauben. Ich hatte das Mädchen ein oder zweimal gesehen. Es hatte einen fröhlichen Eindruck gemacht. Wer würde einer so wehrlosen Kreatur etwas antun?
Erschüttert klammere ich mich an den Korb auf meinem Schoß. Frau Alas ist währenddessen dabei, sich einige mühsam hervorgedrückte Tränen wegzuwischen. „Ach, das arme Würmchen!“
„Sagt Frau Alas, gibt es bereits jemanden, der des Mordes verdächtigt wird?“
Die Matrone sieht mich an und beugt sich noch weiter vor, als wäre es diesmal noch vertraulicher, was sie mir zu sagen hat. „Einige glauben, es wäre ein wahnsinnig gewordener Bär, aber andere...nun, ihr wisst, was man über die Wolfsblume sagt?“
Ich lege leicht den Kopf schief und lasse meine Hand wie zufällig tiefer in den Korb rutschen. Dort liegt noch ein kleines Sträußchen der gelben Arnika, der Wolfsblume, die ich heute morgen ebenfalls gesammelt habe. Ich hoffe, dass es Frau Alas nicht zu sehen bekommt.
„Ich habe von Mütterchen Grisma Geschichten gehört“, antworte ich vage.
Die schwangere Frau vor mir ist nicht so zurückhaltend. „Man sagt, dass Menschen, die mit dem Teufel im Bunde stehen, im siebten Monat, bei Vollmond die Wolfsblume essen und damit die Fähigkeit erhalten, sich des Nachts in Wölfe zu verwandeln! Sie wandeln dann durch die Dörfer und reißen die Jungen und Unschuldigen!“
Sie seufzt tief. „Es ist wieder Wolfsmond und wer weiß, was uns noch erwartet.“
Gänsehaut kriecht meinen Nacken hinauf. „F-Frau Alas, ihr solltet euch in eurem Zustand nicht mit solchen Geschichten beschäftigten. Das ist nicht gut für euer Kind und euch.“
Die Matrone wirkte ein wenig unwirsch. „Ach, ich weiß schon, was ich mir zumuten kann.“ Ihre aufgeregte Laune schlägt nun ins mürrische um, was mich nicht wundert. Schwangere Frauen sind bekannt für einen raschen Wechsel des Gemüts. Beschwichtigend versuche ich, sie zur Ruhe zu überreden: „Sicher könnt ihr das. Dennoch, ihr solltet euch schonen...“
„Sagt mir nicht, was ich tun soll! Eine Frau die alleine im Wald lebt, kann von einem schwangeren Menschen nicht viel wissen! Vielleicht eher was von ihresgleichen, wie schwangeren Bären und Wölfen!“
Plötzlich schlägt sie sich mit der Hand vor den Mund und sieht mich mit großen Augen an. „Verzeiht Frau Tanui, dass ist mir nur...ich meine...“
Ich schüttle den Kopf. „Schon gut. Ich weiß, was man sich erzählt.“ Rasch stehe ich auf und fasse meinen Korb. „Ich werde dann besser gehen.“
Die Schwangere macht keine Anstalten, mich aufzuhalten, sieht mir nur hinterher, als ich hinausgehe.
Obwohl ich drinnen Gelassenheit vorgetäuscht habe, zittere ich vor der Tür.
Frau Alas Worte haben mich verletzt und ich weiß, sie spricht aus, was alle hier denken. All meine Versuche, das Vertrauen der Dorfbewohner zu gewinnen, waren fruchtlos. Sicher, keiner zeigt öffentlich mit dem Finger auf mich, doch hinter vorgehaltener Hand tuscheln sie. Wie muss ich nur auf sie wirken? Eine Fremde, die bisher ungesehen im Wald gelebt hat, die sich mit der Heilkunst auskennt, sich seltsam kleidet und...
Ich verdränge den letzten Gedanken, als würde mein Makel verschwinden, wenn ich ihn nur lange genug ignoriere. Diesen Makel, das Zeichen, das ich seit meiner Geburt trage. Mütterchen Grisma hat immer gesagt, es sei der Beweis dafür, dass meine Mutter Unzucht mit dem Teufel getrieben habe.
