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Alaska

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19.05.2015
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Alaska

Alaskas Haus steht in einer Ortschaft, die zum Großstadtspeckgürtel gehört, zur Behaglichkeitszone im Schatten von Lichtern und Lärm. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.
„Der Container kommt am Nachmittag“, sagt Albert, zuckt mit den Schultern, wendet sich ab.
Für das, was sie vorhat, braucht Maria ihren Mann nicht. Sie streift die Daunenjacke über, zieht den Reißverschluss bis zum Hals, setzt sich ins Auto und startet den Motor. Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, will sie den Oktobergeruch spüren. Nach einer Stunde kommt sie an, stellt den Motor ab. Wind fegt durch die Büsche, ein paar Vögel zwitschern, ein Säuseln aus der Ferne, das die Stille unterbricht. Den Blick durch die Fenster der Einfamilienhäuser verwehren Gardinen. Sie parkt auf dem Hof. Die Rosen wuchern mittlerweile fast die ganze Wand empor, ein Brombeerstrauch wuchert zwischen Haus und Garage.

Maria atmet durch, füllt die Lunge mit Herbstluft, bevor sie das Alaska-Haus betritt. Sie erschauert, als sie die Mischung aus Tabak und Whiskey riecht, die wiesengrüne Raufasertapete bemerkt, die Eichenkommode. Spuren durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt. Als erstes dreht sie in den Räumen die Heizkörper auf, eilt nach oben. Im Bügelzimmer öffnet sie mit dem Feuerhaken die Luke, zieht die Falltreppe herab, klettert zum Dachboden empor. Sie beschließt, ganz oben zu beginnen, den Müll aus dem Fenster zu werfen.

Der Ring fällt ihr ein, vor allem den Ring muss sie finden, das Wolfsgesicht auf dem Karneol berühren. Alles andere kann verschwinden, verrotten wie Alaska selbst. Warum hatte er ihn im Krankenhaus nicht dabei, warum hatte sie ihn nicht nach dem Ring gefragt?

Ihr Blick irrt umher, sucht nach Halt. Sie klappt das Fenster auf, saugt an der Sturmluft, hört dem Knistern der Herbstblätter zu, die auf dem Hof wirbeln. In der Ecke neben dem Kaminabzug verstaubt der Phillips-Plattenspieler, den niemand außer Alaska berühren durfte, weil er fürchtete, das Vinyl könne verletzt, der Fluss der Musik gestört werden. Daneben steht eine Weinkiste mit Schallplatten, alphabetisch geordnet, Schlager, Bach, Beethoven, Heintje, Rex Gildo, Wagner, Miles Davis, John Coltrane, Disco-Zeug. Alaskas Miene hellte sich auf, sobald Musik einsetzte. Er summte die Melodien mit und wenn die Lust ihn überkam, holte er sein Saxofon, presste das Mundstück zwischen die Lippen, begann zu spielen, schlug die Krallenfinger auf die Tasten, bis das Instrument krächzte, jubelte, jauchzte, Botschaften ausspie. Maria liebte es, wenn er musizierte, die Rhythmen ihren Kopf füllten. Manchmal umarmte Alaska die Tochter, sobald der letzte Akkord verhaucht war, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut und erklärte, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, wenn er es nur gewollt hätte. Danach drückte er das Kreuz durch, fuhr sich durchs Haar, benutzte die Finger als Kamm, während das Lächeln aus dem Gesicht wich, eine Maske zurückblieb. Er schaute dann in die Ferne, die Nasenflügel vibrierten, entspannten sich wieder. Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, die Klavierstunden zu bezahlen, die sie gern genommen hätte. Maria fühlte sich als Anhängsel, ein Aschenputtel, [ doppelt?]das kaum mehr als eine Last darstellte. Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, benahm er sich so, als wäre sie gar nicht anwesend.

All die Jahre hat er mich gewärmt, das schon. Als versteckte sich Feuerglut in einer Eisschicht. Der Puls jagte, die Hitze nahm zu, er suchte ein Ventil, musste Luft ablassen, damit er wieder abkühlte, obwohl er sich selbst daran verbrannte. Ich weiß genau, warum er Alaska heißt, kenne die Zweideutigkeit des Namens, die Geheimnisse, die Alaskahölle, spürte im Vorhinein, was aus der Not entstand, wie er sich in die Kreatur verwandelte. Ich war gebunden an ihn, ein Gefangener ohne Aussicht auf Flucht. Entkommen konnte auch er nicht.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen. Sie schiebt den Kasten zur Seite, will ihn in die Garage bringen, dorthin, wo der Tisch steht, an dem Alaska arbeitete, wenn etwas zu reparieren war. Vielleicht kann Albert die Zangen, die Hämmer, die Schlüssel gebrauchen. Die halbzerfetzten, leeren Kartons wirft sie durch das Dachfenster nach draußen, schaut ihnen beim Segeln hinterher.

Ein Schwall Eisluft weht ihr entgegen, erinnert sie an die Alaska-Urlaube, die Hundefahrt. Nachdem er sie wie ein Gepäckstück verschnürt und ihr Schal, Handschuhe, eine Mütze mit Augenschlitzen verpasst hatte, stellte er sie vor sich auf den Schlitten. Dann schnalzte er mit der Zunge, rief den Hunden Kommandos zu. Nach einer Weile schwebten sie über die Schneelandschaft, die Sonne gleißte, die Hunde kläfften, der Schlitten knirschte. Am Himmel klebten Engel. Jahrelang waren sie nach Alaska geflogen, mal im Winter, mal im Sommer, berauschten sich am Familienglück. Die Mama hielt Händchen, lief in der Mitte, küsste mal ihn, mal ihre Tochter. Sie lagen zu dritt im Bett, Maria in der Mitte. Die helle Mamastimme mit dem russischen Akzent zwitscherte, flog über das Bett, übertönte Alaskas Brummstimme. Dann starb Marias Mama, der Krebs ließ ihren Bauch zu einem Riesenballon anschwellen, zerfetzte sie inwärts, bis die Bauchwand platzte. Am Grab weinte Alaska. Als niemand mehr da war, kein Pfarrer, kein Zaungast, keiner der Nachbarn und Freunde, versiegte der Tränenfluss, als hätte einer den Hahn zugedreht. Er wischte sich übers Gesicht, nahm Maria an die Hand, hielt ihr die Wagentür auf. Daheim schickte er sie aufs Zimmer, schloss die Tür und sagte ihr, sie solle jetzt schlafen. Maria wiegte sich, drückte die Puppe, das Mamaweihnachtsgeschenk, an sich, zählte die Bärchen auf der Tapete, hörte dem Ächzen, Stöhnen des Holzes und der Wände zu, den Schritten Alaskas. Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen. Am nächsten Morgen saß ein lächelnder Alaska am Frühstückstisch: „Ich räume Mamas Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“.

Die Finger krampfen, Sehnen, Muskeln gleiten, bewegen sich, zucken. Auf der Haut bilden sich Schweißperlen. Ich spüre die Haare, Borsten, die mich kitzeln, als er mich nach oben katapultiert, um sich die Stirn abzuwischen, mit dem Gold den Alaska-Scheitel, den Haaransatz zu kitzeln, die Werkzeuge zu greifen, zu sägen, zu bohren zu schneiden, zu stückeln, nachdem er Gummi über mich gestülpt, mich im Dunkeln zurückgelassen hat. Zu selten waren die Sonnentage, wenn er mich ins Licht hielt, den Strahlen entgegen, wenn ich schmelzen wollte vor Glück.

Ein Knall schreckt Maria auf. Der Container landet auf dem Kies des Hofes, bebt und steht still. Maria läuft nach draußen, gibt den Fahrern einen Zehner Trinkgeld. Der grüne Lack blättert an manchen Stellen ab. Das Metall fühlt sich extrakalt an. Sie nimmt das Smartphone und wählt Alberts Nummer.

„Du hast’s nicht alle!“ Ihre Stimme überschlägt sich.
„Wieso?“
„Wegen dem Scheiß-Riesen-Container, was sonst.“
„Na und?“
„Du bist echt bescheuert, Albert! Das Ding ist viel zu groß. Na ja, was soll man schon erwarten. Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gepackt und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“
„Hier liegen Erinnerungen begraben, ich halt das kaum aus.“
„Du wolltest alleine hin.“
„Ja, ist besser. Wenn das alles vorbei ist, machen wir Urlaub, okay?“
„Wohin?“
„Wo’s warm ist.“

Nach dem Telefonat fühlt Maria sich leichter, als hätte sie sich von etwas befreit, das in ihrem Herzen feststeckte, als verstünde sie nach und nach, dass die Alaskastimmen verstummt waren, der Vater unter der Erde lag, nur noch die Würmer ihn hören konnten, die Wolfsfratze sich auflöste. Sie muss nur noch den Ring finden.

Als Maria vom Dachboden in die Wärme kommt, zittert sie. Die Dachluke schließt mit einem Gurgeln. In der Küche benutzt sie die Retrokaffeemaschine. Wasser tröpfelt langsam durch den Filter. Auf dem Tisch liegt das Schweizer Messer, dreiunddreißig Funktionen. Er trug es immer bei sich: Ein Mann braucht ein Messer, je schärfer, desto besser, hört sie ihn sagen. Dann schüttet sie den Kaffee in die Tasse mit der aufgedruckten Sonne, schmeckt das bittere Aroma. Das Messer steckt sie in die Jeanstasche, fühlt, wie es an ihrem Oberschenkel reibt. In den Räumen, die sie durchirrt, erkennt sie die Winkel wieder, die Flecken an den Wänden, die unebenen Stellen, den Teppich, auf dem sie die Puppen ausgebreitet, das Fenster, an dem sie die Sterne angeweint hat. Den Ring sieht sie nirgends. Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.

In ihrem Zimmer steht die Zeit still, auch wenn Alaska das Bett abgebaut hat, nur der Schreibtisch geblieben war. Ihr Blick fällt auf die Nagellackreste, die sich ins Holz gefressen haben. Sie freut sich über die Traumküsse der Jugendjahre, bis die Erinnerungsbilder nach ihr greifen, endlose Hausaufgabenstunden, Schwärmereien, Einsamkeit, Trauer nach dem Tod der Mutter, Heimlichkeiten, große Angst. Sie kann die Rückblenden nicht verscheuchen. Dabei war so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.

Schlussendlich zerrte er an mir, schob, drückte, um mich abzuziehen, loszuwerden. Ich steckte so fest auf dem Ringfingerglied, dass er mich einseifen musste, damit ich heruntergleiten, mich von der vertrauten Umgebung lösen konnte. Anstatt mich wegzulegen, irgendwo im Dunkeln zu verstecken, an einem Ort der Ruhe, wo Staubkörnchen das Gold kitzeln, in einer Samtschatulle womöglich, die wärmt und birgt, reißt er mich vom Finger, als sei ich ein Fremdkörper, schließt die Faust und versenkt mich in einem trüben Meer. Seither schwimme ich.

Karton für Karton füllt sie mit dem Kram, den sie fürs Erste behalten will: ein paar Töpfe, den PC, Festplatten, CDs, mit Aufklebern versehen, auf denen Zahlen stehen. Die Kleider nimmt sie sich einzeln vor, entdeckt ein paar Geldscheine, Quittungen, Kugelschreiber, fleckige Hosen, schmutzig, ungepflegt, obwohl er penibel war, einer für den Sauberkeit einen, Wert an sich darstellte. Keine Spur von dem Ring. Die Schränke riechen nach Mottenpulver und einem Hauch Alkohol. Maria leert sie, wirft das Geschirr, bis auf das gute, das mit den grünen Rosen, in den Container, hört dem splitternden Porzellan zu. Die Fotoalben packt sie in den Kofferraum, beschließt, sie irgendwann durchzublättern. Die Eichenstühle mit dem grünen Samtbezug, auf denen sie saß, wenn die Strafpredigten auf sie prasselten wie ein Gewitterregen, endlose Reden über Sauberkeit und Moral; alte Zeitungen, die er stapelweise aufbewahrte, manche aus den 70ern, Schweißrandunterhemden, US-Flaggen-T-Shirts, ein paar Bücher mit vergilbten Seiten, Jack London, Ernest Hemingway, Bildbände, deren Abbildungen verblasst waren, all das, was sie hasst, wirft sie eigenhändig in den Container.

Danach atmet sie durch, ruft Alaskas Freund Richard an:
„Richard, kannst du was von Alaskas Zeug gebrauchen? Schuhe, Mäntel, Anzüge, Pullover, mm?“
„Nee, Maria, nee, lass man. Aber das Saxofon, dass du mir das schenken willst, damit kann ich was anfangen, werde auf die alten Tage probieren, dem Ding paar Töne zu entlocken.“

Sie bleibt auf dem Hof stehen, überlegt sich, Richard nach dem Verbleib des Ringes zu fragen und legt schließlich auf. Als sie ins Haus zurückkommt, sitzen die Dämonen wie eh und je hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, seinem Blick auswich, die Augen bemerkte, die über sie hinweg glitten, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte. Maria versuchte, der Alaskawut zu entgehen, sich in eine Eule zu verwandeln, ihn mit Vogelblicken zu bannen, bevor die Woge über sie schwappte, um sie zu verschlingen, etwa, weil sie ein Glas verschüttet, die Hausaufgaben nicht zufriedenstellend erledigt hatte, ihre Schrift nicht lesbar genug erschien, irgendetwas anderes gegen die Alaska-Ordnung verstieß. Alaska schlug sie nicht, er wütete. Danach schwieg er, redete tagelang nichts mit ihr. Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus. An solchen Tagen war Alaska am gefährlichsten.

Ich kann zaubern, die Wirklichkeit zerstückeln, zerfasern, dem Träger Macht verleihen, Träume verwirklichen. Alaska glaubte daran und handelte danach. Vor vielen Jahren schon. Wieder und wieder. Er pausierte, als seine Tochter zur Welt kam. Bis Anna starb. Seine goldschöne Frau, die nie etwas bemerken wollte. Als ihn die Tochter verließ, fühlte er sich frei, lebte, lachte, spielte. Manchmal unternahm er einen Ausflug, manchmal musste Blut fließen. Und ich, ich schützte ihn, verlieh ihm Unsichtbarkeit. Um zu sterben, zog er mich ab, aus keinem anderen Grund. Das wusste er. Ich schwebe jetzt mitten in den Erinnerungen.

Maria bemerkt eine Pfütze vor der Garage. Mit dreizehn kaufte sie heimlich Tangas, versteckte sie. Jedes Mädchen trug Strings. Warum er sie fand, was er in der Kommode gesucht hatte, erfuhr sie nie. Eines Abends kam Alaska in ihr Zimmer. Ohne sie anzuschauen, zog er an der Schublade. Die Schiene quietschte. Er hielt einen schwarzen Spitzenstring zwischen Daumen und Zeigefinger, zeigte darauf, stopfte ihn in eine Aldi-Tüte. Die anderen folgten. „Du Hure!“, schrie er und packte sie. Sie fuhren in die Stadt, dorthin, wo Cracknutten auf Freier warten. Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen. Die Huren kreischten und lachten, Maria schämte sich. Wie lange hatte sie daran nicht gedacht?

Weil sie fürs erste genug hat, trägt Maria die Kartons zur Garage, weicht der Pfütze aus, stapelt sie in der Ecke neben dem Werkzeugtisch. Fässer stehen in unterschiedlichen Größen und Farben an den Wänden. Manche weisen Dellen auf. Sie erinnert sich nicht daran, wozu sie dienen, seit wann sie hier lagern. Teppichklebstoffgestank kriecht ihr in die Nase. Im letzten Jahr feierte Alaska auf dem Hof den 70. Geburtstag. Ted brachte Steaks aus dem PX mit. Das Grillfleisch brutzelte. Der Gesangverein rückte an, Volkslieder wurden geschmettert. Das Saxofon kam zum Einsatz. Die Sonne strahlte, bis ein Gewitter tobte, Regengüsse herabstürzten. Alaska öffnete die Garagentür. Die Gäste setzten sich, einige lehnten sich an die Fässer. Fleisch und Holzkohlegerüche verdrängten den Duft des Regens. Maria und Albert trafen spät ein und verließen die Feier früh.

Ich spüre einen Luftzug von draußen, schwimme auf halber Höhe zwischen dem Fleisch. Ach, wenn ich doch nur hier rauskäme. Einmal noch die Sonne genießen, meinen Glanzleib bestrahlen lassen könnte. Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen. Ich erschaure, wenn es geschieht, stoße mich ab, soweit ich es vermag.

Wo ist der Ring? Weder in den Schränken, noch in der Küche oder auf dem Dachboden, weder zwischen dem Kram auf dem Schreibtisch, noch unter den Hinterlassenschaften aus dem Krankenhaus. Sie stellt sich vor, ihn an sich zu nehmen, überzustreifen, zu tragen. Sie stellt sich vor, ihn einzuschmelzen, zu beobachten, wie sich Blasen bilden, bis er die Form verliert, schwindet.

Die Fässer stehen im Weg. Sie muss in der Garage Platz schaffen, damit die restlichen Kisten reinpassen. Also nimmt sie sich das zerbeulte, blaue Fass vor, öffnet den Verschluss. Ein Metallgurt mit einer schlossgesicherten Schnalle hält den Deckel fest. Maria geht zum Haus, holt den Reif mit Alaskas losen Schlüsseln, der auf der Kommode liegt, probiert sie durch, bis einer greift. Die Zwinge krächzt, löst sich. Sie hebt den Deckel an und blickt hinein.

