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Zwischen den Zeilen

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26.07.2008
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Zwischen den Zeilen

"Lies zwischen den Zeilen."
Immer wieder mußte Michael an diesen Satz denken, als er die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter ausräumte. Sie war Deutschlehrerin gewesen und hatte immer eine Vorliebe dafür gehabt, Dinge nicht direkt auszudrücken. Von ihren Schülern verlangte sie immer, auch die verstecktesten Aussagen eines Textes zu finden.
"Zwischen den Zeilen lesen" hatte sie das immer genannt.
Michael packte Kleidungsstücke in einen Karton. Er bedauerte, dass er seine Großmutter nichts mehr fragen konnte. Sie hatte viel von längst vergangenen Zeiten gesprochen, doch ihre Worte gaben ihm noch heute Rätsel auf. Der direkte Weg war nie ihre Art gewesen. Michael stellte den Karton beiseite und wandte sich dem Sekretär in der Ecke zu.
Da er der einzige Verwandte war, erbte er den gesamten Besitz seiner Großmutter. Er hatte gehofft, dass er einige Sachen finden würde, die er verkaufen könnte, doch unter den wenigen Dingen hatte er noch nichts Wertvolles entdeckt. Gedankenverloren blätterte er durch einen Stapel Papiere.
"Lies zwischen den Zeilen."
Diesen Satz hatte seine Großmutter ihm schon zu Lebzeiten hinterlassen und er war ihr dankbar dafür. In zahlreichen Gesprächen mit Mandanten hatte er festgestellt, dass diese selten auf den Punkt kamen, sondern ständig um den heißen Brei herumredeten. Als Jurist schätzte er das eigentlich nicht, aber er hatte mit der Zeit gelernt, die relevanten Aussagen aus einem Gespräch herauszupicken.
Plötzlich hielt Michael inne. Zwischen Rechnungen, Fotos und Geburtstagskarten steckte ein Briefumschlag mit seinem Namen. Er öffnete den Umschlag und entnahm ihm ein Stück Papier.

"Lieber Michael,
denke immer daran:
Lies zwischen den Zeilen!
Du wirst den Wert dieses Satzes noch zu schätzen wissen.
In Liebe
Deine Großmutter"

Verwundert starrte Michael auf das Papier. Seine stets so akurate Großmutter hatte den zerknittertsten Zettel genommen, den sie finden konnte, um ihm einen Brief zu schreiben. Schon seltsam.
Auf einmal sprang ihn aus dem Falten ein Wort an. Er legte das Blatt auf den Sekretär und strich es glatt. Tatsächlich, da stand noch etwas. Zwischen den Zeilen hatten sich Worte durchgedrückt, die auf einem darüberliegenden Blatt geschrieben worden waren.
"Sieh in den Koffer!"
"Typisch Großmutter!", schmunzelte Michael, während er den Koffer vom Schrank hob und aufs Bett legte. Gespannt ließ er die Schlösser aufschnappen. Zwischen Tagesdecken und Gardinen, die seine Großmutter im Koffer aufbewahrt hatte, fand er einen prall gefüllten Strumpf. Er grinste. Das hatte er nicht erwartet, aber es paßte.
Er ging mit dem Strumpf ins Wohnzimmer und ließ sich in den Sessel fallen. Zuerst zog er Zeitungspapier aus dem Strumpf, doch dann fühlte er ein Bündel Geldscheine. Er löste die Kordel und vor ihm entrollten sich mehrere 1000-DM-Scheine.Schnell zählte er nach. Zwanzig Scheine. Sofort rechnete er um - rund 10.000 Euro.
Michael lehnte sich zurück, steckte sich eine Zigarette an und zog genüßlich daran. Er war noch nicht aus dem Tal heraus, aber der Aufstieg hatte begonnen. Und aus der Ferne hörte er die Stimme seiner Großmutter: "Ich habe es doch gesagt: Lies zwischen den Zeilen!"

 

Hallo Glückskäfer,

noch plakativer hätte man diesen "Plot" kaum verpacken können. Sechs mal auf die paar Zeilen den Satz "Lies zwischen den Zeilen" unterzubringen, lässt wohl auch den hölzernsten Kopf darauf kommen, dass das ganz wichtig sein wird!
Damit verspielst du jedes auch noch so entfernt mögliche Überraschungsmoment. Allerdings hätte das den Text auch noch nicht wirklich zu einer guten Geschichte gemacht. Bis aus diese altbackene Idee bietest du nämlich nichts weiter an. Weder zeigst du deinen Protagonisten, noch etwas von der Oma, geschweige denn das Verhältnis der beiden. Von einem Spannungsbogen will ich erst gar nicht anfangen.
Nee, das war in meinen Augen gar nichts.
Eine alte Idee zu verwenden, ist in Ordnung, aber dann muss sie auch entsprechend geschmückt werden. :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

gut, dass die Geschichte nicht so der Bringer ist, hatte ich bereits geahnt, aber dass sie so schlecht ist.....:heul:

Ok, jetzt ernsthaft:

Bin wohl ziemlich mit der Tür ins Haus gefallen, böse Falle. Habe allerdings noch keine Idee, wie ich das besser hinkriege, muss mal ein paar Nächte drüber schlafen.

Und das ständige Wiederholen des Satzes "Lies zwischen den Zeilen" ist natürlich ein Wink mit dem kompletten Gartenzaun. Und da hatte ich mich doch so bemüht, Wiederholungen zu vermeiden, aber daran hatte ich nicht gedacht.

Was mich aber jetzt richtig frustriert, ist dein Urteil über den Protagonisten, die Oma und ihr Verhältnis.
Weil ich eigentlich ein genaues Bild von den Beiden habe, dass bezogen auf den Protagonisten ungefähr so ausieht: Rechtsanwalt mit Geldsorgen, dessen geliebte Oma verstorben ist.
Hätte ich natürlich so schreiben können, aber dafür hätte ich dann auch wieder 'ne Rüge kassiert.
Deswegen habe ich halt versucht, die ein oder andere Info im Text einzustreuen, aber dass hat wohl nicht so geklappt.

Naja, und den Spannungsbogen, darüber breite ich jetzt mal den Mantel des Schweigens.


Ok, die Geschichte bedarf einer Generalüberholung, aber im Moment muß ich das erstmal sacken lassen.


Aber vielen Dank für deine Kritik, jetzt weiß ich, wo ich weiter dran arbeiten muß.


Herzliche Grüße vom
Glückskäfer

 

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