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Alaska

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19.05.2015
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Alaska

Alaskas Haus steht in einer Ortschaft, die zum Großstadtspeckgürtel gehört, zur Behaglichkeitszone im Schatten von Lichtern und Lärm. Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.
„Der Container kommt am Nachmittag“, sagt Albert, zuckt mit den Schultern, wendet sich ab.
Für das, was sie vorhat, braucht Maria ihren Mann nicht. Sie streift die Daunenjacke über, zieht den Reißverschluss bis zum Hals, setzt sich ins Auto und startet den Motor. Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, will sie den Oktobergeruch spüren. Nach einer Stunde kommt sie an, stellt den Motor ab. Wind fegt durch die Büsche, ein paar Vögel zwitschern, ein Säuseln aus der Ferne, das die Stille unterbricht. Den Blick durch die Fenster der Einfamilienhäuser verwehren Gardinen. Sie parkt auf dem Hof. Die Rosen wuchern mittlerweile fast die ganze Wand empor, ein Brombeerstrauch wuchert zwischen Haus und Garage.

Maria atmet durch, füllt die Lunge mit Herbstluft, bevor sie das Alaska-Haus betritt. Sie erschauert, als sie die Mischung aus Tabak und Whiskey riecht, die wiesengrüne Raufasertapete bemerkt, die Eichenkommode. Spuren durchwabern die Luft, kleben in den Fugen, an den Wänden, Spinnweben, unsichtbare Fäden, an denen sie nicht vorbeikommt. Als erstes dreht sie in den Räumen die Heizkörper auf, eilt nach oben. Im Bügelzimmer öffnet sie mit dem Feuerhaken die Luke, zieht die Falltreppe herab, klettert zum Dachboden empor. Sie beschließt, ganz oben zu beginnen, den Müll aus dem Fenster zu werfen.

Der Ring fällt ihr ein, vor allem den Ring muss sie finden, das Wolfsgesicht auf dem Karneol berühren. Alles andere kann verschwinden, verrotten wie Alaska selbst. Warum hatte er ihn im Krankenhaus nicht dabei, warum hatte sie ihn nicht nach dem Ring gefragt?

Ihr Blick irrt umher, sucht nach Halt. Sie klappt das Fenster auf, saugt an der Sturmluft, hört dem Knistern der Herbstblätter zu, die auf dem Hof wirbeln. In der Ecke neben dem Kaminabzug verstaubt der Phillips-Plattenspieler, den niemand außer Alaska berühren durfte, weil er fürchtete, das Vinyl könne verletzt, der Fluss der Musik gestört werden. Daneben steht eine Weinkiste mit Schallplatten, alphabetisch geordnet, Schlager, Bach, Beethoven, Heintje, Rex Gildo, Wagner, Miles Davis, John Coltrane, Disco-Zeug. Alaskas Miene hellte sich auf, sobald Musik einsetzte. Er summte die Melodien mit und wenn die Lust ihn überkam, holte er sein Saxofon, presste das Mundstück zwischen die Lippen, begann zu spielen, schlug die Krallenfinger auf die Tasten, bis das Instrument krächzte, jubelte, jauchzte, Botschaften ausspie. Maria liebte es, wenn er musizierte, die Rhythmen ihren Kopf füllten. Manchmal umarmte Alaska die Tochter, sobald der letzte Akkord verhaucht war, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen, kratzte über die Mädchenhaut und erklärte, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, wenn er es nur gewollt hätte. Danach drückte er das Kreuz durch, fuhr sich durchs Haar, benutzte die Finger als Kamm, während das Lächeln aus dem Gesicht wich, eine Maske zurückblieb. Er schaute dann in die Ferne, die Nasenflügel vibrierten, entspannten sich wieder. Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, die Klavierstunden zu bezahlen, die sie gern genommen hätte. Maria fühlte sich als Anhängsel, ein Aschenputtel, [ doppelt?]das kaum mehr als eine Last darstellte. Wenn er Nachbarn, Freunde einlud, mit ihnen sang und lachte, benahm er sich so, als wäre sie gar nicht anwesend.