Alaska schwieg, bevor er starb. Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war. Sein Mund zuckte, mahlte, als wollte er etwas schlucken oder Worte formen, die ihm nicht gelangen, die er nicht herauspressen konnte. Die Augen wirkten wie Kieselsteine in einem Bergbach. Der Krankenhausarzt sagte, er habe gar nichts vom Sterben mitbekommen, so morphiniert sei er gewesen. Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Für die Beerdigung bestellte sie einen Saxofonisten, der seinen Lieblingssong spielte, das Solo aus „Your latest trick“ von den Dire Straits. Eine Menge Leute kamen, ihn zu verabschieden. Es roch nach feuchter Erde, nach Gras.

Fäulnis, Terpentingeruch, abgestandenes Wasser zwingen sie, einen Schritt zurückzutreten, durchzuatmen, bevor sie sich wieder vorbeugt. Eine milchiggraue Flüssigkeit füllt das Fass bis zum oberen Drittel. Darin erkennt sie Schatten, Gegenstände bewegen sich, angetrieben von der Welle, die Maria durch das Öffnen des Fasses ausgelöst hat. Ihre Augen tränen. Sie tritt zurück, verlässt die Garage, um Luft zu schnappen, reibt sich das Gesicht, geht wieder rein. Auf dem Arbeitstisch findet sie Einweghandschuhe, streift sie sich über. Das Gummi schmatzt, schmiegt sich an.

Maria hört ihr Herz schlagen, als sie die Hand in die Flüssigkeit taucht. Das erste, was sie greifen kann, schwebt oben, erinnert an eine Baguette-Stange, fühlt sich schwer an. Sie zieht den Gegenstand aus dem Fass, hält ihn von sich weg, öffnet die Augen. Was sie sieht, dringt so langsam in ihr Bewusstsein, als müsse sie sich daran gewöhnen, als müsste der Verstand einen weiten Weg zurücklegen, sich in den Alaskarätseln verfangen, auflösen, wieder zusammensetzen, aus dem Gedankennebel tropfenweise eindringen, um das Kind in ihr zu beschützen. Das Bild klärt sich auf. Sie erkennt einen an den Rändern ausgefransten Arm, Klavierspielerfinger, Kalkhaut.

Erst als sie durchatmet, die Luft sorgsam aufsaugt, realisiert sie, was sie mit den plastikumhäuteten Fingern festklammert, sieht den bleichen Frauenarm, den Totenstumpf, bringt es mit ihrem Vater, mit Alaska, in Verbindung, ahnt, dass sie das Geheimnis gelüftet hat. Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt. Ihr Arm senkt sich tief in das Fass. Ein abgetrennter Fuß kommt ans Licht. Die Reste der Nagellackierung leuchten auf, die Farbe ist an einigen Stellen abgeblättert - rot, was sonst. Maria erschrickt, schleudert zu Boden, was sie in der Hand hält. Das Fleisch prallt wie ein sattgesogener Ball auf, bleibt schließlich liegen.

Ihr Hirn pocht, Gedanken rotieren, Bilder erscheinen, Gestalten, Dämonen, mittendrin Alaska mit Teufelsgesicht, feuerlodernden Augen, abstehenden Riesenohren. Er starrt sie an, grinst. Maria zittert, zwingt sich, zu wühlen, zu suchen. Als ihr Arm wieder zum Vorschein kommt, hat sie einen kleinen Gegenstand gefischt, den Ring Alaskas. Da spürt sie das wutvibrierende Smartphone, zieht es aus der Hosentasche. Aber zuvor streift sie den Ring über und beschließt, nach Alaska zu fliegen.

 

Hallo @Isegrims,
Wow! Das ist die beste Geschichte, die ich bisher von dir gelesen habe! Gefällt mir wirklich sehr gut. Die Stimmung, Dialoge, Plot, alles kommt mir hier gut dosiert vor, und ich bin dir gespannt bis zur letzten Zeile gefolgt. Dass der Ring seine eigene Geschichte erzählt, macht das Ganze noch interessanter. Wirklich sehr dicht und sehr gelungen :thumbsup:
Anfangs war ich natürlich verwirrt, was die kursiv gesetzten Abschnitte betrifft, aber das war ja so gewollt, dass der Leser erst später auf den Ring kommt. Also alles gut.
Aufgefallen sind mir nur Kleinigkeiten.
Anfangs - und teilweise auch im Verlauf der Geschichte - hatte ich Schwierigkeiten mit den ganzen Namen. Alaska, Maria, Albert tauchen für mich sehr geballt auf. Später dann noch Richard und Ted. Beim zweiten Lesen hatte ich keine Probleme mehr damit, aber beim ersten habe ich erst gar nicht kapiert, dass Albert Marias Mann ist. Das kann aber auch an mir liegen.

. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.
Super, wie du hier zunächst diese scheinbare Kleinstadtidylle der Rama-Familien (vielleicht kennst du die noch aus der Fernsehwerbung, keine Ahnung, wie alt du bist, aber wenn du Rex Gildo kennst, dann wahrscheinlich auch die) beschreibst, um dann langsam aber sicher die Abgründe aufzudecken, die dahinter lauern. Zuerst denkt man (ich) der Vater ist ein Alkoholiker, der seine Tochter quält, vor allem an der Stelle, wo er sie erst fokussieren muss, um sie zu erkennen.

Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, ihre Klavierstunden zu bezahlen. Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, beachtete er Maria nicht, tat so, als wäre sie gar nicht anwesend.
Auch das finde ich sehr gelungen. Sofort habe ich ein Bild, was die für ein Verhältnis haben. Im Vorfeld küsst er sie ja, zeigt ihr überschwänglich seine Liebe - oder das, was er dafür hält -, um sie im nächsten Moment zu entwerten. Maria ist hin und hergerissen zwischen heiß und kalt, es gibt keine Zwischentöne. Und obwohl sie darunter gelitten hat, ist es eben das, was sie gelernt hat, was du prima an dem Dialog mit Albert zeigst. Erst beleidigt sie ihn, um ihm dann zu sagen, dass sie ihn liebt. Ganz schön krank.
Allerdings finde ich das hier

„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
zuviel. Ich würde es bei der Zigeunerfamilie belassen und das mit dem Ausrotten, nichts wert, weglassen. Alle Rumänen sind Zigeuner. Das reicht. Dass er ein Nazi ist - oder zumindest extrem rechts - geht schon aus dem Text hervor (Heintje, Rex Gildo, Volksmusik usw.) und müsste mMn nicht nochmal extra betont werden.

zu sägen, zu bohren zu schneiden,
Hier fehlt ein Komma vor zu schneiden.

Nach dem Telefonat fühlt Maria sich leichter, als hätte sie sich von etwas befreit, das in ihrem Herzen feststeckte, als verstünde sie nach und nach, dass die Alaskastimmen verstummt waren, der Vater unter der Erde lag, nur noch die Würmer ihn hören konnten, das Faltengesicht sich auflöste.
Klar fühlt sie sich leichter, konnte sie doch an Albert auslassen, was ihr selbst widerfuhr, ist erstmal beruhigt und denkt, dass ihn jetzt nur noch die Würmer hören. Arme Maria.

Dabei war so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.
Das ändert leider nichts, liebe Maria ...

reißt er mich vom Finger, als sei ich ein Fremdkörper, schließt die Faust und versenkt mich in einem trüben Meer. Seither schwimme ich.
Schöner Verweis auf das Ende und auch auf Marias Seelenzustand.

der auf der Kommode lieg,
liegt.

Ich spüre einen Luftzug von draußen, schwimme auf halber Höhe zwischen dem Fleisch. Ach, wenn ich doch nur hier rauskäme. Einmal noch die Sonne genießen, meinen Glanzleib bestrahlen lassen könnte. Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen. Ich erschaure, wenn es geschieht, stoße mich ab, soweit ich es vermag.
Noch so ein toller Absatz. Der Ring scheint mir in der Geschichte tatsächlich Marias Seelenzustand in Worte zu fassen. Egal, wie sehr sie versucht, es anders zu machen, einen rumänischen Freund hat, auch um sich vom Vater abzugrenzen, sich also abstößt, soweit sie es vermag (ich denke, es heißt hier so weit) und erschauert, wenn es geschieht, sie also genau so ist wie der Vater - letztendlich kann sie nicht anders.

Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend, habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt.
Hinter grinsend kein Komma.

Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt. Ihr Arm senkt sich tief in das Fass.
Hier habe ich erst gestutzt, dass Maria weiter in dem Fass rumwühlt und erst beim Fuß reagiert. Aber Trotz des Grauens breitete sich etwas wie Euphorie in ihr aus lässt mich abermals darauf schließen, dass sie wohl doch noch mehr von ihrem Vater in sich hat als ihr lieb ist.

Gruselig. Und wie gesagt, toll gemacht! Bin absoluter Fan von der Geschichte!

Geplättete Grüße,
Chai

 

Hi Friedel,

aber "hat er gesagt" ist genauso ein vollständiger Satz wie "gesagt hat er ..." und sollte doch von dem vorausgehenden oder nachfolgenden Satz durch ein Zeichen getrennt werden - wobei ich Realist genug bin, jedem zuzugestehn, ohne Punkt und Komma zu sprechen.
ich lass das mal so, ganz ohne Punkt und Komma, auch mit der Dopplung von "hat er gesagt". Ich glaube, das klingt authentisch.

Hi @GoMusic

lieben Dank für den Besuch, die Lektüre, die Zeit. Einige der Punkte, die du nennst, haben andere schon erwähnt. An manchen Stelle sehe ich Nachdenk-, vielleicht Überabreitungsbedarf, super, dass du sie ansprichst.

Das schreit geradezu danach, dass da irgendetwas nicht stimmt, sonst bräuchtest du den Kontrast nicht :)
So beginnen übrigens viele Horrorstorys.
der Anfang ja, stimmt, ich wollte was wie Horror machen, anders lässt sich der Stoff kaum greifen.

Was für Geräusche genau?
habe ich auf der To-Do-Liste, kann sein, dass ich die Stelle ausbaue, andererseits erzähle ich ohnehin recht prall und muss etwas dosieren.

Alaska-Haus finde ich eine merkwürdige Bezeichnung.
na ja, aber der Begriff trifft es, auch in der Abgrenzung Marias, die sich dadurch ausdrückt.

"Einstweilen" höre ich selten. Klingt altmodisch
dabei so ein hübsches Wort (hat schon mal jemand kritisiert, also bleibt es auf der To-think-about-Liste)

wie er sich in die Kreatur verwandelte. Ich war gebunden an ihn, ein Gefangener ohne Aussicht auf Flucht. Entkommen konnte auch er nicht.

Klingt, als wisse sie, was geschehen war.
weiß er auch, der Ring steckte am Finger.

„Ich räume Petras Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“ Maria liebte und hasste ihn.

Aber dafür muss sie ihn wohl mehr gehasst haben, denke ich.
Oder mehr geliebt? Wenn ja, was hat Mutter (ihr) (an)getan?
vielleicht will sie den Verlust der Mutter ebenso verdrängen wie er.

Hm ... Wer sagt das?
Klingt wie eine Erklärung. Erklärungen mag ich nicht.
Das Ende gefällt mir nicht so gut.
ja, der Schluss, den habe ich im Blick, da muss ich wahrscheinlich noch mal ran. Der Grund für den Nachtrag bestand darin, eine Erklärung zu liefern. Muss ich ein-, zweimal drüber schlafen. Derzeitiger Favorit; sie nimmt das Handy und wählt eine Nummer. (auch nicht perfekt)

Was ist aus deinen abgedrehten Wortkreationen geworden? :Pfeif:
Hast sie ein wenig "abgeschwächt". Die, die ich gefunden habe, gefallen mir. :)
die hast du nur nicht bemerkt:D

Liebe Glühweinshowgrüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lieber @Isegrims,

mit deinem Text komme ich diesmal nicht so gut klar. Einige Stellen fand ich toll, an anderen bin ich gestolpert. Der Reihe nach:

ein paar Vögel zwitschern, sonst herrscht Stille. Geräusche dringen wie ein Säuseln aus der Ferne in die Ohren
sorry, das widerspricht sich: Vogelgezwitscher, Stille und Geräusche? Entweder höre ich was oder nix, dann herrscht Stille.

Gardinen wehren Blicke ab
Das klingt so, als würden die Gardinen aktiv. Merkwürdig.

Alaska-Haus
Vorher schreibst du "Alaskas Haus" und das finde ich besser, denn mit "Alaska-Haus" setzt du voraus, dass es ein feststehender Begriff ist.

Die Spuren haben sich eingebrannt, durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt.
Spuren finde ich unpräzise. Wenn du schriebst: "Die Gerüche haben sich eingebrannt, stehen in der Luft, kleben in den Fugen und an den Wänden, spinnen unsichtbare Fäden, die sie wie Spinnweben am Vorbeigehen hindern" würde ich nicht rausgebracht.

Einstweilen dreht sie in den Räumen die Heizkörper auf, eilt nach oben.
Warum so gestelzt? Warum einstweilen, da denke ich an einstweilige Verfügung, an etwas Vorläufiges. Warum dreht sie die Heizkörper nicht auf dem Weg nach oben auf?

saugt an der Sturmluft
Durch die Verknappung funktioniert das Bild für mich nicht, da ich "saugen an" mit Säugling und Mutterbrust oder Vergleichbarem verbinde. Warum nicht: "Saugt die Sturmluft tief in ihre Lungen"?

Schlager, Bach, Beethoven, Heintje, Rex Gildo, Wagner, Disco-Zeug
Kommt jemand, der sehr gut Saxofon spielt und das Instrument liebt, am Jazz vorbei? Eine Scheibe von John Coltrane würde Alaska noch eine Facette hinzufügen.

Manchmal holte er dann das Saxofon, presste das Mundstück zwischen die Lippen, begann zu spielen, schlug die Krallenfinger auf die Tasten, bis das Instrument krächzte, jubelte, jauchzte, Botschaften ausspie.
Schöne Stelle.

Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, ihre Klavierstunden zu bezahlen.
Das klingt so als hätte sie schon welche. Sonst müsstest du schreiben: … ihr Klavierstunden zu bezahlen.

Ich spürte die Feuerglut in einer Eisschicht versteckt.
Nee, sorry, das funzt nicht, das geht nicht ineinander und nicht gleichzeitig.

Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.
Das "grinsen" ist für mich überdosiert, "strahlen" würde mir völlig reichen.

Ein Schwall Eisluft weht ihr entgegen, erinnert sie an die Alaska-Urlaube, die Hundefahrt. Nachdem er sie verschnürt hatte wie ein Gepäckstück, ihr Schal, Handschuhe, eine Mütze mit Augenschlitzen verpasst hatte, stellte er sie vor sich auf den Schlitten. Dann schnalzte er mit der Zunge, rief den Hunden Kommandos zu. Nach einer Weile schwebten sie über die Schneelandschaft, die Sonne gleißte, die Hunde kläfften, der Schlitten knirschte. Am Himmel klebten Engel.
Schön geschrieben, auch die Engel kaufe ich.

Jahrelang war die Kleinfamilie nach Alaska geflogen, mal im Winter, mal im Sommer, hatte Glück versprüht.
Wofür Kleinfamilie? Das klingt so nach Volkszählung.

Am Grab vergoss Alaska Tränenwasserfälle.
Sorry, Isegrims, das ist einfach too much, da muss ich sofort an Emojis denken und das nimmt der Situation die Glaubwürdigkeit.

Dann kommt der Container, ich muss schlucken und denke: Okay, sowas gibt's auch, dass Eheleute sich so angehen, sich Kanake und Zigeuner, die man ausrotten müsste titulieren. Und sich dann sagen, sie würden sich lieben und gemeinsam in Urlaub fahren? Netter Umgangston!
Oder ist das vielleicht doch zu dick, um es zu glauben?

Obwohl Maria vom Dachboden in die Wärme kommt, fröstelt sie.
Das liest sich schief, so als würde sie wegen der Wärme frösteln, obwohl sie vom Dachboden kommt.
Ich denke du meinst: Maria bringt die Kälte mit vom Dachboden und fröstelt noch als sie in die Wärme tritt.

An der Stelle frage ich mich: Woher kommt die Besessenheit von dem Ring? Was verspricht sie sich davon? Mal sehen, vielleicht löst du es später auf.

Ihr Blick fällt auf die Nagellackreste, die sich ins Holz eingebrannt haben.
Um sich einzubrennen, müssten die Reste in Flammen gestanden haben. Wie wärs mit eingefressen?

seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.
schöne Begleitschwingung.

zeigen ihr Alaskas Traumfängerglut
hier habe ich ähnliche Probleme wie bei den Tränenwasserfällen. Traumfänger sind für mich esoterisch und kindlich besetzt. Das ist mir in dem Kontext zu niedlich.

Ohne sie anzuschauen, zog er an der Schublade. Das Scharnier quietschte.
Sorry, aber eine Schublade hat kein Scharnier, sondern einen Auszug, oder von mir aus eine Schiene. Scharniere haben immer ein Gelenk und du findest sie in der Regel an Türen.

Ted brachte Steaks aus dem PX mit.
PX? Wenn ich google, kommt was von einer Fluglinie in Papua-Neuginea.