Den Korb fest an mich gedrückt, laufe ich aus dem Dorf, hin zum Wald. Meine Füße finden den Weg von selbst, doch als ich schließlich stehen bleibe, merke ich, dass ich an der Weidenlichtung angekommen bin. Sagte Frau Alas nicht, dass hier das kleine Mädchen gefunden worden war?
Meine Schritte werden vorsichtiger und ich werde mir der Strahlen der Sonne bewusst, die langsam länger werden. Der Tag neigt sich seinem Ende entgegen. Ich muss mich sputen, will ich vor Einbruch der Nacht zu Hause sein. Frau Alas Geschichte hat mich mehr beunruhigt, als ich zugeben will.
Ich komme an der Weide vorbei, die der Lichtung ihren Namen gegeben hat. Im Zwielicht scheint sie ganz harmlos auszusehen. Vorsichtig trete ich näher, denn die Neugier nimmt nun doch Überhand und das harmlose Aussehen des Baumes beruhigt mich etwas. Den störenden Korb stelle ich neben den Wurzeln ab und lege die Hände auf die raue Rinde um mich abzustützen. Langsam stelle ich mich auf die Fußspitzen, um besser sehen zu können. Ist das dort oben auf dem dicken Ast nicht...?
„Seid ihr nicht Frau Tanui?“
Mit einem Aufschrei verliere ich den Halt und falle hintenüber, wobei ich verzweifelt mit den Armen rudere. Doch bevor ich auf den Boden aufschlagen kann, fängt mich jemand auf und stellt mich wieder sicher auf meine Füße.
„Oh, habe ich euch erschreckt?“
Mein Herz schlägt, als wäre es ein gejagter Hase. Dennoch schüttle ich den Kopf und ordne mühsam meine Kleider. Jetzt erst mustere ich meinen Gegenüber genauer.
Er ist groß, doch ansonsten nicht sehr auffällig - schwarzes Haar, braunes Hemd und grobe Hosen in der gleichen Farbe. Kein Unterschied zu den anderen jungen Männern im Dorf. Nur sein Gesicht wirkt besorgt.
„Ich wollte euch wirklich nicht erschrecken“, wiederholt er und scheint es ernst zu meinen. „Es ist ja nichts passiert“, antworte ich und greife nach meinem Korb. „Aber um eure Frage zu beantworten: ich bin Frau Tanui.“
Er lächelt. „Das ist gut, denn ich wollte euch ohnehin aufsuchen. Mein Name ist Londas. Ich bin Lehrling, bei Meister Moran.“
„Dem Köhler?“
Londas nickt. „Gestern ist mir ein Holzscheit entglitten und hat mir die Schulter aufgekratzt. Meister Moran hat gesagt, ich solle euch die Wunde untersuchen lassen, bevor sie sich entzündet.“
Mit diesen Worten löst er die Bänder seines Hemdes und zieht es an der linken Schulter herunter. Zwei tiefe Kratzer leuchten rot auf der Haut; sie könnten tatsächlich brandig werden. Ich begutachte die Verletzung einige Sekunden und trete dann zwei Schritte zurück, um Londas wieder ins Gesicht sehen zu können. „Kommt mit mir, in meiner Hütte kann ich euch helfen.“
Er folgt mir, sagt aber nichts weiter. Ich gehe vor ihm durch das Unterholz, führe ihn auf einem schmalen Pfad, den außer mir wohl kaum noch einer kennt. Noch immer wird kein Wort zwischen uns gewechselt; wir sind stumme Gestalten, die durch den Wald gehen.
Ich fühle mich ein wenig sicherer mit einem Menschen an meiner Seite, mein Gang ist leicht. Wir erreichen auch schnell das kleine windschiefe Haus. Londas muss sich ducken beim eintreten – hier drin gab es noch niemals einen menschlichen Gast und erst recht keinen so großen.
Londas schaut sich neugierig um, mustert mit Blicken die Kräuterbündel und Pilzketten, die von der Decke hängen. Die bunt bemalten hölzernen Tiegel, die Felle und Pelze, die zu sauberen Stapel gehäuft sind und den schmalen Bettkasten, mit dem Strohsack darauf. Ich biete ihm einen Platz an und suche zusammen, was ich brauche, um ihn zu versorgen. Ein wenig verlegen bitte ich ihn, sein Hemd auszuziehen und säubere seine Kratzer mit heißem Wasser.