All die Jahre hat er mich gewärmt, das schon. Als versteckte sich Feuerglut in einer Eisschicht. Der Puls jagte, die Hitze nahm zu, er suchte ein Ventil, musste Luft ablassen, damit er wieder abkühlte, obwohl er sich selbst daran verbrannte. Ich weiß genau, warum er Alaska heißt, kenne die Zweideutigkeit des Namens, die Geheimnisse, die Alaskahölle, spürte im Vorhinein, was aus der Not entstand, wie er sich in die Kreatur verwandelte. Ich war gebunden an ihn, ein Gefangener ohne Aussicht auf Flucht. Entkommen konnte auch er nicht.

Warum hat Alaska die Werkzeuge ausgerechnet hier oben gelagert? Stichel, Meißel, Hämmer, Zangen in allen Größen liegen in einer Holzkiste, glänzen, als wären sie regelmäßig poliert worden, grinsen Maria an, als wollten sie etwas mitteilen. Sie schiebt den Kasten zur Seite, will ihn in die Garage bringen, dorthin, wo der Tisch steht, an dem Alaska arbeitete, wenn etwas zu reparieren war. Vielleicht kann Albert die Zangen, die Hämmer, die Schlüssel gebrauchen. Die halbzerfetzten, leeren Kartons wirft sie durch das Dachfenster nach draußen, schaut ihnen beim Segeln hinterher.

Ein Schwall Eisluft weht ihr entgegen, erinnert sie an die Alaska-Urlaube, die Hundefahrt. Nachdem er sie wie ein Gepäckstück verschnürt und ihr Schal, Handschuhe, eine Mütze mit Augenschlitzen verpasst hatte, stellte er sie vor sich auf den Schlitten. Dann schnalzte er mit der Zunge, rief den Hunden Kommandos zu. Nach einer Weile schwebten sie über die Schneelandschaft, die Sonne gleißte, die Hunde kläfften, der Schlitten knirschte. Am Himmel klebten Engel. Jahrelang waren sie nach Alaska geflogen, mal im Winter, mal im Sommer, berauschten sich am Familienglück. Die Mama hielt Händchen, lief in der Mitte, küsste mal ihn, mal ihre Tochter. Sie lagen zu dritt im Bett, Maria in der Mitte. Die helle Mamastimme mit dem russischen Akzent zwitscherte, flog über das Bett, übertönte Alaskas Brummstimme. Dann starb Marias Mama, der Krebs ließ ihren Bauch zu einem Riesenballon anschwellen, zerfetzte sie inwärts, bis die Bauchwand platzte. Am Grab weinte Alaska. Als niemand mehr da war, kein Pfarrer, kein Zaungast, keiner der Nachbarn und Freunde, versiegte der Tränenfluss, als hätte einer den Hahn zugedreht. Er wischte sich übers Gesicht, nahm Maria an die Hand, hielt ihr die Wagentür auf. Daheim schickte er sie aufs Zimmer, schloss die Tür und sagte ihr, sie solle jetzt schlafen. Maria wiegte sich, drückte die Puppe, das Mamaweihnachtsgeschenk, an sich, zählte die Bärchen auf der Tapete, hörte dem Ächzen, Stöhnen des Holzes und der Wände zu, den Schritten Alaskas. Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen. Am nächsten Morgen saß ein lächelnder Alaska am Frühstückstisch: „Ich räume Mamas Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“.

Die Finger krampfen, Sehnen, Muskeln gleiten, bewegen sich, zucken. Auf der Haut bilden sich Schweißperlen. Ich spüre die Haare, Borsten, die mich kitzeln, als er mich nach oben katapultiert, um sich die Stirn abzuwischen, mit dem Gold den Alaska-Scheitel, den Haaransatz zu kitzeln, die Werkzeuge zu greifen, zu sägen, zu bohren zu schneiden, zu stückeln, nachdem er Gummi über mich gestülpt, mich im Dunkeln zurückgelassen hat. Zu selten waren die Sonnentage, wenn er mich ins Licht hielt, den Strahlen entgegen, wenn ich schmelzen wollte vor Glück.