Ich spüre einen Luftzug von draußen, schwimme auf halber Höhe zwischen dem Fleisch. Ach, wenn ich doch nur hier rauskäme. Einmal noch die Sonne genießen, meinen Glanzleib bestrahlen lassen könnte. Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen. Ich erschaure, wenn es geschieht, stoße mich ab, soweit ich es vermag.
Ok, das mit den Erlebniseinschüben aus Ring-Perspektive finde ich eine Superidee (wenn auch sehr dick:D), doch hier frage ich mich: Kann der Ring schwimmen oder warum liegt er nicht einfach unten? Woher kommt die Bewegung in dem Fass?

Maria weinte, als der Krankenhausarzt ihr sagte, er habe gar nichts mitbekommen, so morphiniert sei er gewesen.
Sorry, aber das Wort "morphiniert" gibt es laut Duden nicht, deshalb kann ich auch nicht glauben, dass der Arzt das sagt. Warum nicht sediert? Das würde der Arzt sagen.

Ihr Arm senkt sich tief in das Fass. Ein abgetrennter Fuß kommt ans Licht. Die Reste der Nagellackierung leuchten auf, die Farbe ist an einigen Stellen abgeblättert - rot, was sonst. Maria erschrickt, schleudert zu Boden, was sie in der Hand hält.
Frage Nr.1: Warum zur Hölle sollte sie das tun? Frage Nr.2: Bist du sicher, dass der rote Nagellack auf den Zehen nach vermuteten Jahren des Gammelns in Terpentin/Wasser-Gemisch noch rot leuchtet?

Lieber Isegrims, ich habe ja schon einige deiner Geschichten gelesen und kommentiert, doch bei dieser hier hatte ich erstmals große Schwierigkeiten, am Ball zu bleiben. Es fiel mir schwer, die Überdosis an Sinneseindrücken gepaart mit manchen aus der Situation fallenden Beschreibungen zu verkraften. Bei einigen Wortschöpfungen hatte ich erstmals ein "Reim dich oder ich fress dich"-Gefühl, es war an den aufgezeigten Stellen zu gewollt. Vielleicht liegt es am Setting und am Plot, ich kann realen Horror schlecht mit Schönschreiberei verknüpfen. Es ist sicher ein Ding des Themas, hier fände ich es nüchterner weitaus wirkungsvoller.
Auch bleibt mir das Ringmotiv unklar. Was erhofft sich Maria vom Besitz? Wenn sie Alaskas Dämonen loswerden will, würde sie ihn vernichten und nicht überstreifen.
Nun gut, du hast Seltsam getaggt, falls ihm geheime Kräfte innenwohnen, wie dem "Einen, sie alle zu knechten" würde ich mir eine Andeutung von Marias Verwandlung wünschen, quasi ein Überspringen der Dämonen. Doch sie beschließt, nach Alaska zu fliegen (wofür?) und die Runzeln auf meiner Stirn stehen Schlange.
Der letzte Satz wirkt auf mich wie ein Appendix, dem die Bindung zum Text fehlt. Da hätte ich mir eine Andeutung gewünscht, was der Ring mit ihr macht, denn so wirkt es ein wenig wie zur Challenge passend hingedrechselt.
Der Text beeindruckt mich schon und ich merke, wie es rattert, ich denke weiter. Doch das hat diesmal mehr mit den ungeheuerlichen Tatsachen zu tun, die du anführst und intensiv beschreibst, als mit der stilistischen Umsetzung. Hier wäre in diesem Fall mMn weniger mehr gewesen und ich würde dir ans Herz legen, die obersten Ausschläge in der Skala zu kappen.

Peace, linktofink

 

Und das Ende: Ich schließe mich @GoMusic vollumfänglich an. Ich habe das hier (und auch andernorts) schon öfters gelesen, dass am Ende so ein erklärender Abschnitt kommt, der aus der Erzählperspektive rausfällt, sich wie ein Ausschnitt aus einer Zeitung liest und NICHTS zusätzlich erklärt, was nicht vorher auch schon in der Geschichte klargeworden wäre. Nur sehr melodramatisch klingt der hier.

Vorab: den Nachtrag habe ich gestrichen, das Ende neu gestaltet:
Da spürt sie die das wutvibrierende Smartphone, zieht es aus der Hosentasche. Aber zuvor streift sie den Ring über und beschließt, nach Alaska zu fliegen.

Der Text stellte in mancherlei Hinsicht ein Experiment dar, weniger sprachlich, da habe ich Haltlosigkeiten des Stils etwas gebändigt, eher vom Genre und der Struktur her. Ich war mir total unsicher, ob die Geschichte nicht zu hermetisch wird, wenn ich keinen Realitätsbezug herstelle.

https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Seel
Hier dennoch mal einen Link zur Geschichte des Taunusmörders.

Liebe @TeddyMaria

so ein sturmschöner Kommentar, vielen Dank für die Zeit und die Beharrlichkeit, einen anderen Schluss zu fordern, deine Kommentar hat meinen Widerstand letztlich gebrochen.

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie ist – Wie könnte es anders sein? – sehr atmosphärisch und kommt ganz leise daher.
:Pfeif:

Den ersten Satz finde ich großartig. Aber danach hatte ich Schwierigkeiten, in den Text zu finden. Und ich glaube, das liegt ein bisschen daran, dass Du mich mit dem ersten Satz auf eine falsche Fährte führst:
Ich verstehe den Einwand, wollte den Ort ein wenig umkreisen, Stücke hinwerfen, die der Leser zusammenfügen kann. Mm, vielleicht ändere ich da was, andererseits passt die Verrottung, gerade am Anfang.
Du erzählst zwar vom "Alaska-Haus" (wunderschön übrigens), und damit fängst Du auch an, und dann sagt jemand was über einen Container, und dann fährt jemand anderes eine Stunde Auto, und DANN erst bin ich doch am Alaska-Haus.

"durchschnaufen"? Nie gehört. Zumal ich ja bei solchen exotischen Ausdrücken immer automatisch versuche, diese Geste nachzumachen (Theatererziehung), und "durchatmen" heißt für mich "tief und geräuschvoll ein- und ausatmen" ("tief und geräuschvoll atmen" = "schnaufen" laut Duden),
na ja, durchschnaufen ist doch wie durchatmen, denke ich drüber nach.

Du breitest ja eigentlich Marias ganze Kindheit und Jugend aus, und Du machst das so filigran, so bedacht, so detailliert, ohne dass es langweilig wird. I like. :thumsbup: So ein rotziges Ende hat der Text nicht verdient, und das hat er auch gar nicht nötig.
filigran gefällt mir:Pfeif:

Ich wünsche dir einen glitzersturmfeinen Start in die Adventswoche
Liebe Grüße
Isegrims

 

Hallo @Isegrims,
erst einmal zu deinem Geburtstag viel Glück und Inspiration fürs nächste Jahr. Besonders an Letzterem mangelt es offenbar nicht.
Ich bin begeistert von deinem Text, fand ihn spannend und kraftvoll. Besonders gut hat mir die Perspektive des Rings gefallen.
Kennst du den Roman "Rot ist mein Name" von Orhan Pamuk? Das hat etwas Machtvolles, wenn die Dinge "beseelt" werden. Faszinierend, die Beziehung des Rings zu Alaska, da steckt Gewalt drin, was Böses und Kaltes, genau wie in der Beziehung zu seiner Tochter. So als seien die Dinge und die Menschen diesem Mann und seiner Krankhaftigkeit gleichermaßen ausgeliefert gewesen. Wie sehr das der Fall war, zeigt sich am Ende.


Alles andere konnte verschwinden, verrotten wie Alaska selbst.
Müsste es nicht "kann" heißen? Du schreibst doch im Präsens.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.
Ja, auch die hätten wohl etwas mitzuteilen, wenn der Autor ihnen Sprache verliehen hätte.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.
Das ist berührend an dieser Stelle.

Am nächsten Morgen saß ein lächelnder Alaska am Frühstückstisch: „Ich räume Petras Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“ Maria liebte und hasste ihn.
Den letzten Satz finde ich ein bisschen abgedroschen und auch unnötig.

Dabei war so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.
Müsste es nicht "ist" heißen?

Seither schwimme ich.
Mein Lieblingssatz.

Als sie das Haus wieder betritt, sitzen die Dämonen weiter hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Traumfängerglut, die Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, die Augen über sie hinweg gleiten ließ, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte, bis er seine Tochter erkannte.
Dennoch scheinen seine Dämonen ihr nicht wirklich etwas anhaben zu können. Sie wirkt auch jetzt bei der Rückkehr recht stark. So als hätte sie etwas von seiner Härte übernommen und vielleicht war sie ihm gegenüber auch durch ihre Mutter geschützt. Jedenfalls mache ich mir an keinem Punkt Sorgen um sie. Sie sucht nach dem Ring.

Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus.
Cooles Detail, dass er Blumenhändler ist. Gefällt mir sehr.

Die Gäste setzten sich, einige lehnten sich an die Fässer.
bisschen Horror ist schon auch dabei, oder?

Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen.
Irre, ich hatte noch nie Mitgefühl mit einem Ring.

Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war.
Schöne Wortschöpfung. Ich finde, dass du diesmal ein tolles Feeling hast. Diese Worte unterstützen den Inhalt, charakterisieren die Protagonistin, aber sie schieben sich nicht so in den Vordergrund, wie manchmal in der Vergangenheit. (Okay, die Tränenwasserfälle am Grab wirken etwas kindlich/umständlich)

Was sie sieht, dringt so langsam in ihr Bewusstsein, als müsse sie sich daran gewöhnen, als müsste der Verstand einen weiten Weg zurücklegen, sich in den Alaskarätseln verfangen, auflösen, wieder zusammensetzen, aus dem Gedankennebel tropfenweise eindringen, um das Kind in ihr zu beschützen.
Toll beschrieben.

Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt.
Das ist nun strange. Das sie nochmal reingreift. Okay, sie ist die Tochter ihres Vaters. Die Euphorie kommt sehr schnell, aber ich stelle mir vor, dass das die Erleichterung darüber ist, dass das monströse Geheimnis nun gelüftet wird. Der Ring schwebt nicht mehr und Maria bekommt mit der Wahrheit auch eine Chance, Boden unter den Füßen zu bekommen. Dennoch würde ich bei einem "normalen" Menschen erstmal einen Schock erwarten.

Da spürt sie das wutvibrierende Smartphone, zieht es aus der Hosentasche. Aber zuvor streift Maria den Ring über und beschließt, nach Alaska zu fliegen.
Das Ende verstehe ich nicht. Wieso hieß ihr Vater eigentlich Alaska? Mir fehlt auch der Vorgang des Handschuhabstreifens und Ringabputzens. Und wieso ist das Smartphone wutvibrierend?

Ach, und dann noch zu ihrem Telefonat mit Albert:

„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“

„Hier liegen Erinnerungen begraben, ich halt das kaum aus.“

Das "Ich liebe dich" gefällt mir nicht. Das kippt von Aggression in Kitsch und soll vermutlich zeigen, wie diese Beziehung funktioniert. Aber für meinen Geschmack könntest du das Fettgedruckte einfach weglassen.

Insgesamt eine großartige Geschichte. Ich bin so gespannt, wie es bei dir weitergeht.

Herzliche Grüße von Chutney

 

Hallo @Chai

wow, was für ein Kommentar. Du kannst dir denken, dass ich mich gefreut habe, danke dir, vor allem auch dafür, dass du den Text seziert, die Schichten durchsucht hast. Die Anlage der Geschichte war ein Wagnis, das sich offensichtlich gelohnt hat.

Wow! Das ist die beste Geschichte, die ich bisher von dir gelesen habe! Gefällt mir wirklich sehr gut. Die Stimmung, Dialoge, Plot, alles kommt mir hier gut dosiert vor, und ich bin dir gespannt bis zur letzten Zeile gefolgt.
gerade an der Dosierung habe ich sorgfältig gearbeitet, freut mich deshalb umso mehr.

Anfangs - und teilweise auch im Verlauf der Geschichte - hatte ich Schwierigkeiten mit den ganzen Namen.
ja, das mit den Namen... Die Alternative wären Tell-Passagen gewesen.

Super, wie du hier zunächst diese scheinbare Kleinstadtidylle der Rama-Familien (vielleicht kennst du die noch aus der Fernsehwerbung, keine Ahnung,
hübscher Ausdruck, das mit der Rama-Familie:D

Sofort habe ich ein Bild, was die für ein Verhältnis haben. Im Vorfeld küsst er sie ja, zeigt ihr überschwänglich seine Liebe - oder das, was er dafür hält -, um sie im nächsten Moment zu entwerten. Maria ist hin und hergerissen zwischen heiß und kalt, es gibt keine Zwischentöne.
genau so, super, wie du das zusammenfasst.

Und obwohl sie darunter gelitten hat, ist es eben das, was sie gelernt hat, was du prima an dem Dialog mit Albert zeigst. Erst beleidigt sie ihn, um ihm dann zu sagen, dass sie ihn liebt. Ganz schön krank.
sie ist in jeder Hinsicht hin und hergerissen

zuviel. Ich würde es bei der Zigeunerfamilie belassen und das mit dem Ausrotten, nichts wert, weglassen. Alle Rumänen sind Zigeuner.
ja, der Nazivergleich. hat schon mal jemand kritisiert, andererseits spiegelt es eben die Alaskamörderhaltung

Noch so ein toller Absatz. Der Ring scheint mir in der Geschichte tatsächlich Marias Seelenzustand in Worte zu fassen.
:Pfeif:

Aber Trotz des Grauens breitete sich etwas wie Euphorie in ihr aus lässt mich abermals darauf schließen, dass sie wohl doch noch mehr von ihrem Vater in sich hat als ihr lieb ist.
eine Art euphorische Erregung wollte ich beschreiben, genau:shy:

Gruselig. Und wie gesagt, toll gemacht! Bin absoluter Fan von der Geschichte!
:Pfeif:

Liebe Grüße und einen Zauberlichtertag für dich
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Isegrims,

zunächst habe ich deine Geschichte in einem Rutsch gelesen, bin durchgejagt, wollte alles wissen und konnte mich ihrem Sog nicht entziehen. Den Plot finde ich gelungen, die Spannung zieht sich bis zum Schluss durch den Text, und die Erzählsprache könnte ich auch beinahe mögen – beim genaueren Lesen stolpere allerdings über zuviel Pathos, bleibe an Wortschaumbläschen kleben, aber vor allem stören mich die inflationär auftauchenden Alaska-Komposita: Alaska-Haus, Alaskahölle, Alaska-Urlaube (klar, hier ist das Land gemeint, es reiht sich trotzdem in diese ellenlange Alaska-Liste ein), Alaska-Scheitel, Alaskastimmen, Alaskawut, Alaska-Ordnung, Alaskaablaufdatum, Alaskarätsel. Also, für meinen Geschmack absolut zu viel. Ein Stilmittel natürlich, aber ausgereizt bis zum (zu meinem) Überdruss. Kann sein, dass durch den Namen Alaska diese Zusammensetzungen bedeutsamer erscheinen sollen, aber wenn man Alaska mal durch Vater ersetzt, fällt diese Häufung noch deutlicher ins Auge. Was mich weiterhin verwundert, ist, dass sowohl der Ring aus seiner Ich-Perspektive, als auch der personale Erzähler (Maria) diese Alaska-Wörter verwenden. Wenn schon, würde ich es glaubhafter finden, wenn nur einer von beiden darauf zugreift.

