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Zeiten sind das

Challenge Greenhorn
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31.01.2016
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Zeiten sind das

Mit einem Schwung setzt Luise die Teetasse auf den Unterteller, dass es scheppert, und reißt die Augen auf. Das ist doch ... also, was soll sie davon halten? Sie schnappt nach Luft und ähnelt in diesem Moment einem Vogel mit den runden Augen und der spitzen, nach unten gebogenen Nase.
An der rot-verklinkerten Hauswand des Lebensmittelgeschäfts gegenüber stehen in schwarzen Buchstaben zwei Worte. In englischer Sprache. Das erkennt Luise sofort.
NO FUTURE
Luise spricht nicht englisch. Sie hatte einmal für kurze Zeit einen britischen Freund. Damals. Nach dem Krieg. Sie schüttelt den Kopf, ihre hellen Haare wehen über die Augen, um den aufkommenden Gedanken an diese Zeit zu verscheuchen.
Was die beiden Worte betrifft, die mit unregelmäßigen Großbuchstaben am Haus gegenüber prangen, ist sich Luise sicher.
Sie bedeuten KEINE ZUKUNFT

Die Tasse ist Teil des friesischen Teeservices mehr als doppelt so alt wie Luise selbst. Sie wäscht es mit der Hand ab, obwohl sie eine Spülmaschine besitzt und auch nutzt. Das Wasser im Becken ist heiß und deswegen trägt sie Gummihandschuhe. Dabei lächelt sie, weil sie an ihre Großmutter denkt, die auch welche benutzte, wenn sie Geschirr spülte.
Das Service gehörte bereits zur Aussteuer ihrer Großmutter und hat drei Ehen, eine davon recht temperamentvoll - ihre Mutter schleuderte schon mal einen Teller auf den Terrazzoboden der Küche - und sieben Kinder überdauert. Hier und da ist es angeschlagen und ein Teller fehlt nun also, aber im Großen und Ganzen ist es sehr schön, findet Luise und stellt die getrocknete Tasse in die Vitrine.
Die meiste Zeit im Jahr benötigt Luise nur noch ein Gedeck. Ihre Zwillingssöhne mit ihren Familien kommen nicht oft zum Tee. Sie leben beide in Bayern, also am anderen Ende der Republik. Wenn sie es genau bedenkt, kamen sie in den letzten Jahren nur zu Luises Geburtstag.

Meine Güte, denkt sie, die Jahre sind doch im Grunde recht schnell vergangen und dabei betrachtet sie gedankenverloren ihre unberingten Finger, die im Augenblick des Nichtstuns auf dem Küchentisch liegen. Sie ist keine grüblerische Frau. Ganz pragmatisch erzog sie ihre Jungs allein. Nicht, dass ihr keine Männer über den Weg gelaufen sind, die sie hätte bekochen sollen, nachdem der Vater ihrer Söhne nicht aus dem Krieg zurückkam, aber Luise hat wohl die Gelegenheit versäumt. Sie war eben sehr beschäftigt während der zurückliegenden Jahre.
Sie hebt den Kopf und wirft einen Blick auf die Uhr über der Küchentür. Die tickt laut und hat ebenfalls schon einige Jahre im Uhrwerk. Luises Blick schweift erneut hinaus aus dem Fenster, vor dem der Küchentisch steht, seit sie vor rund sechzig Jahren in dieses Haus eingezogen ist.

Gestern stand noch nichts an der verklinkerten Mauerwand. Das wäre ihr aufgefallen. Schließlich kauft sie dort täglich ein und auch gestern trank sie hier am Tisch ihren Mittagstee. Bis vor zehn Jahren hat sie selbst im Geschäft drüben gearbeitet. Nein, gestern ist die Wand noch makellos gewesen.
Luise rührt schnell in der Tasse. Sie trinkt den Tee mit Zitrone ohne Milch und Zucker. Das ist besser für die Gelenke, sagt sie immer. Jetzt sind es zwei Geräusche im Zimmer. Die tickende Uhr und der Klang des Löffels, der beim Rühren rhythmisch und aufgeregt an das Porzellan schlägt. Luise isst auch keinen Keks zum Tee. Nicht an gewöhnlichen Tagen. Vielleicht ist sie deshalb noch so gut in Form. Den Gehwagen, den ihr die Zwillinge vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt haben, nutzt sie nur, wenn sie zum Friedhof geht, um das Grab ihrer Eltern zu besuchen. Und dann auch gleich das ihrer Schulfreundin Else. Seit letztem Jahr ist nur noch Luise übrig und das seidene Halstuch, das sie von Else zum achtzigsten Geburtstag bekommen hat. Luise trägt es, wenn sie sie besucht und das Laub vom Grabstein fegt. Vielleicht freut sich Else.
Es klingelt an der Wohnungstür. Luise zuckt kurz zusammen, steht dann auf und geht mit schnellem Schritt in den Flur, um zu öffnen.

„Wer ist denn da?", ruft sie vorher und räuspert sich.
„Yalcin", hört sie den Jungen, der vor kurzem mit seiner Familie in die erste Etage gezogen ist. Luise bekommt schon lange keinen unangekündigten Besuch mehr und öffnet die Tür zögerlich.
„Hallo", sagt der Kleine mit den dunklen Augen und richtet den Blick schnell auf seine Turnschuhe. Seine Wangen haben die gleiche Farbe wie sein T-Shirt, auf dem weiße Buchstaben gedruckt sind, die für Luise keinen Sinn ergeben.
„Guten Tag ... " Luise hat den Namen nicht richtig verstanden.
„Meine Mutter fragt, ob sie hochkommen und einen Tee mit ihr trinken wollen", sagt der Junge laut. Er ist wohl acht oder neun Jahre alt. So genau erkennt Luise das nicht.
Sie hat schon lange keine Einladung zum Nachmittagstee erhalten. Eine heiße kleine Welle steigt ihr zu Kopf, verweilt dort einen Moment und flutet dann den Rücken hinunter.
„Du musst gar nicht so laut reden. Meine Ohren funktionieren noch ganz gut", erwidert sie recht wirsch. Der Junge errötet erneut.
Das bedauert Luise allerdings unverzüglich und fügt schnell hinzu: „Das ist eine nette Idee von deiner Mutter."
Und als der Junge keine Anstalten macht, zu gehen, setzt sie nach: „Was bedeuten denn die Buchstaben auf deinem Hemd?"
Yalcin blickt an sich hinunter: „Yolo", murmelt er.
„Ist das deine Muttersprache?"
Yalcin lacht: „Nein, das is ne Abkürzung. Englisch."
„Aha. Und was bedeutet das?" Luise lacht nicht.
„You ... only ... live ... once. Also so, du lebst nur einmal", nuschelt er leiser.
„So", meint Luise und zögert einen Moment, bevor sie weiter spricht, „ich ziehe nur andere Schuhe an und komme dann hoch." Dabei macht sie eine scheuchende Handbewegung und bedeutet dem Jungen, er möge vorgehen.