Ein Knall schreckt Maria auf. Der Container landet auf dem Kies des Hofes, bebt und steht still. Maria läuft nach draußen, gibt den Fahrern einen Zehner Trinkgeld. Der grüne Lack blättert an manchen Stellen ab. Das Metall fühlt sich extrakalt an. Sie nimmt das Smartphone und wählt Alberts Nummer.

„Du hast’s nicht alle!“ Ihre Stimme überschlägt sich.
„Wieso?“
„Wegen dem Scheiß-Riesen-Container, was sonst.“
„Na und?“
„Du bist echt bescheuert, Albert! Das Ding ist viel zu groß. Na ja, was soll man schon erwarten. Als dein Kanakenvater gestorben ist, hast du sein bisschen Kram ins Auto gepackt und weggeschmissen. Du denkst wohl, Alaska hat das ganze Haus mit Müll vollgestopft, was?"
„Lass meinen Vater aus dem Spiel, hör auf damit, Maria!“
„Ist doch wahr.“
„Alaska war ein Arschloch.“
„Kein Wunder, dass er dich nicht leiden konnte.“
„Egal, Maria. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst.“
„Weißt du, Alaska hat mich gewarnt vor dir. Der Albert stammt aus einer Zigeunerfamilie hat er gesagt, alle Rumänen sind Zigeuner, nichts wert, müsste man ausrotten, keine Menschen, hat er gesagt.“
„Jetzt reicht’s aber. Dein Vater war ein verfickter Nazi, das wussten alle!“
„Mm.“
„Okay, gibt’s noch was?“
„Albert?“
„Was?“
„Ich liebe dich.“
„Mm.“
„Hier liegen Erinnerungen begraben, ich halt das kaum aus.“
„Du wolltest alleine hin.“
„Ja, ist besser. Wenn das alles vorbei ist, machen wir Urlaub, okay?“
„Wohin?“
„Wo’s warm ist.“

Nach dem Telefonat fühlt Maria sich leichter, als hätte sie sich von etwas befreit, das in ihrem Herzen feststeckte, als verstünde sie nach und nach, dass die Alaskastimmen verstummt waren, der Vater unter der Erde lag, nur noch die Würmer ihn hören konnten, die Wolfsfratze sich auflöste. Sie muss nur noch den Ring finden.

Als Maria vom Dachboden in die Wärme kommt, zittert sie. Die Dachluke schließt mit einem Gurgeln. In der Küche benutzt sie die Retrokaffeemaschine. Wasser tröpfelt langsam durch den Filter. Auf dem Tisch liegt das Schweizer Messer, dreiunddreißig Funktionen. Er trug es immer bei sich: Ein Mann braucht ein Messer, je schärfer, desto besser, hört sie ihn sagen. Dann schüttet sie den Kaffee in die Tasse mit der aufgedruckten Sonne, schmeckt das bittere Aroma. Das Messer steckt sie in die Jeanstasche, fühlt, wie es an ihrem Oberschenkel reibt. In den Räumen, die sie durchirrt, erkennt sie die Winkel wieder, die Flecken an den Wänden, die unebenen Stellen, den Teppich, auf dem sie die Puppen ausgebreitet, das Fenster, an dem sie die Sterne angeweint hat. Den Ring sieht sie nirgends. Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.

In ihrem Zimmer steht die Zeit still, auch wenn Alaska das Bett abgebaut hat, nur der Schreibtisch geblieben war. Ihr Blick fällt auf die Nagellackreste, die sich ins Holz gefressen haben. Sie freut sich über die Traumküsse der Jugendjahre, bis die Erinnerungsbilder nach ihr greifen, endlose Hausaufgabenstunden, Schwärmereien, Einsamkeit, Trauer nach dem Tod der Mutter, Heimlichkeiten, große Angst. Sie kann die Rückblenden nicht verscheuchen. Dabei war so viel Zeit vergangen, so viel Zeit, seit sie sie nach der Lehre ausgezogen war, seit dem Streit wegen Albert, seit sie Alaska gemieden, ihn an Weihnachten, am ersten Weihnachtsfeiertag, niemals an Heiligabend besucht hat.

