Zügellos
Das Arschloch war fertig mit mir. Seit einer halben Stunde stand er bei mir im Büro, redete und spuckte mir dabei unaufhörlich ins Gesicht.
Ich hasse Menschen die beim Reden spucken.
Er war wiedermal sauer, hat mir erzählt, dass heute ein Scheißtag für ihn ist.
Ich hasse Pessimisten.
Er hatte die ganze Zeit gebrüllt, mir immer wieder gesagt, wie nutzlos ich doch bin.
Ich hasse es angebrüllt zu werden.
Er trug eine pinke Krawatte zu einem dunkelblauen Hemd.
Ich hasse Leute ohne Geschmack.
Er stand vor meinem Schreibtisch und zitterte, sein Gesicht war rot angelaufen und er war sichtlich verkrampft. Ich starrte ihm nur ins Gesicht, als sich auf einmal ein Schalter in meinem Kopf umlegte und ich aufstand. Er trat einen Schritt zurück, machte aber keine weiteren Anstalten meinem Schlag auszuweichen, weshalb ihn meine Faust genau an der Schläfe traf und ihn zum torkeln brachte. Ich griff nach seinem Hinterkopf, bekam einige Haare zu fassen und schlug seinen Kopf gegen meinen Schreibtisch. Er sackte in sich zusammen, lag regungslos vor mir am Boden, ich beugte mich runter und holte seinen Schlüsselbund aus seiner Hemdtasche und verließ mein Büro. In Richtung Ausgang gehend, sah ich mich um, versuchte die Gesichter meiner Kollegen zu lesen. Sie hatten alles mitbekommen, die Tür zu meinem Büro stand immer noch offen, so dass jeder den regungslosen Körper des Chefs sehen konnte. Das Blut hatte eine ansehnliche Lache gebildet und breitete sich weiterhin aus. Meine Kollegen blickten mich ausnahmslos an, alle mit demselben Maß an Fassungslosigkeit in den Augen. Ich ließ mich nicht beirren, schritt zum Ausgang und verließ das Gebäude über das Treppenhaus. Mit sicherem Gang ging ich zum Auto meines Chefs, öffnete es schon von weitem, stieg ein, startete den Motor und gab schlicht und einfach Gas. Mir fiel ein, dass ich noch Einkäufe zu erledigen hatte, also fuhr ich in Richtung Supermarkt, wurde dabei aber von einer roten Ampel aufgehalten. Zum Stillstand gezwungen, wollte ich diesen Moment trotzdem produktiv nutzen und suchte im Handschuhfach nach Zigaretten, fand zwar auch welche, doch in der Zeit hatte die Ampel bereits auf Grün geschaltet. Ich brauchte länger, was für mich weniger ein Problem war, vielmehr für meinen Hintermann, denn der begann eifrig zu hupen. Ich nahm eine Zigarette aus der Schachtel, steckte sie in den Mund, zündete sie an, öffnete die Tür, trat aus dem Wagen und ging zum Auto hinter mir. Ich nahm einen Zug, blies den Rauch aus und öffnete die Fahrertür des hinteren Autos. Die ganze Strecke lang hatte der Fahrer gebrüllt. Und ich hasse Menschen die mich anbrüllen. Also zog ich ihn aus seinem Auto, hielt ihn mit der linken Hand am Kragen fest und schlug mit der Rechten in sein Gesicht. Er winselte und bettelte, ich solle aufhören, doch jeder Schlag machte es einfacher für mich zuzuschlagen. Ich hörte nicht auf, ich schlug solange weiter, bis er keinen Ton mehr von sich gab. Ich zog ihn etwas weg vom Auto, wischte mir mit seinem T-Shirt das Blut von den Händen und stieg in seinen Wagen. Die Ampel war mittlerweile wieder auf Rot geschaltet, ich musste wieder warten, und wieder nutze ich die Zeit um das Handschuhfach zu durchsuchen. Doch diesmal aus reinem Interesse und interessanterweise fand ich auch etwas recht interessantes. Ich fand eine Walther P99 mit vollem .40 S&W Magazin, dazu ein Ersatzmagazin. Für Notfälle. Die Ampel hatte bereits auf Grün gewechselt, ich durfte losfahren. Also fuhr ich zum Supermarkt, suchte einen freien Parkplatz, was verdammt schwer ist, bei dem Mangel an Parkplätzen. Darüber sollten die Politiker reden und nicht über Krippenplätze, dachte ich mir während ich zum Ticketautomaten ging und einen Parkschein löste. Ich wusste nicht mehr genau, was ich brauchte, ich wusste nur noch, dass ich keine Milch zuhause hatte. Mir würde drinnen schon wieder einfallen was ich kaufen musste. Die elektrischen Türen öffneten sich vor mir - jedes mal bewunderte ich dieses Wunderwerk der Technik – und schlossen genau so schnell wieder hinter mir. Der Laden war gut besucht, er war voll mit Müttern und ihren Kinderwägen, wobei um die Kinderwägen herum eine beachtliche Zahl an kleinen Bälgern rannten, sprangen und krabbelten. Das Sicherheitsrisiko, dass diese Kinder darstellten, war erstens: niemandem aufgefallen und zweitens: nicht zu verachten. Ich für meinen Teil versuchte so gut wie möglich an den Müttern mit Kinderwägen und ihren gefährlichen Satelliten vorbei zu schleichen. Den rollenden Sicherheitslücken ausweichend, suchte ich das Regal mit der Milch, fand es auch, aber nicht meine geliebte Frischmilch. Ich brauchte Hilfe, jemand musste meine Frischmilch für mich finden, und so begab ich mich auf die Suche nach einem dieser pickeligen, fettigen, 16-jährigen, Zahnspangen