Er verzieht keine Miene, auch nicht, als ich die Salbe aus eingekochtem Kuhurin und Ringelblumen auftrage. Es muss ziemlich brennen, aber er schaut sich nur weiter in meiner Hütte um. Es beginnt, mich nervös zu machen.
„Fertig!“
Londas nickt dankbar und zieht sich wieder an. „Was kostet mich das?“
Ich lege den Kopf schief. „Ich wäre euch dankbar, wenn ihr euren Meister um ein paar Scheite Kohle bitten könntet. Der Winter kommt bald und ich muss vorsorgen.“ Wieder nickt er freundlich und mit einem kurzen Gruß ist er fort.
Erschöpft von dem Marktgang und der Aufregung um den Kindsmord, lege ich meine Einkäufe in eine Truhe. Das Wolfsblumensträußchen binde ich an einen der Deckenbalken, um es zu trocknen.
Auch wenn man sagt, dass es einen Menschen zum Wolf verwandeln kann, hat es doch starke Heilkräfte. Bei Fieber soll man einen Sud daraus bereiten und dem Kranken zu trinken geben, um die Temperatur zu senken. Bei Entzündungen und üblen Säften verschafft das Kraut Linderung, wen man Umschläge daraus bereitet und sie auf die Entzündung legt. Es zieht den Schmerz aus dem Körper.
Aus diesen Gründen, will ich nicht auf das Kraut in meinem Sortiment verzichten und halte immer einen kleinen Vorrat davon in meiner Hütte.
Nachdem ich auch noch die letzten Kräuter sortiert und gebunden habe, ziehe ich Rock und Mieder aus. Mit dem Eimer gehe ich hinaus, um frisches Wasser zu holen.
Mütterchen Grisma hatte mich immer dazu angehalten, sauber und ordentlich zu sein. Hatte ich mal nicht gut genug geputzt, oder mich abends vor dem zu Bett gehen nicht gewaschen, setzte es Schläge mit dem Ledergürtel.
Daran denke ich, als ich in der Nachtluft stehe und die gusseiserne Pumpe bediene. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Der Wind wird kühler, streift meinen zitternden Körper, den nur noch das leinene Unterhemd bedeckt und wirbelt die ersten trockenen Blätter auf. Ohne mein Zutun richtet sich mein Blick hoch zum Himmel, wo der Vollmond wieder blüht. Eine volle runde Scheibe vor der schwarzen Nacht.
Mein Herz wird schwer, als würde ich bei seinem Anblick etwas vermissen. Als würde ich eine verlorene Heimat sehen.
Der Schrei eines Käuzchens lässt mich zusammen zucken; hastig versuche ich den Henkel des Eimers zu fassen. Wieder kommen mir Frau Alas Geschichten in den Sinn und zum ersten Mal verfluche ich, dass meine Hütte so alleine in den Wäldern steht.
Meine Hände zittern so sehr, dass ich die Hälfte des Wasser verschütte und in der Pfütze, die sich bildet, sieht mir mein eigenes Gesicht entgegen. Darin leuchtet der Makel, der mich zeichnet. Panisch fasse ich den Eimer und gehe rasch ins Haus zurück.
Ich schlafe schlecht. Albträume quälen mich.
Auch dir scheint der Mond in den Adern gegeben
Halb Mensch und halb Wolf, von beidem ein Stück
Dunkelheit und das Gefühl großer Anstrengung. Als würde ich gejagt...oder als würde ich jagen.
Wenn der Duft jener Blume die Sehnsucht entfacht
Angst, Hast. Was ist das nur? Was ist dieser Schmerz?
Die Erste zu sein, von den Kindern der Nacht
Schreiend fahre ich hoch, stehe fast senkrecht im Bett. Meine Glieder sind hart wie Holz, als wäre ich gerannt und hätte sie zu stark beansprucht. Jetzt setzt auch der physische Schmerz ein, Krämpfe, die mich abermals aufschreien lassen.
