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Zähne putzen

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06.05.2007
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Zähne putzen

„Schön, wenn man sich morgens die Zähne nicht putzt und jetzt stinkt wie ein Gulli, nicht wahr?", fragt er mich am Tisch. Ich starre auf meine Schnitte, sehe wie meine Hand anfängt zu zittern, als ich die gelbe Butter auf dem Mischbrot verschmiere. Ich antworte nicht, beobachte nur, wie die gelbe Masse langsam auf der getoasteten Schnitte schmilzt. Ich weiß, was jetzt gleich kommt, fange an, die blauen Blumen auf der Tischdecke zu zählen.

Eins, Zwei, Drei.

Mein Bruder verteidigt mich; sagt, dass ich mit ihm Zähne geputzt habe, nachdem ich Zeitung austragen war. „Klar, du putzt dir ja auch erst nach der Arbeit die Zähne, wahr? Echt, wenn Faulheit wehtun würde, würdest du den ganzen Tag schreien.“ Seine Stimme nimmt wieder diesen Tonfall an, ich habe ihn schon so oft gehört. Immer wenn er wütend wird. Dann legt er auch die Stirn in Falten, die Augen werden klein, wie die einer Katze, kurz bevor sie ihre Krallen ausfährt.

Vier, Fünf, Sechs.

Meine Mutter bittet ihn, nicht immer so böse zu sein. Ihre Stimme klingt flehentlich.

Sieben, Acht, Neun.

„Ach, jetzt bin ich wieder Schuld, oder was?“

Zehn.

Er springt auf, schmeißt den Stuhl um. Wischt mit einem Ruck sein gesamtes Essen vom Tisch. Das Messer kommt klirrend auf dem Boden auf. Der Boden ist dreckig, ich werde ihn danach wieder wischen dürfen. Mit hochroten Kopf geht er zur Tür. Ich zucke zusammen, als sie polternd von außen zugeschmissen wird.

Elf, Zwölf, Dreizehn.

Mein Bruder fragt mich, warum ich denn verdammt noch mal nicht geantwortet habe. Ich hielt es für sinnlos, hätte eh nichts gebracht, rechtfertige ich mich. Ich würde damit alles nur immer noch schlimmer machen, wirft er mein Bruder mir vor. Ich fange an, den Tisch abzuräumen, öffne die Klappe des Geschirrspülers, sortiere die Brettchen ein.

Mein Bruder will, dass ich mich duschen gehe, ich soll mit meinen Eltern auf das Konzert auf dem Frühlingsfest gehen. Ich will es aber nicht mehr. Mein Bruder sagt, ich soll mich duschen gehen. Nicht immer so stur sein.

Ich gehe die Treppe hoch. Ins Bad. Wasser läuft über mein Rücken. Ich merke erst nach ein paar Minuten wie kalt es ist. Fast wie Hagel prasseln die kalten Wassertropfen auf mein Gesicht, meinen Rücken, meine Beine. Nach ein paar Minuten versteift sich der ganze Körper, ich spüre nichts mehr. Alles kalt. Ich trockne mich ab. Nehme die Sachen aus meinem Schrank. Ziehe mich an. Unten fangen sie an zu streiten, schreien.