„Wie schön, dass Sie kommen, Frau Peterson", freut sich die junge Frau.
Hübsch sieht sie aus. Etwas exotisch für Luises Geschmack mit ihrem Kopftuch, aber der Stoff ist fein. Das sieht Luise gleich. Ähnliche Tücher sah sie Anfang der vierziger Jahre bei den Frauen, die aus Italien in die Werke nach Kiel kamen, um auszuhelfen. Nette Frauen waren das. Auch so hübsch und fremd mit ihren dunklen Haaren und Augen.
„Wenn Sie lieber Kaffee ...“
„Nein. Ich trinke sehr gerne Tee. Mit meiner Freundin Else habe ich im Winter an sehr kalten Tagen oft Tee getrunken. Mit Rum." Luise lächelt kurz und sieht dabei jünger aus.
Frau Özdemir lächelt auch. „Ich habe leider kein Rum.“
Luise winkt ab und ihre schlanke Hand klappt bei dieser Geste noch recht geschmeidig im Handgelenk umher.
„Das liegt lang zurück. Ich vertrage gar kein' Alkohol. Der macht mich übermütig."
Sie kichert und nimmt auf dem rotbezogenen Stuhl am Esstisch der Familie Platz, stellt die Handtasche neben sich. Es ist eigentlich mehr eine Einkaufstasche und Luise weiß auch gar nicht, warum sie sie mitgenommen hat. Wohl aus Gewohnheit.
„Murat, wir haben einen Gast." Frau Özdemir lächelt Luise verlegen an. „Es ist schwieriges Alter."
Luise nickt. So genau weiß sie aber nicht, wie das gemeint ist.
„Er findet kein' Lehrstelle." Sie scheint vom älteren Sohn der Familie zu reden. Den kleineren kennt Luise ja bereits.
Murat nimmt sich Gebäck vom Tisch, blickt Luise flüchtig an und stolpert über ihre Tasche. Manieren hat er ja nicht, denkt sie noch und zieht eine Augenbraue hoch. Murat wirft einen grimmigen Blick auf Luise und mault etwas, das sie nicht versteht.
„Nicht leicht für junge Menschen in dieser Zeit", entschuldigt sich Frau Özdemir schulterzuckend und reicht ihrem Gast einen Teller mit Selbstgebackenem.
„Ich esse eigentlich keinen Kuchen ... an gewöhnlichen Tagen ... Aber das ist ja kein gewöhnlicher Tag, nicht wahr?"
Sie greift dann doch beherzt zu, schnuppert am Gebäck und beißt ein großes Stück davon ab.
„Nehmen Sie es mir nicht übel, liebe Frau, aber was meinen Sie mit in dieser Zeit?" Luise spricht mit vollem Mund. Frau Özdemir sieht Luise irritiert an.
„Die jungen Menschen suchen Arbeit, müssen zufrieden sein, muss passen. Natürlich gut bezahlt. Am liebsten Büro." Sie sucht nach Worten.
„Natürlich", wiederholt Luise leise. „Der Kuchen ist sehr gut. Besser als vom Laden drüben.
Haben Sie die Schmiererei an der Fassade auch bemerkt?"
Jetzt weiß Frau Özdemir nicht wovon die Rede ist und schüttelt den Kopf.
„Jemand ist wohl unzufrieden, wie Ihr Murat und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben oder gesprüht", sagt Luise im gewichtigen Tonfall mit Betonung und beißt erneut in den saftigen Kuchen. Etwas zuckriges Rosenwasser läuft ihr in den Mundwinkel. Das kümmert die alte Dame aber nicht. „Wissen Sie, wie das gemeint sein kann? Die Zukunft ist doch immer da, oder etwa nicht?"
Frau Özdemir rutscht unruhig auf dem Stuhl herum. Das Thema scheint ihr nicht zu behagen. „Naja, will wohl sagen, dass Zukunft ungewiss", versucht sie es.
„Aber ist sie das nicht immer?" Irgendwie findet Luise keinen Zugang zu diesem Gedanken. „Wissen Sie, Frau Özdemir, ich bin eine alte, einfache Frau. Ich habe gearbeitet, um meine Söhne und mich zu versorgen. Wenn ich es genau nehme, habe ich nie darüber nachgedacht, ob die Arbeit zu mir passt, oder ob ich dabei nass oder kalt werde." Sie blickt ihrer Gastgeberin freundlich in die Augen.
Dann nippt sie mit einem kleinen Geräusch am Tee. Der ist etwas bitter.
Frau Özdemir nickt nachdenklich.
„Die Zeiten waren im Grunde nie gut, oder? Sie haben Ihre Heimat verlassen müssen." Luise lächelt sanft und empfindet tiefes Mitgefühl bei diesem Gedanken.
„Mein Mann hat gute Arbeit. Harte Arbeit, reicht für Familie", ereifert sich die Hausfrau und korrigiert den Sitz des Kopftuches.
„Das meine ich ja." Luise greift die Papierserviette, die neben ihrem Teller liegt und wischt sich einmal flink über die schmalen Lippen.
„Ich war jung und es war Krieg", gibt sie zu bedenken. „Auch nicht gut", fügt sie hinzu und zwinkert mit einem Auge.
„Noch Tee?" Frau Özdemir steht auf und greift zur silbernen Teekanne.
„Danke, nein. Aber das müssen wir bald bei mir wiederholen", sagt Luise und legt beim Aufstehen ihre Hand auf die ihrer Nachbarin. „Ich muss jetzt los. Auf Wiedersehen." Luise nimmt ihre Tasche und verlässt mit festem Gang die Wohnung.

Zurück in ihrer Küche, nimmt sie erneut am Tisch Platz und schaut auf das Graffito an der Wand am Haus gegenüber. Dann steht sie auf und geht zum Buffet. Ganz hinten im Schrank steht noch eine Flasche Rum. Else und sie haben sie nicht mehr leeren können. Es waren wohl doch zu wenig gemeinsame Winternachmittage gewesen. Während sie Wasser aufsetzt, bringt sie die Tasche an ihren Platz im Flur zurück. Dabei bemerkt sie eine Dose darin. Luise nimmt sie heraus und betrachtet sie.
'Acrylcolor' steht darauf. 'Schwarz'.
Luise runzelt die Stirn, trägt die Dose in die Küche und stellt sie auf den Tisch.
Wie die wohl in ihre Tasche geraten ist? Nachdem sie heißes Wasser in ein Glas gegossen hat, gibt sie einen kräftigen Schluck Rum hinein. Es ist schon ein besonderer Tag, wenn auch nicht so klirrend kalt und frostig wie an manchen Tagen, an denen Else und sie ihren Nachmittagstee mit Rum tranken.

„Mama! Guck' mal! Frau Peterson! Was macht die denn da?"
Frau Özdemir eilt zu ihrem kleinen Sohn ans Fenster und sieht Luise Peterson am gegenüberliegenden Haus auf ihrem Gehwagen stehen. Luise hat einen Wollmantel an und einen Hut auf dem Kopf. In der rechten Hand, die mit einem rosafarbenen Gummihandschuh bedeckt ist, hält sie eine Spraydose, mit der sie bereits drei Buchstaben unter das Graffito an die Hauswand gesprüht hat: Y O L ...
Mutter und Sohn stehen in der ersten Etage und beobachten mit offenen Mündern die alte Frau.
Auf dem Gehweg neben Luise steht ein brauner, kleiner Koffer. Als Luise ihre Tat vollbracht hat, sehen sie sie vorsichtig von ihrem Gefährt steigen und den Gehwagen in den Vorraum des Lebensmittelladens schieben, das Gepäck greifen und mit geradem Rücken die Straße hinunter gehen. Murat, der sich zu seiner Mutter und dem Bruder hinzugesellt hat, lächelt.

 
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Hey Kanji,

obwohl mir die Idee der Geschichte sympathisch ist, habe ich ein paar Bedenken gegen Konstruktion und Umsetzung der Geschichte. Ich hoffe, Du findest sie nützlich.

Zunächst einmal finde ich mehrere Aspekte der Handlung und der Personen zu unwahrscheinlich. Oder wir leben in sehr unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Keine Ahnung. In meiner Welt reden alte Menschen nicht so, wie Du es in Deiner Geschichte beschreibst. Kein bisschen.

Ein paar Beispiele:

Und als der Junge keine Anstalten macht, zu gehen, setzt sie nach: "Was bedeuten denn die Buchstaben auf deinem Hemd?"

Eine der für mich am schwersten zu akzeptierenden Eigenschaften alter Menschen besteht darin, dass sie sich keinen Deut dafür interessieren, was in jungen Menschen vor sich geht, geschweige denn wissen wollen, was bei denen auf dem T-Shirt steht. Ich habe vor einiger Zeit bei dem Geburtstag meiner Eltern erlebt, dass es vier alte Leute geschafft haben, innerhalb eines angeregten Gesprächs, das wir führten, mir nicht eine einzige Frage zu meinem Leben zu stellen. Das Gespräch lebte davon, dass ich mich nach ihrer Gesundheit erkundigte, nach Arbeiten, die im Haus anlagen usw. Alte Menschen sind großartig darin, von sich zu erzählen und jämmerlich, wenn es darum geht, zuzuhören.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Wenn die in Geschichten vorkommen, müssen sie aber begründet werden, finde ich. Sonst bedeutet das, der Autor hält Ausnahmen für die Normalität, so wie in Deiner Geschichte das Interesse der alten Frau.

Dann die kleine Philosophiestunde bei Tee und Gebäck.

"Jemand ist unzufrieden, wie ihr Murat und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben", sagt Luise im gewichtigen Tonfall mit deutschem Akzent und beißt erneut in den saftigen Kuchen. Etwas Öl läuft ihr in den Mundwinkel. Das kümmert die alte Dame aber nicht. "Wissen Sie, wie das gemeint sein kann? Die Zukunft ist doch immer da, oder etwa nicht?"

Das klingt aus den selben Gründen nicht nach einem alten Menschen. Nun kann man ja sagen, die Geschichte beschreibt eben eine ungewöhnliche alte Dame, aber dann sollte sich das aus irgendeinem Detail ableiten, das begründet, warum sie so offen und interessiert ist. Was bringt Luise dazu, sich nicht wie der Rest ihrer Altersgenossen darauf zu beschränken, Kekse zu mümmeln und Helene Fischer im Fernseher zuzuwinken?