Ich sinke auf dem schmalen Bett in mich zusammen und massiere mit zittrigen Händen meine Beine und Arme, während mein Atem noch immer wie gehetzt geht.
Das Gespräch über den Werwolf muss mich wohl derart erschreckt haben, dass ich heute Nacht sogar davon geträumt habe. Ein heftiger Schreck, denn ich brauche den gesamten Rest der Nacht um mich wieder zu beruhigen.
Am nächsten Tag klopft es früh an der Tür. Rasch ziehe ich mich an und sehe nach, wer dort steht. Es ist Londas mit seinem Meister Moran. Sie haben einen kleinen Karren bei sich, auf dem einige Blöcke Kohle liegen.
„Eure Bezahlung Frau Tanui“, sagt Meister Moran. „Wo sollen wir sie abladen?“
Ich trete vor die Tür und führe die Beiden hinter meine Hütte, wo auch schon einige Schiepen Holz stehen. „Stellt es bitte dorthin.“
Moran nickt und weißt Londas an, die Kohle abzuladen. Währenddessen fällt sein Blick auf einige Pelze, dich ich zum trocknen aufgespannt habe. „Ihr habt einen guten Sommer gehabt“, sagt er mit einem Fingerzeig darauf.
Ich schüttle den Kopf. „Das sind die Reste der Tiere, die mir in die Schlingen gegangen sind. Es sind nicht immer nur Hasen, oft finde ich auch einen Marder oder ein Frettchen.“ Moran streicht über einen Hermelinpelz vom letzten Jahr.
„Dennoch Frau Tanui, ihr könntet sie zu einem guten Preis im Dorf verkaufen. Meister Hinti kauft die Felle der Leute und verkauft sie dann wieder in der Stadt. Wenn ihr wollt, können wir euch hinbringen, sobald Londas fertig ist. Mein Weg führt mich heute ohnehin ins Dorf; wir haben die neue Fuhre Kohle fertig und wollen sie endlich loswerden.“
Ein höfliches Lächeln erscheint auf meinem Gesicht. „Wenn ihr das für mich tun würdet Meister Moran? Kann ich euch irgendwie dafür bezahlen?“
Moran grinst breit. „Na ja, zu diesem schönen Hermelin würde ich nicht nein sagen.“
Jetzt ist mein Lächeln eben so ehrlich wie das seine. „Einverstanden!“
Der kleine Karren ruckelt über den holperigen Waldweg und bleibt mehr als einmal stecken. Meine Felle liegen sorgsam in Leinen eingewickelt oben auf dem Kohlehaufen, geschützt vor dem schwarzen Staub. Ich überlege, nach dem besuch bei Meister Hinti, Frau Alas einen besuch abzustatten. Wir sind gestern in schlechter Stimmung auseinander gegangen und das möchte ich ändern.
Als wir in das Dorf kommen, sind viele Leute auf der Strasse; sie wirken aufgeregt.
„Was ist denn hier los?“, brummt Moran, als er das sieht.
Londas zuckt mit den Schultern. „Vielleicht wurde der Markt vorverlegt“, antwortet er, erhält aber für diese Antwort einen Stüber mit der Mütze seines Meisters.
„Dummbart“, knurrt dieser. „Nach dem Tod der kleinen Pfarrerstochter wird doch keiner Gedanken an den Markt verschwenden! Traut sich doch jetzt schon kaum einer aus den anderen Dörfern hierher.“
Wir rattern über die Kopfsteingepflasterte Strasse; einige Leute grüßen uns, doch sobald ich diejenige bin, die sie zurückgrüßt und sie in mein Gesicht sehen, werden sie stumm und wenden sich ab. Verwirrt sehe ich Meister Moran an, doch der scheint nichts zu bemerken.
Wir erreichen Meister Hintis Haus. Der Karren hält mit einem harten Ruck und ich muss schnell nach meinem Bündel greifen. Fast wäre es vom Karren, in den Schmutz, gefallen. Meister Moran steigt ab und klopft an die niedrige Holztür. Sie wird fast sofort geöffnet und das schmale Gesicht des Gerbers blickt heraus. Mit ihm kommen die typischen Gase und der Gestank einer Gerberei.