Die Idee, den Ring sprechen zu lassen, finde ich sehr schön, das verleiht deiner Geschichte von Anfang an einen mysteriösen Hauch. Was ich mir trotzdem wünschen würde, wäre, dass noch klarer wird, warum Maria so verrückt danach sucht. Das hier finde ich zu wenig:

Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.
Also, ich fände es schön, wenn es ein paar mehr Szenen mit Alaska, Maria und dem Ring gäbe. So, wie es jetzt ist, muss ich als gegeben hinnehmen, wird mir erzählt, dass der Ring Maria so viel bedeutet, ich kann aber nicht wirklich nachvollziehen, warum.
Kleinkram:
Als sie ankommt, den Motor abstellt, flattern die Büsche im Wind, ein paar Vögel zwitschern, sonst herrscht Stille. Geräusche dringen wie ein Säuseln aus der Ferne in die Ohren, Gardinen wehren Blicke ab.
Das widerspricht sich: die Windgeräusche, das Blätterrascheln, dann Stille, dann wieder Geräuschesäuseln.
Maria schnauft durch, betritt das Alaska-Haus.
Schnauft klingt irgendwie wildschweinmäßig
Die Spuren haben sich eingebrannt, durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt.
Das ist schön beschrieben.
Einstweilen dreht sie in den Räumen die Heizkörper auf,
Einstweilen – bis was genau passiert?
zieht die Falltreppe herab, steigt zum Dachboden empor.
Ist bestimmt nicht falsch, aber mMn trotzdem überdosiert: Sie klettert eine stinknormale Bodenleiter hoch, mehr nicht. Emporsteigen klingt nach Größerem, nach Sachen, die Engel tun … ;)
Alles andere konnte verschwinden, verrotten wie Alaska selbst.
kann verschwinden?
Warum hatte er ihn im Krankenhaus nicht dabei, warum hat sie ihn nicht nach dem Ring gefragt?
Beim zweiten Mal auch hatte, denke ich.
Sie klappt das Fenster auf, saugt an der Sturmluft
Saugt an der Luft? Nee, wenn, dann: saugt die Luft ein. Die Luft hat doch kein Mundstück, keinen Schnuller, keine Brustwarze …
Manchmal holte er dann das Saxofon,
Eins davon weg?
Maria liebte es, wenn er musizierte, Rhythmen den Kopf füllten.
Wessen Kopf – ihren, seinen oder alle?
Sobald der letzte Akkord verhaucht war, umarmte Alaska die Tochter, küsste sie, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut und erklärte, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, wenn er dies nur gewollt hätte.
Dieser Absatz haut für mich nicht ganz hin. Weiter oben schreibst du ja, dass er manchmal, also immer mal wieder, das Saxophon hervorholt, das impliziert, dass sich das danach Beschriebene immer wieder so zuträgt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer wieder sagt, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, oder das hier:
Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, ihre Klavierstunden zu bezahlen.
So, wie es dasteht, klingt es aber danach, als wäre das immer wieder so passiert. Und täglich grüßt das Murmeltier?
Die halbzerfetzten, leeren Kartons wirft sie durch das Dachfenster nach draußen, schaut ihnen beim Segeln hinterher.
Schöne Stelle.
Am Himmel klebten Engel.
Die auch.
Jahrelang war die Kleinfamilie nach Alaska geflogen, mal im Winter, mal im Sommer, hatte Glück versprüht.
Klingt seltsam. Und hat die Familie Glück versprüht oder verspürt? Versprüht fände ich auch seltsam: Eine Kleinfamilie mit Glücksspraydosen, die in Alaska die Luft verpestet …:sealed: Sorry, ist natürlich ein Joke, aber wenn es wirklich so poetisch gedacht ist, wie ich vermute, dann funktioniert es für mich nicht wirklich.
Mama hielt Händchen, lief in der Mitte, küsste ihn, küsste Maria.
Aus welcher Perspektive erzählst du das?
Die helle Mamastimme mit dem russischen Akzent zwitscherte, flog über das Bett, mischte sich mit Kinderlachen und Alaskas Brummen.
Wenn es aus Marias Perspektive erzählt ist (Mamastimme) würde das Kinderlachen nicht passen, denn das sagt Maria doch nicht von ihrem eigenen Lachen. Wenn es aus einer anderen Perspektive ist, durchschaue ich nicht ganz, aus welcher. Multiperspektive? Solche Stellen gibt es einige Mal. Liegt vllt. an mir, dass ich damit nicht so zurechtkomme.
Am Grab vergoss Alaska Tränenwasserfälle.
Mehrere Dinge: Das Wort ist so ein Fall, wie ich ihn oben beschrieben habe, der mich raushaut. Wenn der Ring solche Wörter benutzt
Seine goldschöne Frau … Glanzleib
usw., dann passt das, dem Ring kann ich sowas abnehmen, aber dem anderen Erzähler nicht wirklich, dann klebt es zu sehr. Und hier auch wieder mein Problem mit der Perspektive: Wer beobachtet die Tränenwasserfälle bei Alaska? Seine kleine Tochter Maria, die gerade ihre Mutter unter die Erde gebracht hat? Das glaube ich nicht, die kann mit Sicherheit vor lauter eigenen Tränen nichts anderes wahrnehmen. Also, gibt es einen allwissenden Erzähler oder springst du von Alaska zu Maria?
Am nächsten Morgen saß ein lächelnder Alaska am Frühstückstisch: „Ich räume Petras Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“ Maria liebte und hasste ihn.
Bisher habe ich für Maria nur Gründe entdeckt, Alaska zu hassen. Es gibt kaum eine Stelle, wo du ihn liebenswert zeigst, das wird immer nur behauptet. Dies ist die einzige Stelle: umarmte Alaska die Tochter, küsste sie, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut, und danach ist er gleich wieder fies. Um Marias ambivalente Gefühle nachzuvollziehen, bedarf es noch einiger liebevoller Stellen mehr. Du zeigst den Kerl durchweg als Psychopathen, den es zu lieben für Maria keinen Grund gibt.
„Du bist echt bescheuert, Albert! Das Ding ist viel zu groß. Na ja, was soll man schon erwarten. Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gestopft und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
Das hier, und der Dialog, der danach folgt, wirkt unecht. Gerade am Telefon redet keiner so. Das ist für den Leser reingebastelt und müsste mMn viel subtiler rüberkommen.
Dann schüttet sie den Kaffee in die Tasse mit der aufgedruckten Sonne. Er schmeckt lauwarm.
Ich spare mir das: :klug:
Sie kann die Rückblenden nicht verscheuchen. Dabei war so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.
Ich würde denken, es ist so viel Zeit vergangen
wenn die Strafpredigten auf sie prasselten wie ein Gewitterregen, endlose Reden über Sauberkeit und Moral, alte Zeitungen, die er stapelweise aufbewahrte
Was bin ich jetzt auf dem Klugscheißertrip :lol: – sorry, aber redet er denn endlos über alte Zeitungen? Vllt. ein ; dazwischen …
„Richard, kannst du was von Alaskas Zeug gebrauchen? Schuhe, Mäntel, Anzüge, Pullover, mm?“
„Nee, Maria, nee, lass man. Aber das Saxofon, dass du mir das geschenkt hast, damit kann ich was anfangen, werde auf die alten Tage probieren, dem Ding paar Töne zu entlocken.“
Kleiner Regiefehler, wahrscheinlich: Wann hat Maria dem Richard denn das Saxophon bereits geschenkt, wenn sie jetzt das erste Mal nach Alaskas Tod dort ist? Als er noch lebte? Wer macht denn sowas …:sconf:
Als sie das Haus wieder betritt, sitzen die Dämonen weiter hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen,
An sich gefällt mir die Stelle, aber die Dämonen sitzen nicht erst weiter dort, als sie das Haus betritt. Irgendwie schräg.
Als sie das Haus wieder betritt, sitzen die Dämonen weiter hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Traumfängerglut, die Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, die Augen über sie hinweg gleiten ließ, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte, bis er seine Tochter erkannte,
Perspektive? Sie und ihr ist Marias Innensicht, Maria auf ihn wartete ist Maria von außen betrachtet, die Augen über sie hinweg gleiten ließ ist Alaskas Perspektive – ist das Kunst oder gehört das geändert? Ich frage das wirklich ohne Ironie.
Traumfängerglut ist wieder so ein schönes Wort, mit denen du gerne spielst, aber es sagt nichts aus, zerplatzt beim näheren Betrachten, wohingegen man sich Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände ja vorstellen kann.
An solchen Tagen war Alaska am gefährlichsten, entweder liebevoll oder grausam, je nachdem.
Grausam ja, liebevoll hätte ich gerne nicht nur erzählt bekommen.
Der Gesangverein kam vorbei, Volkslieder wurden geschmettert. Das Saxofon kam zum Einsatz.
Fleisch und Holzkohlegerüche stülpten sich über den des Regens.
Stülpten sich über den Was des Regens? Besser: Fleisch- und Holzkohlegeruch stülpte …
Maria weinte, als der Krankenhausarzt ihr sagte, er habe gar nichts mitbekommen, so morphiniert sei er gewesen.
Und wieder: Nach allem, was ich gelesen und gezeigt bekommen habe, verstehe ich Marias Tränen nicht wirklich. Ich verstehe, dass es eine Verbindung zu ihrem Vater gibt, enger, als ihr lieb ist, aber das ist mir, wie gesagt, nur erzählt wurden.
Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend, habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt.
Komma weg nach grinsend
Für die Beerdigung bestellte sie einen Saxofonisten, der seinen Lieblingssong spielte, das Solo aus „Your latest trick“ von den Dire Straits.
Viel zu schön für den …
Der Novembertag brachte Regen und Sturm.
Wie bei allen richtigen Beerdigungen … Leider schon oft gelesen und gesehen.
Als ihr Arm wieder zum Vorschein kommt, hat sie einen kleinen Gegenstand gefischt, den Ring Alaskas.
Würde sie das so denken, so pathetisch? Den Ring Vaters, eigentlich ... Ernsthaft?

Also, Isegrims, wie schon gesagt, grundsätzlich hat mir deine Geschichte gefallen, aber zu Meckern habe ich eben auch ein paar Sachen und das überwiegt natürlich im Kommentar.
Ich hoffe, dass du mit dem einen oder anderen etwas anfangen kannst.

Viele Grüße von Raindog

 

Hi @linktofink,

was für ein detaillierter Kommentar, danke schön dafür und für die investierte Zeit.

mit deinem Text komme ich diesmal nicht so gut klar. Einige Stellen fand ich toll, an anderen bin ich gestolpert.
Du nennst eine Menge Stellen, ich werde gleich auch im Einzelnen darauf eingehen. Die meisten notiere ich auf der Überarbeitungsliste. Wird allerdings noch ein klitzebisschen dauern, bis ich damit durch bin.

ein paar Vögel zwitschern, sonst herrscht Stille. Geräusche dringen wie ein Säuseln aus der Ferne in die Ohren

sorry, das widerspricht sich: Vogelgezwitscher, Stille und Geräusche? Entweder höre ich was oder nix, dann herrscht Stille.
guter Punkt, haben andere auch schon erwähnt, da muss ich Ordnung schaffen, ohne den gefühlten Gegensatz von Stille und Geräuschen zu verlieren.

Gardinen wehren Blicke ab

Das klingt so, als würden die Gardinen aktiv. Merkwürdig.
ich finde, die Stelle erschließt eine Bedeutungsebene. Die Gardinen stellen ja ein Symbol dar, wehren ab, was nicht nach innen dringen soll.

Vorher schreibst du "Alaskas Haus" und das finde ich besser, denn mit "Alaska-Haus" setzt du voraus, dass es ein feststehender Begriff ist.
der Begriff ist ja sozusagen mittlerweile eingeführt.

Warum so gestelzt? Warum einstweilen, da denke ich an einstweilige Verfügung, an etwas Vorläufiges. Warum dreht sie die Heizkörper nicht auf dem Weg nach oben auf?
ja, das einstweilen, das werde ich schätzungsweise streichen, schaden eigentlich.

Die Spuren haben sich eingebrannt, durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt.
Spuren finde ich unpräzise. Wenn du schriebst: "Die Gerüche haben sich eingebrannt, stehen in der Luft, kleben in den Fugen und an den Wänden, spinnen unsichtbare Fäden, die sie wie Spinnweben am Vorbeigehen hindern" würde ich nicht rausgebracht.
nö, sorry, Spuren bedeuten mehr als Gerüche, genau so will ich das ausdrücken.


Durch die Verknappung funktioniert das Bild für mich nicht, da ich "saugen an" mit Säugling und Mutterbrust oder Vergleichbarem verbinde. Warum nicht: "Saugt die Sturmluft tief in ihre Lungen"?
mm, einsaugen, aufsaugen, das trifft es aber schon

Kommt jemand, der sehr gut Saxofon spielt und das Instrument liebt, am Jazz vorbei? Eine Scheibe von John Coltrane würde Alaska noch eine Facette hinzufügen.
sehr guter Hinweise, übernehme ich auf jeden Fall!

Ich spürte die Feuerglut in einer Eisschicht versteckt.

Nee, sorry, das funzt nicht, das geht nicht ineinander und nicht gleichzeitig.
denke ich drüber nach, nach meiner Vorstellung ist die Glut so heiß, dass sie im Eis nicht gleich erlischt.

Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.

Das "grinsen" ist für mich überdosiert, "strahlen" würde mir völlig reichen.
ähnlich wie die Stelle weiter oben, die du kritisch siehst. Im Text wird den Dingen ein Eigenleben gegeben, insofern können sie auch grinsen.

Wofür Kleinfamilie? Das klingt so nach Volkszählung.
ja, Kleinfamilie klingt nicht elegant, stimmt.

Das liest sich schief, so als würde sie wegen der Wärme frösteln, obwohl sie vom Dachboden kommt.
Ich denke du meinst: Maria bringt die Kälte mit vom Dachboden und fröstelt noch als sie in die Wärme tritt.
die Stelle habe ich bereits geändert.

Um sich einzubrennen, müssten die Reste in Flammen gestanden haben. Wie wärs mit eingefressen?
einfressen passt besser, stimmt!

hier habe ich ähnliche Probleme wie bei den Tränenwasserfällen. Traumfänger sind für mich esoterisch und kindlich besetzt. Das ist mir in dem Kontext zu niedlich.
mm, beide Ausdrücke muss ich prüfen.

Sorry, aber eine Schublade hat kein Scharnier, sondern einen Auszug, oder von mir aus eine Schiene. Scharniere haben immer ein Gelenk und du findest sie in der Regel an Türen.
genau, muss ich ändern-

PX? Wenn ich google, kommt was von einer Fluglinie in Papua-Neuginea.
na ja, das sind Läden, in denen amerikanische Militärangehörige einkaufen können, braucht man eine Berechtigung, gut es aber super Steaks, Ahornsirup und so Kram. Trotzdem muss ich mir überlegen, ob ich den Ausdruck stehen lasse.

Ok, das mit den Erlebniseinschüben aus Ring-Perspektive finde ich eine Superidee (wenn auch sehr dick:D), doch hier frage ich mich: Kann der Ring schwimmen oder warum liegt er nicht einfach unten? Woher kommt die Bewegung in dem Fass?
wenn irgendjemand an den Fässern rüttelt, kommt Bewegung ins Wasser.

Sorry, aber das Wort "morphiniert" gibt es laut Duden nicht, deshalb kann ich auch nicht glauben, dass der Arzt das sagt. Warum nicht sediert? Das würde der Arzt sagen.
mm, aber morphiniert klingt halt hübsch

Frage Nr.1: Warum zur Hölle sollte sie das tun? Frage Nr.2: Bist du sicher, dass der rote Nagellack auf den Zehen nach vermuteten Jahren des Gammelns in Terpentin/Wasser-Gemisch noch rot leuchtet?
nein, bin ich mir nicht sicher, wer weiß, ob Maria einem Fake-Blick aufsitzt?

Bei einigen Wortschöpfungen hatte ich erstmals ein "Reim dich oder ich fress dich"-Gefühl, es war an den aufgezeigten Stellen zu gewollt. Vielleicht liegt es am Setting und am Plot, ich kann realen Horror schlecht mit Schönschreiberei verknüpfen. Es ist sicher ein Ding des Themas, hier fände ich es nüchterner weitaus wirkungsvoller.
ja, das ist ein Vorbehalt, den ich kenne. Dem kann ich wenig entgegenhalten, weil er Geschmacksfragen berührt. Den Stoff mit kurzen Sätzen, Ellipsen, reduziert anzugehen, ist bestimmt möglich, einfach eine andere Variante.

würde ich mir eine Andeutung von Marias Verwandlung wünschen, quasi ein Überspringen der Dämonen. Doch sie beschließt, nach Alaska zu fliegen (wofür?) und die Runzeln auf meiner Stirn stehen Schlange.
über das Ende muss ich nachdenken, da bin ich nicht mit durch.

Der letzte Satz wirkt auf mich wie ein Appendix, dem die Bindung zum Text fehlt. Da hätte ich mir eine Andeutung gewünscht, was der Ring mit ihr macht, denn so wirkt es ein wenig wie zur Challenge passend hingedrechselt.
gestrichen!

Der Text beeindruckt mich schon und ich merke, wie es rattert, ich denke weiter. Doch das hat diesmal mehr mit den ungeheuerlichen Tatsachen zu tun, die du anführst und intensiv beschreibst, als mit der stilistischen Umsetzung. Hier wäre in diesem Fall mMn weniger mehr gewesen und ich würde dir ans Herz legen, die obersten Ausschläge in der Skala zu kappen.
:Pfeif:

viele Adventskalendertürchenpeacegrüße
Isegrims

 

Hallo @Isegrims
Ein intensiver Text, in Wortwahl, Tempo, und ja, natürlich auch im Finale.
Die Tochter kommt nach dem Tod ihres gehassten, geliebten, bewunderten, verabscheuten, alles zusammen Vaters in das Haus ihrer Kindheit zurück um auszumisten. Ein Akt, der ihr offensichtlich nicht leicht fällt. Erinnerungen stürzen auf sie ein. Verdrängtes. Alaska, in all seinen Facetten. Und zum Schluss muss sie noch herausfinden, dass ihr alter Herr ein Mörder war. Na ja, passt dann ja auch irgendwie zu dem Kerl, möchte man fast meinen.
So richtig zu greifen bekommen habe ich Alaska nicht. Erst stellte ich ihn mir als bärtigen versifften Alki vor. Aber dann erfahre ich, dass er immer sher auf Ordnung bedacht war (Hausaufgaben etc.), penibel mit seiner Kleidung. Und Albert nennt ihn einen Nazi. Also doch eher der oberflächlich korrekte Typ mit der dunklen Seele? Aber würde der nach Alaska fliegen? Immer wieder. Das klingt eher nach Survival. Nun gut, vielleicht hat Hr. Alaska auch alles in sich vereint. Nicht zu vergessen das Faible fürs Töten und Knochensägen, von dem ihn nicht einmal seine schöne Frau Anna heilen konnte. Erst die Geburt der Tochter. Warum? Wegen der neuen Verantwortung? Und kaum ist sie aus dem Haus, geht es wieder rund. Ich weiß nicht so recht.

