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Zur Zeit Benjamins

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22.06.2003
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Zur Zeit Benjamins

Bayern München spielte in der zweiten Liga, die SPD regierte Bayern und genehmigte die Kosten für die Erweiterung der Zugspitze auf 3000 Meter üM.


Eine europäische Vereinbahrung verpflichtete alle Städte FKK-Fussgängerzonen einzurichten, in Hamburg wurde die letzte Dönerbude Deutschlands abgerissen und durch ein Reformhaus ersetzt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete im Leitartikel über die Affäre von Dieter Bohlen mit Alice Schwarzer. Im Feulliton war Jennifer Lopez mit Damenbart bei den Salzburger Festspielen auf einer Farbfotografie zu sehen und im Artikel darunter war zu lesen „Nachdem Jennifer Lopez´ rechte Pobacke bei einem Sturz beim Inline Skaten verschandelt wurde und die Versicherung für den Schaden aufkam, versicherte Jennifer ihr Herz gegen die Eroberung böser Liebhaber und ihre Seele gegen die feindliche Übernahme durch den Teufel“.
Toilettenbenutzerhinweise mit der Kernaussage „Bitte hinsetzen“ wurden abgenommen, weil alle Männer sich freiwillig hinsetzten. Außerdem verzichteten Männer auf Handswerksbegriffe wie „nageln“ und „wuchten“ als Alternative für „zusammen schlafen“. Die deutschen Schüler überholten Finnland bei den Pisatests, wodurch Finnland auf den 29. Platz abrutschte.
Im Internet wurde das Coka Cola Rezept veröffentlich und mit dem Sodamax stellte man sich Coka Cola selber her. Das wertvollste Unternehmen der Welt ging beinahe Bankrott. Der 38-jährige Texaner, der es geschafft hatte das Coka Cola Rezept zu stehlen wurde auf 18 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt.
Sämtliche Tierfutterhersteller in Deutschland meldeten Insolvenz an, weil alle Haustiere zum Vegetarismus überliefen. Vor dem Verfassungsgericht wurde das Verfüttern von Futtermäusen an Schlangen mit Menschenmord gleichgesetzt. Tierschützer veglichen diesen Erfolg mit der Einführung des Wahlrechst für Frauen.
Benjamins Wohnung wurde von Nestlé mit Paletten von Xpress Cafe Dosen zugestellt, er arbeitete als Endverteiler im Virusmarketingprogramm von Nestlé. Auf Afterworkparties, in den FKK-Fußgängerzonen Süddeutschlands und samstags im Ruhrpott-Stadion verteilte er Gratisproben. Sein Auftrag von Nestlé: Von Xpress Cafe vor Freunden und Bekannten zu schwärmen, es anzupreisen, egal ob es ihm schmecke oder nicht. Übersetzt hieß dies: Freunde und Bekannte anlügen, ihr Vertrauen ausnutzen und Xpress Cafe in ihr Leben neben Mächten wie Smart, Disko und Verbotene Liebe zu platzieren.
Das erste mal traf ich Benjamin, als er auf dem Parkplatz vom Paschas im Anzug und Gelfrisur an kurzgerockte Diskobunnys Nestlé Xpress verteilte und in seiner Hosentasche ein Porscheschlüssel zu vermuten war. Er sah wie ein Lifestyle Promoter aus, der GQ und Men´s Health abonniert hat und als StartUp Unternehmer Kontaktlinsen mit Dollarzeichen trägt. Die Mädchen redeten über die die Augenfarbe des Hauptdarsteller in einer Autowerbung. Bejamin fragte sie nach der Marke. Eine erinnerte sich an Audi, eine andere beharrte auf BMW und die dritte glaubte es sei VW gewesen. Das Model wussten sie überhaupt nicht.
Bejamin fuhr nur einen Fünfer Golf GTI, schwärmte von den 200 Turbo PS und sagte GTI heiße „Gran Tourismo Injection“. Zusammen regten wir uns über die Mädels auf, die sich für den Typ in der GTI Werbung interessierten und nicht für das Auto. Die Kleidung, das Auto, sein Auftreten war nur Fassade. Dahinter steckte ein Bübchen, dem die Wiedererrichtung der Mauer ein Schulterzucken entlockt hätte. Wir tanzten bis sieben Uhr morgen und zusammen mit den Mädels fuhren wir auf eine stillegelegte Kohlegrube außerhalb Dortmunds und warfen den Restbestand der Xpress Tagesration gegen die Wand einer Förderstation.
Über die Autobahn mit der Einstufung „rot“ (nur für PKW über 150 PS bei maximal zwei Tonnen Gesamtgewicht) fuhren wir dem Morgen entgegen und der Innenraum des GTI stank nach fünf verschiedenen Fahnen.
Ich lag um halb neun in meinem Futonbett. Mein Samsung mit UMTS-Chip beamte 3sat an die Decke. Ein Moderator mit Halbglatze und Pullunder zeigte das restfreie Entfernen von Nutellagoldpapier und seine Kollegin gab Tipps für die Aufzucht von Waisenigeln in der Wohnung. Ich pennte vor dem Programm ein.
Benjamin klingelte um 18.45 Uhr und holte mich ab, um mit den Mädels von gestern abend bei ihm den Fußball WM Sieg der Farörer Inseln zu feiern. Das einzig Coole auf der Privatparty war das Shakebier, das sich durch Schütteln auf sieben Grad Fussballtemperatur abkühlte und im Wechsel mit den Nestlé Xpress Gratisproben einer neuen Tagesration getrunken wurde.
Nadine schüttete mir Bier über den Kopf, lachte und wollte mit mir kämpfen und rumalbern. Ich schrie „Bäh“, schob sie weg und hörte noch wie die andern zwei Bunnys kicherten. Mit Jeans, Pullover und Pumas stieg ich in die Badewanne. Nadine kam fünf Minuten später ins Bad, entschuldigte sich für die Attacke mit dem Bier, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und stieg zu mir in die Wanne. Wir duschten, badeten und planschten fast eine Stunde bis unsere Abwesenheit den Partyrest nervte und Benjamin uns aus der Badewanne zog, ein Handtuch zuwarf und uns in fünf Minuten im Wohnzimmer sehen wollte. Die Party war zu einem Sitzkreis erschlappt, in dem alle BigBrother schauten, wie Günther Jauch, den Stargast Martin Walser in den Container begleitete. Im Bikini nahmen die Damen den Autor in Empfang und führten in an sein Pult von dem aus er aus seinem neuen Roman „Der Hass der Liebe“ las.
Zu dieser Zeit war es cool, über die Veränderungen nicht nachzudenken, sondern einfach mitzumachen. Vormittags-Talkshows und Politikquasselrunden am Sonntag abend kamen nicht mehr nach über alles zu reden. In „ZDF heute“ wurde der Cottbusser Reporter Thorsten Dzahn im „und jetzt weitere Nachrichten des Tages“ Block gezeigt wie er den ersten Nobelpreis für SMS-Literatur entgegennahm und seine 160 Zeichen lange Dankesrede blind aufsagte.
Was gleich blieb war, daß Frauen in Tanga und BH immer noch besser aussahen als nackt. Aus FKK-Fussgängerzonen wurden FKK-Städte. Punks wurden ebenso Anhäger der neuen Freizügikeit wie CSU Politker, deren Ziel für die Landtagswahl in Bayern 10 Prozent der Stimmen waren.
Nacktheit war schon wieder langweilig und Damenunterwäsche an Frauenkörpern erlebte eine Widergeburt, was bei etablierten FKK Anhängern zu Verärgerung und öffentlichem Protest führte.
Nadine kam ab und zu mir zum duschen, wir schauten Spangebob Schwammkopf auf RTL II. Benjamin, der einen Tag nach der WM Party wegen der Sauerrei auf der Kohlegrube verlor, verkaufte seinen Golf GTI und wir gingen in FKK-Dortmunds Innenstadt Cola trinken. Selbst kühlendes Bier war out, Coka Cola in Original CokaCola Gläsern in Cafe zu bestellen war in. Und wir taten das was in war.