Schlussendlich zerrte er an mir, schob, drückte, um mich abzuziehen, loszuwerden. Ich steckte so fest auf dem Ringfingerglied, dass er mich einseifen musste, damit ich heruntergleiten, mich von der vertrauten Umgebung lösen konnte. Anstatt mich wegzulegen, irgendwo im Dunkeln zu verstecken, an einem Ort der Ruhe, wo Staubkörnchen das Gold kitzeln, in einer Samtschatulle womöglich, die wärmt und birgt, reißt er mich vom Finger, als sei ich ein Fremdkörper, schließt die Faust und versenkt mich in einem trüben Meer. Seither schwimme ich.

Karton für Karton füllt sie mit dem Kram, den sie fürs Erste behalten will: ein paar Töpfe, den PC, Festplatten, CDs, mit Aufklebern versehen, auf denen Zahlen stehen. Die Kleider nimmt sie sich einzeln vor, entdeckt ein paar Geldscheine, Quittungen, Kugelschreiber, fleckige Hosen, schmutzig, ungepflegt, obwohl er penibel war, einer für den Sauberkeit einen, Wert an sich darstellte. Keine Spur von dem Ring. Die Schränke riechen nach Mottenpulver und einem Hauch Alkohol. Maria leert sie, wirft das Geschirr, bis auf das gute, das mit den grünen Rosen, in den Container, hört dem splitternden Porzellan zu. Die Fotoalben packt sie in den Kofferraum, beschließt, sie irgendwann durchzublättern. Die Eichenstühle mit dem grünen Samtbezug, auf denen sie saß, wenn die Strafpredigten auf sie prasselten wie ein Gewitterregen, endlose Reden über Sauberkeit und Moral; alte Zeitungen, die er stapelweise aufbewahrte, manche aus den 70ern, Schweißrandunterhemden, US-Flaggen-T-Shirts, ein paar Bücher mit vergilbten Seiten, Jack London, Ernest Hemingway, Bildbände, deren Abbildungen verblasst waren, all das, was sie hasst, wirft sie eigenhändig in den Container.

Danach atmet sie durch, ruft Alaskas Freund Richard an:
„Richard, kannst du was von Alaskas Zeug gebrauchen? Schuhe, Mäntel, Anzüge, Pullover, mm?“
„Nee, Maria, nee, lass man. Aber das Saxofon, dass du mir das schenken willst, damit kann ich was anfangen, werde auf die alten Tage probieren, dem Ding paar Töne zu entlocken.“

Sie bleibt auf dem Hof stehen, überlegt sich, Richard nach dem Verbleib des Ringes zu fragen und legt schließlich auf. Als sie ins Haus zurückkommt, sitzen die Dämonen wie eh und je hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, seinem Blick auswich, die Augen bemerkte, die über sie hinweg glitten, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte. Maria versuchte, der Alaskawut zu entgehen, sich in eine Eule zu verwandeln, ihn mit Vogelblicken zu bannen, bevor die Woge über sie schwappte, um sie zu verschlingen, etwa, weil sie ein Glas verschüttet, die Hausaufgaben nicht zufriedenstellend erledigt hatte, ihre Schrift nicht lesbar genug erschien, irgendetwas anderes gegen die Alaska-Ordnung verstieß. Alaska schlug sie nicht, er wütete. Danach schwieg er, redete tagelang nichts mit ihr. Manchmal verschwand er die ganze Nacht, kam erst am frühen Morgen zurück, gerade noch rechtzeitig, um die Lieferung aus Holland entgegenzunehmen, die Blumen im Laden zu arrangieren und zurechtzuschneiden, sah ruiniert aus. An solchen Tagen war Alaska am gefährlichsten.