„Was wollt ihr?“
Meister Moran nimmt höflich seine Mütze ab. „Eure Kohle ist hier, Meister Hinti. Und Frau Tanui bringt euch ebenfalls Ware.“
Einen Augenblick lang zuckt etwas in Meister Hintis Gesicht – ich sehe es ganz deutlich. Er schüttelt den Kopf. „Ich will nichts von Frau Tanui.“
Moran wirkt überrascht. „Aber warum denn nicht? Sie hat gute Felle, die euch sicher gefallen werden.“
Hinti will gerade etwas antworten, als die Tür ganz aufgerissen wird und Frau Hinti herausgestürmt kommt. „Wir wollen nichts nehmen von einer Wölfin! Wer weiß, welches Gift sie in die Pelze hineingerieben hat! Kindsmörderin!“
Das letzte Wort schleudert sie mir entgegen. Ich umklammere das Bündel fester, drücke es an mich, als könne es mich vor dem hasserfüllten Blick der Frau schützen. „Aber Frau Hinti, ich...ich habe nicht...ich könnte nie...“
Meister Moran dreht sich zu mir um und schüttelt den Kopf. Ich verstumme und sehe zu Boden. Er dreht sich wieder zu dem Gerber und seiner Frau um. „Sagt mir doch, warum ihr so aufgebracht seit.“
Frau Hintis Gesicht wird eine eisige Maske. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, geht sie wieder ins Haus. Ihr Mann murmelt etwas, wirft mir einen weiteren Blick zu und wendet dann angewidert den Blick ab. Er zählt Meister Moran drei Münzen in die Hand. „Ladet die Kohle hinter dem Haus ab“, brummt er. „Und hört auf meinen Rat – haltet euch von der Wolfsfrau fern. Sie bringt euch nur Verderben.“ Dann folgte er seiner Frau.
Londas begann die Kohle abzuladen. Moran wollte etwas, sagen, doch ich springe vom Wagen und gebe ihm mein Bündel. „Ich gehe zu Fuß weiter Meister Moran. Behaltet meine Pelze, ich kann sie nicht gebrauchen.“ Ich versuche zu lächeln. „Und seid bedankt, für eure Hilfe.“
Fast schon erleichtert, erreiche ich nach einer Weile Frau Alas Heim und klopfe an. Die Tür öffnet sich einen Spaltbreit und Frau Alas Gesicht lugt hervor. Jedoch noch bevor ich etwas sagen kann, schlägt sie die Tür wieder zu. „Frau Alas, was soll das?“ Der ängstliche Ton in meiner Stimme treibt mir die Röte ins Gesicht, doch ich will endlich wissen, was geschehen ist. „Geht weg!“, tönt es dumpf aus dem Hausinneren.
„Aber was habe ich euch denn nur getan?“
„Ihr seid mit dem Teufel im Bunde!“, Frau Alas Stimme klingt panisch.
„Wer hat euch derartiges erzählt?!“
„Geht fort! Sonst vergiftet ihr mein Kind noch mit euren dunklen Künsten!“
Mit einem Seufzen wende ich mich ab, als plötzlich Meister Alas, der Bäcker vor mir steht. Er hat sich drohend aufgebaut, die Beine gespreizt, die Arme vor der Brust verschränkt. Noch verwirrter weiche ich zurück, denn Meister Alas ist ein großer furchteinflössender Mann.
Drohend blickt er unter seinen buschigen Augenbrauen auf mich herab. „Haltet euch in Zukunft von meiner Frau fern!“, grollt er.