Denn das Problem ist eben, dass so, wie Luise jetzt agiert, so unbegründet geistig offen, flexibel und interessiert, eine Kunstfigur entstanden ist, die nichts anderes zu transportieren scheint, als den Wunsch des Autoren, eine bestimmte Geschichte zu erzählen.

Interessanterweise ist damit auch ein Konstruktionsproblem entstanden. Dass Luise diese Sprayeraktion durchzieht, ist ebenfalls völlig unglaubhaft für mein Empfinden und bestätigt nur den Kunstcharakter dieser Figur. Alte Menschen handeln eben so einfach nicht, außer, sie ticken völlig anders als der Durchschnitt. Und da Du – wie gesagt - das nicht begründest, wirkt es fehlerhaft.

Das Ganze könnte aber als Konstruktion funktionieren, wenn der Leser den Wandel des Denkens selbst beobachtet und begreift, weshalb Luise anders tickt. Ein großartiges Beispiel ist der Film Gran Torino, der einen Rentner zeigt, einen Rassisten reinsten Wassers, bei dem die Nachbarschaft allmählich durch Vietnamesen besiedelt wird und der aus purem Starrsinn nicht wegziehen will, obwohl die "Schlitzaugen" ihn ziemlich ankotzen. Die Handlung des Films bricht den starren Geist des Mannes auf und hat eine ziemliche Wucht, mal abgesehen davon, dass es Spaß macht, dabei zuzuschauen.

In Deiner Geschichte ist Luise aber unbegründet schon frei im Kopf, deshalb sieht man da auch keine Wendung, kein Umschlagen der Stimmung oder Atmosphäre. Der entscheidende Punkt wäre, sie vorher eben anders zu zeigen.

Dann zur beschreibenden Ebene:

Sie trinkt den Tee mit Zitrone ohne Milch und Zucker.

Wenn sie den Tee mit Zitrone trinkt, versteht sich von selbst, dass sie keine Milch dazutut. Ich nehme das mal Beispiel für überflüssige Informationen, die den Text träge und betulich wirken lassen.

... ähnelt so einem Küken mit Schnupfen.

Ist ja drollig. Und das Problem. Möchtest Du einen drolligen Text schreiben?

Murat, der sich zu seiner Mutter und dem Bruder hinzugesellt hat, schmunzelt verhalten.
Er schmunzelt. Auch drollig. Das Wort hat in ernsthaften Texten nichts zu suchen, aber das ist vielleicht mein privater Wahn. Ich finde, das ist ein Wort der in Liebes- und Arztromane gehört, aber nicht in wahrhaftige Texte. Und dann schränkst Du das Schmunzeln (das schon so ein Pippi-Wort ist) auch noch ein, indem es nur ein verhaltenes Schmunzeln sein darf. Armer Murat. Lächeln wäre zu männlich.

Fazit: Natürlich ist bei meiner Kritik ganz viel persönlicher Geschmack dabei. Daran solltest Du Dich nicht gebunden fühlen. Ich kann leider nicht einwandfrei trennen zwischen subjektivem Geschmacksurteil und objektiver Textkritik, aber ich denke, ich liege zumindest nicht völlig falsch. Du schreibst so gut, dass ich es schade finde, wenn Deine Geschichten unter dem Verniedlichungssyndrom leiden müssen. Mach es doch ein bisschen kantiger und strenger, und dann wird bestimmt eine richtig gute Geschichte daraus.

Gruß Achillus

 

Hej Lind,

danke, dass du meinen Text gelesen hast und sie dir gefallen konnte. Es freut mich besonders, dass dir der Humor zusagte.

Freundlicher und einen schönen Abend, Kanji

Hej Tintenfass,

Schön, dass du in meine Geschichte gefunden hast und mit behilflich bist.

Luise ist tatsächlich eine erstaunliche Frau.

Es gehörte schon zur Aussteuer ihrer Großmutter und hat drei Ehen, eine davon recht temperamentvoll - ihre Mutter schleuderte schon mal einen Teller auf den Terrazzoboden der Küche - und sieben Kinder überdauert.

Ich finde, das Markierte braucht es hier nicht, denn es ergibt sich aus der temperamentvollen Ehe. Da denke ich mir, dass Geschirr zu Bruch ging.


Ach guck, da dachte ich: machste mal etwas "show" und dann passt es gar nicht. :shy:

Sie" höfliche Anrede.

Natürlich. :D

Yalcin lacht: "Nein, das ' 'ne Abkürzung. Englisch."

Ist da ein Apostroph zu viel?

Da wusste ich mir nicht zu helfen, ein ganzes fehlendes Wort zu ersetzen. Muss ich mal nachschlagen.

Dabei macht sie eine scheuchende Handbewegung und bedeutet dem Jungen, er möge vorgehen.

Hier denke ich auch, dass das Fette weg könnte, da es sich aus der scheuchenden Handbewegung ergibt. Ich finde, das musst Du nicht erklären.


Alles klar, schenke ich mir.

Das Ende kam für mich unerwartet und ich finde es sehr originell.

Das ist gut.

Vielen Dank für deine Zeit und Hilfe und lieber Gruß, Kanji

Hej Achillus,

mit großer Freude und hohem Interesse habe ich deinen Kommentar "verschlungen" (habe ich doch großen Respekt vor deinen Geschichten und Kommentaren zu anderen Wortkriegern).

obwohl mir die Idee der Geschichte sympathisch ist, habe ich ein paar Bedenken gegen Konstruktion und Umsetzung der Geschichte. Ich hoffe, Du findest sie nützlich.

Und diese Einleitung macht es mir leicht.

Zunächst einmal finde ich mehrere Aspekte der Handlung und der Personen zu unwahrscheinlich.

Das war für mich kein Gedanke. Ich wollte es so. Und wann kann das geschehen, wenn nicht in meinen Geschichten? Rettet dafür ein "tag seltsam" das gewagte Unterfangen?

Oder wir leben in sehr unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Keine Ahnung. In meiner Welt reden alte Menschen nicht so, wie Du es in Deiner Geschichte beschreibst. Kein bisschen.

Das tut mir leid. Ich glaube auch in meinem Lebensradius gibt es alte Damen, die andere Unterhaltungen und Aktivitäten nachgehen, aber um die mache ich einen Bogen.

Eine der für mich am schwersten zu akzeptierenden Eigenschaften alter Menschen besteht darin, dass sie sich keinen Deut dafür interessieren, was in jungen Menschen vor sich geht, geschweige denn wissen wollen, was bei denen auf dem T-Shirt steht.

Das sind die langweiligsten und zu meiden. Die dürfen gerne unter sich bleiben.

Alte Menschen sind großartig darin, von sich zu erzählen und jämmerlich, wenn es darum geht, zuzuhören.

Das sind die auffälligen. Die anderen, die Luises und die Elses müssen achtsam gesucht werden. Ich habe wohl eine Gabe, sie zu erkennen und aufzuspüren, von ihnen zu lernen und schöne Stunden zu verbringen.

Wenn die in Geschichten vorkommen, müssen sie aber begründet werden, finde ich.

Das leuchtet mir ein.

Vielleicht habe ich das mit folgenden Aussagen zu zurückhaltend versucht.

Sie hatte einmal für kurze Zeit einen britischen Freund. Damals. Nach dem Krieg. Sie schüttelt den Kopf, ihre federleichten, hellen Haare wehen über die Augen, um den aufkommenden Gedanken an diese Zeit zu verscheuchen.

Wollte ausdrücken: Luise hatte eine kurze Affäre, obwohl der Vater ihrer Söhne noch nicht zurückgekehrt war, bzw. gefallen war.

Meine Güte, denkt sie, die Jahre sind doch im Grunde recht schnell vergangen und dabei betrachtet sie gedankenverloren ihre unberingten, mageren Finger, die im Augenblick des Nichtstuns auf dem Küchentisch liegen.

Wollte damit sagen: sie ist eine aktive Frau, die gar nicht merkt, wie schnell die Zeit vergeht und wie alt sie geworden ist.

Ganz pragmatisch erzog sie ihre Jungs allein. Nicht, dass es keine Männer gegeben hat, die sie hätte bekochen sollen, nachdem der Vater ihrer Söhne nicht aus dem Krieg zurückkam, aber Luise hat wohl die Gelegenheit versäumt. Sie war eben sehr beschäftigt.