tragenden Aushilfsarbeiter. Fand auch schnell einen hässlichen jungen Mann, fragte ihn nach meiner Frischmilch und er antwortete mir, er hätte keine mehr. Unverschämtheit, gab ich zurück, woraufhin er fragte, was ich mit Frischmilch wolle, die sei sowieso zum Kotzen. Ich starrte ihn mit offenem Mund an, gefühlte 5 Minuten starrte ich ihn an. Wie hatte er es gewagt, meine Frischmilch schlecht zu machen? Er hatte einfach keinen Geschmack, und ich hasse Leute ohne Geschmack. Zum Glück hatte ich, in weiser Voraussicht, die P99 mitgenommen, zog sie aus meiner Jacke und hielt sie dem geschmacklosen Bastard ins Gesicht. Er wollte schreien, doch ich wies ihn darauf hin, dass ich nicht zögern würde zu schießen, falls er nur eine Sekunde lang seine, vom Stimmbruch überstrapazierten, Stimmbänder benutzen würde. Ich fragte ihn, warum er keine Frischmilch mochte, er antwortete, weil sie scheiße schmeckt. Das war die eindeutig falsche Antwort, also spürte er den Griff meiner Pistole in seinem Gesicht. Und leider konnte er auch einen Schrei nicht zurück halten, was ziemlich schade für ihn war, denn ich würde mein Wort halten. Er ging auf die Knie vor Schmerz, fasste sich an die Nase, schloss die Augen und jauchzte. Ich hob meine Waffe, richtete sie auf seinen Kopf und drückte ab. Die Sauerei war unvorstellbar. Blut, Knochensplitter, Pisse und sogar Hirnmasse hatten eine unappetitliche Suppe gekocht und oben drauf lag – quasi die Sahne – der Teenie. Ich war überrascht von mir, ich hatte nie gedacht, dass ich dazu fähig wäre einen Menschen zu töten. Ist aber ganz einfach. Ich hatte mir das Töten von Kindern und Jugendlichen als besonders schwer vorgestellt. Ist aber ganz einfach. In der ganzen Aufregung hatte ich meine Milch völlig vergessen, und da der Supermarkt keine Frischmilch mehr hatte, nahm ich diese abartige H-Milch. Ich bin der Meinung, dass man das nehmen sollte, das man bekommt. Man sollte nie zu hoch greifen, sonst fällt man noch. Ich ging zum Ausgang, hatte aber diesmal keine Probleme mit den Müttern und ihren Satelliten, die waren alle verschwunden. Als ob es ein nationales Signal gäbe. Ich wär auf dem Weg zum Auto, als auf einmal ein weiterer Mitarbeiter herausgerannt kam. Diesmal war es kein 16 Jahre alter Hosenpisser, sonder wahrscheinlich der Manager selbst. Also ein 50 Jahre alter Hosenpisser. Er griff mich an der Schulter, drehte mich herum und fing an zu brüllen. Ich verstand ehrlich gesagt nicht, was er brüllte, aber ich merkte den leichten Schauer auf meinem Gesicht. Mister Ich-bin-der-Held war blutrot angelaufen und nieselte wie die Niagarafälle. Er schrie ununterbrochen, und spukte dementsprechend ununterbrochen in mein Gesicht. Ich bat ihn höfflich damit aufzuhören, doch er schien mich nicht zu verstehen, also spukte er einfach weiter. Eine Unverschämtheit, dacht ich mir, besonders von einem Manager. Man spuckt doch nicht wildfremde Leute beim Reden an. Zumal ich Leute hasse, die beim Reden spucken. Er wollte nicht aufhören, also musste ich ihn zum aufhören bewegen. Ich hatte die Walther die ganze Zeit lang in der Hand gehalten, und jetzt hob ich sie an und richtete sie auf den Manager. Auf einmal war er wieder still, welch eine Erlösung. Ich bat ihn darum sich hinzuknien. Er hörte auf mich und kniete. Ich schoss ihm in die rechte Schulter. Er fing an zu winseln und zu betteln, doch ein Mann muss seinen Prinzipien treu bleiben. Ich schoss ihm in die linke Schulter. Er hatte sich in die Hose gemacht, konnte sich nicht mehr halten und heulte Rotz und Wasser. Ich schoss ihm ins linke Bein. Er sackte in sich zusammen. Was für ein trauriger Anblick, dachte ich mir, und überwand mich dazu, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Ich schoss ihm in den Kopf, die gleiche Suppe wie beim Teenie bildete sich und ich stieg in mein Auto. Ich parkte aus, legte den 3ten Gang ein und fuhr los. Ich wäre gerne noch länger in der Stadt geblieben, aber irgendwie fühlte ich mich fix und fertig, also fuhr ich Richtung Wohnung. Unterwegs, begann ich nachzudenken: Ich überlegte mir, dass ich heute meinen Job verloren hatte. Ich überlegte mir, dass ich wahrscheinlich nie wieder einen Job finden würde. Ich überlegte mir, dass ich soeben zwei Menschen getötet hatte. Ich überlegte mir, was wohl meine Frau dazu sagen würde. Ich überlegte mir, ob ich das wirklich gemacht hatte. Und mir wurde klar, dass ich Scheiße gebaut hatte. Ich sollte zur Polizei fahren, dachte ich mir. Sollte mich stellen, dachte ich mir. Sollte meine Zeit im Knast absitzen, dachte ich mir. Und dann dachte ich mir, wie schlecht es mir eigentlich ging.
Ich drückte auf die Bremse, das Auto kam zum stehen, ich stieg aus, zog die P99 aus der Hose, drückte den Lauf an meinen Kopf, zog den Hahn durch und starb. Mann, ich kann Pessimisten nicht ausstehen.