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- 18.12.2007
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Zuviel Marzipan verdirbt den Magen
Vor vierzehn Tagen hatte Heidi Hamburg verlassen und lebte nun in München.
Heute ist mein erster Arbeitstag. Die neue Firma wirkt sympathisch. Nun gut, eine Firma ist nicht schön, im Sinn von schön. Dafür ist es aber, Wolfgang, mein neuer Chef. Groß, schlank, feingliedrige schmale Hände und ebenmäßige Gesichtszüge. Diese sind so makellos, dass der Wolfgang nur ein Gesicht hat, statt der üblichen zwei, die sich sonst bei Menschen finden. Frage mich allerdings, ob er noch mehr als schön ist. Unangenhm mehr. Leider sind schöne Männer oft verdächtig.
Gut! Ich bin sicher nicht die schönste Frau. Doch in meiner neuen Firma schon. Gemerkt haben das nätürlich zuerst die Kolleginnen. Wir sind eben schnellere Merkerinnen. Doch auch Wolfgang-Chef ist nicht blind. Denn er weiß jetzt gleich, wer die Schönste in seiner Abteilung ist.
Der muss ständig unter starkem Druck stehen. Meinen ersten Geschäftsbrief lobte er mit den Worten, dass er mit mir schlafen wolle. Also, für mich heißt das, er ist mit meiner Probearbeit zufrieden. Was aber, wenn er es nicht gewesen wäre?
Da ich jetzt weiß, dass der Mann nicht nur schön, sondern auch pervers ist, weil er wegen eines gelungenen Geschäftsbriefes gleich mit mir schlafen will, wäre die Situation möglicher Weise eine ganz andere gewesen. Hätte mir vielleicht gesagt, dass er wegen des miserablen Briefes impotent geworden sei. Und ich sei schuld. Das ist zwar auch abartig, aber dafür ist er eben pervers.
Neben Wolfgang gibt es jedoch noch jemanden. Nicht Harald, unseren Ober-Chef, der ja schwul ist. Nein! Den Siegfried gibt es da. Prokurist in der Finanzabteilung. Ein Mann, wie aus Marmor gehauen. Mit dem schlafe ich. Und da kann ich nicht meckern. Siegfrieds „Probearbeit“, war mindestens so gut, wie mein erster Geschäftsbrief für den Wolfgang-Chef.
Zufriedenheit somit auf beiden Seiten.
Siegfried ist glücklich und ich bin ausgeglichen. Etwas von der Siegfriedschen Kraft, ist auf mich übergesprungen, seitdem wir nebeneinander, übereinander, untereinander und sonstwie Turnübungen machen.
Bösartig ist nur Wolfgang, seitdem er weiß, dass ich ihm durch die Lappen gegangen bin. Jetzt ist mir endlich klar, wie sich Eifersucht personifiziert: schmallippig, gekalkte Gesichtsfarbe, starren Blick und plötzlich sehr feuchte Aussprache. Meine jetzt beste Freundin, Vroni, dazu: „Das musst du als Anspuckenwollen verstehen.“
Wie lange bin ich jetzt schon in diesem Wolfgang-Laden? Genau! Fünf Tage. Und an jedem Freitag erhalten wir von Wolfgang eine Rose. Weil wir es wieder einmal eine Woche mit ihm ausgehalten haben. Harald, meinem Oberchef, ist das egal. Der schenkt nur Männern eine Rose – sehr jungen, sehr schlanken und sehr hübschen - ausgesprochen weich- und zartgesichtigen. Doch solche Typen gibt es in unserer Firma nicht.
Heute ist nun Freitag. Mein erster. Wolfgang-Chef verteilt wieder einmal seine Rosen. Wieder mit Tautropfen benetzt. Die anderen Damen haben ihre Rose schon. Ich noch nicht. Wolfgang ruft, ich soll in sein Büro kommen.
Statt der Rose überreicht mir mein Chef ein kleines Päckchen.
„Zur Feier deines Fünftägigen, habe ich mich besonders angestrengt“, meint er.
„Du bist ein Schatz!“ Ob er das wohl glaubt?
Will gleich mal sehen, wie heftig sich Wolfgang für mich angestrengt hat.
Was ist denn das? Wolfgang merkt, wie ich puterrot werde.
Wo bin ich hier eigentlich? So eine Sauerei. Was soll dieser erigierte Penis aus Marzipan, auf einem Silbertablett.
Höre ich jetzt recht?
„Lecker! Probier ‘s doch mal!“, sagt Wolfgang, „alles edle Naturprodukte. Außerdem kunsthandwerkliche Arbeit. Schieb er dir doch einfach in den Mund.“
Muss ruhig bleiben. Darf nicht ausrasten. Auch wegen des Arbeitsgerichtes. Darf deswegen nicht zu Wolfgang Drecksau sagen. Denn das wäre ein Grund, mir zu kündigen. Eine weitere vertrauenswürdige Zusammenarbeit sei nicht mehr gegeben, argumentierte er dann.
Mit einer Beschwerde bei Harald, unserem schwulen Ober-Chef, komme ich nur weiter, wenn ich ihn an die Hand nehme und mit Gewalt in Wolfgangs Büro zerre.
Mist! Wolfgang schiebt sich gerade den Rest des Marzipan-Penis in den noch übervollen Mund. Er muss geahnt haben, dass ich Harald hole und diesem das gemeine Geschenk zeige. Nun sieht mich auch mein Ober-Chef merkwürdig an. Was ich eigentlich von ihm wolle. Klar! Der Penis ist weg. Und da ich nun nichts mehr von Harald wollen kann, ist auch mein Ober-Chef plötzlich fort.
Was ist denn plötzlich mit Wolfgang-Chef los? Er schwitzt, ist aschgrau im Gesicht und hält sich mit beiden Handen den Bauch. Mit einem Mal ist auch er draußen. Das kommt eben davon, wenn man einen Penis in den Mund nimmt. Tut Schadenfreude gut!
Eigentlich müsste Wolfgang nun seinen schlechten Magen entleert haben. Ihm wird doch nichts Ernsthaftes passiert sein? Ach, da ist er ja wieder. Er muss sein Büro durch die zweite Tür betreten haben.
Doch was soll der Brief, den er mir da auf den Schreibtisch wirft und dann wieder wortlos verschwindet. So nicht, mein Freundchen, von wegen fristlos kündigen. Ich werde fristlos kündigen. Und dann noch drei Monate lang Gehalt beziehen.
Wolfgang-Chef hat vielleicht gemosert und gestrampelt. Vor allen Dinge wegen der drei Monate Gehaltsfortzahlung. Der erigierte Marzipan-Penis hat ihn dann aber doch von meinem Angebot überzeugt.
Nach diesem Kurzbesuch in einer Münchener Firma blieb Heidi noch eine Woche in der Stadt und fuhr dann wieder nach Hamburg zurück.
© 01-2008 Sonnenfeuer