Yoga für Anfänger
Einer inneren Eingebung folgend, beschloss ich mal wieder etwas für mich zu tun. Nach kurzer Überlegung wusste ich auch was. Entschlossen machte ich mich auf den Weg zur Kreisvolkshochschule und teilte der netten Dame am Empfang mit, dass ich mich zum Yoga-Kurs für Anfänger anmelden möchte. Die Tatsache, dass auf einmal ein höhnisches Grinsen ihre Mundwinkel umspielte und sie mir mit einem ironischen Unterton in der Stimme viel Spaß dabei wünschte, hätte mich vielleicht stutzig machen sollen. Aber gut, konnte ja schließlich nicht jeder so aufgeschlossen sein wie ich. Sie teilte mir noch mit, dass der nächste Kurs schon kommenden Montag um 19.00 Uhr in der Turnhalle der hiesigen Hauptschule starten würde, und wandte sich gelangweilt wieder ihrem PC zu.
Am besagten Montag, stand ich dann pünktlich um 18.50 Uhr vor der Schule.
Da ich noch ein wenig Zeit hatte bevor ich den Zustand der totalen Entspannung erreichen sollte, zündete ich mir noch eine Zigarette an um die Wartezeit bis Stundenbeginn zu verkürzen. Ein böser Fehler. Just in diesem Augenblick kam eine kleine, untersetzte Dame mit energischem Schritt wutentbrannt auf mich zu. In ihrem langen, wehenden Gewand ähnelte sie einer tollwütigen Feldermaus. Sie riss mir die Zigarette aus dem Mund und stampfte wütend auf dieser herum. Und schrie dabei immer wieder wie ein Mantra; „Zigaretten sind böse, böse, böse“. Es stellte sich raus, das ich gerade Bekanntschaft mit der Kursleiterin gemacht hatte. Also ganz ehrlich, entspannt sah die Gute ja nicht aus. Immer noch wütend schrie sie mich an, dass sie so ein Verhalten in ihrer Gegenwart nicht dulden würde; ob ich das verstanden hätte?! Eingeschüchtert von ihrem irren Blick, nickte ich brav und murmelte ein leises: „Ich werde mich bessern und die edlen Pfade der Tugend bewandeln“. Dies schien sie ein wenig besänftigt zu haben, denn sie drehte sich um und steuerte Richtung Schule. Die umherstehenden Kursteilnehmer folgten ihr. An dieser Stelle hätte ich die Flucht ergreifen sollen; denn was dann kam, war bitter.
In der Turnhalle angekommen, forderte die Yoga-Tante uns auf, nein – ich korrigiere, befahl sie uns, unsere mitgebrachten Iso-Matten auf dem Boden auszubreiten und darauf im Lotus-Sitz Platz zu nehmen. Ich tat wie geheißen; denn das letzte was ich wollte war, nochmals den bösen Blick auf mich zu ziehen. Was hatte die Gute doch gerade gesagt; wir sollen im Lotus-Sitz Platz nehmen?! Einen Lokus-Sitz, ja den kannte ich. Den bekam man bei Praktiker in der Sanitär-Abteilung. Aber was um Himmelswillen war ein Lotus-Sitz. Nervös und unsicher schaute ich in die Runde und sah, dass sich alle im Schneidersitz niederließen. Aha ja!
Unsere Vorturnerin stellte sich nun erst mal vor. Sie hieße mit bürgerlichen Namen Sieglinde Schmidtreuter; aber wir sollen sie mit dem Namen „Shiva“ anreden. Sie hätte nach 3 Jahren Aufenthalt in einem bengalischen Kloster die totale Erleuchtung erlangt. Und an dieser wollte sie uns jetzt teilhaben lassen. Ihre bloße Anwesenheit wirkte schon auf mich, denn mir leuchtete gerade ein, das die Anmeldung zum Yoga-Kurs eine schwachsinnige Idee von mir war. Aber jetzt gab es kein zurück mehr. Mir war nicht entgangen, dass Sieglin...ähhh...ich meine Shiva hinter uns die Türen abgeschlossen hatte. Das beunruhigte mich ein wenig, aber nun gut, ich würde ja gleich die totale Entspannung erlangen.
