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Zweifel

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02.04.2007
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Zweifel

Die Zigarette in seiner Hand verqualmte allmählich, während er den Himmel beobachtete und sich in den Formen der vorbeiziehenden Wolken verlor.
Wie hatte er diesen Punkt erreichen können, fragte er sich und biss sich auf die Lippe.
Der Schmerz, der wie ein Blitz durch seinen Körper schoss, riss ihn aus seinen Gedanken und beförderte ihn flugs zurück in jene Welt, die man Realität nannte.
Die Wolkengebilde verloren plötzlich an Reiz, obgleich der Himmel weiterhin von jener Schönheit beseelt war, die unzählige Träumer, Poeten und Versager vom Kurs hatte abkommen lassen.
Er strich mit seiner Oberlippe über die Untere, um den metallenen Geschmack des Blutes im eigenen Kreislauf zu behalten und stellte sich vor er wäre nicht der, der er war.
Wer wäre er dann?
Der Zigarettenstummel glitt ihm aus der Hand und fiel, scheinbar ohne ein Geräusch zu verursachen, auf den kalten Erdboden. Er schloss die Augen und eine Hand legte sich in die seine.
Er wollte nicht wirklich wissen wer es war, genauso wenig wie er wissen wollte wer er war, oder wäre wenn...Ja, wenn was?
„Du tust das Richtige.“, sagte eine liebliche Stimme und er öffnete die Augen.
Neben ihm stand eine Frau, so schön, obgleich sie weniger den Werten von Schönheit entsprach, welche die Medien diktierten.
„Wer bist du?“, fragte er leise und konnte kaum den Blick von ihr abwenden, von ihren Augen, die wirkten als wären sie nur dazu geschaffen worden, um ihn in ihren Bann zu ziehen.
Die Frau lächelte und offenbarte glänzende Zähne, ein geradezu strahlendes Lächeln, das so freundlich wirkte, dass er glaubte sich zu verlieben.
„Mein Name ist Zweifel.“, sagte sie, „Und ich verstehe, was du tust.“
„Wie bitte?“
Sie lächelte ihn weiterhin an.
„So sind die Menschen.“, antwortete sie reichlich geheimnisvoll, „Sie tun, was sie können, um Selbsterfüllung zu finden, diktieren sich aber gleichzeitig eine Welt, in der das nicht möglich ist ohne gewisse Opfer zu bringen. Und am Ende landen sie doch alle hier oder dort“, sie wies in eine unbestimmte Richtung, „ und warten darauf, dass ich mich melde und ihnen helfe.“
„Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.“, sagte er, griff in seine Tasche und kramte eine weitere Zigarette hervor, die er entzündete und deren Rauch er genussvoll einatmete.
Sie griff indes nach seiner anderen Hand und hielt diese fest umschlossen, während sie sich ihm gegenüber positionierte und tief in die Augen blickte.
„Weshalb bist du heute hier?“, fragte sie dann.
Da er die Zigarette noch immer im Mund trug konnte er nur schwerlich antworten, daher tat sie es an seiner statt.
„Du bist hier, weil du Geburtstag hattest und weil du dich fragst, ob das was du in deinem Leben getan hast wirklich richtig, oder besser aufrichtig gewesen ist.“, sagte sie.
Wie konnte sie das wissen?
„Und die Antwort ist Ja. Ja, du tust das Richtige. Das hast du schon immer getan.“, sagte sie und nickte mit dem Kopf.
Er öffnete den Mund, weswegen die Zigarette zu Boden fiel und fragte erneut, wer sie sei.
„Mein Name ist Zweifel. Ehrlich. Ich besuche so ziemlich jeden Menschen zu einem gewissen Zeitpunkt, wobei manch einer es eher als Heimsuchung bezeichnete.“
„Du bist der Zweifel?“, fragte er ungläubig.
Sie nickte und schüttelte beinahe gleichzeitig den Kopf.
Die Zweifel hieße es eigentlich.“
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft, wobei ihr unnatürlich blondes Haar seidig im Licht der untergehenden Sonne schimmerte.
„Das ist doch absurd.“, entgegnete er rational denkend.
„Absurd, mein Lieber, kann etwas nur sein, wenn du es so siehst. Das solltest du eigentlich wissen. Meinst du nicht, dass viele Menschen Dinge, die du tatest als absurd und absolut unmöglich ansahen? Wege, die du eingeschlagen hast und die für manche Menschen einfach nicht nachvollziehbar waren?“
Er dachte an seine Eltern, seine Freunde, ferne Verwandte oder Bekannte.
Wie oft hatten sie ihre Köpfe geschüttelt?
„Was ich dir noch sagen möchte ist, dass ich mich freue Jemanden zu treffen, der zwar an seinen Taten zweifelt, aber eigentlich weiß, dass es der richtige Weg war, den er einst einschlug. Es ist zwar offensichtlich, dass deine Methoden nicht immer richtig – und auch nicht falsch – waren, aber das tut nichts zur Sache. Du bist, was du bist, wer du bist und immer sein wolltest, weil du tatest, was du tatest. Zweifle nicht. Du bist ein guter Mensch, fernab von all den Hoffnungen, die jemals in dich gesteckt wurden.“, sagte sie,“Und merke dir: Richtig kommt von aufrichtig.“
Sie lachte laut auf, ließ seine Hände los und lief einige Schritte von ihm davon, immer noch schallend lachend.
Er blickte und rief ihr hinter her.
„Warte doch!“
Doch sie blieb nicht stehen, sondern entfernte sich immer rascher, wurde kleiner und kleiner, bis sie schließlich verschwunden war.
Was wäre, wenn er ihr hinterher rannte?
Nein.
Kein „Was wäre wenn“ mehr!

Aber...


Wie war ihr Name gewesen?


Zweifel.

 

Sehr nette kleine Geschichte die mir von der Aufmachung her wirklich gefallen hat. Ein Gespräch mit der Zweifel, schön. Ich weiß nicht was man für ein Ende hätte suchen können, dass der Geschichte mehr Bedeutung gegeben hätte, ich glaub du hast einfach das geschrieben was viele denken und daher gefällt mir was ich gelesen habe, auch wenn es nicht das ist, was im Kopf bleibt oder spektakulär ist. Aber muss es das denn? Nein! Kurzes Nachdenken reicht auch, man kann eben das Ei wirklich nicht neu erfinden :)

 

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