Damit deute ich einen Hauch Emanzipation an, lieber alleine mit den Söhnen zurecht zu kommen, als sich abhängig zu machen von einem "Versorger", der seinerzeit eher eine Köchin gebraucht hätte.

Bis vor zehn Jahren hat sie selbst im Geschäft drüben gearbeitet.

Sie war also über 70, als sie aufhörte zu arbeiten.

Luise ist neugierig und öffnet die Tür.

Na eben, interessiert. ;)

Ähnliche Tücher sah sie Anfang der vierziger Jahre bei den Frauen, die aus Italien in die Werke nach Kiel kamen, um auszuhelfen. Nette Frauen waren das. Auch so hübsch und fremd mit ihren dunklen Haaren und Augen.

Und auch zu einer schwierigen Zeit mit fremden Zwangsarbeiterinnen hart gemeinsam zu arbeiten, war Luise aufmerksam, unvoreingenommen und neugierig.

Dass Luise diese Sprayeraktion durchzieht, ist ebenfalls völlig unglaubhaft für mein Empfinden und bestätigt nur den Kunstcharakter dieser Figur.

Naja, da ich ja nun eine andere Luise im Kopf hatte und mich eher bei denen umgesehen habe, die auch im hohen Alter noch mit Plakaten auf Demos gehen, die aktiv ehrenamtlich arbeiten, war es für mich kein ganz so großer Sprung mit der Spraydose an die Hauswand. :D

Ein großartiges Beispiel ist der Film Gran Torino, der einen Rentner zeigt, einen Rassisten reinsten Wassers, bei dem die Nachbarschaft allmählich durch Vietnamesen besiedelt wird und der aus purem Starrsinn nicht wegziehen will, obwohl die "Schlitzaugen" ihn ziemlich ankotzen. Die Handlung des Films bricht den starren Geist des Mannes auf und hat eine ziemliche Wucht, mal abgesehen davon, dass es Spaß macht, dabei zuzuschauen.

Ich kenne diesen Film und schätze Clint Eastwood (nach seinem Engagement für Trump eher wieder weniger) und habe in diesem Zeitraum den kuriosen Wandel gerne begleitet. So viel Raum und Zeit habe ich mir nicht erlaubt, auch aus Unvermögen, weil ich den Leser wohl eher gelangweilt hätte.

In Deiner Geschichte ist Luise aber unbegründet schon frei im Kopf, deshalb sieht man da auch keine Wendung, kein Umschlagen der Stimmung oder Atmosphäre. Der entscheidende Punkt wäre, sie vorher eben anders zu zeigen.

Wenn meine vorherigen Punkte dafür nicht ausreichen, müsste ich wohl noch nachbessern, vielleicht eine Erinnerung aus ihrer Kindheit als wildes, unangepasstes Kind (verheiratet war sie nie, aber das zählt wohl nicht :shy:)

Wenn sie den Tee mit Zitrone trinkt, versteht sich von selbst, dass sie keine Milch dazutut. Ich nehme das mal Beispiel für überflüssige Informationen, die den Text träge und betulich wirken lassen.

Alles klar, das wusste ich nicht, dass ich das voraussetzen kann.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
... ähnelt so einem Küken mit Schnupfen.

Ist ja drollig. Und das Problem. Möchtest Du einen drolligen Text schreiben?


Verstehe. Ich hatte vor, damit eine Figur zu zeichnen. Manche Menschen ähneln Tieren. Sie erinnert mit ihrer leichten, zarten, blonden Art einem kleinen Vogel. Ich versuche ein ernsthafteres Bild zu ersinnen.

Er schmunzelt. Auch drollig. Das Wort hat in ernsthaften Texten nichts zu suchen, aber das ist vielleicht mein privater Wahn. Ich finde, das ist ein Wort der in Liebes- und Arztromane gehört, aber nicht in wahrhaftige Texte. Und dann schränkst Du das Schmunzeln (das schon so ein Pippi-Wort ist) auch noch ein, indem es nur ein verhaltenes Schmunzeln sein darf. Armer Murat. Lächeln wäre zu männlich

Das verstehe ich auch, habe aber diese Dimension nicht erkannt. Auch weil ich nicht wusste, dass der Text ernsthaft ist. Ich werde nach Abschluss der challenge Murat einen ernsthafteren Charakter zukommen lassen.

Du schreibst so gut, dass ich es schade finde, wenn Deine Geschichten unter dem Verniedlichungssyndrom leiden müssen. Mach es doch ein bisschen kantiger und strenger, und dann wird bestimmt eine richtig gute Geschichte daraus.

Vielleicht kann ich der Geschichte damit mehr Tiefe geben. Vielen Dank für deine deutlichen Worte und Zeit, die du mir geschenkt hast.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Zunächst einmal finde ich mehrere Aspekte der Handlung und der Personen zu unwahrscheinlich. Oder wir leben in sehr unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Keine Ahnung. In meiner Welt reden alte Menschen nicht so, wie Du es in Deiner Geschichte beschreibst. Kein bisschen.

Lieber Achillus,

mit welchen Alten magstu jemals gesprochen haben, frag ich mich. Gut, als meine Großmutter väterlicherseits 85 war, ging - sofern man von "gehen" sprechen kann, es war eher ein schlürfen - sie eher gebeugten Hauptes und dunkel gekleidet durch die damalige Gegenwart, in der der Gatte durch Staublunge dahingerafft wurde und der Sohn Hilfsarbeiter war, weil ihm die Ausbildung versagt blieb. Sie redete nicht so, wie dreißig Jahtre später ihr Sohn und erst recht nicht dreißig weitere Jahre später ihr Enkel, de inzwischen 66 ist und es für richtig hält, dass die Stones zum Blues in beschissenen und buchstäblich hässlichen, halt hasserfüllten Zeiten, die 1933 ff. schon mal einen Höhepunkt erreichten, zurückfinden.

Nun, ich bin nun mal nur 66, abe glaubstu ernsthaft, dass 85jährige in einer Zeit, da der über 60jährige artenreicherere und variationsreichere Musik hört und spielt, als die Klingeltongeneration sich überhaupt vorstellen kann, von Annelies Rothenberger bis Zandt, Townes Van, wie er auch ganz andere Literatur liest, von Abraham (a Santa Clara) bis Zuckmayer, dass der der Vorstellung unterläge, zu sprechen und Interessen zu haben, wie der Held vor Troja es sich vorstellen könnte?

Ich bin nicht die neue Generation der 30-jährigen (für 20 km brauch ich zu Fuß mindestens zwo Stunden), aber dass wir so sprächen wie die geschändete Generation der eigenen Großeltern und Eltern hinein - gepfiffen!

Wo hastu die Vorstellung her, dass das Interesse nur aufs Serben gerichtet sei - ich muss das fast befürchten. Ein Lazarett? Ein Krematorium?

So, jetzt kütte Anstalt.

Tschüss

Friedel

 

Hallo Kanji, okay, ich sehe, wie Du es meinst. Sorry, dann waren mir diese Andeutungen für die Ursachen von Luises Offenheit zu subtil. Letztlich bedeutet es aber, dass Du selbst einiges getan hast, um ihren Charakter zu begründen, und das finde ich gut. Gruß Achillus

Hey Friedel! Genau. Jetzt greifst Du den einen unten tausend alten Menschen raus, der ernsthafte Musik hört und spielt, ernsthafte Literatur liest (und wahrscheinlich obendrein noch selbst schreibt) und obendrein 20 Kilometer in zwei Stunden rennt und willst mir den als Durchschnitt verkaufen? Nee, das glaub ich nicht.

Ich denke, dass Alter eine Voraussetzung für Weisheit und auch für tiefgreifende Bildung ist. Aber leider ist umgekehrt ebenso wahr, dass Alter nicht automatisch zu Weisheit und Bildung führt. In der Regel führt es zu Starrsinn und Desinteresse. Darum sterben die meisten Menschen um keinen Deut reifer, stärker oder weiser, als der Durchschnitt der anderen Verrückten. Du bist die Ausnahme und zählst deshalb nicht.

Gruß Achillus

 

... Und Luise, und Else und eben viele Damen, die mir als Vorbild dienten und denen ich noch eine Menge Geschichten widmen möchte.

Männer mit diesen Eigenschaften dieses Alters sind mir dann meist zu "flirty" :lol:

Danke, Achillus für das Zugeständnis, und es braucht keine Entschuldigung. Ich kann versuchen, zukünftig deutlicher zu werden.