Gefallen hat mir die Idee mit dem Ring, der einen Teil der Geschichte, den blutigen, grausamen, erzählt. Andeutungsweise, so dass ich erst dachte, es wären die Gedanken der Tochter. Obwohl ich den Absatz hier zu pathetisch fand

Die Finger krampfen, Sehnen, Muskeln gleiten, bewegen sich, zucken. Auf der Haut bilden sich Schweißperlen. Ich spüre die Haare, Borsten, die mich kitzeln, als er mich nach oben katapultiert, um sich die Stirn abzuwischen, mit dem Gold den Alaska-Scheitel, den Haaransatz zu kitzeln, die Werkzeuge zu greifen, zu sägen, zu bohren, zu schneiden, zu stückeln, nachdem er Gummi über mich gestülpt, mich im Dunkeln zurückgelassen hat. Zu selten waren die Sonnentage, wenn er mich ins Licht hielt, den Strahlen entgegen, wenn ich schmelzen wollte vor Glück.

Weiter im Text:

Alaskas Haus steht in einer Ortschaft, die zum Großstadtspeckgürtel gehört, zur Behaglichkeitszone im Schatten von Lichtern und Lärm. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.
Guter Anfang. Allerdings erwarte ich danach, dass Maria schon angekommen ist. Stattdessen kommt dann die Fahrt dahin. Das ist für mich irgendwie die falsche Reihenfolge. Vielleicht lässt du die Autofahrt weg?

Der Ring fällt ihr ein, vor allem den Ring muss sie finden
Möglicherwiese habe ich es überlesen, aber mir ist nicht klar geworden, warum sie so sehr danach sucht. Du wiederholst das ja einige Male. Aber warum? Was hat es damit auf sich?

Manchmal holte er dann das Saxofon, presste das Mundstück zwischen die Lippen, begann zu spielen,
Ja, das Saxophon. Konnte ich auch irgendwie nicht mit der Person Alaska in Einklang bringen.

Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, ihre Klavierstunden zu bezahlen. Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, beachtete er Maria nicht, tat so, als wäre sie gar nicht anwesend.
Dieser Absatz kommt für mich zu überraschend. Vor allem das Ignorieren seiner Tochter.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.
Dies war für mich zuerst vollkommen belanglos. Und irgendwie habe ich auch nach dem Schluss nicht so richtig den Zusammenhang hergestellt. Liegt vielleicht an mir ;-)
Aber eventuell könntest du ja subtil etwas andeuten. Ein kleiner rostroter Fleck oder so?

Sie schiebt den Kasten zur Seite, will ihn in die Garage bringen, dorthin, wo der Tisch steht, an dem Alaska arbeitete, wenn etwas zu reparieren war.
Und dann (jetzt) frage ich mich: Wenn der Tisch unten steht, auf dem er (hat er?) auch seine anatomischen Arbeiten durchgeführt hat, warum dann nicht auch das Werkzeug. Das muss er doch nicht oben verstecken. Zumal er es ja penibel reinigt, könnte also locker auch in der Garage liegen.

Am Himmel klebten Engel.
Das Bild verstehe ich nicht.

Jahrelang war die Kleinfamilie nach Alaska geflogen, mal im Winter, mal im Sommer, hatte Glück versprüht.
Echt jetzt, jahrelang? Und dann noch Glück versprüht. Würde ich jetzt nicht zwingend mit Alaska assoziieren.

Am Grab vergoss Alaska Tränenwasserfälle.
Passt jetzt gar nicht zu ihm. Ah, okay, scheint nur gespielt gewesen zu sein. Der Hahn wird dann zugedreht.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.
Ist mit dem Stern die Mutter gemeint? Falls ja, bisher war da für mich kaum etwas zwischen Mutter und Tochter zu spüren.

Maria liebte und hasste ihn.
Ich habe eigentlich nur Gründe gefunden ihn zu hassen. Warum liebte?


„Du hast’s nicht alle!“
Muss es nicht: du hast sie nicht alle! heißen?


„Du bist echt bescheuert, Albert! Das Ding ist viel zu groß. Na ja, was soll man schon erwarten. Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gestopft und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“
Diesen Dialog finde ich sehr merkwürdig. Albert ist doch ihr Mann, oder? Würden sie so miteinander reden, bzw warum? Und dann: Ich liebe dich. Finde ich unglaubwürdig.

Nach dem Telefonat fühlt Maria sich leichter, als hätte sie sich von etwas befreit,
Weil sie ihren Mann runtergemacht, beschimpft hat?

Sie muss nur noch den Ring finden.
Wieder frage ich mich warum.

Er schmeckt lauwarm.
Kann etwas "lauwarm" schmecken?

die Nagellackreste, die sich ins Holz eingebrannt haben.
Würde ich nicht mit "einbrennen" verbinden.

Danach atmet sie durch, ruft Alaskas Freund Richard an:
Die Telefonnummer hat sie selbstverständlich in ihrem Handy gespeichert? Glaube ich nicht. Und warum ist es in diesem Moment überhaupt wichtig?

Als sie das Haus wieder betritt, sitzen die Dämonen weiter hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Traumfängerglut, die Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, die Augen über sie hinweg gleiten ließ, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte, bis er seine Tochter erkannte.
Der Absatz ist stark!

Maria versuchte, der Alaskawut zu entgehen, sich in eine Eule zu verwandeln, ihn mit Vogelblicken zu bannen
Das Bild finde ich misslungen. Eule, Vogelblicke, die bannen. Nee.

Alaska-Ordnung
Gefällt mir

Die Geschichte mit den Strings fällt ihr ein, als sie die Pfütze vor der Garage bemerkt.
Deutet sich hier das Frauenbild von Alaska an? Du Hure! Und dann wird gemetzelt.

Ich spüre einen Luftzug von draußen, schwimme auf halber Höhe zwischen dem Fleisch. Ach, wenn ich doch nur hier rauskäme. Einmal noch die Sonne genießen, meinen Glanzleib bestrahlen lassen könnte. Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen. Ich erschaure, wenn es geschieht, stoße mich ab, soweit ich es vermag.
Als ich dann kapiert habe, dass hier der Ring spricht in seiner Tonne, da bekam der Absatz eine ganz andere Qualität. :D

Ihr Arm senkt sich tief in das Fass.
Na lecker, ein mit Leichenschlabber vollgesogener Pulli. Will sie das wirklich?

Dämonen
Die Dämonen haben es dir angetan. Aber was sagt das eigentlich aus? Klar, irgendwie bedrohlich, aber nur durch das Wort habe ich keine Vorstellung davon.

Maria zittert, zwingt sich, zu wühlen, zu suchen.
Würdest du das machen? Ich hätte wahrscheinlich gekotzt und dann die Polizei gerufen. Aber gut, sie soll ja DEN RING finden. Warum noch mal?

wutvibrierende Smartphone,
Ich würde denken, das vibriert so wie immer. Sie nimmt es vielleicht anders wahr.

Reihenfolge?

beschließt, nach Alaska zu fliegen.
Das wirkt mir wie ein gewollt starkes Ende. Warum sollte sie das tun?

Ich finde die Geschichte sehr wortgewaltig, bilderreich, intensiv. Manchmal geht mir das zu weit, zu schwer, zu dick. Einfach zu viel. Ich hatte irgendwann verstanden, wie es für sie sein muss, wie es für sie war. Aber dann wurde es noch einmal durchgekaut und noch eins draufgesetzt. Da hätte etwas weniger für mich mehr Wert gehabt. Denn irgendwie verlieren die Bilder an Wert, wenn gleich darauf ein anderes kommt, was um meine Aufmerksamkeit buhlt. So habe ich das empfunden. Aber das ist sicher Geschmackssache.

Beste Grüße,
Fraser

 

Gude @Isegrims,

gestern noch informell drüber gesprochen, jetzt gibt's den vollständigen Kommentar.
Ich habe deinen Text gerade zum zweiten Mal gelesen, konnte mich erneut in der Stimmung versenken und nun die vielen Details ausfindig machen und die Erzählperspektive des Rings besser nachvollziehen.

An letzteren möchte ich direkt anknüpfen, da sich hier in meinen Augen noch etwas Potenzial anbietet. Alaska weist ihm magische Fähigkeiten zu, "er" erzählt von sich und behauptet das Gleiche, Maria ist fasziniert und entscheidet sich am Ende für das Erbe ihres Vaters, obwohl sie mit dessen Taten konfrontiert wird.
Die Frage, die dabei für mich verleibt, ist: Warum?
Zum einen ist der Ring zunächst einfach "da", wird dann mit Bedeutung ("verleiht magische Fähigkeiten") aufgeladen und stellt für Maria womöglich so etwas wie das "personifizierte" Erbe ihres Vaters dar (das ist jetzt schon eher Spekulatius).
Ich frage mich: Woher kommt der Ring? Warum schreibt ihm Alaska solche Fähigkeiten zu?

Im Weiteren scheint auch Marias Verhältnis zu dem Ring zwiegespalten:

Sie stellt sich vor, ihn einzuschmelzen, zu beobachten, wie sich Blasen bilden, bis er die Form verliert, schwindet.
Bleibe ich bei meinem Spekulatius, dass der Ring eine Symbolfigur für den Vater ist, dann würde das hier zumindest (für mich) passen: Sie weiß nicht, ob sie das Erbe ihres Vaters (in Bezug auf seine "Art" oder "Charakter") annehmen soll. Am Ende tut sie es ja.
Mich irritiert in dieser meiner Lesart allerdings die Eigenperspektive des Rings. Zunächst gefällt sie mir, da sie mich beim ersten Lesen zunächst wundern ließ, wer da "spricht". Jetzt scheint sie mir ein Verweis darauf zu sein, dass an dem Ring mehr dran sein könnte, als die von mir formulierte Symbolfunktion. Womit ich wieder bei meinen Fragen von oben wäre: Woher und warum? In der Folge, dass das ungesagt bleibt, frage ich mich auch, inwiefern ich als Leser dem Ring "trauen" kann - und welchen Mehrwert mir diese Perspektive bietet.

Ich würde an dieser Stelle zwei Vorschläge andenken wollen:
1. An dem Ring ist mehr dran, als das Auge sieht. Die Welt, insbesondere Alaska, verteilt mehr Informationen über den Ring, sodass Marias Begehren (zumindest für mich) stimmiger wird. Dafür könnte ich mir vorstellen, dass Maria nach einer von Alaskas nächtlichen "Touren" das Carneol oder insbesondere die Wolfsaugen funkeln oder, dass von dem Ring immer ein Hauch Winterluft aus Alaska ausging (als eine vielleicht etwas verquere Form von ersehnter Freiheit). Hier könnten durchaus phantastische Elemente (als Teil des Horror-Tags) stärker miteingebracht werden.
2. Die Symbolfunktion (Ring = Alaskas Erbe) ist das Entscheidende. Dann würde ich die Ringperspektive als Erinnerung von Maria und Beschreibungen Alaskas umzuschreiben empfehlen. Denn ihre jeweilige Zuschreibung macht den Gegenstand erst zu einem Artefakt, an dem sich die Zu- und Abneigung Marias abmüht.


Vielleicht bin ich jetzt etwas abgedriftet, aber ich hoffe, ich konnte es einigermaßen verständlich darstellen :drool:
Kommen wir zu Handfesterem bzw. kleineren Geschichten direkt am Text:

Ich spürte die Feuerglut in einer Eisschicht versteckt.
-> Ich würde entweder "Feuerglut im Eis" oder "Feuerglut unter einer Eisschicht" erwarten. Denn wenn nicht erwähnt wird, was unter der Eisschicht liegt, ist doch auch irrelevant, ob es nur eine Schicht ist, oder?

Bei diesem Gespräch hatte ich das Gefühl, dass mir der Erzähler ein paar Infos zukommen lassen möchte:

„Du hast’s nicht alle!“ Ihre Stimme überschlägt sich.
„Wieso?“
„Wegen dem Scheiß-Riesen-Container, was sonst.“
„Na und?“
„Du bist echt bescheuert, Albert! Das Ding ist viel zu groß. Na ja, was soll man schon erwarten. Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gestopft und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
Ich würde mein Gefühl insbesondere mit dem "Na ja, was soll man schon erwarten" begründen und der daraus folgenden Beschreibung seines Vaters, als hätten die beiden noch nie über ihn gesprochen. Stärker wird mein Eindruck dann, als sie Albert von Alaskas Vorurteilen berichtet. Da drüber werden die beiden sich schon mal vorher gesprochen haben, an anderer Stelle wird ja auch erwähnt, dass es da größere Streits von Maria und Alaska gegeben hat. Das wird Albert doch sicher zumindest etwas mitbekommen haben.
Also mal ganz abgesehen davon, dass ich ihren Einwand "Der Container ist zu groß" absolut unsinnig finde (ist doch besser zu groß als zu klein; und wenn ich bedenke, was wir schon mal bei einer kleinen Wohnung alles rausgetragen und weggeworfen haben ...) - aber gut, das sei ihrer Hysterie geschuldet - würde ich hier eher Formulierungen vorschlagen, die so klingen, als würden sie nur an etwas erinnern müssen (z.B. "Das ist hier nicht wie damals bei deinem Vater, Alaska hat nicht nur Müll ...").

Nee, Maria, nee, lass man.
-> Lass mal* ?

Zum Abschluss dann etwas ganz Feines:

Maria versuchte, der Alaskawut zu entgehen, sich in eine Eule zu verwandeln
Manchmal verschwand er die ganze Nacht
-> Müsste sie als Eule nicht besonders gut nachts sehen und mitbekommen, was er in der Nacht treibt? ;) Ich glaube, die Metapher verleitet dazu, einen falschen Bezug herzustellen bzw. eine falsche Erwartung zu wecken. Vielleicht verwandelt sie sich stattdessen in eine Maus, was ihr Gefühl, Beute zu sein, unterstreicht - oder ein anderer Vogel.


Soweit hoffentlich irgendwo hilfreich und mit lieben Grüßen
Vulkangestein

 

Moin @Isegrims,

auch wenn ich eigentlich ja wohl an meiner Geschichte stricken sollte, es sind sooo viele Challenge-Geschichten da und bringen Lesevergnügen. Also möchte ich Dir einen kleinen Leseeindruck da lassen. Ich hab nicht geschafft, alle Komms zu lesen, sorry bei Dopplungen.

Ich hab die Geschichte vor ein paar tagen angefangen, mich dann aber irgendwie von zuviel Alaska rausbringen lassen, diesmal habe ich durchgehalten und es nicht bedauert.

Alaskas Haus steht in einer Ortschaft, die zum Großstadtspeckgürtel gehört, zur Behaglichkeitszone im Schatten von Lichtern und Lärm. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.
Beim Titel war ich in einem ferne, kalten Land mit Eis und Schnee. Der erste Satz macht mich also neugirieg, denn das passt ja dann wohl nicht. Also Gegenwart, Großstadt-Landkonflikt, nah gegen anonym. Spannender Einstieg.

Maria braucht ihren Mann nicht,
Nach dem Lesen ist mir der Satzanfang klar, aber beim "Erstlesen" hake ich hier. Wozu? Jacke anziehen, Auto fahren? Vielleicht bin ich auch nur langsam, ist ja subjektiv

In der Ecke neben dem Kaminabzug verstaubt der Phillips-Plattenspieler, den niemand außer Alaska berühren durfte, weil er fürchtete, das Vinyl könne verletzt, der Fluss der Musik gestört werden ...
Alaskas Miene hellte sich auf, sobald Musik einsetzte. Er summte die Melodien mit. Manchmal holte er dann das Saxofon, presste das Mundstück zwischen die Lippen, begann zu spielen, schlug die Krallenfinger auf die Tasten, bis das Instrument krächzte, jubelte, jauchzte, Botschaften ausspie. Maria liebte es, wenn er musizierte, Rhythmen den Kopf füllten. Sobald der letzte Akkord verhaucht war, umarmte Alaska die Tochter, küsste sie, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut und erklärte, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, wenn er dies nur gewollt hätte
Empfinde ich als tolle Charakterisierung des Vaters, dieses Bestimmende, Himmelhoch-jauchzende und Von-sich-überzeugte in einer Erinnerung.

Als niemand mehr da war, kein Pfarrer, kein Zaungast, keiner der Nachbarn und Freunde, versiegte der Fluss, als hätte einer den Hahn zugedreht. Er wischte sich übers Gesicht, nahm Maria an die Hand, hielt ihr die Wagentür auf. Daheim schickte er sie aufs Zimmer, schloss die Tür und sagte ihr, sie solle jetzt schlafen.
Ja, der Spitzname passt, der Mann ist unheimlich, gute, kleine Hinweise, das es ein Geheimnis gibt

33 Funktionen.
Schieb es auf die Wortkriegererziehung, ich fände es ausgeschrieben schöner

Den Ring sieht sie nirgends. Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.
Warum ist dieser Ring so wichtig? Hab ich einen Hinweis überlesen?

Ihr Blick fällt auf die Nagellackreste, die sich ins Holz eingebrannt haben. Sie freut sich für einen Moment, bis die Erinnerungsbilder nach ihr greifen, endlose Hausaufgabenstunden, Schwärmereien, die Traumküsse der Jugendjahre, Einsamkeit, Trauer nach dem Tod der Mutter, Heimlichkeiten, große Angst.
Das Bild mit den Nagelackresten finde ich sehr schön. Im nächsten Satz musst ich kurz zurück. Erst freut sie sich, dann werden die Erinnerungen negativ, greifen nach ihr. Aber Schwärmereien und Traumküsse sollten dann vielleicht noch in den ersten teil, weil doch positiv, zum Lächeln geeignet.

