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Adalbert Schwärze
Sehr geehrter Herr Kasulke, Königsforst, 15.11.2020
hiermit bewerbe ich mich dringend um die Möglichkeit der Unterkunft in Ihrem Gemäuer. Oder um es deutlicher zu formulieren, bitte, bitte geben Sie einem Waldschrat eine Chance. Ich werde es Ihnen mit unbedingter und immerwährender Ehrlichkeit danken.
Trotz meines Status als Minderheit mit Migrationshintergrund im urbanen Umfeld habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden, längerfristig irgendwo unterzukommen. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, wird uns Waldschraten einiges unberechtigterweise nachgesagt (nun Einiges halt auch nicht). Aber ich schwöre, dass die letzten Anschuldigungen hinsichtlich toter Mitbewohner und mysteriöser Vorkommnisse in Düsseldorf völlig aus der Luft gegriffen sind. Zugeben würde ich eine unerlaubte Kultur von Kahlköpfen, auch als „Keiner erkennt mich“-Pilz bekannt. Dieses hat einer Menge Nicht-Menschen bisher in kitzeligen Situationen das Leben gerettet.
Aber ich schweife ab, sicherlich macht es mehr Sinn, Sie von meinen guten Seiten zu überzeugen.
Ich wurde im Jahr 1810 geboren, die Jahrhunderte habe ich als Antiquitätenhändler an wechselnden Orten überlebt. In meiner Freizeit widmete ich mich der Parkanlage und Pflege, was meinem, von Natur aus starken Frischluft- und Bewegungsdrang entgegenkam. Zur Erholung gönnte ich mir regelmäßige Dekaden im Wald, doch versuchen sie das heute Mal. Allein die Menge an Waldkindergärten stellt eine arge Versuchung dar.
Im monetären Bereich bin ich abgesichert, werde mir sicherlich auch in den nächsten Jahrzehnten Geldmittel organisieren können, nur ohne ein Zuhause, nein, ohne ein Zuhause kann ich nicht weiterleben.
Bitte, Herr Kasulke, ich benötige kein Zimmer in Ihrer Villa, nur einen Platz im Garten, ein Schuppen, eine Laube, eine Gruft, einen Platz für mich und meinen Hausigel Paul. Im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme ist es sinnvoll, keine Schlafplätze in der Nähe meines Quartiers einzuplanen.
Neben regelmäßigen Mietzahlungen kann ich selbstverständlich einen Beitrag zum Gesellschaftsleben leisten (wenn möglich ohne Gesellschaft), indem ich mich dem Garten widme.
Mit freundlichen, an Ihre gute Seele appellierenden Grüßen
Adalbert Schwärze
PS Wegen der Ehrlichkeit - Paul verliert beim Niesen einige Stacheln (mit Schwung)