Ich kann zaubern, die Wirklichkeit zerstückeln, zerfasern, dem Träger Macht verleihen, Träume verwirklichen. Alaska glaubte daran und handelte danach. Vor vielen Jahren schon. Wieder und wieder. Er pausierte, als seine Tochter zur Welt kam. Bis Anna starb. Seine goldschöne Frau, die nie etwas bemerken wollte. Als ihn die Tochter verließ, fühlte er sich frei, lebte, lachte, spielte. Manchmal unternahm er einen Ausflug, manchmal musste Blut fließen. Und ich, ich schützte ihn, verlieh ihm Unsichtbarkeit. Um zu sterben, zog er mich ab, aus keinem anderen Grund. Das wusste er. Ich schwebe jetzt mitten in den Erinnerungen.

Maria bemerkt eine Pfütze vor der Garage. Mit dreizehn kaufte sie heimlich Tangas, versteckte sie. Jedes Mädchen trug Strings. Warum er sie fand, was er in der Kommode gesucht hatte, erfuhr sie nie. Eines Abends kam Alaska in ihr Zimmer. Ohne sie anzuschauen, zog er an der Schublade. Die Schiene quietschte. Er hielt einen schwarzen Spitzenstring zwischen Daumen und Zeigefinger, zeigte darauf, stopfte ihn in eine Aldi-Tüte. Die anderen folgten. „Du Hure!“, schrie er und packte sie. Sie fuhren in die Stadt, dorthin, wo Cracknutten auf Freier warten. Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen. Die Huren kreischten und lachten, Maria schämte sich. Wie lange hatte sie daran nicht gedacht?

Weil sie fürs erste genug hat, trägt Maria die Kartons zur Garage, weicht der Pfütze aus, stapelt sie in der Ecke neben dem Werkzeugtisch. Fässer stehen in unterschiedlichen Größen und Farben an den Wänden. Manche weisen Dellen auf. Sie erinnert sich nicht daran, wozu sie dienen, seit wann sie hier lagern. Teppichklebstoffgestank kriecht ihr in die Nase. Im letzten Jahr feierte Alaska auf dem Hof den 70. Geburtstag. Ted brachte Steaks aus dem PX mit. Das Grillfleisch brutzelte. Der Gesangverein rückte an, Volkslieder wurden geschmettert. Das Saxofon kam zum Einsatz. Die Sonne strahlte, bis ein Gewitter tobte, Regengüsse herabstürzten. Alaska öffnete die Garagentür. Die Gäste setzten sich, einige lehnten sich an die Fässer. Fleisch und Holzkohlegerüche verdrängten den Duft des Regens. Maria und Albert trafen spät ein und verließen die Feier früh.

Ich spüre einen Luftzug von draußen, schwimme auf halber Höhe zwischen dem Fleisch. Ach, wenn ich doch nur hier rauskäme. Einmal noch die Sonne genießen, meinen Glanzleib bestrahlen lassen könnte. Die meiste Zeit beschäftige ich mich damit, auszuweichen, auf keinen Fall anzustoßen. Ich erschaure, wenn es geschieht, stoße mich ab, soweit ich es vermag.

Wo ist der Ring? Weder in den Schränken, noch in der Küche oder auf dem Dachboden, weder zwischen dem Kram auf dem Schreibtisch, noch unter den Hinterlassenschaften aus dem Krankenhaus. Sie stellt sich vor, ihn an sich zu nehmen, überzustreifen, zu tragen. Sie stellt sich vor, ihn einzuschmelzen, zu beobachten, wie sich Blasen bilden, bis er die Form verliert, schwindet.

Die Fässer stehen im Weg. Sie muss in der Garage Platz schaffen, damit die restlichen Kisten reinpassen. Also nimmt sie sich das zerbeulte, blaue Fass vor, öffnet den Verschluss. Ein Metallgurt mit einer schlossgesicherten Schnalle hält den Deckel fest. Maria geht zum Haus, holt den Reif mit Alaskas losen Schlüsseln, der auf der Kommode liegt, probiert sie durch, bis einer greift. Die Zwinge krächzt, löst sich. Sie hebt den Deckel an und blickt hinein.