Lieber Gruß, auch an Friedrichard :)

 

dass das Interesse nur aufs Serben gerichtet sei

Liebe Serben hierorts und sonst auf der Welt,

nicht dass Ihr glaubt, ich meinte Euch gestern Abend. Das fehlende t in dem Beitrag einfach nachzutragen, wäre da wohl zu unauffällig. Und bevor es zu Scherben käme, wählte ich nun diesen Weg, Abbitte zu leisten.

Dirty Freatle

Gruß zurück, liebe Kanji und lieber Achillus

 

Hej maria.meerhaba,

es spricht natürlich für dich, wenn ich mich über deinen Besuch freue, obwohl ich nicht davon ausgehe, dich jemals mit meinen Geschichten überzeugen zu können. (Vielleicht sollte ich dir mal einen Kuchen backen :hmm:)

Ufffff. Ich habe es gedacht und ich wollte nett sein und es aussprechen.

Ich schätzr sowohl deinen Vorsatz, als auch deine Ehrlichkeit.

Sechzig Jahre im selben Haus! Ein Schicksal, das ich auf keinen Fall teilen möchte.

Diese Genügsamkeit und Disziplin werden bestimmt mit dieser Generation verloren gehen.

Nein, liebe Kanji, so geht das nicht. Mach sie neugierig, indem du ihrer Neugierde mehr als nur drei Wörter gönnst und sie verdeutlichst, ohne das Wort Neugier zu verwenden. Denn so, in dieser Form, büßt so ein Satz sehr viel an Kraft.

Ich möchte dich dafür küssen :shy:, weil du mich mit der Nase darauf stößt. Es ist sehr offensichtlich und ich kann das bestimmt und es ärgert mich sehr, es mir dennoch so leicht gemacht zu haben.

Und hier das Gleiche. Mach ihn schüchtern.

Ja, natürlich. Und es springt einem direkt ins Gesicht. Ich respektiere das so sehr: du bist hier sehr fleißig dabei, hast selbst eine gute Story geliefert und bist dir nicht zu schade, mir diese Fehler aufzuzeigen. :huldig:

YOLO!
Alte, das ist mal eine mutige Oma! Also Respekt dafür, auch wenn mir bewusst ist, dass diese Figur nicht wirklich echt ist, nehme ich es der Figur problemlos ab.

Das ist schon viel. Danke dafür.

Und so nebenbei: Ich mag Omageschichten wirklich nicht, aber seit sich die Figur aus Schmetterlingssache sich in meinem Kopf verbissen hat und ich auch noch an einer Fortsetzung bastle, hasse ich alte Menschen. Grauenhafte Eigenschaft und sie wird schlimmer.

Das hoffe ich auch, hauptsächlich damit du dich nicht eines Tages selbst hassen musst. ;)

Dein Stil ist total unpassend. Überhaupt nicht okay mit dieser Geschichte. Allein wegen den Beschreibungen und der Wortwahl hätte ich eher gedacht, es wäre eine Kindergeschichte

Ich weiß, was du meinst, aber das ist notwendig. Diese alte, ungebildete Frau steht für eine besondere Art. Die nämlich, die wirklich ihren Sprachgebrauch den eines kleinen Kindes angeglichen hat. Sie sieht wie ein Kind, bezieht einen kleinen kindlichen Radius in ihrem Leben und wirkt darin aufgeweckt und mutig, aber eben kindlich. Ich kann nicht leugnen, dass ich es vermutlich überzeichnet habe. Hinzu kommt, dass ich ihr zudem eben auch einen geringen Wortschatz zugesprochen habe. Damit möchte ich auf ihren Charakter hinweisen.

Bin sicherlich die einzige, die so denkt.

Bestimmt nicht.

Eine nette, kleine Geschichte.

Danke, liebe meryem, das ist doch ein netter Abschluss und ich bin noch im Stück geblieben, vielleicht weil ich dich überrascht habe, was mich freuen würde. :bounce:

Lieber Gruß und alles Gute für deine Geschichte, Kanji

 

Hallo Kanji,

langsam arbeite ich mich durch den Challengeberg und bin bei Deiner Geschichte gelandet und siehe da: von Arbeit keine Spur, sondern einfach Lesespaß. Kritik zur Anregung hast Du schon reichlich bekommen.

Deswegen sage ich nur, dass die kleine Anarchooma mir gut gefallen hat. Wegen mir hätte sie gerne noch mehr anstellen können. Vielleicht machst Du noch eine Nachfolgegeschichte?

Glaubwürdig finde ich die Oma übrigens nicht, aber das stört mich bei Deiner Geschichte überhaupt nicht. Es muss nicht immer alles glaubwürdig sein. Mir hat es einfach Spaß gemacht!

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo kanji,

vielleicht ist alles schon gesagt, aber ich mag mich nicht durch das Kommentarmassiv durchwühlen, der Challengeberg reicht mir schon.

Wenn sie es genau bedachte, kamen sie in den letzten Jahren nur zu Luises Geburtstag.
Vorher steht Präsens, also sollte es auch hier heißen, wenn sie es genau bedenkt Und wieso Luises Geburtstag? Es ist doch wohl immer noch die gleiche Person, also ihrem Geburtstag.

Nicht, dass es keine Männer gegeben hätte, die sie hätte bekochen sollen

Die tickt laut und hat selbst schon einige Jahre im Uhrwerk.
Das selbst ist überflüssig bzw falsch. Wenn du die Uhr mit Luise vergleichen willst, würde ich auch empfehlen.

richtet den Blick schnell auf einen Fleck neben Luise an die Tür.
Das klingt so nicht gut. Er richtet seinen Blick auf einen Fleck an der Tür - oder, wenn kein realer Fleck gemeint ist, dann Punkt

Zum Inhalt: Erst einmal eine schöne Geschichte über einen alten Menschen der von einem negativen Spruch an der Wand und seinem Gegenstück auf dem Pullover angeregt wird, sich für eine andere Zukunft zu entscheiden.

Zwei Dinge sind mir aufgefallen: Nach den Namen handelt es sich ja um eine türkische Familie. Bei den türkischen Familien, die ich in Hamburg kennengelernt habe, haben die meisten Frauen gearbeitet - und wenn sie es nicht taten, sprachen sie in der Regel auch kaum deutsch. Und die familiäre Ordnung in dieser Famiilie ist ungewohnt. Eine türkische Mutter redet kaum mit einer Nachbarin über ihre Kinder, wenn diese dabei sind. Und Kritik an Jungen gibt es ohnehin kaum. Diese Konstellation, die du beschreibst, weist auf Istanbul-Türken hin, also gebildete Menschen aus der Mittelschicht. Das würde auch erkären, warum der Sohn im Büro arbeiten möchte (eher unüblich). Aber warum bekommt er keine Lehrstelle? Das kommt mir bei den vermuteten Familienverhältnissen doch eigenartig vor. Ist er lieber ein Aussteiger?

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hej Geschichtenwerker,

es ist sehr freundlich, noch einen Kommentar zu meiner Geschichte hinterlassen. Diese Challenge könnte tatsächlich in Arbeit ausarten. Umso angenehmer, wenn Lesespaß dabei ist.

Es freut mich, dass ich dir mit Luises Charakter jemanden geliefert habe, den du gerne weiter begleiten würdest. Diese Geschichten sind mir selbst die allerliebsten: wenn ich die Protagonisten ungerne gehen lasse und mir vorstelle, wie sie mit ihren Eigenschaften weiter durchs Leben gehen. :)

Glaubwürdig finde ich die Oma übrigens nicht, aber das stört mich bei Deiner Geschichte überhaupt nicht. Es muss nicht immer alles glaubwürdig sein.

Das ist immer die Gefahr. Aber ich hatte schon Lust, Luises Handeln auf die Spitze zu treiben. :D

Bei dir kam das zum Glück nicht negativ an. Vielen Dank für deine Zeit.

Freundlicher Gruß, Kanji


Hej jobär,

Herzlichen Dank für deinen Besuch und deine Zeit, die du für meine Geschichte benötigt hast.

vielleicht ist alles schon gesagt, aber ich mag mich nicht durch das Kommentarmassiv durchwühlen, der Challengeberg reicht mir schon.

Das soll wirklich nicht deine Sorge sein, ich behalte schon den Überblick.,;)

Die technischen Fehler habe ich beseitigt. Vielen Dank für die Hinweise.

Zwei Dinge sind mir aufgefallen: Nach den Namen handelt es sich ja um eine türkische Familie. Bei den türkischen Familien, die ich in Hamburg kennengelernt habe, haben die meisten Frauen gearbeitet - und wenn sie es nicht taten, sprachen sie in der Regel auch kaum deutsch.

