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WTF?

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21.10.2009
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WTF?

Eines Nachts, beim Übersteigen des Metallzauns, der das Gelände seiner Schule zur Straße hin abgrenzte, blieb Florian mit dem Daumen seiner rechten Hand in einer unsauber verarbeiteten Drahtmasche hängen, was die Abtrennung des Fingers von der Hand zur Folge hatte.
Florian schrie auf, während er den Zaun hinabstieg und ihm der Verlust seines Daumens schmerzlich bewusst wurde. „Verdammte Scheiße!“, dachte er sich, und klemmte die verletzte Hand unter seinen linken Arm, um den blutigen Stumpf, nicht mehr sehen zu müssen.
Währenddessen beabsichtigen Jennifer und Christian – das respektierteste Pärchen der ganzen Jahrgangsstufe – schon, das unrechtmäßige Eindringen in das Schulgebäude durchzuführen.

Christian: „Mussten wir den Idioten wirklich mitholen?“
Jennifer: „Naja, er hat eben den Schlüssel.“
Christian: „Liebling vom Lehrer, was?“

Auch Christian und Jennifer zeigten sich sehr negativ überrascht, als ihnen die Verletzung Florians wenig später bekannt gemacht wurde:

Christian: „Fuck, du hast was?!!“
Jennifer: „Oh Gott, Schatz, mach was!“

Somit führten die enttäuschenden Begleitumstände des kleinen Abenteuers zum Entschluss, weiterhin in die Schule einzudringen. Dies aber nun nicht mehr als Mutprobe mit Option auf spassigen Vandalismus, sondern in der Absicht, ein Schmerzmittel zu finden, und überhaupt. Rückblickend muss man sagen, dass es auch gute Alternativen gegeben hätte zu dem, was daraufhin leider folgte. Lungenkrebs zum Beispiel. Doch besehen wir uns einfach, was dann weiter geschah:

Zunächst einmal konnte in dem kleinen Wandschrank, der erst wenige Wochen zuvor als Krankenzimmer der Bildungseinrichtung eingeweiht worden war, erneut die reduzierte Zahl von Florians Fingern bestätigt werden („Da fehlt doch einer!?“ - „Schatz?“).

Florian: „Oh Scheiße, Scheiße, ich erzähl' das, dann kriegt ihr aber sowas von Ärger, ahhhhhh!“

Schnell fühlte sich Jennifer durch Anschuldigungen dieser Art belästigt und verabreichte Florian daher entschlossen eine unbekannte Menge einer Substanz, von der sie überzeugt war, es sei Schmerzmittel. Wenige Minuten später begann Florian zum ersten Mal, von den „Farben“ zu sprechen.

Florian: „Farben! Farben! Farben!“
Jennifer: „Oh verfickte Scheiße.“

Etwa an diesem Punkt sah Christian sich genötigt, zurück zum Zaun zu gehen, und sich auf die Suche nach dem abhanden gekommen Daumen zu machen. Damit waren Jennifer und Florian allein im Zimmer.
Es war ihm, als ob sein ganzer Körper brannte. Der Schweiß stach in seinen Augen. Sein Daumen tat weh, und von Kopf bis Fuß fühlte er sich dumpf. Und, ahh, sein Kopf.
„Ihr verdammten Sadisten!“. Florians erste Worte nach dem unerwarteten Chemie-Schock röchelten durch den Raum.
„Jetzt beruhig' dich!“, meinte Jennifer, und löste die nächste Tablette in einem Glas Wasser auf, „Das hier ist ziemlich Scheiße, für mich auch!!“
Die Welt vor Florians Augen begann sich zu drehen.
„Ich liebe dich, Jennifer.“ - „Oh Gott, das auch noch“ - „Deshalb bin ich doch bloß mitgekommen, was dachtest du denn--“
Mit einer geschickt angetäuschten Handbewegung gelang es ihr gleich darauf, Florian den Inhalt des Glases in den ausgetrockneten Rachen zu schütten.