Hilflos hebe ich die Hände, mit den Handflächen nach oben. „Aber warum nur? Ich will eurer Frau doch nur helfen! War ich bisher denn nicht gut genug?“
Alas tritt einen Schritt näher und ebenso weiche ich einen weiteren zurück. „Ihr habt sie vergiftet! Erst tötet ihr die Tochter des Pfarrers, dann letzte Nacht Samuels jüngsten Sohn und heute zaubert ihr meiner Frau Bauchkrämpfe an, damit sie das Kind verliert! Ihr seid das Böse!“
Von all dem, was er gesagt hat, rauscht mir das Blut in den Ohren. Doch eines hat sich deutlich hervorgehoben. „Was sagt ihr? Samuels Kind...?“
Er schnaubt abfällig. „ Spielt nicht die Unschuldige! Ihr wart es doch, die sich in einen Wolf verwandelt und dem armen Kind den Bauch aufgerissen hat! Man fand ihn heute Morgen, nahe der Lichtung, wo ihr euer letztes Opfer gerissen hattet!“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, oh nein, Meister Alas, ich könnte niemanden etwas zuleide tun! Ich schwöre es, bei allen Heiligen!“
Doch der Bäckermeister achtet meine Worte nicht. Drohend schüttelt er die Faust und hört nicht auf zu schimpfen. Mir bleibt nur, in den Wald zu fliehen. Und dabei spüre ich den Hass des Dorfes in meinem Rücken.
Weinend liege ich auf meinem Bett. Ich weine wegen der Verachtung und dem Hass. Ich weine, wegen meiner Dummheit davon zu träumen, dass ich jemals eine von ihnen sein könnte.
Ich bin anders, eine Ausgestoßene, und es war ein erbärmlicher Wunsch, dazu zu gehören. Nichts was ich tue, kann daran etwas ändern.
Mit einem Schluchzen setze ich mich auf und wische über meine Augen. Mein Gesicht fühlt sich heiß und geschwollen an vor lauter weinen. Soll mir das genug Lektion gewesen sein – ich habe sie gelernt.
Müde schließe ich die Augen, in der Hoffnung, wenigstens schlafen zu können. Es wirkt nicht. Der Vollmond scheint durch jede Ritze der baufälligen Hütte, lässt mich nicht schlafen.
Ich setze mich auf, um aus dem Fenster zu sehen. Über der schwarzen Silhouette des Waldes scheint der Mond.
Was sagte Frau Alas? 'Es ist wieder Wolfsmond’
Schaudernd ziehe ich die Decke höher, wiege mich vor und zurück um mich zu beruhigen. Wolfsmond, drei Tage, in denen der Werwolf umgehen kann.
'Denk nicht daran. Schlaf', sage ich mir selbst und lege mich wieder zurück ins Bett. Ich kneife die Lider zusammen und sperre das Mondlicht aus.
Ich schlafe schlecht. Albträume quälen mich
Auch dir scheint der Mond in den Adern gegeben
Halb Mensch und halb Wolf, von beidem ein Stück
Dunkelheit und das Gefühl großer Anstrengung. Als würde ich gejagt...oder als würde ich jagen.
Wenn der Duft jener Blume die Sehnsucht entfacht
Angst, Hast. Was ist das nur? Was ist dieser Schmerz?
Die Erste zu sein, von den Kindern der Nacht
Auch in dieser Nacht plagen mich wieder Albträume, reißen meinen Schlaf in Fetzen. Das Leinenhemd ist nass vor Schweiß und ich fühle mich, als wäre ich außer Atem. Betreten wechsle ich das Hemd und ziehe mich an. Den gleichen Traum hatte ich in der Nacht zuvor bereits gehabt und langsam beginnt es, mich zu ängstigen.
Die Zutaten für das Frühstück habe ich noch in der Hand, als es plötzlich lautstark an meiner Tür pocht. Schnell werfe ich mir meinen Mantel über und öffne dann die Tür. Davor steht der Pfarrer.
Das Gesicht verhärmt, starrt er mich an. Hinter ihm erkenne ich noch viele andere, es scheint, als wäre das gesamte Dorf auf den Beinen. Ich sehe auch Meister Alas – das breite Gesicht drückt reine Abscheu aus, auch wenn die Augen rot und verweint sind. „Was kann ich für euch tun?“, frage ich unsicher.
Der Pfarrer deutet anklagend mit seinem Finger auf mich.
„Packt sie!“
Schon treten zwei junge Männer aus der Menge und fassen meine Handgelenke mit schmerzhaften Griff, woraufhin die Anderen zu Jubeln beginnt.
Unter meinem Protestgeschrei und dem Heulen der Menge schleifen sie mich ins Dorf, bis zur Kirche. Dort, auf dem Kirchplatz, werfen sie mich in den Staub und binden meine Hände auf den Rücken. Ich weiß kaum, wie mir geschieht.