Wir gehen davon aus, dass die türkische Frau arbeiten geht. "Heute" hat sie frei. Dass ihre Kinder zur Sprache kamen, war ein Verteidigungsreflex wegen des schlechten Benehmens ihres Sohnes.

Das würde auch erkären, warum der Sohn im Büro arbeiten möchte (eher unüblich). Aber warum bekommt er keine Lehrstelle? Das kommt mir bei den vermuteten Familienverhältnissen doch eigenartig vor. Ist er lieber ein Aussteiger?

Murat ist ein cleveres Bürschchen, in der Stadt groß geworden, mit einem guten Schulabschluss. Was er sich wünscht, was die Mutter sich für ihn wünscht, ist nicht besonders relevant in dieser kleinen Szene. Interessanter ist sein Unmut. Vielleicht einigen wir uns auf eine kulturübergreifende Pubertät und eine daraus resultierende Aktion?

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen.

Darüber freue ich mich.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

ich weiß gar nicht, ob es an meinem derzeit ziemlich stressigen Arbeitsalltag liegt, dass ich mich so wenig auf die beschauliche Atmosphäre deiner Geschichte einlassen kann. Das bedauere ich sehr, denn eigentlich wäre es doch genau die richtige Jahreszeit ...

Den Gegensatz zwischen friesischen Geschirr und No Future finde ich hier aber trotzdem spannend, ebenso die vielen anderen Widersprüchlichkeiten (alt, jung, generationsspezifische Formulierungen), die du einzustreuen verstehst und die dem Text eine reizvolle Note geben.

Ein bisschen gestört hat mich die Darstellung der türkischen Nachbarin - klar, vielen insbesonders älteren Menschen fällt es schwer, eine neue Sprache auch in einem Land korrekt zu lernen, das ihren Lebensmittelpunkt bildet, zumal diese dann ja in der Regel auch nicht schulisch vermittelt wird. Ich frage mich nur immer, wo die Türkinnen abgebildet werden, die zu meinem Bekanntenkreis zählen - gebildet, selbstbewusst, eigenständig.
Immerhin wird deine alte Dame aktiv, das fand ich lustig.

Vielleicht sollte ich im Moment gar nicht kommentieren, denn irgendwie kommt nix Vernünftiges dabei heraus. Aber ich hatte mich so sehr über deinen Kommentar gefreut und mir doch auch vorgenommen, zu so vielen Texten wie möglich zu schreiben.

Eventuell kannst du ja trotzdem etwas damit anfangen, ansonsten streiche es einfach aus dem Protokoll ...

Viele Grüße
Willi

 

Hej Willi,

wie schön, dass du dich in meine Geschichte verirrt hast. Darüber freue ich mich.

ich weiß gar nicht, ob es an meinem derzeit ziemlich stressigen Arbeitsalltag liegt, dass ich mich so wenig auf die beschauliche Atmosphäre deiner Geschichte einlassen kann. Das bedauere ich sehr, denn eigentlich wäre es doch genau die richtige Jahreszeit ...

Das macht doch nix. Ich kenne dieses Syndrom nur zu gut: Stimmungslesen.
Umso freundlicher, dass du nicht dennoch zurechtfindest und kommentierst.

Den Gegensatz zwischen friesischen Geschirr und No Future finde ich hier aber trotzdem spannend, ebenso die vielen anderen Widersprüchlichkeiten (alt, jung, generationsspezifische Formulierungen), die du einzustreuen verstehst und die dem Text eine reizvolle Note geben.

Das ist doch schon mal ein Glück, dass es dir auffällt.

Ein bisschen gestört hat mich die Darstellung der türkischen Nachbarin

Ich frage mich nur immer, wo die Türkinnen abgebildet werden, die zu meinem Bekanntenkreis zählen - gebildet, selbstbewusst, eigenständig.

Das kann ich nachvollziehen.

Die bevorzugte Darstellung der modernen, gebildeten Türkin wäre eine andere Geschichte.

Aber ich hatte mich so sehr über deinen Kommentar gefreut und mir doch auch vorgenommen, zu so vielen Texten wie möglich zu schreiben.

Es ist ja auch ein interessanter Text von dir geworden, die mit dem "ominösen" Mick Gärtner. ;)

Eventuell kannst du ja trotzdem etwas damit anfangen, ansonsten streiche es einfach aus dem Protokoll ...

Natürlich. Soweit kommt es noch ... Es ist mir eine Freude, dass du meine Geschichte gelesen hast.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

dann wollen wir mal …

Sie hatte einmal für kurze Zeit einen britischen Freund. Damals. Nach dem Krieg.
Hier hast du ganz geschickt versteckt, wie alt die Dame ist. Sehr gut.

Nächste Woche wird sie fünfundachtzig Jahre alt.
Oh, da ist es ja doch ...
Das hätte man getrost streichen können. Die Angabe oben reicht.

ihre federleichten, hellen Haare
ihre unberingten, mageren Finger
ihre schlanke Hand
die schmalen Lippen
Mir sind das zu viele Beschreibungen, die zudem auch keinen Mehrwert haben.
Sie ist 85! ;)

Die Tasse ist Teil des friesischen Teeservices und mehr als doppelt so alt wie Luise.
Küchentür. Die tickt laut und hat ebenfalls schon einige Jahre im Uhrwerk
seit sie vor rund sechzig Jahren in dieses Haus eingezogen ist.
Bis vor zehn Jahren hat sie selbst im Geschäft drüben gearbeitet.

An den vielen Altersbeschreibungen bin ich hängengeblieben.
Wofür ist das so wichtig, wie alt das Service und die Uhr sind und seit wann sie dort wohnt und wie lange sie dort gearbeitet hat?

Gestern stand noch nichts an der Mauer zwischen den beiden Fenstern des kleinen Ladens gegenüber ihrer Erdgeschosswohnung.
Das finde ich etwas unrund formuliert (“zwischen den beiden Fenstern”).
Zum einen hätte man das sofort am Anfang (als sie den Schriftzug sieht) beschreiben können, wo die Mauer bzw. die Schrift ist und zum anderen ist es nicht so wichtig, dass es eine Erdgeschosswohnung ist.

Nein, gestern ist die rot-verklinkerte Wand noch makellos gewesen.
Die Beschreibung würde ich auch nach oben ziehen, wo die Wand zum ersten Mal beschrieben wird.

"Hallo", sagt der Kleine mit den dunklen Augen und richtet den Blick schnell auf einen Fleck neben Luise an der Tür
Was für ein Fleck? Kommt da später noch was?

"Guten Tag ... ", Luise hat den Namen nicht richtig verstanden.
"Guten Tag ... " (PUNKT) Luise hat den Namen nicht richtig verstanden.
(Kein Redebegleitsatz)

und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben", sagt Luise im gewichtigen Tonfall mit deutschem Akzent
Mit deutschen Akzent? Mit welchen denn sonst? :Pfeif:
Du meinst sicher deutsche Aussprache …
Vielleicht so:
und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben", sagt Luise im gewichtigen Tonfall und spricht den Spruch dabei falsch aus. (oder so ähnlich) :shy:

Am Ende ist die Oma ja richtig anarchistisch :thumbsup:

Hat mir gut gefallen. :)

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hej GoMusic,

na da hast du ja ordentlich aufgeräumt und ausgemistet. Danke schön. Jetzt habe ich Platz für andere hübsche Gedanken und Beobachtungen.

ihre federleichten, hellen Haare
ihre unberingten, mageren Finger
ihre schlanke Hand
die schmalen Lippen

Mir sind das zu viele Beschreibungen, die zudem auch keinen Mehrwert haben.
Sie ist 85!

Gefällt sie dir nicht? ;)
Im Grunde wollte ich nur ein Bild von ihr entwerfen, wobei ich "unberingt" mit unverheiratet meinte. Ehrlich gesagt, tue ich mich schwer mit dem zu subtil und zu erklärend, zeigen, erzählen, dies das. :lol:

So mit Abstand und deiner Auflistung wird einiges deutlich. Am besten, du sitzt bei meiner nächsten KG neben mir.:shy:

An den vielen Altersbeschreibungen bin ich hängengeblieben.
Wofür ist das so wichtig, wie alt das Service und die Uhr sind und seit wann sie dort wohnt und wie lange sie dort gearbeitet hat?

Ich finde immer noch, dass es etwas über Luises Charakter aussagt. Dinge, die sie wertschätzt, Beständigkeit, meinetwegen auch Unsicherheit. Und dass sie bis über ihren 70. Geburtstag gearbeitet hat, benötige ich für Ihre Lebendigkeit, die es nur halb so abwegig macht, dass die offen, interessiert und naja, "anarchisch" macht.

