- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Wozu gibt es Anrufbeantworter???
Wozu gibt es Anrufbeantworter?
Die Erfindung eines Anrufbeantworters deutet darauf hin, dass ich nicht der Einzige bin, der von Tante Margot angerufen wird. Auch andere Menschen wollen sich anscheinend davor schützen, von vereinsamten Tanten zu später Urzeit über ihr Unwohlbefinden, das letztwochige Fernsehprogramm und die Sprachentwicklung eines Kleinkindes aus deren persönlichem Umfeld informiert zu werden. Ich tappte nervös mit meinen Fingern auf den An-Knopf meines volldigitalen Anrufbeantworters. Der brachte mir herzlich wenig, solange ich Gespräche doch selbst entgegennahm, wie eben jetzt.
Nach zehn Minuten beschloss ich, nicht weiter Zuzuhören, nach einer viertel Stunde nervte auch das Weghören, weil man einfach nichts vernünftiges mit der Zeit anfangen kann, nicht mal fernschauen.
Ich musste noch mal hinhören, als meine Tante von einer Fernsehdokumentation berichtete, in der ein reizendes Schweizer Ehepaar über Jahre hinweg für die Adaption eines rumänischen Weisenkindes gekämpft hatte. Meine Tante meinte, dass sie sofort „vom Fleck weg“ eines dieser süßen, verdreckten Kinder adoptieren würde, aber die Dokumentation hätte ja darauf hingewiesen, wie langwierig und teuer die Verhandlungen mit den rumänischen Behörden seien. Sie, also sie könne sich ja direkt vorstellen, dass die das nur darum täten, weil...
Auf der Straße ging ein Mädchen spazieren, ich fragte mich, was für Socken es anhaben könnte. Wenn denn die rumänischen Behörden nämlich wirklich im Interesse der Kinder dächten... Ein Hund hob sein Bein an einem Stromkasten. Er pisste auf die Wildwerbung. Die großen, feuchten Buchstaben des Plakates konnte ich entziffern.
Aber mit ihrer Katze sei sie ja auch zufrieden, Katzen seien auch nicht so laut und machten auch nicht so viel Dreck. Wie es eigentlich meiner Tochter gehe? Ich hob gerade zu sprechen an, um ein zwei Gemeinplätze über den Entwicklungsstand meiner Tochter zu verlieren, da meinte sie, eben habe die Mikrowelle geklingelt, dass Telefon könne es ja nicht sein, ihre Katze müsse also inzwischen trocken sein. Drei Fragezeichen standen vor mir im Raum. Das erste: Wo hatte ich das mit der Mikrowelle schon mal gehört? Das zweite: Kann sie so dumm sein? Das Dritte: Wer schützt Katzen vor solchen Menschen?
Ich schaute auf die Uhr, während sie sich überschwenglich, aber auch von einer gewissen Nervosität getrieben, von mir verabschiedete. Mit einem Sprung war ich beim Anrufbeantworter und stellte ihn aus. Mit einem weiteren Sprung war ich aus der Wohnung. Soll doch mein Mitbewohner drangehen, den kennt Tante Margot inzwischen auch. Wozu hat man den Mitbewohner?