Alaska schwieg, bevor er starb. Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war. Sein Mund zuckte, mahlte, als wollte er etwas schlucken oder Worte formen, die ihm nicht gelangen, die er nicht herauspressen konnte. Die Augen wirkten wie Kieselsteine in einem Bergbach. Der Krankenhausarzt sagte, er habe gar nichts vom Sterben mitbekommen, so morphiniert sei er gewesen. Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Für die Beerdigung bestellte sie einen Saxofonisten, der seinen Lieblingssong spielte, das Solo aus „Your latest trick“ von den Dire Straits. Eine Menge Leute kamen, ihn zu verabschieden. Es roch nach feuchter Erde, nach Gras.

Fäulnis, Terpentingeruch, abgestandenes Wasser zwingen sie, einen Schritt zurückzutreten, durchzuatmen, bevor sie sich wieder vorbeugt. Eine milchiggraue Flüssigkeit füllt das Fass bis zum oberen Drittel. Darin erkennt sie Schatten, Gegenstände bewegen sich, angetrieben von der Welle, die Maria durch das Öffnen des Fasses ausgelöst hat. Ihre Augen tränen. Sie tritt zurück, verlässt die Garage, um Luft zu schnappen, reibt sich das Gesicht, geht wieder rein. Auf dem Arbeitstisch findet sie Einweghandschuhe, streift sie sich über. Das Gummi schmatzt, schmiegt sich an.

Maria hört ihr Herz schlagen, als sie die Hand in die Flüssigkeit taucht. Das erste, was sie greifen kann, schwebt oben, erinnert an eine Baguette-Stange, fühlt sich schwer an. Sie zieht den Gegenstand aus dem Fass, hält ihn von sich weg, öffnet die Augen. Was sie sieht, dringt so langsam in ihr Bewusstsein, als müsse sie sich daran gewöhnen, als müsste der Verstand einen weiten Weg zurücklegen, sich in den Alaskarätseln verfangen, auflösen, wieder zusammensetzen, aus dem Gedankennebel tropfenweise eindringen, um das Kind in ihr zu beschützen. Das Bild klärt sich auf. Sie erkennt einen an den Rändern ausgefransten Arm, Klavierspielerfinger, Kalkhaut.

Erst als sie durchatmet, die Luft sorgsam aufsaugt, realisiert sie, was sie mit den plastikumhäuteten Fingern festklammert, sieht den bleichen Frauenarm, den Totenstumpf, bringt es mit ihrem Vater, mit Alaska, in Verbindung, ahnt, dass sie das Geheimnis gelüftet hat. Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt. Ihr Arm senkt sich tief in das Fass. Ein abgetrennter Fuß kommt ans Licht. Die Reste der Nagellackierung leuchten auf, die Farbe ist an einigen Stellen abgeblättert - rot, was sonst. Maria erschrickt, schleudert zu Boden, was sie in der Hand hält. Das Fleisch prallt wie ein sattgesogener Ball auf, bleibt schließlich liegen.

Ihr Hirn pocht, Gedanken rotieren, Bilder erscheinen, Gestalten, Dämonen, mittendrin Alaska mit Teufelsgesicht, feuerlodernden Augen, abstehenden Riesenohren. Er starrt sie an, grinst. Maria zittert, zwingt sich, zu wühlen, zu suchen. Als ihr Arm wieder zum Vorschein kommt, hat sie einen kleinen Gegenstand gefischt, den Ring Alaskas. Da spürt sie das wutvibrierende Smartphone, zieht es aus der Hosentasche. Aber zuvor streift sie den Ring über und beschließt, nach Alaska zu fliegen.

 

Hallo Isegrims, betrachten wir unsere Eltern, dann sehen wir stets auch uns selbst. Und so ist die Spurensuche Deiner Protagonistin nicht nur eine Aufklärungsmission hinsichtlich der Frage, wer der eigene Vater war, sondern eben auch ein Akt der Selbstvergewisserung. Dabei soll der Ring des Vaters eine besondere Rolle spielen. Es sei ein Zauberring hat der Vater gesagt, und nach seinem Tod möchte die Tochter Maria ihn haben.