Das finde ich etwas unrund formuliert (“zwischen den beiden Fenstern”).
Zum einen hätte man das sofort am Anfang (als sie den Schriftzug sieht) beschreiben können, wo die Mauer bzw. die Schrift ist und zum anderen ist es nicht so wichtig, dass es eine Erdgeschosswohnung ist.

Da hast du ganz und gar recht. Und ich werde nach der Challenge ganz behutsam diese Geschichte zu überarbeiten.

Nein, gestern ist die rot-verklinkerte Wand noch makellos gewesen.

Die Beschreibung würde ich auch nach oben ziehen, wo die Wand zum ersten Mal beschrieben wird


Das werde ich auch tun.

"Hallo", sagt der Kleine mit den dunklen Augen und richtet den Blick schnell auf einen Fleck neben Luise an der Tür

Was für ein Fleck? Kommt da später noch was?

Verstehe. Das muss ein Türrahmen werden oder etwas anderes Banales.

und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben", sagt Luise im gewichtigen Tonfall mit deutschem Akzent

Mit deutschen Akzent? Mit welchen denn sonst?
Du meinst sicher deutsche Aussprache …
Vielleicht so:
und hat mit schwarzer Farbe No Future an die Hauswand geschrieben", sagt Luise im gewichtigen Tonfall und spricht den Spruch dabei falsch aus. (oder so ähnlich)

Das werde ich umformulieren.

Hat mir gut gefallen.

Das ist ein freundlicher Abschluss. Hab vielen Dank für deine guten Hinweise und den damit verbundenen Zeitaufwand.

Lieber Gruß, Kanji

 

Hej Kanji,

ich schon wieder.

Ich finde immer noch, dass es etwas über Luises Charakter aussagt
Und ich auch :thumbsup:

Gerade diese humorigen Beschreibungen haben mir in deiner Geschichte gut gefallen. Und weil ichs nicht lassen kann - ohne Dante Friedchen jetzt ins Gehege zu kommen - Humor und Humus haben miteinander zu tun und für mich ist eine mit Humor geschriebene Sprache eine aufbauende Sprache.

Das wollte ich nur mal einwerfen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hej jobär,

deine erneute Zuwendung ist ein nettes Geschenk.

Ich verteidige mich nicht so gerne und habe es dennoch gewagt. Und dass du dann ausgerechnet noch einmal zur Bestätigung dazwischen springst, kommt gerade recht. Denn nun denke ich noch nicht mal mehr über eine Veränderung an dieser Stelle nach!

Ich danke dir aufrichtig für dieses Gespür und deine aktive Freundlichkeit.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Liebe Kanji

Noch immer habe ich den Anspruch, alle Geschichten - oder doch die allermeisten - zu kommentieren, bevor ich abstimme. Langsam wird die Zeit knapp und so habe ich bei deiner Geschichte die Kommentare nicht gelesen - dafür die Geschichte zweimal. Es kann also sein, dass es Überschneidungen gibt.

Der Text hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck, der nicht so einfach zu begründen ist. Er ist auf der einen Seite sehr sauber erzählt, ich bin da nirgends drüber gestolpert. Und ich mag auch die Figuren und den Plot, du erzählst vom Alltag und gleichzeitig auch von einem Wendepunkt.

Allerdings war mir das Ganze etwas zu konstruiert, zu wenig organisch, ich konnte die Entwicklung Lusies, die am Ende zu ihrer Tat (die ich als solche sehr cool finde) nicht so ganz nachvollziehen, obwohl ich zu verstehen glaube, was der Text beabsichtigt.

Ich weiss nicht, ob ich mich klar ausdrücken kann, aber ich sehe hier das Grundgerüst, das Konzept der Geschichte sehr stark durchschimmern: Ausgangslage: Ältere Frau mit offenbar recht bewegtem und autonomen Leben ist in eine Art Stillstand geraten. Ereignis 1: Der Spruch an der Wand, der sie zur Reflexion bringt. Ereignis 2: Das Klingeln an der Tür, Auftritt einer Gegenfigur, ein Kind. Dann das Mittelstück: Aufbruch in die fremde Wohnung und hier wird das Thema der Geschichte diskutiert: Zukunft, Zukunftsängste, was (noch) anfangen mit dem Leben. Ereignis 3: Die Sprühdose. Sie ist der Anlass, der Luise, die offenbar in dieser Zeit eine Entwicklung durchgemacht hat, zum Handeln bringt. Schluss: Das Graffito von Luise, Ausdruck dieser Entwicklung (aber auch Botschaft an die Welt).

Ich finde das ein gutes Grundkonzept, aber ich habe den Eindruck, dass es sehr linear, auch sehr durchsichtig umgesetzt wurde. Der erste Abschnitt enthält zum Beispiel sehr viel Tell. Du musst hier in kurzen behauptenden Rückblenden sowohl die bewegte Vergangenheit als auch den eingetretenen Beinahe-Stillstand etablieren, damit das Klingeln an der Tür vom Leser als Signal, als Aufbruch, als Ereignis gelesen werden kann. Das wirkt zum Teil künstlich: NO FUTURE. Luise spricht nicht englisch. Sie hatte einmal für kurze Zeit einen britischen Freund. Damals. Nach dem Krieg. Ich habe da beim Lesen gedacht, weshalb diese Information? Die kommt aus dem Nichts. Und später: Meine Güte, denkt sie, die Jahre sind doch im Grunde recht schnell vergangen ... Das kommt halt sehr knapp daher, aufs Wesentliche beschränkt und du musst mir glauben, als ich diesen Einsteig gelesen hatte, wusste ich, dass jetzt ein Ereignis kommt, eine Person, die anruft oder klingelt und Luises Leben in Unordnung bringt. Am besten ein Kind, habe ich mir gedacht.

Um es noch einmal mit anderen Worten zu formulieren: Ich hatte beim Lesen vor allem des ersten Abschnitts weniger das Gefühl, dass mir hier eine Geschichte erzählt wird, sondern eher den Eindruck, dass eine bestimmte Ausgangssituation, eine Grobchrakterisierung Luises etabliert werden soll.

Das Gespräch mit Frau Özdemir ist mir dann zu brav. Also, nicht das Gespräch an sich, sondern die Tatsache, dass die Thematik des Textes in diesem Gespräch verhandelt wird. Dialoge werden ja häufig eingesetzt, um etwas zu zeigen. Hier aber hatte ich eher den Eindruck, dass sie dazu dienen, den Konflikt (verschiedene Auffassungen darüber, was man vom Leben, von der Zukunft erwaarten darf) darzustellen. Also der Konflikt wird hier gewissermassen erredet, zerredet.

Und darum fand ich Luises Aktion am Ende auch zu wenig hergeleitet. Wann genau passiert eine Veränderung in Luises Kopf? Das erschient hier so, als ob ein Spruch an der Wand, ein kleiner Junge mit YOLO auf dem T-Shirt, eine Diskussion über die Zukunftssorgen von Jugendlichen und eine Sprühdose in der Tasche genügen, um diese Aktion zu motivieren. Mir hat es nicht genügt, ich denke, da müsste man auch Zeit dazwischenlegen, um das alles in Luise arbeiten zu lassen. Und daran müsste der Leser irgendwie teilhaben können.

Vielleicht erscheint dir diese Kritik unfair. Weil man das ja mit jeder Geschichte tun könnte: Das Konzept herausschälen und dann sagen: Ha, das ist alles durchaubar! (Und würde nicht zuletzt auch für meine eigenen Geschichten gelten.)
Aber hier ist mir halt einfach aufgefallen, ich sah gewissermassen durch den Text hindurch auf dessen Skelett. Ich glaube, er bräuchte mehr Gewebe, mehr Dichte, mehr Länge, um das nicht so durchscheinen zu lassen.

Noch zwei Details:

"Die Zeiten waren doch im Grunde nie gut, oder? Für mich nicht und für sie doch auch nicht. Sie haben Ihre Heimat verlassen müssen." Luise lächelt sanft und empfindet tiefes Mitgefühl bei diesem Gedanken.
"Mein Mann hat gute Arbeit. Harte Arbeit, reicht für Familie", ereifert sich die Hausherrin und korrigiert den Sitz des Kopftuches.
"Das meine ich ja." Luise greift die Papierserviette, die neben ihrem Teller liegt und wischt sich einmal flink über die schmalen Lippen.
"Ich war jung und es war Krieg", gibt sie zu bedenken. "Auch nicht gut", fügt sie hinzu und zwinkert mit einem Auge.
"Noch Tee?" Frau Özdemir steht auf und greift zur silbernen Teekanne.
"Danke, nein. Aber das müssen wir bald bei mir unten wiederholen", sagt Luise und legt beim Aufstehen ihre Hand auf die ihrer Nachbarin. "Ich muss jetzt los. Auf Wiedersehen." Luise nimmt ihre Tasche und verlässt mit festem Gang die Wohnung.