Florian: „Ihr....... ihr seid so dran......glauben alle mir.........Ich bin.... Vertrauensschüler........“
Jennifer: „Du verdammter Loser.“

Allerdings war auch Jennifer der springende Punkt in Florians drogengeschwängerter Argumentation nicht entgangen. Es war glasklar, dass in naher Zukunft einige unwissende, oberflächliche Fragen gestellt werden würden: „Florian, wo ist dein Daumen?“.... „Florian, willst du jetzt nicht deinen Behindertenausweis beantragen?“ ..... „Florian, haben Jennifer und Christian vielleicht irgendetwas mit der Sache zu tun?“ Und es war leider auch klar, dass im Zweifelsfall Florians Meinung mehr zählen würde als ihre. Herrgott, sie waren in die Schule eingebrochen!

Sie brauchte also ein Druckmittel gegen Florian. Und genau das würde sie sich jetzt besorgen.

Langsam und sinnlich ließ sie ihre Hände seinen Hals hinabgleiten. Oh nein, er lag jetzt schon fast eine Viertelstunde bewegungslos am Boden, konnte er da überhaupt noch...?

Ausprobieren! Sie drückte ihren Mund auf seine Lippen, drückte ihm dann ihren weißen Hals zur Seite gestreckt gegen das Gesicht. Sie ließ sich nicht davon irritieren, dass er darauf überhaupt nicht mehr reagierte. Sie war sich ganz sicher, dass er schneller zu atmen begonnen hatte. Die Beine gespreizt setzte sie sich auf seinen Schoß. Dann zog sie ihm die Hose aus.

Florian: „Oooouuuhhhhhhh....“
Jennifer: „Ja, äh, Liebling!“

Wehrlos betäubt kam es im Folgenden zu einer entwürdigenden Szene, die aber sehr dramatisch pointiert endete:

Jennifer: „Bist du grade in mir gekommen?“
Florian: --

Dann trat, nichts Böses ahnend, Christian mit dem Daumen in den Raum. Der Rest ist, wie wir hier beim psychosozialen Dienst immer sagen, Geschichte.

Christian war verständlicherweise geschockt von der Hemmungslosigkeit, mit der Jennifer sich ihrem wehrlosen Opfer hingegeben hatte. Zugleich jedoch war er Optimist, ein Mensch der Tat, und – sich der Dringlichkeit der Situation bewusst – entschied sich zu handeln und provisorisch mit den vorhandenen Hilfsmitteln den Daumen wieder am Rest von Florian zu befestigen.

Als schließlich, Tage später schon, als Grund für die zu beobachtenden Symptome die in den Körper eindringenden Leichengifte festgestellt wurden, musste Florian in Windeseile in eine Spezialklinik in die USA ausgeflogen werden, um sein Leben zu retten. Dem Daumen war aber schon nicht mehr zu helfen.

Zum Beginn der nächsten Woche bekam Jennifer unerwartet nicht ihre Tage. Während sie sich unkontrolliert weinend das ausschabte, was sie für ihre Gebärmutter hielt, wurde sie leider ohnmächtig und brachte schon vier Monate später ein wunderbares kleines, interessantes Baby zur Welt.

Kurzum: Christian hat gerade seinen Auslandsaufenthalt zum wiederholten Male verlängert. Wer weiß, ob er je wieder Fuß auf deutschen Boden setzen wird?

Jennifer, die man zuvor als vielleicht gemäßigt-nervige, aber gut aussehende, selbstbewusste und im Grunde herzensgute Schlampe hätte bezeichnen können, ist nicht mal mehr ein Schatten ihrer selbst. Wir haben schon Wetten über Art und Zeitpunkt ihres nächsten Selbstmordversuchs abgeschlossen. Wenn sie es mit den Schlaftabletten im Fernsehzimmer versucht, dann gewinne ich 20 Euro.

Was Florian betrifft? Der Daumen, insbesondere der der starken Hand, ist für praktisch alle Greifaufgaben unerlässlich. Florian hat an seiner rechten Hand keinen Daumen mehr. Aber er hat nie gesagt, warum.

 

Hey Lukas,

ich hab mich ja gekringelt ... geil erzählt. Das ist so absurd, das könnte genau so wirklich passiert sein!

Ab der Mitte hängts bisschen, so als wäre dir die Puste ausgegangen. Da könnte man noch und ein wenig mehr und so, aber man muss nicht.

