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Überleben untersagt!

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04.10.2008
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Überleben untersagt!

„Eigentlich hätte die Polizei dich nicht befragen dürfen, jedenfalls nicht in dem Zustand. Aber nun ist es, wie es ist. Ich denke, wir bekommen das wieder hin." Er schob ein Kärtchen seiner Kanzlei über den Tisch und blätterte in seinen Papieren. Es war ihr selbst unbegreiflich, dass sie sich anfangs nicht an den silbernen Audi erinnern konnte. Kati hatte gerade am Radio herumgespielt, als es passierte. Sekunden und ihr Auto hatte sich gedreht, überschlagen, war die Böschung hinunter gekullert und mit der vorderen Dachkante gegen den Baum geschlagen. Dann war alles still. Sie meinte Rauch gesehen zu haben und hatte geschrien: „Scheiße! Kati, wir müssen hier raus." Beim Überrollen waren sie beide nach hinten geschleudert worden, weil sie sich nicht angeschnallt hatten. Das war wohl ihr Glück. Die Polizei bestätigte es: „Ihr hattet Glück! Vorne hätte keiner überlebt." Die beiden Typen, die ihnen aus dem Auto geholfen hatten, kannte sie nicht. Sie hätten den Hergang bezeugen können. Sie waren ihnen aus dem Black Inn gefolgt und hatten den Audi gesehen. Den Spuren zur Folge war aber allein ihr Auto ins Schleudern geraten und von der Straße abgekommen. Nun hatte sie es so im Protokoll unterschrieben. Nach Zeugen hatte niemand gefragt. „Beruhig dich erst mal und setz dich her...“, hatte der eine gesagt, „Willst du ne Zigarette?", den Arm um sie gelegt und die Hand unter ihr T-Shirt geschoben. Ihr war jetzt bestimmt nicht nach Zigaretten und schon gar nicht danach zumute. Der andere hatte gesagt, es sei ein silberner Audi gewesen. Das Schwein sei einfach abgehauen. „Der hat dich ganz schön geschnitten äi, aber du bist rasant links vorbeigezogen. Coole Leistung!" Beim Versuch sich von seiner Hand zu befreien, hatte sie ihn angefasst. „Scheiße äi, du blutest ja! Da, deine Hände sind ja voller Blut. Deine Hose auch." Der andere hatte ihre Handtasche durchwühlt, um mit ihrem Händy die 112 zu verständigen. „Ihr versteht doch, dass wir uns verpissen, bevor die Bullen kommen." - „Jaja, schon klar!"

Jetzt meinte ihr Anwalt: „Wir müssen unbedingt diese Zeugen finden! Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern? Und warum hast du gegenüber der Polizei nicht einfach die Aussage verweigert?" Sie wusste es nicht. „Nun gut, es ist wie es ist." Kati hatte gar nichts gesagt. Sie hatte völlig unter Schock gestanden. In der Notaufnahme hatten sie sie gleich dabehalten. Gehirnerschütterung. Sie selbst hatte lediglich Schnittwunden von den Seitenairbags, die Rettungssanitäter hatten sie bereits versorgt. Komisch, erst hatte sie überhaupt keinen Schmerz gespürt, doch jetzt tat immer noch alles weh. Ihre Mutter hatte gesagt: „Ihr hattet einen Schutzengel.“ Ihr Vater: Es sei ja nur ein Blechschaden. Aber jetzt diese Amtsschimmel. Sie würde um eine Nachschulung nicht herumkommen. „Aber ich konnte doch nichts dafür!" Achselzucken. Sie habe den Führerschein noch auf Probe und nach den Fakten sähe es so aus, als habe sie in der Kurve die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und sich überschlagen, nach nichts sonst. Von dem mysteriösen Dritten fehle jede Spur, von den beiden Zeugen ebenfalls, bis auf die Stimmaufzeichnung in der Notrufzentrale, allerdings von ihrem eigenen Handy aus. Da ließe sich nichts verfolgen. Die Versicherung erhob Ansprüche, weil sie nicht angeschnallt gewesen waren. Außerdem sei es das Fahzeug ihres Vaters gewesen, das sie aus versicherungsrechtlichen Gründen gar nicht hätte fahren dürfen, lediglich im Notfall, der sich natürlich nicht nachweisen ließ. Die Leitplanke sei kaputt, das würde teuer. Die Krankenkasse monierte, dass ihr Transport im Rettungswagen nicht erforderlich gewesen sei. Bezüglich Katis Verletzungen, die nun wohl doch noch länger im Krankenhaus würde bleiben müssen, gab es eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie habe als Fahrerin dafür Sorge zu tragen, dass sich ihre Mitfahrer anschnallten. Die Ausbildungsstelle würde sie wohl vergessen können. Mobilität war die Voraussetzung. Den Vertrag hätte sie morgen unterschreiben können. Eben hatte die Firma angerufen, da gäbe es Probleme, wenn sie keinen Führerschein hätte. „Was hab ich denn falsch gemacht?" Ihr Anwalt grinste in die Mundwinkel. „Falsch war, dass ihr überlebt habt." - „Und, das ist verboten?“ - „Es klingt grotesk, ich weiß, aber Überleben, weil man gegen eine bestehende Vorschrift verstößt, ist eben in unserer Rechtsprechung nicht vorgesehen.