Schlussendlich zerrte er an mir, schob, drückte, um mich abzuziehen, loszuwerden. Ich steckte so fest auf dem Ringfingerglied, dass er mich einseifen musste, damit ich heruntergleiten, mich von der vertrauten Umgebung lösen konnte.
Okay, ich bin steh wohl wirklich auf der Leitung, mir ist erst hier ganz deutlich, das der Ring erzählt, ich hatte keine Zuordnung der Erinnerungen.

Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus.

Okay, der "Gärtner" ist immer der Mörder. Ich würde ja glatt dagegenhalten, das ein Mensch, der mit Blumen arbeitet, nichts Böses in sich haben kann.

„Du Hure!“, schrie er und packte sie. Sie fuhren in die Stadt, dorthin, wo Cracknutten auf Freier warten. Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen.

Aber Du beweist mir das Gegenteil, der Mann ist böse, hart, gemein, mir läuft es eiskalt über den Rücken.

Fäulnis, Terpentingeruch, abgestandenes Wasser zwingen sie, einen Schritt zurückzutreten, durchzuatmen, bevor sie sich wieder vorbeugt. Eine milchiggraue Flüssigkeit füllt das Fass bis zum oberen Drittel. Darin erkennt sie Schatten, Gegenstände bewegen sich, angetrieben von der Welle, die Maria durch das Öffnen des Fasses ausgelöst hat. Ihre Augen tränen. Sie tritt zurück, verlässt die Garage, um Luft zu schnappen, reibt sich das Gesicht, geht wieder rein. Auf dem Arbeitstisch findet sie Einweghandschuhe, streift sie sich über. Das Gummi schmatzt, schmiegt sich an.

Super beschrieben, ich will die ganze Zeit rufen, nein, mach es nicht. Das ist so ähnlich doof, wie eine einsame Frau, die in den Keller geht, obwohl es der einzige Raum ist, indem der Mörder noch warten kann. Aber ich zweifle jedesmal, das man so etwas tun würde. Bin wohl zusehr Mädchen ...

den Totenstumpf, bringt es mit ihrem Vater, mit Alaska, in Verbindung, ahnt, dass sie das Geheimnis gelüftet hat. Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt. Ihr Arm senkt sich tief in das Fass. Ein abgetrennter Fuß kommt ans Licht.

Okay !Versprochen, ich lese die Geschichte noch einmal. Hat sie wirklich nach so einem Geheimnis gesucht, es geahnt? Und ist sie tatsächlich genauso psychodingstda wie ihr Vater? Sie kann doch unmöglich nochmal reingreifen, nicht schreien ...
Okay, Sie kann, in einer Geschichte geht alles. Mir ist jetzt schlecht.

Uff, also hinsichtlich unerwarteter Wendung kriegst Du von mir 100 Punkte. Die Hinweise haben mich durch die Geschichte gezogen. Aber das Ende? Ich bin aber auch absolut keine Horrorleserin, -guckerin, das ist mir einfach zu unglaublich, für mein kleines Denken. Aber natürlich ist die Realität immer ganz anders.
Absolut interessant gemacht, gerne gelesen wäre, dem Inhalt geschuldet, gelogen.
Vielen Dank für das Gruseln und beste Wünsche
witch

 

Hollum Ysengrimus',

sang Bessie Smith noch den den Titel “Nobody knows you when you‘re down and out“ des (buchstäblich) armen Hundes John Cox, so nahezu ein halbes Jahrhundert später der Millionär John Lennon “Nobody loves you when you're down and out“, fiel mir nunmehr ein, als ich erneut die Zeilen las

Alaskas Miene hellte sich auf, sobald Musik einsetzte. Er summte die Melodien mit. … Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, ...
heißt es doch, da wo man singe und lache, da lasse dich ruhig nieder, ohne dass man zu diesem Zeitpunkt durch den Appendix
…, beachtete er Maria nicht, tat so, als wäre sie gar nicht anwesend
unbedingt größere Bedeutung zumessen wird beim ersten Lesen. Wie das aber so geht bei Haus(halts)auflösungen im Todesfall, man erinnert sich nicht nur, sondern man entdeckt/erfährt auch unbekannte Seiten, durch die sich erst ein Lebenskreis schließt wie hier im Ring des Alaska, der sicherlich nicht wertlos ist
Der Ring fällt ihr ein, vor allem den Ring muss sie finden, das Wolfsgesicht auf dem Carneol berühren. Alles andere konnte verschwinden, verrotten wie Alaska selbst.
aber sicherlich seine magische Wirkung hat im Verschwinden, unsichtbar machen oder werden lassen.
Den Ring sieht sie nirgends. Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.
wie vielleicht die mythischen/sagenhaften Tarnkappen und -mäntel von Island bis Worms.

Aber wie sagte schon mein Schwiegergroßvater selig zu Uerde „Unrecht gut gedeihet kaum“, wobei es eine Glaubensfrage ist, ob es bis zum Tode unentdeckt gebliebene Unholde besonders trifft, überhaupt noch treffen kann (wahrscheinlich lächeln sie milde von cloud nine hinab). Und wenn ich das Ende der Geschichte sehe, fällt mir auch ein Spruch des Obstbauern ein, dass der Apfel, oder doch in diesem Falle besser die Birne nicht weit vom Stamme falle ...

Zwo Banalitäten

Hier

Nachdem er sie verschnürt hatte wie ein Gepäckstück, ihr Schal, Handschuhe, eine Mütze mit Augenschlitzen verpasst hatte, stellte er sie vor sich auf den Schlitten.
kannstu ein Hilfsverb einsparen (was Dir ansonsten gut gelingt) durch schlichtes Möbelrücken
„Nachdem er sie wie ein Gepäckstück verschnürt,(alternativ "und") ihr Schal, Handschuhe, eine Mütze mit Augenschlitzen verpasst hatte, stellte er sie vor sich auf den Schlitten.“

Hier

Auf dem Arbeitstisch findet sie Einweghandschuhe, streift sie sich über. Das Gummi schmatzt, schmiegt sich an.
ist an SICH nix falsch, aber wem sollte sie sonst die Handschuhe überziehen?

Lennon‘s Nachdichtung des alten Cox/Smith‘ Titel endet (wenn man‘s nicht weiß, vor allem aber, wenn man um seinen Tod sechs Jahre später weiß überraschend

“Nobody loves you when you're old and grey
Nobody needs you when you're upside down
Everybody's hollerin' 'bout their own birthday
Everybody loves you when you're six foot in the ground“​

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Chutney

Ich danke dir für den Kommentar, freue mich sehr über das Lob, insbesondere aber auch die wertvollen Hinweise, die ich für die Überarbeitung des Textes benutzen werde.

erst einmal zu deinem Geburtstag viel Glück und Inspiration fürs nächste Jahr. Besonders an Letzterem mangelt es offenbar nicht.
:xmas::Pfeif::herz:

Ich bin begeistert von deinem Text, fand ihn spannend und kraftvoll. Besonders gut hat mir die Perspektive des Rings gefallen.
:Pfeif:

Kennst du den Roman "Rot ist mein Name" von Orhan Pamuk? Das hat etwas Machtvolles, wenn die Dinge "beseelt" werden.
Das Buch habe ich vor Jahren gelesen. Die Ding-Perspekiven, die Orhan Pamuk verwendet, haben mich sicher dazu inspiriert, dem Ring eine Stimme zu verleihen, benutze dieses Element auch in meinem Roman(versuch).


Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.

Ja, auch die hätten wohl etwas mitzuteilen, wenn der Autor ihnen Sprache verliehen hätte.
die Versuchung war groß, neben dem Ring, auch die Werkzeuge sprechen zu lassen, fand ich dann aber too much.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.

Das ist berührend an dieser Stelle.
:Pfeif:

Maria liebte und hasste ihn.
QUOTE="Chutney, post: 714034, member: 27822"]Den letzten Satz finde ich ein bisschen abgedroschen und auch unnötig.[/QUOTE]stimmt, den werde ich vermutlich verändern.

Seither schwimme ich.

Mein Lieblingssatz.
schön:shy:

Die Gäste setzten sich, einige lehnten sich an die Fässer.

bisschen Horror ist schon auch dabei, oder?
dabei ist diese Anekdote von dem echten Taunusmörder überliefert.

Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen.

Irre, ich hatte noch nie Mitgefühl mit einem Ring.
:D

Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war.

Schöne Wortschöpfung. Ich finde, dass du diesmal ein tolles Feeling hast. Diese Worte unterstützen den Inhalt, charakterisieren die Protagonistin, aber sie schieben sich nicht so in den Vordergrund, wie manchmal in der Vergangenheit. (Okay, die Tränenwasserfälle am Grab wirken etwas kindlich/umständlich)
mittlerweile habe ich mit den Wortkreationen Erfahrungen gesammelt, benutze sie bewusster.

Der Ring schwebt nicht mehr und Maria bekommt mit der Wahrheit auch eine Chance, Boden unter den Füßen zu bekommen. Dennoch würde ich bei einem "normalen" Menschen erstmal einen Schock erwarten.
ja, das wäre auch eine Möglichkeit.

Das Ende verstehe ich nicht. Wieso hieß ihr Vater eigentlich Alaska? Mir fehlt auch der Vorgang des Handschuhabstreifens und Ringabputzens. Und wieso ist das Smartphone wutvibrierend?
mit dem Ende bin ich noch nicht zuende, sozusagen, da werde ich noch was machen.

Insgesamt eine großartige Geschichte. Ich bin so gespannt, wie es bei dir weitergeht.
dankeschön:huldig:

liebe Nikolaustagsfreudengrüße
Isegrims

Hi @Raindog

vielen Dank für den wertvollen Kommentar. Du hast eine ganze Menge Punkte aufgezeigt, an denen ich arbeiten möchte, Stellen erwähnt, die ich verändern muss, bereits verändert habe. (In meiner Antwort nenne ich nicht alle, habe mir aber die Punkte notiert!)

zunächst habe ich deine Geschichte in einem Rutsch gelesen, bin durchgejagt, wollte alles wissen und konnte mich ihrem Sog nicht entziehen.
das ist gut!

Den Plot finde ich gelungen, die Spannung zieht sich bis zum Schluss durch den Text, und die Erzählsprache könnte ich auch beinahe mögen – beim genaueren Lesen stolpere allerdings über zuviel Pathos, bleibe an Wortschaumbläschen kleben, aber vor allem stören mich die inflationär auftauchenden Alaska-Komposita: Alaska-Haus, Alaskahölle, Alaska-Urlaube (klar, hier ist das Land gemeint, es reiht sich trotzdem in diese ellenlange Alaska-Liste ein),
na ja, die Alaska-Liste finde ich nötig, weil ich so vermeide, ihn Vater zu nennen und die meisten anderen Kommentatoren hat die Nennung nicht gestört.

Kann sein, dass durch den Namen Alaska diese Zusammensetzungen bedeutsamer erscheinen sollen, aber wenn man Alaska mal durch Vater ersetzt, fällt diese Häufung noch deutlicher ins Auge.
wollte ich auf keinen Fall, sie denkt sich ihren Vater nicht als Vater, sondern als Alaska, bannt ihn auf diese Weise auch.

Was mich weiterhin verwundert, ist, dass sowohl der Ring aus seiner Ich-Perspektive, als auch der personale Erzähler (Maria) diese Alaska-Wörter verwenden.
guter Einwand, der Ring sollte ihn nicht Alaska nennen, werde ich ändern.

Die Idee, den Ring sprechen zu lassen, finde ich sehr schön, das verleiht deiner Geschichte von Anfang an einen mysteriösen Hauch.
:Pfeif:

Was ich mir trotzdem wünschen würde, wäre, dass noch klarer wird, warum Maria so verrückt danach sucht.
mm, überlege ich mir, was ich daraus mache

dann passt das, dem Ring kann ich sowas abnehmen, aber dem anderen Erzähler nicht wirklich, dann klebt es zu sehr. Und hier auch wieder mein Problem mit der Perspektive: Wer beobachtet die Tränenwasserfälle bei Alaska? Seine kleine Tochter Maria, die gerade ihre Mutter unter die Erde gebracht hat? Das glaube ich nicht, die kann mit Sicherheit vor lauter eigenen Tränen nichts anderes wahrnehmen. Also, gibt es einen allwissenden Erzähler oder springst du von Alaska zu Maria?
stimmt, muss ich ran, muss ich was überlegen

Bisher habe ich für Maria nur Gründe entdeckt, Alaska zu hassen. Es gibt kaum eine Stelle, wo du ihn liebenswert zeigst, das wird immer nur behauptet. Dies ist die einzige Stelle: umarmte Alaska die Tochter, küsste sie, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut, und danach ist er gleich wieder fies.
mm, ja, einerseits mögen ein paar zusätzliche Zärtlchkeitsszenen fehlen, wird den Text aber auch verlängern.

Das hier, und der Dialog, der danach folgt, wirkt unecht. Gerade am Telefon redet keiner so. Das ist für den Leser reingebastelt und müsste mMn viel subtiler rüberkommen.
kann man so lesen, muss man aber nicht.

Also, Isegrims, wie schon gesagt, grundsätzlich hat mir deine Geschichte gefallen, aber zu Meckern habe ich eben auch ein paar Sachen und das überwiegt natürlich im Kommentar.
Ich hoffe, dass du mit dem einen oder anderen etwas anfangen kannst.
sehr viel kann ich damit anfangen!:thumbsup:

Liebe Grüße und einen glühweinseligen Nikolausabend
Isegrims

 

Hi @Fraser

megaausführlicher Kommentar, wow, danke dir für die Zeit, das genaue Lesen. Klar lese ich lieber, wenn bei einem Leser funktioniert, was funktionieren soll, der Text mitreißt und etwas gibt. Klar lesen wir hier als Autoren, analysieren, begutachten mehr als zu genießen. (ertappe ich mich oft dabei). Dennoch lerne ich aus jedem Text, finde ich auch wichtig, sich nicht zu verschließen, zu glauben, jetzt sei's vorbei mit dem Lernen.
Auf ein paar Punkte gehe ich nicht ein, weil die ohnehin auf der To-do-Liste stehen, von anderen schon genannt wurden.

Und zum Schluss muss sie noch herausfinden, dass ihr alter Herr ein Mörder war. Na ja, passt dann ja auch irgendwie zu dem Kerl, möchte man fast meinen.
So richtig zu greifen bekommen habe ich Alaska nicht.
tja, ich beschreibe, bzw versuche es, keinen eindimensionalen Charakter, unterschiedliche Facetten und könnte doch viel mehr erzählen, nähere mich dem schwer Begreiflichen..
Also doch eher der oberflächlich korrekte Typ mit der dunklen Seele? Aber würde der nach Alaska fliegen? Immer wieder. Das klingt eher nach Survival. Nun gut, vielleicht hat Hr. Alaska auch alles in sich vereint.
der hat beides, eine gesüaltene Persönlichkeit.

Erst die Geburt der Tochter. Warum? Wegen der neuen Verantwortung? Und kaum ist sie aus dem Haus, geht es wieder rund. Ich weiß nicht so recht.
Der Original-Alaska hat tatsächlich in den 7ßern eine Mordserie begangen, war dann viele Jahre "clean" und begann von neuem, dafür braucht es einen Anlass, für die Pause und für das Wiederaufflammen des Dunklen.

Gefallen hat mir die Idee mit dem Ring, der einen Teil der Geschichte, den blutigen, grausamen, erzählt.
:Pfeif:

Stattdessen kommt dann die Fahrt dahin. Das ist für mich irgendwie die falsche Reihenfolge. Vielleicht lässt du die Autofahrt weg?
denke ich drüber nach, könnte man womöglich streichen.

Möglicherwiese habe ich es überlesen, aber mir ist nicht klar geworden, warum sie so sehr danach sucht. Du wiederholst das ja einige Male. Aber warum?
Der Ring und ihre Suche wird für sie zum Symbol, Teile einer Vergewisserung.

Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, ihre Klavierstunden zu bezahlen. Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, beachtete er Maria nicht, tat so, als wäre sie gar nicht anwesend.

Dieser Absatz kommt für mich zu überraschend. Vor allem das Ignorieren seiner Tochter.
sie glaubt, dass er sie ignoriert hat, Teil ihrer Erinnerung, ob sie Fakt, wer weiß das schon.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.

Dies war für mich zuerst vollkommen belanglos. Und irgendwie habe ich auch nach dem Schluss nicht so richtig den Zusammenhang hergestellt.
na ja, du schreibst es später selbst, er benutzte die Werkzeuge regelmäßig.
warum dann nicht auch das Werkzeug. Das muss er doch nicht oben verstecken. Zumal er es ja penibel reinigt, könnte also locker auch in der Garage liegen.
könnte sein, dass er das Werkzeug auf den Dachboden gebrach hat, um es zu verbannen, womöglich bevor er zum Sterben ins Krankenhaus ging oder schon viel früher.

Am Himmel klebten Engel.

Das Bild verstehe ich nicht.
Marias nostalgische Verklärung, mehr nicht.

Am Grab vergoss Alaska Tränenwasserfälle.

Passt jetzt gar nicht zu ihm. Ah, okay, scheint nur gespielt gewesen zu sein. Der Hahn wird dann zugedreht.
passt schon zu ihm, finde ich.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.