Danke für die Unterhaltung. :)

yours

 

Hi Lukas,

wow, ich kann nicht mehr, bin völlig fertig!

Da legst Du ein Tempo vor, dass einem beim Lesen fast schwindelig wird. Herrlich absurde Geschichte auf der einen Seite, auf der anderen Seite könnte es aber fast so passiert sein, wobei ich es den Prots nicht unbedingt wünschen würde.

Das einzige, das mich beim Lesen etwas gestört hat, ist die "Wir"-Perspektive, das ist sehr ungewohnt und es gefällt mir auch nicht unbedingt.
Aber von dem mal ganz abgesehen, war es super und hat mich am frühen Morgen richtig wach gemacht.

Gerne gelesen und ich freue mich schon auf mehr von Dir.

Ach übrigens: Herzlich Willkommen auf KG.de.

Liebe Grüße
Giraffe :)

P.S. Den Titel habe ich nicht kapiert!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lukas!

Ich habe mich auch amüsiert. :) Spätestens seit Tarrantino ist das trocken ironische Erzählen absurder Ereignisse, die Schlag auf Schlag kommen, gesellschaftsfähig geworden. Auch egal, macht Spaß!

Literarisch gesehen, gesetz des Falles du wolltest nicht nur unterhalten, fehlt da was. Das Innere der Figuren, ein innerer Konflikt, die Psychologie sozusagen bleiben auf der Strecke. Aber darum gings dir, denk ich mal, auch nicht.

Gruß
Kasimir

 

Hallo Lukas1,

und auch von mir ein herzliches Willkommen auf KG.de.

Was diesen Text trägt, ist die naiv-distanzierte Erzählstimme, die mich an sassnerische frühere Zeiten erinnert (das ist als Kompliment gemeint), die zudem auch die durchaus absurden Wendungen und Entwicklungen zumeist trocken beschreiben. Allerdings bricht die Stimme an manchen Stellen ein und gerät in albernes Gebiet, ich mag es ja lieber mit mehr Konsequenz.

Somit führten die enttäuschenden Begleitumstände des kleinen Abenteuers zum Entschluss, weiterhin in die Schule einzudringen.
der Entschluss ist bereits entschlossen, er verändert sich ja nicht mehr, nur die Motivation ändert sich.
Korrekt wäre also z.B. "somit bestärkten die enttäuschenden Begleitumstände [...] den Entschluss²
sondern in der Absicht, ein Schmerzmittel zu finden, und überhaupt.
das "und überhaupt" bricht mit seiner Schnoddrigkeit mit dem bisherigen, konsequent durchgehaltenen Erzählton.
Rückblickend muss man sagen, dass es auch gute Alternativen gegeben hätte zu dem, was daraufhin leider folgte. Lungenkrebs zum Beispiel. Doch besehen wir uns einfach, was dann weiter geschah:
den ganzen Einschub finde ich entbehrlich; was kommt, erfährt der Leser ohnehin, so er am Text bleibt, da braucht es keine Vorblenden, nach denen im TV üblicherweise erstmal Werbung kommt. Und auch dieses erneut so betont-lässige mit Lungenkrebs trifft meinen Geschmack nicht

Und auch Titel und Ende finde ich eher unverständlich als in diesem sehr eigenen Logikkonzept der Geschichte eingebettet. Da verschenkst Du Potential, selbst wenn Du so den Dreh mit dem PSD nochmal reinbringst (den ich im Übrigen eigentlich auch nicht sehr stark finde, um zu wirken, braucht die Geschichte keinen personalisierten Erzähler und eine Klärung von dessen Erzählperspektive), die Unlogik, daß der Erzähler zwar erzählt, was passiert ist - und das en detail - und dann am Ende konstatiert, daß Florian seinen Daumen halt verlor, über die Gründe und Ursachen aber nichts mitteilte, die ist eher eine (Logig)Schwäche, denn charmant.

Dennoch finde ich Deinen Erstling hier geraten und gelungen, hat Spaß bereitet, mir.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo Lukas!

Hab das hier gefunden, und fand es wert, ausgegraben zu werden.
Könnte eigentlich auch unter Humor stehen.
Fands echt witzig, und so oft lacht man hier nicht...
Timo

 

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