Prätorius

 

Hallo Dietmar,

als Bericht in einer Tageszeitung würd es mit einigen Streichungen sicher gehen, aber als Kurzgeschichte? Sorry, das hat mir leider nicht gefallen.

Wo ist da der springende Punkt? Jugendliche Fahrerin baut Unfall - passiert leider jeden Tag und ist so nichts Bemerkenswertes.

Außerdem machen die fehlenden Absätze die Geschichte schwerer lesbar als nötig. Also für die erste Geschichte kein positives Urteil von mir, aber bitte lass dich davon nicht entmutigen!

Schöne Grüße
MrsMurphy

 

Hi Dietmar,

du musst mehr Gas geben, die Geschichte ist etwas mehr als eine Seite - und da passiert auch etwas Gewaltiges nämlich der Unfall, aber du musst Spannender erzählen, musst dir überlegen wie du den Leser bei der Stange hälst, das erste Viertel war okay, aber danach ist es kritisch.

Gruss
Arkadius

 

Hallo Dietmar Seibert,

eigentlich ist der Plot deiner Geschichte gar nicht schlecht geeignet eine Groteske daraus zu machen. Eine Geschichte, in der die Folgen dieses Unfalls dargestellt werden und die Tragweite verdeutlicht wird, aber eben mit einem lachenden Auge und daher ins derb Groteske gezogen. Das reale Leben ist schwer genug.

Z.B. könnte auch der Vater Schwierigkeiten bekommen, weil er ja nun keinen Wagen mehr hat. Wenn er nicht Vollkasko versichert ist, dann muss er sich aus eigener Tasche einen neuen Wagen kaufen. Vielleicht benötigt er ihn beruflich und gerät nun in arge finanzielle Not, weil er sich verschulden muss. Seine Frau , also Katis Mutter fängt vor lauter Frust und weil das Geld immer so knapp ist, eine Liebschaft mit einem anderen reicheren Mann an und Kati fängt, arbeitslos und verarmt, das Saufen an, gerät auf die schiefe Bahn, klaut ein Auto und... :D ja, genau ,fährt just an derselben Stelle jemandem, so wie es ihr geschehen ist, in den Unfall. Und für den beginnt es von vorne.

Nicht, dass ich jetzt von dir verlange, du sollst es so aufschreiben, sondern ich will damit aufzeigen, was man hätte daraus machen können.

Die Geschehnisse nach dem Unfall, die Widrigkeiten sind mir allzu sehr im Schweinsgalopp abgehandelt und geraten in der Geschichte nicht zu voller Entfaltung. Dadurch wirkt die Geschichte leider flach, was sie nicht sein müsste.

Zwei wichtige Dinge habe ich noch zu bemängeln:

die Kati ist gewiss bereits volljährig. Der Anwalt würde sie also in der Realität auf jeden Fall siezen. Es sei denn er ist der alte Hausanwalt, der Kati schon von Kindesbeinen an kennt und deswegen gleich beim Du bleiben darf. Aber, wenn das so ist, dann muss du das irgendwo einflechten.