Shiva erklärte uns nun, dass es Zeit wäre für die erste einleitende Entspannungsübung. Sie forderte uns auf im ersten Schritt, dass rechte Bein hinter unseren Kopf zu legen; im Stehen wohlgemerkt. Danach sollten wir mit der linken Hand an unsere Nasenspitze fassen, das rechte Auge halb sowie das linke Auge zu dreiviertel schließen und dabei tief und langsam in den Bauch atmen. Wenn wir das soweit hinbekommen hätten, sollten wir doch bitte mit dem verbleibenden linken Bein vor- und zurückhüpfen.
Als ich versuchte mein rechtes Bein, auch nur ansatzweise höher als Brusthöhe zu bekommen, verlor ich bereits das Gleichgewicht und viel der Länge nach hin. Aber ich hatte Ehrgeiz, noch während des Fallens machte ich mit der Übung weiter und fasste mit der linken Hand an meine Nasenspitze. Das erwies sich auch als sehr förderlich, denn so konnte ich gleichzeitig versuchen mein Nasenbluten zu stillen, welches ich mir durch den Aufprall zuzog. Auf dem Boden liegend atmete ich dann ganz tief in meinen Bauch und war ein bisschen stolz auf mich. Das mit dem Atmen hatte ich richtig gut hinbekommen. Shivas Blick allerdings verriet mir, dass sie weniger Stolz auf mich war.
Nachdem sich alle wieder entknotet hatten und ihre eingeschlafenen Gliedmaßen wieder mit genügend Blut versorgt waren, sollte es direkt mit der nächsten Übung weitergehen. Und zwar sollten wir nun alle unseren Namen tanzen. Ratlos schaute ich mich um. Alle anderen hingegen, fingen an wie wild in der Gegend rumzutanzen und schmissen dabei freudig ihre Arme in der die Luft. Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte. Aber ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Es war das selbe Phänomen wie bei Verkehrsunfällen und Gaffern. Der Anblick ist einfach schrecklich, aber man kann einfach nicht wegsehen. In dem Moment herrschte Shiva mich an, ob ich mir zu fein wäre, um an der Übung teilzunehmen. Ich gab an, dass ich Analphabet sei, und musste daraufhin zur Strafe für diese Lüge nicht nur meinen Vor- und Zunamen, sondern meine komplette Anschrift tanzen! Da keine Fluchtmöglichkeit bestand – wir denken an die verschlossene Tür – ergab ich mich meinem Schicksal und tanzte.
Endlose Minuten, und unzählige höhnische Blicke später, ging es weiter mit der nächsten Übung.. Shiva befahl uns eine Kerze zu machen um dann anschließend die Beine im Spagat hinter unserem Kopf abzulegen. Ich dachte mir zynisch, wenn ich so gelenkig wäre, dann hätte mir mein Freund schon längst einen Heiratsantrag gemacht. Leider hatte ich das Ganze nicht nur gedacht, sondern wohl auch laut ausgesprochen. Die Strafe folgte auf dem Fuße, und zwar im Wahrsten Sinne des Wortes. Ich musste nun, um mein inneres Gleichgewicht zu finden, eine halbe Stunde auf den Zehenspitzen stehen und sollte mit meinen Bewusstsein, in mich wandern. Das einzige was mir bewusst wurde war, das ich anscheinend nicht nur an mangelndem inneren, sondern insbesondere an mangelndem äußeren Gleichgeweicht litt! Denn ich schwankte bedrohlich von links nach rechts während Shiva den anderen Kursteilnehmern zum entspannen Massageübungen vorschlug. Ich muss sagen, ich war ein wenig neidisch.
Zum krönendem Abschluss zündete Shiva eine Diskussionskerze an und gab Anweisung, einen Sitzkreis zu bilden. Jeder sollte nun von seiner spirituellen Erfahrung aufgrund der Übungen berichten. Als ich an der Reihe war spürte ich ganz deutlich den bösen Blick ihres dritten Auges. Ich war nicht entspannt, nein. Ich hatte pure Angst und war unendlich froh, als uns Shiva in Licht und Frieden wieder in die Freiheit entließ.
Eins weiß ich, sollte ich noch mal das Bedürfnis nach totaler Entspannung empfinden, dann werde ich mir einfach einen hinter die Binde kippen. Eventuell zünde ich dazu dann ein Räucherstäbchen an und webe einen Wandteppich!