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Zwischen meinen Augen
„Bist du bereit, deine Träume zu leben?“
„Ja.“
„Dann musst du für sie sterben.“
Für jeden Gedanken gibt es eine Realität. Und eine jede hat ihren Preis.
Der Schatten, den ich gerufen habe, kennt keine Geduld, doch ihm bleibt nur das Warten. Längst bin ich in seinem Bann, bin der Versuchung bereits vollkommen erlegen, aber mein Hass auf die Welt, der kurz vor seiner Entladung steht, macht mich zittern und blockiert die Worte, die mich in die Hand des Dämons spielen.
„Ich bin bereit“, will ich sagen, doch jetzt, so knapp vor der Erlösung, schäumt der geballte Weltschmerz in mein Gemüt, brennt jede Faser meines unförmigen Körpers nach und mündet in einem Zorn, der mich paralysiert.
Es ist wie der qualvolle Augenblick vor dem Orgasmus, in dem kein anderer Gedanke außerhalb der Begierde Bestand hat; in dem man zu verglühen droht und doch nur durch die Freisetzung dieses Feuers Frieden finden kann.
Ich will es sagen, will es aussprechen, will mich befreien. Befreien von den Blicken in meinem Rücken, von dem Tuscheln, wenn ich die Straßen mit meiner Gestalt verfremde und die konformen Menschen aus ihrem schönen Schein reiße. Noch widerwärtiger als die ehrliche Abscheu ist das pflichtschuldige Mitleid, mit dem mein wundes Äußeres bedacht wird. Ich bin immer nur Körper, immer nur das Verbrechen meiner Gene, nie der Geist, der sie durchwirkt.
Es juckt zwischen meinen Augen. Etwas versucht von innen dem Pakt zu entfliehen, den ich zu schließen bereit bin.
Die Versuchung wirft ihren Schleier, lullt mich ein mit süßer Verheißung. Es ist ein Duft, der nach Eroberung schmeckt, es ist ein Sog, der den Klang des Neides in sich trägt. Es ist ein goldener Rausch der Bilder. Bilder der Vergeltung, der Unterwerfung, Bilder der Macht:
Ich stake durch ein Meer warmer Rundungen, die sich mir in Wollust entgegen werfen. Ich lache und schleudere ihnen Münzen ins Gesicht, die ihre Haut wie weiches Wachs zerfließen lässt. Ich pflastere meinen Weg mit erbrochenen Herzen, hinterlasse eine Spur aus Verzweiflung und sauren Tränen, die alle Pfeiler der Hoffnung zerfrisst.
Ich komme über meine Peiniger und zertrümmere ihre Selbstgefälligkeit, ersticke sie in der Saat ihres Hochmuts. Ich brenne ihnen die Fassaden vom Leib und schäle sie nackt bis unter die Knochen und jage sie jeden Schutzes beraubt auf den Ewigen Kalten Weg, gezeichnet mit dem Mal, das Verdammnis verheißt für jene, die Zuflucht und Trost zu spenden wagen.
Entstellt, entstellt wie ich, sollen sie durch die Welt bluten und an ihrer eigenen Armut zugrunde gehen. Gepeinigt mit dem Wissen, dass ich, den sie einst verstoßen haben, Schuld an ihrer Verfemung trage.
Die Versuchung reicht mir die Hand, in welcher all meine Wünsche funkeln. Zum Preis eines Teils in mir, dessen Meisters Güte mich nie gestreift hat.
„Bist du bereit, deine Träume zu leben?“
„Ich bin bereit.“
Und so sterbe ich und werde neu geboren. Der Druck hinter meiner Stirn verlischt und mein Lachen schallt als Vorbote der Vergeltung in die Stadt der Verfluchten.
Genieße den Augenblick. So heißt es, so soll es sein.
Die Ewigkeit scheint eine geringe Gebühr für ein Leben ohne Fesseln.