Vor mir nehmen der Pfarrer, der Bürgermeister und Meister Alas an einem langen Tisch platz. Alle Drei sehen mich grimmig an.
„Frau Tanui,“, beginnt der Pfarrer mit drohender Stimme, „gesteht ihr ohne Gericht, eure Verbrechen?“
Ich sehe ihn mit großen Augen an. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Welcher Verbrechen denn nur?“, rufe ich, doch der Bürgermeister bringt mich mit einer Handbewegung zum schweigen.
„So leugnet ihr also Simone, Arli und Meister Alas Frau mitsamt ihrem ungeborenen Kind getötet zu haben?“
Mir bleibt der Mund offen stehen. „Es ist wieder ein Mord geschehen?“
„Man hat euch eine Frage gestellt Weib! Sprecht!“, herrscht der Pfarrer mich an.
„Verehrte Herren, ich kann nur wiederholen, dass ich unschuldig bin! Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemandem etwas getan!“
Die drei Männer beraten sich, dann steht der Bürgermeister auf und steht vor mir. Da ich noch immer knie, muss ich zu ihm aufsehen.
„Dann leugnet ihr also, die Gestalt eines Wolfes annehmen zu können und Unschuldige so zu töten? Das, Angesichts all der Beweise, die gegen euch sprechen?“
„Welche Beweise?“
„Zuerst einmal die Tatsache, dass ihr bisher allein gelebt habt! Ihr seid eine Frau im heiratsfähigen Alter und dennoch lebt ihr unter Wölfen und allerlei anderem Getier! Ihr tragt sogar Felle, wie eine von ihnen!“
„Das ist nicht wahr! Ich lebe nur dort, weil Mütterchen Grisma-“
Barsch unterbricht er mich, fährt fort, als wäre ich stumm geblieben. „Zweitens ist es bewiesen, dass ihr das hier an Güttchen Katas verkauft habt!“
Er hält ein Sträußchen Petersilie hoch, zwischen dessen grünen Köpfen schwach eine gelbe Blüte zu sehen ist. Es ist Arnika, die Wolfsblume. Sie muss mir in dem Korb zwischen die anderen Kräuter gerutscht sein.
„Leugnet ihr, diese Pflanze hier gepflückt zu haben und sie mit bösen Absichten an Güttchen Katas verkauft zu haben?“
„Ich habe sie gepflückt, ja, aber nur-“
„Ha! Sie gibt es also zu!“
Flehend sehe ich die Herren am Tisch an. „Bitte, wieso sollte ich ausgerechnet hier jemanden etwas antun? Wenn ich wirklich der Wolf wäre, wieso würde ich dann erst jetzt töten?“
Der Bürgermeister spricht für die anderen Zwei. „Weil ihr uns hasst Frau Tanui! Ihr verachtet fromme, gottesfürchtige Menschen, wie sie hier leben. Und warum ihr jetzt erst tötet? Nun, das ist doch klar ersichtlich – ein Werwolf zieht immer von Ort zu Ort um dort zu töten. Die Bestie ist schlau, so wird sie nie erwischt! Habt ihr noch nichts von den zu beklagenden Toten in den anderen Dörfern gehört?“
Er hat vor Aufregung ein rotes Gesicht, doch Meister Alas und der Pfarrer wirken unbewegt, als wäre es für sie keine Überraschung.
Die Dorfbewohner, die sich hinter mir versammelt haben, johlen und ich höre Güttchen Katas Geschrei: „Sie wollte mich verzaubern, die Satanshure, damit ich so werde wie sie! Brennt sie!“
Verzweifelt kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Dann kniet der Bürgermeister sich herunter zu mir und hebt erstaunlich sanft mein Gesicht an, indem er seinen Finger sacht unter mein Kinn legt.
„Wie hättet ihr eure Schuld auch je leugnen können, Frau Tanui? Es ist doch für jeden zu sehen, der euch in die Augen blickt. Wie wolltet ihr eure wölfischen gelben Augen nur verstecken?“
Mit einem Aufschrei breche ich zusammen. Denn was er sagt, trifft mich im Herzen selber. Mein Makel, mein dunkler Makel von Geburt an...