Die Sätze sind alle nach dem gleichen Schema konstruiert: Person X sagt etwas UND tut etwas. Da könnte man etwas variieren.

Sie schnappt nach Luft und ähnelt so einem kleinen Vögelchen.

Das ist ein Ausdruck, der mich, je nach Tagesform, dazu bringen könnte, nicht mehr weiterzulesen. Ich würde auf so Verniedlichungen verzichten.

Uff, das war viel Kritik. Aber ich habe da nur so genau draufgeschaut, weil ich die Idee sehr schön finde und ich die Geschichte, wie gesagt, eigentlich sympathisch finde und mag. Aber ich hoffe, dass meine Anmerkungen helfen können, und sei es nur, das Nachdenken über das Verhältnis von Konzept / Idee und Ausgestaltung / Details anzustossen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hej du guter Peeperkorn,

dass du (hier) ein ganz besonderer Teilnehmer der Gesellschaft bist, ist mir schon lange bewusst und in deinem Kommentar zu meiner Challenge-Story, verdeutlichst du mir das.

Vielleicht erscheint dir diese Kritik unfair.

Ganz im Gegenteil. Sie ist nicht nur fair und berechtigt, sondern ungemein hilfreich und sei es auch nur, um meine Unzulänglichkeiten zu verdeutlichen.

Allerdings war mir das Ganze etwas zu konstruiert, zu wenig organisch, ich konnte die Entwicklung Lusies, die am Ende zu ihrer Tat (die ich als solche sehr cool finde) nicht so ganz nachvollziehen, obwohl ich zu verstehen glaube, was der Text beabsichtigt.

Und das ist genau so gewesen :shy: Ich habe diese Geschichte nicht aus einer Schublade gezogen, sondern eigens konstruiertfür diese Challenge. Dass man ihr das anmerkt, wie viel mehr es gebraucht hätte, ist wohl besonders meinem literarischem Unvermögen zu verschulden. Das soll jetzt gar nicht selbstmitleidig wirken. Ich muss nur überlegen, ob ich das lernen kann oder eben besitzen muss.
Das soll jetzt aber nicht deine Sorge sein. :lol:

Ich glaube, er bräuchte mehr Gewebe, mehr Dichte, mehr Länge, um das nicht so durchscheinen zu lassen.

Das ist doch mehr als hilfreich.

Aber ich hoffe, dass meine Anmerkungen helfen können, und sei es nur, das Nachdenken über das Verhältnis von Konzept / Idee und Ausgestaltung / Details anzustossen.

Vielleicht bin ich an einen Punkt gestoßen, an dem ich einsehen muss, dass Talent nicht ausreicht, um für meinen (und deinen;)) Anspruch gute Geschichten zu schreiben. Und glaube mir, ich erkenne gute Geschichten, wenn sie mir begegnen genau wie ich gut zubereitete Speisen erkenne. :lol:

Im neuen Jahr werde ich diese Idee der Geschichte aufgreifen und versuchen, eine bessere daraus zu machen. Vielleicht reichen mir diese Übungen hier nicht und ich benötige mehr Grundwissen :hmm:

Weißt du, gerade weil du so viel Zeit, Gedanken und Analyse, freundliche Worte und Wohlwollen in deinen Kommentar gelegt hast, bewerte ich das (ganz uneitel) als Anstoß.

Write hard and clear about what hurts Ernest Hemingway

jimmysalaryman hat auch schon mal gemeint, dichter heranzugehen. Ich weiß es, genau diese Geschichten lese ich selbst am liebsten. Dafür braucht es Mut. Möglicherweise liegt da der arme Hund begraben.

Also, du hast mich sehr nachdenklich gemacht und das ist ja grundsätzlich gut. Vielen Dank dafür und einen schönen 4. Advent, Kanji

 

Hallo Kanji,

keine Ahnung warum, aber ich kauf dir die Geschichte ab. Obwohl alles ziemlich unwahrscheinlich klingt. Eine ältere Frau bemerkt einen gesprayten Spruch auf einer Mauer, macht sich ihre Gedanken, erinnert sich trotz mangelnder Englischkenntnisse, was er bedeutet, wird von einem türkischen Jungen, der ihr erklärt was YOL heißt, zum Tee bei seiner Mutter gebeten, begegnet dort Murat, der keinen Job hat, unterhält sich mit der Mutter, isst Kuchen, geht zurück in ihre Wohnung, kramt dort ein wenig, macht sich selbst mit einer zufällig gefundenen Spraydose auf, YOL an die Wand zu sprayen, und zieht mit wenig Gepäck los in einer neue Zukunft. So habe ich das gelesen und anfangs mochte ich den Text gar nicht, der war mir zu rau und ungeschliffen, aber als ich mich daran gewöhnt habe, gefiel er mir. Warum sollte das nicht passieren und wie wichtig ist es, ob die alte Frau logisch und nachvollziehbar handelt? Vielleicht ist alles bloß ein Traum?

Paar Stellen:

Die Tasse ist Teil des friesischen Teeservices ist mehr als doppelt so alt wie Luise.
da stimmt was nicht

Luise isst auch keinen Keks zum Tee. Nicht an gewöhnlichen Tagen. Vielleicht ist sie deshalb noch so gut in Form.
wenn das reicht, dann verzichte ich auf Sport, Keks und esse nur noch, was ich will. :hmm:

"Aha. Und was bedeutet das?" Luise lacht nicht.
"You ... only ... live ... once. Also so, 'du lebst nur einmal'", nuschelt er leiser.
das weiß mder kleine Junge, echt?

sagt Luise im gewichtigen Tonfall mit deutschem Akzent und beißt erneut in den saftigen Kuchen.
wie klingt den deutscher Akzent?

"Die Zeiten waren doch im Grunde nie gut, oder? Für mich nicht und für sie doch auch nicht. Sie haben Ihre Heimat verlassen müssen." Luise lächelt sanft und empfindet tiefes Mitgefühl bei diesem Gedanken.
"Mein Mann hat gute Arbeit. Harte Arbeit, reicht für Familie", ereifert sich die Hausherrin und korrigiert den Sitz des Kopftuches.
das fette lie0e sich reduzieren, würde mehr Wirkung erzielen. Das Kursive ist richtig gut.

Es ist schon ein besonderer Tag, wenn auch nicht sehr kalt und frostig.
sind nur kalte und frostige Tage was Besonderes?

Murat, der sich zu seiner Mutter und dem Bruder hinzugesellt hat, lächelt wissend.
das ginge kürßer und "wissend" würde ich weglassen.

viele Grüße und einen guten Start ins neue Jahr, sobald es soweit ist :Pfeif:
Isegrims

 

Hej Isegrims,

wie freue ich mich, dass du einen Blick in meine Geschichte geworfen hast.

keine Ahnung warum, aber ich kauf dir die Geschichte ab. Obwohl alles ziemlich unwahrscheinlich klingt.

:lol: das sagt der/die Richtige.

So habe ich das gelesen und anfangs mochte ich den Text gar nicht, der war mir zu rau und ungeschliffen, aber als ich mich daran gewöhnt habe, gefiel er mir.

Du ahnst sicher nicht, was das für mich bedeutet, denn ich bin noch nicht viel weiter literarisch gekommen, als meinen Ton zu finden.,:shy:

Warum sollte das nicht passieren und wie wichtig ist es, ob die alte Frau logisch und nachvollziehbar handelt?

Mir persönlich sind diese Geschichten sehr lieb, denn was im realen Leben passiert ist die eine Seite. Was sein könnte mit Protagonisten in der nicht wirklichen Welt, eine andere. Ich tauche furchtbar gerne in etwas absurde Situationen. Zum Glück gibt es hier im Forum immer wieder welche.

Die grammatikalischen Unreinheiten habe ich flugs beseitigt und auch deine Hinweise zum Weglassen für mehr Ausdruck habe ich dankbar angenommen.

sind nur kalte und frostige Tage was Besonderes?

An dieser Stelle bin ich jetzt deutlicher geworden, weil ich auf die Tee-mit-Rum-Genuss-Nachmittage mit ihrer Freundin Else hinweisen wollte.

Herzlichen Dank für deine Behiflichkeit und eine schöne Zeit zwischen den Jahren, Kanji

 

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