„Nein. Ich gehe mit der nicht zum Konzert. Entweder sie oder ich. Da musst du dich schon entscheiden.“ Meine Mutter will sich aber nicht entscheiden. Ich höre wie ihre Sätze immer wieder von heftigen Schluchzern unterbrochen werden, die immer lauter und häufiger werden. Ich sehe ihr Gesicht bildlich vor mir. 10 Jahre älter wirkt es dann immer, wenn sie weint, ihre Augenringe aufgequollen, rot von den ganzen Tränen. Ich will es nicht mehr mit anhören. Gehe in mein Zimmer. Setze mich aufs Bett. Etwas Salziges berührt meine Lippen, durchnässt das ganze Kissen, an das ich mich klammere. Mein Bruder kommt ins Zimmer. Er sieht mich sitzen, die Arme um die Knie geschlungen, den Kopf schützend darunter verborgen. Er bittet mich runterzugehen. Dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Mutti hat sich schon einmal scheiden lassen. Ich war damals noch zu klein, um alles mitzubekommen, aber er hat alles mitgekriegt. Er will das nicht noch mal. Sagt, dass ich runtergehen soll, mich entschuldigen soll bei ihm. Ich verneine alles. Ich sage, dass ich es einfach nicht kann. Mein Bruder zieht mich hoch, umarmt mich, versucht meinen bebenden Körper zu beruhigen. Ich drücke ihn ganz fest an mich, spüre seine ganzen Körper an meinen, atme seinen Duft ein. Seine beiden Hände streicheln mir über den Rücken. Dann wird mein Kinn angehoben. Ich sehe in seine grünen Augen, die mich durchdringend anschauen und mich bitten endlich runterzugehen.
Ich raffe mich dazu auf, zu ihm zu gehen, in das Wohnzimmer. Er steht dort, demonstrativ den Fernseher beobachtend. Ich frage ihn, ob wir uns den nicht einmal vertragen könnten.
„Nein“, ist die Antwort, „in zwei oder drei Tagen fängt eh alles wieder wie immer von vorne an.“
Ich frage ihn, was ich denn verdammt noch mal machen soll, denn ich probiere echt schon mein Bestes.
„ Einfach mal was richtig machen. Und nicht immer nur vorm Computer abgaken. Einfach mal Mutti helfen. Und nicht immer nur an dich denken.“
Ich gehe. Will mir den Scheiß nicht weiter anhören. Mein Bruder sitzt auf der Treppe, lässt mich nicht vorbei. Ich solle nicht aufhören, fleht er mich an, weitermachen.

Aber ich kann nicht mehr. Irgendwann ist Schluss. Ich will nicht mehr.

 

hey leute. also, das ist mein erster schreibversuch... würde mich über kritik sehr freuen und hoffe das die nicht lange auf sich warten lässt *gespannt sein* greetz, die anne

 

Hallo wesi,

so schlecht finde ich Deine Geschichte überhaupt nicht. Im Gegenteil; sie hat mir wirklich ganz gut gefallen. Du beschreibst eine Alltagssituation, wie sie tausendmal in Familien vorkommt - und die beschreibst Du meiner Meinung nach authentisch. Ich hab mich da auch irgendwo wiedererkannt. ;) Dein Protagonist ist wohl gerade in der Pubertät und legt sich immer wieder mit seinem Vater an - auch andersrum ist das der Fall. Der Bruder wird zum vermittelnden Part, der zwischen zwei Stühlen steht. Und der Protagonist schält irgendwann auf Stur, dabei wäre es ja wirklich nicht schlecht, wenn er seiner Mutter mehr helfen würde. Aber ich glaube, diese Trotzreaktion haben wir alle irgendwann mal durchgemacht.

Von daher; wirklich gute und authentische Geschichte! Hat mir gefallen!

Liebe Grüße
stephy

 

heyho ^^

@basti: erstmal vieln dank, dass du dir die zeit genommen hast um meine geschichte a) zu lesen und b) zu kommentieren.

hm.. die geschichte habe ich wirklich an einem stück geschrieben und dann aber dreimal überarbeitet, bis das rausgekommen ist, was du gelesen hast.

über den titel habe ich mri viele gedanken gemacht... ich weiß net, aber ich fand zähne putzen einfach passend, weil wegen soner banalität alles angefangen hat. der titel sollte dies verdeutlichen. ich kann ja mal über einen anderen titel nachdenken (und nehme auch gerne vorschläge entgegen).

das mit den drei punkten nach dem zählen. gut, ich war mir net sicher. ich wollte damit zeigen, dass ich ja nicht aufhöre zu zählen (zieht sich ja durch den ganzen text und kehrt an ganz vielen stellen wieder.) aber ich werdes ändern.

und zum thema: naja, ich habe die geschichte geschriebn, um eben das geschriebene zu verarbeiten. aber ich werde die herausforderung annehmen und etwas besseres schaffen ^^

am ende möchte ich dir noch für das kompliment wegen der bildhaften sprache danken. nach soner vernichtenden kritik war es wie ein bisschen balsam für die seele : P udn es freut mich, dass es gerade von dir kommt

ps: dein hinweis von wegen nicht zum kommentieren auffordern werde ich in zukunft berücksichtigen

@stephy: auch vielen dank für deine kritik. freut mich, dass sie dir gefallen hat

 

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