Sie haben mich in den Keller des Rathauses gesperrt, bis zum nächsten Tag. Dem Tag meiner Hinrichtung. Es ist kalt und klamm hier, aber ich bemerke es kaum. Zu sehr quälen mich meine Gedanken.
Wenn sie nun recht haben? Wenn ich nun wirklich der Wolf, die Bestie bin? Es ist wahr, ich trage Wolfsaugen. Ich habe die gleichen grünlich gelben Augen wie der pelzige Jäger, doch macht mich das zu einer Mörderin?
Und deine Träume? Deine Sehnsucht, wenn du den Vollmond siehst?
Die Stimme flüstert verräterisch in mir und ich schlage die Hände vors Gesicht, um sie zum schweigen zu bringen. „Lasst mich alle allein!“, stöhne ich, ohne zu wissen, wen ich eigentlich damit meine.
Ich weine weiter aus lauter Angst, bis sich die Kellertür knarrend öffnet und Schritte auf den Stufen zu hören sind.
Kein Licht ist zu sehen, nicht einmal eine Kerze. Im Zwielicht des vergitterten Fensters, sehe ich meinen Besucher erst, als er direkt vor mir steht.
Es ist Londas.
Er lächelt und legt einen Finger an die Lippen, als würde er mich bitten zu schweigen. Dann kniet er sich vor mir nieder und streichelt meine Wange.
Ich weiß nicht, was vor sich geht und will wegrutschen. Er aber hält mich fest und beugt seinen Kopf zu mir herunter. Seine Lippen berühren die meinen, eine tastende Zungenspitze spaltet sie, um die Süße dahinter zu erkunden.
Atemlos und unschlüssig, sitze ich da. Ich weiß nicht, ob ich ihn wegstoßen oder es geschehen lassen soll, als er beginnt meinen Hals zu kosen. Derweil ist milchiges Mondlicht durch die Gitterstäbe gesickert und streift über Londas Körper. Dort, wo es ihn berührt, verschwindet die Kleidung und es erscheint silbernes Fell, dicht und seidig.
Londas Atem wird heißer und schneller, die Zähne, die ich auf der Haut spüre, sind kleine Dolche.
Der Grünton der Iris, Silberhaar auf dem Rücken
Unter meinen tastenden Hände spüre ich eine lange Schnauze und spitze Ohren. Das Tier drängt sich an mich.
Auch du kannst an dir bald die Zeichen erblicken
Seine Zähne zerren an meinem Unterhemd, reißen es herunter, bis es in Fetzen zu meinen Füssen liegt. Furcht und seltsame Faszination ringen in mir, während die haarige Schnauze des Wolfes über meine Haut gleitet, an meinem Hals schließlich wieder stoppt.
Ich starre in die Augen, aus denen mehr spricht als Gier nach Jagd oder Tod. Sie scheinen mir etwas sagen zu wollen, doch ich kann diesen Wolf nur ansehen.
Ein einziger Biss nur, er sei mir erlaubt
Der dich aller friedvollen Träume beraubt
Er öffnet die Schnauze und Elfenbeinzähne glänzen. Meine Haut bietet keinen Widerstand als sie sich hineinbohren, sich tief in das Fleisch graben.
Schließ die Augen Geliebte und hab keine Angst
Zu spät wenn du jetzt um deine Seele noch bangst
Ich fürchte mich nicht. Meine Angst ist wie weggeblasen; ich fühle sie ebenso wenig wie Schmerz.
Während der Wolf sich knurrend in meine Schulter verbeißt, sehe ich hinaus in das Mondlicht. Rote Schleier tanzen vor meinen Augen, aber noch erkenne ich den Vollmond. Und ich weiß endlich, was Heimkehr heißt.
Die Nacht schimmert silbern und Sternregen stiebt
Als sich vor den Mond eine Wolke schiebt
Ein Hase flüchtet, der Schnee glitzert kalt
Zwei Wölfe zieh’ n Seite an Seit’ durch den Wald
Für immer ein Paar nun, was sonst auch geschieht
Wenn Nachts in den Ebnen die Wolfsblume blüht.
Auszüge verwendet aus dem Lied „Wolfsblume“
Verfasser unbekannt
Melodie Lute