 

Hallo bisaim,

ich weiß nicht so recht, was ich von deiner Geschichte halten soll. Einige Gags waren gut, ich hätte mir allerdings gewünscht, dass du das eine oder andere mal ausbaust anstatt sie so massiert zu benutzen. Für eine Satire - falls du dich über aktuelle Tendenzen lustig machen wolltest - war es mir dann wieder nicht überzeichnet genug.

Die Idee allerdings hat mir gefallen. Diese Beliebigkeit und Gleichförmigkeit, nichts scheint wirklich zu zählen in dieser Zeit, niemand scheint irgendeine Position zu vertreten und entsprechend seiner Überzeugungen zu handeln - weil es sie wohl einfach nicht mehr gibt. Schön, wie negativ diese Aufhebung von Trennendem dadurch wirkt, weil sich nichts mehr voneinander abzugrenzen scheint.

Einige Fehler hat deine Geschichte noch, vielleicht magst du sie ausbessern:

Eine europäische Vereinbahrung verpflichtete alle Städte FKK-Fussgängerzonen einzurichten
Vereinbarung
Im Internet wurde das Coca-Cola Rezept veröffentlicht
Die Mädchen redeten über die die Augenfarbe des Hauptdarsteller in einer Autowerbung. Benjamin
Ein "die" zuviel
Benjamin fuhr nur einen Fünfer Golf GTI
Punks wurden ebenso Anhänger der neuen Freizügigkeit wie CSU Politiker
Damenunterwäsche an Frauenkörpern erlebte eine Wiedergeburt
wir schauten Spongebob Schwammkopf auf RTL II

Liebe Grüße
Juschi

 

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