Ist mit dem Stern die Mutter gemeint? Falls ja, bisher war da für mich kaum etwas zwischen Mutter und Tochter zu spüren.
mm, die Mutter, sie klarer zu zeigen, wäre sicher möglich.

„Du hast’s nicht alle!“

Muss es nicht: du hast sie nicht alle! heißen?
ich glaube, so wie ich es schreibe, ist der Ausdruck näher am realen Dialogverhalten.

Albert ist doch ihr Mann, oder? Würden sie so miteinander reden, bzw warum? Und dann: Ich liebe dich. Finde ich unglaubwürdig
mm, kommt auf die Liste.

Nach dem Telefonat fühlt Maria sich leichter, als hätte sie sich von etwas befreit,

Weil sie ihren Mann runtergemacht, beschimpft hat?
weil sie ihm gesagt hat, dass sie ihn liebt, ich denke die Erleichterung ist nachvollziehbar.

Das Bild finde ich misslungen. Eule, Vogelblicke, die bannen. Nee.
Maria-Gedanken:D

Deutet sich hier das Frauenbild von Alaska an? Du Hure! Und dann wird gemetzelt.
ja, wobei es sich eher um ein Menschenbild handelt. Prostituierte vom Drogenstrich sind einerseits ein leichtes Opfer, andererseits gibt sich die Polizei mit der Aufklärung von Verbrechen aus dieser Szene weniger Mühe und vor allem betrachtet einer wie Alaska es als erlaubt, sie wie ein Tier zu behandeln, über das man in der Hinsicht verfügen kann.

Die Dämonen haben es dir angetan. Aber was sagt das eigentlich aus? Klar, irgendwie bedrohlich, aber nur durch das Wort habe ich keine Vorstellung davon.
die Dämonen treiben Maria schon lange um.

Würdest du das machen? Ich hätte wahrscheinlich gekotzt und dann die Polizei gerufen. Aber gut, sie soll ja DEN RING finden. Warum noch mal?
wer weiß denn, was er in solch einer singulären Situation macht?

Ich finde die Geschichte sehr wortgewaltig, bilderreich, intensiv. Manchmal geht mir das zu weit, zu schwer, zu dick. Einfach zu viel. Ich hatte irgendwann verstanden, wie es für sie sein muss, wie es für sie war.
schwer zu ertragen, verstehe ich.

@Fraser, vorweihnachtserholsames Wochenende
Isegrims

 

Hey Isegrims,

Gesellschaft finde ich gut, Seltsam mag ich, Horror ist echt nicht mein Ding. Deswegen habe ich den Tag beim Lesen auch verdrängt, den kann man auch so hübsch ausblenden, und ich habe die Geschichte über die Aufräumaktion beim toten Nazi-Vaters schon mit Spannung verfolgt.

... flattern die Büsche im Wind,
Geschmackssache, aber flatternde Büsche erzeugen ein echt komisches Bild bei mir. Büsche die wie Windspiele irgendwo rumhängen.

Alles andere kann verschwinden, verrotten wie Alaska selbst.
Ein Satz und über die Beziehung zwischen den beiden ist alles gesagt. So was mag ich ja gern.

Maria liebte es, wenn er musizierte, Rhythmen den Kopf füllten. Sobald der letzte Akkord verhaucht war, umarmte Alaska die Tochter, küsste sie, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, ....
Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, beachtete er Maria nicht, tat so, als wäre sie gar nicht anwesend.
Krasser Widerspruch, den ich hier erst mal so kaufen musste.

Die Ringeinschübe habe ich nicht zuordnen können, also habe ich mehr oder weniger drüberweggelesen.

Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gestopft und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“
„Hier liegen Erinnerungen begraben, ich halt das kaum aus.“
„Du wolltest alleine hin.“
Für mich die beste Stelle der ganzen Geschichte.

Sie muss nur noch den Ring finden.
Langsam frag ich mich ja, warum. Zu ihrem Vater verbindet sie eine Hassliebe. mann kann diesen Mann nicht lieben, er ist ein Dreckskerl, kein guter Vater und trotzdem bleibt man dessen Kind, kann sich nicht davon freimachen. Diese ambivalenz kommt für mich auch sehr gut raus aus dem Text, ein Grund für mich den Text wirklich, wirklich zu mögen. Aber was die nun mit dem Ring immer hat, was der ihr bedeutet, das verschweigst du beharrlich.

In der Küche braut sie sich Kaffee, benutzt die Retrokaffeemaschine.
Wieder Geschmackssache, aber bei mir so: :rolleyes:

Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.
das wäre ja ein Grund, aber eigentlich ist sie aus dem Alter raus, daran zu glauben.

Sie kann die Rückblenden nicht verscheuchen. Dabei ist so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.
Ja, das ist ein Bruch, wenn man mit dem Erwachsenwerden erkennt, das Papa nicht der Held ist, den man als Kind in ihm sah. Das ist so ein Thema, was mir auch schon lange im Kopf rumgeht. Aber jetzt muss ich die Geschichte nicht mehr schreiben, jetzt hast du das schon für mich getan. Meine Faulheit feiert dich gerade total ;).

... irgendetwas anderes gegen die Alaska-Ordnung verstieß. Alaska schlug sie nicht, er wütete. Danach schwieg er, redete tagelang nichts mit ihr. Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus. An solchen Tagen war Alaska am gefährlichsten, entweder liebevoll oder grausam, je nachdem.
Den Absatz mochte ich auch sehr gern.

Als ihn die Tochter verließ, fühlte er sich frei, lebte, lachte, spielte. Manchmal unternahm er einen Ausflug, manchmal musste Blut fließen.
Warum? Die Frage stelle ich mir wirklich an dieser Stelle. Bisher hat er nicht auf mich den Eindruck gemacht, dass er als "Vater" auf irgendwas verzichtet hätte, sich in die Rolle gefügt, sie angenommen.

Die String-Tanga-Szene ist hart, brutal, aber fast schon so drüber gezeichnet, dass ich es schon schwer fand sie zu schlucken. Irgendwas daran stimmte nicht für mich, das draufpinkeln vielleicht, der Ausflug zu den Huren, auch wenn sich mir ein Sinnauftat, warum das alles so dasteht, für mich war das die "Angst" oder Wut, dass seine Tochter eine von denen ist, ein "schmutziges" Mädchen - also so habe ich das jedenfalls gelesen. Und er hasst die Nutten ja, er bringt sie um, weiß ich aber erst am Ende, warum, weiß ich allerdings nicht, erfahre ich auch nicht. Und vielleicht hat mir ja unbewusst an dieser Stelle schon dieses Bindeglied gefehlt.

Sie stellt sich vor, ihn an sich zu nehmen, überzustreifen, zu tragen. Sie stellt sich vor, ihn einzuschmelzen, zu beobachten, wie sich Blasen bilden, bis er die Form verliert, schwindet.
Warum ist sie so erpicht auf den Ring? Die Frage stelle ich mir die ganze Zeit. Eigentlich stelle ich mir langsam nur noch diese Frage. Die Szenen werden ja immer heftiger, die Kluft zwischen Tochter und Vater größer, also, warum will sie diesen fucking Ring so sehr? Ist ja nicht, dass er von der Mutter kommt. Das würde für mich noch einen Sinn ergeben.

Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war.
Feiner Satz.

Das Bild klärt sich auf. Sie erkennt einen an den Rändern ausgefransten Arm, Klavierspielerfinger, Kalkhaut.
Und hier der turn, die Geschichte ist eine andere geworden, alles was ich zuvor gelesen hab, sollte mich eigentlich dahinführen. Tat es aber nicht, weil ich ja aus meinen Vorlieben heraus einen ganz anderen weg gegangen bin, das liegt an mir, das kann ich der Geschichte nicht verwerfen, aber hier sprang für mich der Kasper halt aus der Kiste. Sorry, wenn ich das so sage, das ist fies von mir, denn wie gesagt, Schuld eigene.

Als ihr Arm wieder zum Vorschein kommt, hat sie einen kleinen Gegenstand gefischt, den Ring Alaskas. Da spürt sie das wutvibrierende Smartphone, zieht es aus der Hosentasche. Aber zuvor streift Maria den Ring über und beschließt, nach Alaska zu fliegen.
Ich weiß immernoch nicht, wa ssie an dem Ring findet, warum er ihr so wichtig ist, und ich weiß auch nicht, warum sie nach Alaska fliegen will um Erinnerungen der schönen Kinderzeit nachzujagen, denn jetzt sollte der letzte Glanz vom Vater ja wohl abgefallen sein. Ach, ich komme nicht drauf.

Ich finde das natürlich spannend, sich die Geschichte eines Massenmörders zu nehmen und das psychologisch aufzudröseln, soweit, bis man eine Geschichte dazu hat. Ich kann total verstehen, was dich daran fasziniert hat, und wie groß die Aufgabe ist, vor der man steht. Allerdings hat das bei mir eben nur bedingt funktioniert, vielleicht weil die Sicht der Tochter dafür eine schwierige Erzählperspektive ist, die das dann eben auf die Vater-Tochter-Beziehung gewichtet, und die ich hier ja auch mit unglaublich viel Spannung und Interesse gelesen habe, was ich sehr schön rausgearbeitet fand, umso weniger beeindruckt mich halt auch das Ende, weil es für mich nicht aus der Geschichte gewachsen ist, ich erfahre ja in der Tat überhaupt nichts über den Mörder Alaska, weil die Tochter den ja nicht kannte, nichts über seine Motive, nichts über seine Taten, seine Opfer, seine Befriedigung. Ich finde einen kaputten Typen vor, aber davon gibt es viele und nicht alle morden. Schon gar nicht in Serie.

Hoffe ich konnte mich irgendwie verständlich ausdrücken. Also Dreiviertel haben mich schwer beeindruckt, und dann hats mich rausgeworfen, aber bis dato war es mir ein echtes Leseerlebnis!

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Gude, @Vulkangestein

deine Überlegungen und Vorschläge zur Funktion des Rings finde ich spannend, muss ich sicher drüber nachdenken, vielen Dank, super Ideen! Für den Augenblick fühlt es sich aber besser an, die Rätselhaftigkeit des Rings zu erhalten, dem Leser die Möglichkeit zu lassen, unterschiedlich zu interpretieren, zumal der Ring ja ohnehin, eine Art mythische Ebene eröffnet,(wer weiß schon, wie Ringe so denken) eine Perspektive liefert, mit der der Leser nicht unbedingt gleich zurechtkommt, die er irgendwie einordnen muss.

Zum einen ist der Ring zunächst einfach "da", wird dann mit Bedeutung ("verleiht magische Fähigkeiten") aufgeladen und stellt für Maria womöglich so etwas wie das "personifizierte" Erbe ihres Vaters dar (das ist jetzt schon eher Spekulatius).
Ich frage mich: Woher kommt der Ring? Warum schreibt ihm Alaska solche Fähigkeiten zu?
man könnte sich auch die Frage stellen, ob der Ring eine Illusion darstellt, aus den Gedanken Marias entspringt.

Woher und warum? In der Folge, dass das ungesagt bleibt, frage ich mich auch, inwiefern ich als Leser dem Ring "trauen" kann - und welchen Mehrwert mir diese Perspektive bietet.
dieselbe Frage wie oben, wem kann der Leser überhaupt trauen?

Dafür könnte ich mir vorstellen, dass Maria nach einer von Alaskas nächtlichen "Touren" das Carneol oder insbesondere die Wolfsaugen funkeln oder, dass von dem Ring immer ein Hauch Winterluft aus Alaska ausging (als eine vielleicht etwas verquere Form von ersehnter Freiheit). Hier könnten durchaus phantastische Elemente (als Teil des Horror-Tags) stärker miteingebracht werden.
mm, ja, wäre stärker, aber auch fantasymäßiger.

2. Die Symbolfunktion (Ring = Alaskas Erbe) ist das Entscheidende. Dann würde ich die Ringperspektive als Erinnerung von Maria und Beschreibungen Alaskas umzuschreiben empfehlen. Denn ihre jeweilige Zuschreibung macht den Gegenstand erst zu einem Artefakt, an dem sich die Zu- und Abneigung Marias abmüht.
eine weitere Möglichkeit besteht darin, in dem Ring die verdrängte Herkunft Marias zu sehen, das, was sie zugleich hasst und liebt.

Also mal ganz abgesehen davon, dass ich ihren Einwand "Der Container ist zu groß" absolut unsinnig finde (ist doch besser zu groß als zu klein; und wenn ich bedenke, was wir schon mal bei einer kleinen Wohnung alles rausgetragen und weggeworfen haben ...) - aber gut, das sei ihrer Hysterie geschuldet - würde ich hier eher Formulierungen vorschlagen, die so klingen, als würden sie nur an etwas erinnern müssen (z.B. "Das ist hier nicht wie damals bei deinem Vater, Alaska hat nicht nur Müll ...").
klingt gut, kommt auf die Liste, danke!

-> Müsste sie als Eule nicht besonders gut nachts sehen und mitbekommen, was er in der Nacht treibt? ;) Ich glaube, die Metapher verleitet dazu, einen falschen Bezug herzustellen bzw. eine falsche Erwartung zu wecken.
guter Hinweis! Vielleicht hat die Maria-Eule auch alles gesehen, um es dann in den Schreckenserinnerungskerker zu stecken.

Liebe SGEäpplergrüße und einen rindswurstsatten Start in die Woche
Isegrims

Hi @greenwitch

über deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut, dankeschön! Besonders weil du trotz des Gruselns doch ganz genau und mehrfach gelesen hast, was der Text an Realfiktion erzählen will.

auch wenn ich eigentlich ja wohl an meiner Geschichte stricken sollte, es sind sooo viele Challenge-Geschichten da und bringen Lesevergnügen.
Ja, so empfinde ich es auch: die Challenge bietet Vielfalt, die Möglichkeit auch Texte außerhalb unserer Lesegewohnheiten zu genießen.

Also Gegenwart, Großstadt-Landkonflikt, nah gegen anonym. Spannender Einstieg.
:shy:

Alaskas Haus steht in einer Ortschaft, die zum Großstadtspeckgürtel gehört, zur Behaglichkeitszone im Schatten von Lichtern und Lärm. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.

Nach dem Lesen ist mir der Satzanfang klar, aber beim "Erstlesen" hake ich hier. Wozu? Jacke anziehen, Auto fahren? Vielleicht bin ich auch nur langsam, ist ja subjektiv
Kann sein, dass ich da noch mal dran drehe, die Autofahrt ist nicht gerade handlungsrelevant, eher eine erweiterte Verortung.

In der Ecke neben dem Kaminabzug verstaubt der Phillips-Plattenspieler, den niemand außer Alaska berühren durfte, weil er fürchtete, das Vinyl könne verletzt, der Fluss der Musik gestört werden ...
Alaskas Miene hellte sich auf, sobald Musik einsetzte...

Empfinde ich als tolle Charakterisierung des Vaters, dieses Bestimmende, Himmelhoch-jauchzende und Von-sich-überzeugte in einer Erinnerung.
:Pfeif:

33 Funktionen.

Schieb es auf die Wortkriegererziehung, ich fände es ausgeschrieben schöner
mm, da müsste man die Experten fragen, die sagen nämlich, glaube ich, dass nur bis zwölf ausgeschrieben werden soll.

Das Bild mit den Nagelackresten finde ich sehr schön. Im nächsten Satz musst ich kurz zurück. Erst freut sie sich, dann werden die Erinnerungen negativ, greifen nach ihr. Aber Schwärmereien und Traumküsse sollten dann vielleicht noch in den ersten teil, weil doch positiv, zum Lächeln geeignet.
habe ich mir notiert, auch wenn ich den Einwand nur teilweise verstehe, da mischt sich Helles und Dunkles in der Aufzählung.

Okay, der "Gärtner" ist immer der Mörder. Ich würde ja glatt dagegenhalten, das ein Mensch, der mit Blumen arbeitet, nichts Böses in sich haben kann.
mm, ein bisschen ein Klischee, aber auch ein starkes Bild. Außerdem hatte der reale Alaska ein Entrümplungsunternehmen und verkaufte Blumen.

Super beschrieben, ich will die ganze Zeit rufen, nein, mach es nicht. Das ist so ähnlich doof, wie eine einsame Frau, die in den Keller geht, obwohl es der einzige Raum ist, indem der Mörder noch warten kann. Aber ich zweifle jedesmal, das man so etwas tun würde. Bin wohl zusehr Mädchen ...
fand ich auch beim Schreiben schwierig sozusagen innerlich durchzuhalten bis zum Schluss.

Okay !Versprochen, ich lese die Geschichte noch einmal. Hat sie wirklich nach so einem Geheimnis gesucht, es geahnt? Und ist sie tatsächlich genauso psychodingstda wie ihr Vater? Sie kann doch unmöglich nochmal reingreifen, nicht schreien ...
Okay, Sie kann, in einer Geschichte geht alles. Mir ist jetzt schlecht.
oh, bei mir hilft Wodka oder Zirbenschnaps!

Uff, also hinsichtlich unerwarteter Wendung kriegst Du von mir 100 Punkte. Die Hinweise haben mich durch die Geschichte gezogen. Aber das Ende? Ich bin aber auch absolut keine Horrorleserin, -guckerin, das ist mir einfach zu unglaublich, für mein kleines Denken. Aber natürlich ist die Realität immer ganz anders.
Mit dem Ende bin ich noch nicht zu Ende! :hmm:

Absolut interessant gemacht, gerne gelesen wäre, dem Inhalt geschuldet, gelogen.
:Pfeif:

Eine gruselfreie Vorweihnachtsbeschaulichkeitswoche für dich
Isegrims

 

Hi Isegrim,

Großstadtspeckgürtel
Das Wort habe ich noch nie jemanden sagen hören, hier reicht Speckgürtel.