Des weiteren ist deine Überschrift und am Ende der Story eine Aussage des Anwalts unlogisch und verwirrt insoweit.
Überleben ist NICHT untersagt, denn wenn sie gestorben wäre, dann wäre dadurch doch erst recht nichts gewonnen gewesen. Das ist nicht wirklich das Thema deiner Geschichte. Es geht doch hier darum, was für einen Rattenschwanz an Folgen es nach sich zieht, schuldlos, aber nicht beweisbar, in einen Unfall verwickelt zu sein.

Allenfalls die Anzeige wegen Körperverletzung wäre so ein Fall. Aber, wenn schon die Polizisten hier Kati vor Ort bestätigen, dass sie angeschnallt nicht überlebt hätten, dann werden die eher keine Anzeige an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.
(Ausnahmen mögen die Regel bestätigen. :D ).

Der Satz des Anwalts:

[Falsch war, dass ihr überlebt habt." /QUOTE] ist nicht richtig. So unlogisch ist für gewöhnlich kein Anwalt. (muss doch was für den guten Ruf meines Berufsstandes tun ;) ). Inhaltlich empfinde ich ihn eben, wie schon beschrieben, für unlogisch.

Fazit: aus dieser Geschichte kann man was machen. Der Plot ist gut ausbaubar.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Erkärung

Sorry, ich hätte diesen Text nicht, zumindest nicht ohne Erklärung, als Kurzgeschichte einstellen sollen, weil er nicht den klassischen Anforderungen an eine Kurzgeschichte entspricht. Er ist eher als eine Impression, ein Blickwinkel oder eine Momentaufnahme einer Situation gemeint. Wenn man ihn als einen solchen Text liest, am besten laut und mit nachdenklichem Ton, spürt man, dass er in dieser komprimierten Form beabsichtigt ist. Alle Figuren haben es eilig. Selbst der Text eilt. Die Handlung wird vom auktorialen Erzähler lediglich wie Flashbacks im Kopf der Protagonistin abgearbeitet.

Dass der Anwalt die Protagonistin duzt, ist kein versehen des Autors, auch der Polizist tut es. Sie wird also als Erwachsene noch nicht ernst genommen. Mag sein, dass der Anwalt ein Freund der Familie ist, oder dass es auf dem Land spielt, wo man sich kennt. Es spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass er sie duzt und das alleine schafft unausgesprochen eine Atmosphäre, in der sie nicht auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Eine Erklärung würde in diesen Text empfindlich stören.

Die Tatsache, dass die Protagonistin überlebt hat, berührt alle beteiligten mehr oder weniger oberflächlich. Vielleicht ist uns das schon zu vertraut, um dass es uns auffällt, geschweige denn, betroffen macht - mag sein. Mich macht es betroffen. Es geht um die ordnungsgemäße Bearbeitung eines Vorfalls. Selbst die Reaktion der Eltern wirkt gehalten, eben weil sie nicht weiter ausgeschmückt, sondern nur so dahingeworfen wird.

Die Protagonistin sitzt am Schreibtisch des Anwalts und muss spüren, dass sie eigentlich nicht wichtig ist. Die Ereignisse, die eine pedantische Maschinerie von Justiz und Verwaltung in Gang gesetzt haben, rollen über sie hinweg. Überlebt hat sie, gerade weil sie gegen eine Vorschrift verstoßen hat, auf die die Straßenverkehrsordnung unerbittlich besteht. Doch das hebelt das Rad der Justiz nicht aus, sondern wird lediglich mit dem Galgenhumor des Anwalts bedient. (Ob das jeder Anwalt so tun würde, spielt keine Rolle. Hier tut er es.) Dass sie überlebt hat, wird nebensächlich! Das ist die Kernaussage des Textes und die ganze Geschichte wird so nebenbei erzählt, wie sie eben „unwichtig“ ist.

Leider wurde der Text nicht so verstanden. Darüber muss ich mir jetzt Gedanken machen. Ich danke euch trotzdem für eure rege Beteiligung.

LG. Dietmar

 

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