„Der Container kommt am Nachmittag“, sagt Albert, zuckt mit den Schultern, wendet sich ab.
Dieses Vorgeplänkel mit Albert ihrem Mann, tut für die Geschichte nichts zur Sache und kann demnach weg. Im nächsten Satz wäre nicht viel Veränderung nötig:
Maria braucht ihren Mann nicht, streift die Daunenjacke über, zieht den Reißverschluss bis zum Hals, setzt sich ins Auto und startet den Motor.

Maria schnauft durch
“Atmet durch” oder “Schnauft aus” - was meinst Du?

Die Spuren haben sich eingebrannt
Klingt als wären dort sichtbare Tabak- und Whiskyspuren an den Wänden.

durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt.
Das gefällt mir.

Einstweilen
Ich schlage hier “fürs erste” vor, weil später im Satz eilt sie nach oben und da denke ich an ein verdrehtes “Eile mit Weile”. Außerdem nimmt dieser Absatz viel Geschwindigkeit auf, so dass mir Marias Handeln sehr gehetzt vorkommt. Dabei habe ich nicht das Gefühl, dass sie hetzen müsste.

die Nasenflügel vibrierten
Vibrierende Nasenflügel habe ich noch nie gesehen, sich blähenden schon. Ist nur mein persönliches Empfinden, das scheint nicht stimmig zu sein.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen.

Mir gefällt dieser Satz sehr gut. Ich denke der angehängte Nebensatz ist unnötig und führt den Leser nur zu früh auf eine Fährte.

Sie freut sich für einen Moment, bis die Erinnerungsbilder nach ihr greifen, endlose Hausaufgabenstunden, Schwärmereien, die Traumküsse der Jugendjahre, Einsamkeit, Trauer nach dem Tod der Mutter, Heimlichkeiten, große Angst. Sie kann die Rückblenden nicht verscheuchen.
Wunderbar.

Als sie das Haus wieder betritt, sitzen die Dämonen weiter hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Traumfängerglut, die Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, die Augen über sie hinweg gleiten ließ, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte, bis er seine Tochter erkannte.
Auch sehr schön.

Er pausierte, als seine Tochter zur Welt kam. Bis Anna starb. Seine goldschöne Frau, die nie etwas bemerken wollte. Als ihn die Tochter verließ, fühlte er sich frei, lebte, lachte, spielte. Manchmal unternahm er einen Ausflug, manchmal musste Blut fließen.
Hier verrät der Ring zuviel. Vielleicht lässt Du das einfach weg, denn das Ende ist wenig überraschend.

Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen. Die Huren kreischten und lachten, Maria schämte sich.
Üble Geschichte, dass macht Alaska wirklich unsympathisch - gut.

Soviel dazu. Für mich wird die Geschichte, sobald die Fässer eine Rolle spielen etwas langweilig - weil vorhersehbar. Bis dahin halte ich sie aber für sehr gelungen. Mir wäre ein Knall lieber. Etwas, dass mich dazu bringt zu sagen: “Ach du scheiße!”

Meine Idee (an den Haaren herbeigezogen) ist folgende. Maria sucht den Ring, den ihr der Vater vermacht hat, den Zauberring - eine Suche die den Leser auf eine falsche Spur (weil märchenhaft) lockt - ohne die Andeutung von Blut und Fleisch. Sie weiß, dass der Ring, der Schlüssel zu Alaskas Kraft ist, für die ihn alle bewundert haben, und das ist es auch was er zu ihr sagte. “Der Ring lüftet mein Geheimnis.” Völlig überreizt von der Suche und den Erinnerungen, landet sie in der Garage und findet dort ein Fass mit Schuhen, und dann eins mit Anziehsachen. Sie fragt sich natürlich was das für ein Mist sein soll und ob Alaska schon mal aussortiert hat, aber im letzten Fass ist eine Flüssigkeit. Sie öffnet es und da ist er. Der Ring, aufgesteckt auf dem Finger einer Hand, die die trübe Wasserfläche durchbricht.

Nur so dahin gesponnen, vielleicht gibt Dir das ja einen Denkanstoß.
Du schreibst sehr gut. Ich hoffe meine Anmerkungen erscheinen Dir nützlich.

Schöne Grüße
Lem Pala

 

guder Friedelricus

dankeschön für den erneuten Besuch im Alaska-Haus. (ich bemerke übrigens gerade, wie sehr ich mit den ersten Sätzen bei der Beantwortung von Kommentaren hadere:hmm:). Die beiden Textstellen habe ich verändert.:shy:

Wie das aber so geht bei Haus(halts)auflösungen im Todesfall, man erinnert sich nicht nur, sondern man entdeckt/erfährt auch unbekannte Seiten, durch die sich erst ein Lebenskreis schließt wie hier im Ring des Alaska, der sicherlich nicht wertlos ist
so manches gibt es zu entdecken, Elend und Glück, erinnerungsschwanger für die Nahestehenden. Wie furchtbar muss es sein, wenn ein Entrümpelungsdienst seelenlos rafft und wegwirft.

aber sicherlich seine magische Wirkung hat im Verschwinden, unsichtbar machen oder werden lassen. wie vielleicht die mythischen/sagenhaften Tarnkappen und -mäntel von Island bis Worms.
im Ring mag sich für Maria der (Ring-)Kreis schließen.

„Unrecht gut gedeihet kaum“, wobei es eine Glaubensfrage ist, ob es bis zum Tode unentdeckt gebliebene Unholde besonders trifft, überhaupt noch treffen kann (wahrscheinlich lächeln sie milde von cloud nine hinab).
vielleicht jubilieren sie sogar insgeheim.

Und wenn ich das Ende der Geschichte sehe, fällt mir auch ein Spruch des Obstbauern ein, dass der Apfel, oder doch in diesem Falle besser die Birne nicht weit vom Stamme falle ...
wir tragen stets alles in uns, was wir daraus machen, entscheidet.

“Nobody loves you when you're old and grey
Nobody needs you when you're upside down
Everybody's hollerin' 'bout their own birthday
Everybody loves you when you're six foot in the ground“
:Pfeif:

Liebe Vorweihnachtsfreudengrüße
Isegrims

 

"Ich hab das Alaska-Zeugs gelesen."
"Und?"
"Schöner Scheiß!"
"Warum?"
"Weihnachten?"
"Na und?"
"Challenge!"
"Mm."
"Mann, du schreibst über n verfickten Dreckskerl, der Huren killt und nicht mal erwischt wird."
"Ne, ich schreib über die Tochter, wie die das Haus aufräumt."
"Klar, und die hat nix gemerkt."
"Keiner hat was gemerkt."
"Schöner Scheiß."
"Und dann les ich grade, dass die @Fliege sich mal ne ganz andere Geschichte gewünscht hat, von wegen ner scheiß Vater-Tochter-Beziehung."
"Ja, kann sein."
"Weil Weihnachten, du Esel."
"Aber he, die @Fliege hat keinen verfluchten Ton über die Wortzaubersprüche verschwendet, null, Mann."
"Hat wahrscheinlich gedacht, ne, komm, da hau ich jetzt nicht drauf, hab eh keine Zeit."
"Vielleicht hat's ihr je gefallen, wegen dem Alaskatraum und so. Außerdem gibt's ja Leute, die zeigen ihre Zustimmung durch Nixsagen."
"Klingt jetzt ziemlich krank, was du das sagst."
"Na ja, egal. Ich feier den Kommentar."
"Mach, was du willst."
"He, Gerd, bring uns mal nen doppelten Zirbenschnaps, aber zackig, bitte!"
"Gibt's den Stoff auch in Alaska?"
"Keine Ahnung, runter mit!"

Hi @Fliege

verzeih die Einleitung. :D
Danke dir sehr für deine Bemerkungen, deine Zeit, bringt immer ne Menge, deinem kritischen Raunen zu lauschen.

Gesellschaft finde ich gut, Seltsam mag ich, Horror ist echt nicht mein Ding.
na ja, Horror mag ich auch nicht grade.

Geschmackssache, aber flatternde Büsche erzeugen ein echt komisches Bild bei mir. Büsche die wie Windspiele irgendwo rumhängen.
kommt auf die Liste, zumal ich flattern woanders im Text schon drin habe und gleich zweimal ist womöglich zuviel für dieses Wörtchen.

Alles andere kann verschwinden, verrotten wie Alaska selbst.

Ein Satz und über die Beziehung zwischen den beiden ist alles gesagt. So was mag ich ja gern.
:Pfeif:

Die Ringeinschübe habe ich nicht zuordnen können, also habe ich mehr oder weniger drüberweggelesen.
kann nicht jeder was mit so mystischen Elementen anfangen, obwohl die Wirklichkeit allzu oft damit durchbrochen wird.

Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gestopft und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“
„Hier liegen Erinnerungen begraben, ich halt das kaum aus.“
„Du wolltest alleine hin.“

Für mich die beste Stelle der ganzen Geschichte.
freut mich sehr, dass du den Dialog für gelungen hälst, ein paar kritische Stimmen gab es ja, weiß ich, aber ich glaube auch, dass er aussagekräftig ist.

Zu ihrem Vater verbindet sie eine Hassliebe. mann kann diesen Mann nicht lieben, er ist ein Dreckskerl, kein guter Vater und trotzdem bleibt man dessen Kind, kann sich nicht davon freimachen. Diese ambivalenz kommt für mich auch sehr gut raus aus dem Text, ein Grund für mich den Text wirklich, wirklich zu mögen. Aber was die nun mit dem Ring immer hat, was der ihr bedeutet, das verschweigst du beharrlich.
mag sein, der Ring ist eine fixe Idee, ein Ding, mit dem sie ihren Vater greifen will.

Ja, das ist ein Bruch, wenn man mit dem Erwachsenwerden erkennt, das Papa nicht der Held ist, den man als Kind in ihm sah. Das ist so ein Thema, was mir auch schon lange im Kopf rumgeht. Aber jetzt muss ich die Geschichte nicht mehr schreiben, jetzt hast du das schon für mich getan.
:Pfeif:

... irgendetwas anderes gegen die Alaska-Ordnung verstieß. Alaska schlug sie nicht, er wütete. Danach schwieg er, redete tagelang nichts mit ihr. Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus. An solchen Tagen war Alaska am gefährlichsten, entweder liebevoll oder grausam, je nachdem.

Den Absatz mochte ich auch sehr gern.
:shy:

Als ihn die Tochter verließ, fühlte er sich frei, lebte, lachte, spielte. Manchmal unternahm er einen Ausflug, manchmal musste Blut fließen.

Warum? Die Frage stelle ich mir wirklich an dieser Stelle. Bisher hat er nicht auf mich den Eindruck gemacht, dass er als "Vater" auf irgendwas verzichtet hätte, sich in die Rolle gefügt, sie angenommen.
Ein Massenmörder, wie ich ihn zeige, hat eine dissoziierte Persönlichkeit. Er hat den Drang lange unterdrückt. Gerade diese Woche kam ein Bericht in den Zeitungen über einen russischen Mörder. Sein Name ist Popkow. Mehr als 50 Morde wurden ihm nachgewiesen, man vermutet, dass es über 70 waren. Er war Polizist. Seine Opfer stiegen zu ihm ins Auto und sobald er das Gefühl hatte, die Mädchen seien "Schlampen", zum Beispiel weil sie ihn auf einen Tee zu sich eingeladen haben, schlug er zu. Der Prozess läuft, Tochter und Ehefrau des Mörders beantragen Freispruch, glauben, er könne es nicht gewesen sein.

Die String-Tanga-Szene ist hart, brutal, aber fast schon so drüber gezeichnet, dass ich es schon schwer fand sie zu schlucken. Irgendwas daran stimmte nicht für mich, das draufpinkeln vielleicht, der Ausflug zu den Huren, auch wenn sich mir ein Sinnauftat, warum das alles so dasteht, für mich war das die "Angst" oder Wut, dass seine Tochter eine von denen ist, ein "schmutziges" Mädchen - also so habe ich das jedenfalls gelesen.
ich glaube auch, dass er es deshalb so macht.

Die Szenen werden ja immer heftiger, die Kluft zwischen Tochter und Vater größer, also, warum will sie diesen fucking Ring so sehr? Ist ja nicht, dass er von der Mutter kommt. Das würde für mich noch einen Sinn ergeben.
siehe oben, der fucking Ring stellt ja nur die Verbindung der beiden dar.

Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war.

Feiner Satz.
:Pfeif:


Ich finde das natürlich spannend, sich die Geschichte eines Massenmörders zu nehmen und das psychologisch aufzudröseln, soweit, bis man eine Geschichte dazu hat. Ich kann total verstehen, was dich daran fasziniert hat, und wie groß die Aufgabe ist, vor der man steht.
ich finde, dass gerade die Challenge aufgrund der vielen Wortmeldungen, die man erhält, eine gute Möglichkeit bietet, sich was vorzunehmen. Ohnehin bin ich der Meinung, dass man sich immer etwas mehr vornehmen soll...

vielleicht weil die Sicht der Tochter dafür eine schwierige Erzählperspektive ist, die das dann eben auf die Vater-Tochter-Beziehung gewichtet, und die ich hier ja auch mit unglaublich viel Spannung und Interesse gelesen habe, was ich sehr schön rausgearbeitet fand, umso weniger beeindruckt mich halt auch das Ende, weil es für mich nicht aus der Geschichte gewachsen ist, ich erfahre ja in der Tat überhaupt nichts über den Mörder Alaska, weil die Tochter den ja nicht kannte, nichts über seine Motive, nichts über seine Taten, seine Opfer, seine Befriedigung.
klar, ich versteh schon, dass du die Mördergeschichte nicht magst, die Vater-Tochter-Beziehung lieber weiterverfolgen möchtest, aber wenn du genau hinschaust, kommt schon ein Bild von Alaska zustande, auch das eines Massenmörders.

Also Dreiviertel haben mich schwer beeindruckt, und dann hats mich rausgeworfen, aber bis dato war es mir ein echtes Leseerlebnis!
:Pfeif:

bisschen lang geworden, die Antwort, aber musste sein :hmm:

Liebe langsam vorweihnachtssatte Glitzergrüße
Isegrims

 

Hi @Lem Pala

und entschuldige, dass ich so spät antworte. Diese verfickten Vorweihnachtswuseltage wabern wie kraftraubende Energieabsaugbündel durch die Lust. Aber so langsam bin ich bereit den Feiertagen zu trotzen, geschenkebewehrt und guter Dinge.
Danke dir für die Anmerkungen, die Beschäftigung mit dem Text, die Anregungen.

Mittlerweile habe ich den Text auch an den Stellen geändert, die der eine oder andere zuvor kritisiert hat, superhilfreich. Am Schluss habe ich auch ein wenig gebastelt.

Dieses Vorgeplänkel mit Albert ihrem Mann, tut für die Geschichte nichts zur Sache und kann demnach weg. Im nächsten Satz wäre nicht viel Veränderung nötig:
ja, irgendwie musste ich den Albert ganz am Anfang unterbringen, er taucht ja später wieder auf.

Ich schlage hier “fürs erste” vor, weil später im Satz eilt sie nach oben und da denke ich an ein verdrehtes “Eile mit Weile”. Außerdem nimmt dieser Absatz viel Geschwindigkeit auf, so dass mir Marias Handeln sehr gehetzt vorkommt. Dabei habe ich nicht das Gefühl, dass sie hetzen müsste.
sie hetzt innerlich, wenn sich das in der Sprache spiegelt, passt das gut, aus einstweilen habe ich jetzt auch fürs erste gemacht.

Vibrierende Nasenflügel habe ich noch nie gesehen, sich blähenden schon. Ist nur mein persönliches Empfinden, das scheint nicht stimmig zu sein.
das habe ich drin gelassen, weil es der Vorstellungswelt Marias entspricht.

Soviel dazu. Für mich wird die Geschichte, sobald die Fässer eine Rolle spielen etwas langweilig - weil vorhersehbar. Bis dahin halte ich sie aber für sehr gelungen. Mir wäre ein Knall lieber. Etwas, dass mich dazu bringt zu sagen: “Ach du scheiße!”
Fokus der Geschichte ist für mich einerseits die Vater-Tochter-Beziehung zu zeigen, andererseits ziemlich nahe an der Wirklichkeit die des Mörders.

Völlig überreizt von der Suche und den Erinnerungen, landet sie in der Garage und findet dort ein Fass mit Schuhen, und dann eins mit Anziehsachen. Sie fragt sich natürlich was das für ein Mist sein soll und ob Alaska schon mal aussortiert hat, aber im letzten Fass ist eine Flüssigkeit. Sie öffnet es und da ist er. Der Ring, aufgesteckt auf dem Finger einer Hand, die die trübe Wasserfläche durchbricht.
interessanter Ansatz, könnte man so gestalten, greife ich aber nicht auf, sorry.

Nur so dahin gesponnen, vielleicht gibt Dir das ja einen Denkanstoß.
Du schreibst sehr gut. Ich hoffe meine Anmerkungen erscheinen Dir nützlich.
:Pfeif:

viele Kaffee-plus-Schokolade-Grüße
Isegrims

 

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