An dieser Stelle kann sich der Leser fragen, was genau der Zauber des Ringes bewirken soll? Darüber gibt der Text meiner Ansicht nach keine Auskunft, weder direkt noch indirekt. Der Vater deutet an, dass er zaubern könnte, aber so wie die Geschichte gebaut ist, gibt es keine Indizien dafür, dass magische Vorstellungen überhaupt irgendeine Rolle spielen:

Wer ist der Vater? Wer ist Alaska? Tabak und Whiskey gehören zu ihm, Bach, Beethoven, aber auch Heintje, Rex Gildo, Wagner, Miles Davis, John Coltrane, Disco-Zeug … Nichts Magisches soweit. Alaska spielte Saxophon, hasste Zigeuner, glaubte an das Messer als Insignum des echten Mannes sowie an Sauberkeit und Moral. Doch gleich, wie viele Details ich dem Text auch entnehme, Ring und Alaska finden nicht zueinander. Und deshalb finden sie auch nicht zur weiblichen Hauptfigur, die den Ring so unbedingt haben will, entweder um sich seine Macht anzueignen oder um ihn einzuschmelzen, zu vernichten.

Ein Problem des Textes besteht darin, dass die Ereignisse auf der symbolischen Ebene keinen Sinn ergeben, den man als Leser begründet aus der Geschichte ableiten könnte. Welche Rolle spielte der Ring für den Vater? In welcher Hinsicht charakterisiert er ihn? Wir erfahren es nicht und wir erfahren deshalb auch nichts über Motivation und Identifikation der Tochter. Das ist ein Problem, ein Mangel.

Autoren neigen dazu, und ich schließe mich selbst da nicht aus, vorauszusetzen, der Leser würde sich auf der symbolischen Ebene schon zurechtfinden, wenn man ihm eine tiefgründige Analogie oder Metapher anbietet. Das passt dann schon, denkt man sich. Stimmt aber nicht. Eine Symbolik mag vielfältig interpretierbar sein, das garantiert aber nicht für die Qualität der Gesamtkonstruktion eines Textes. In diesem Fall ist sie im Grunde beliebig. Ich kann nahezu alles in diesen Ring hineinlesen, der Text wird dem weder beipflichten noch widersprechen. So kann das aber nicht funktionieren.

Andersherum kann man aber nicht sagen, dass es eben gar keine Rolle spielen würde, worum es bei dem Ring nun eigentlich geht, denn er ist das zentrale Motiv von Maria.

Ich denke, wenn Du dieses Problem löst, wird der Text insgesamt deutlich an Qualität gewinnen. Mehrere Leute haben ja schon nach dem Motiv für die Ringsuche der Hauptfigur gefragt. Und Deine Antwort ging vage in die Richtung, dass Maria den Ring eben mit dem Vater in Verbindung bringt. Schon klar, aber wie genau?

Es geschieht in der Geschichte zu wenig Magie, als dass man unterstellen könnte, Maria würde vielleicht durch die Vernichtung des Ringes eine Art Reinigung von der Essenz ihres Vaters anstreben. Es bleibt zu viel ungesagt.

In sprachlicher Hinsicht und auch von der Grundidee und der Figurenzeichnung gefällt es mir gut. Ich finde, das ist guter Stoff. Gern gelesen.

Gruß Achillus

 
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Hallo Isegrims,

Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, um den Oktoberwind, den Blättergeruch zu spüren. Nach einer Stunde kommt sie an, stellt den Motor ab. Wind fegt durch die Büsche, ein paar Vögel zwitschern, ein Säuseln aus der Ferne, das die Stille, die fehlenden Menschengeräusche, unterbricht.
Braucht es da denn Wind noch einmal?

Manchmal umarmte Alaska die Tochter, sobald der letzte Akkord verhaucht war, presste die Bartstoppeln auf ihre Wangen,
Für mich der erste Hinweis, dass Maria die Tochter ist. Mir persönlich zu spät. Ich bin dadurch die ganze Zeit davor während des Lesens am Überlegen, in welcher Beziehung die beiden stehen, forciert auch noch durch den immer verwendeten Namen Alaska. Dadurch kann ich mich beim ersten Lesen noch nicht so richtig reinhängen. Aber das ist so ein eigenes Ding von mir, dass ich immer gerne bald geklärt habe, wer in welcher Beziehung zueinander steht; dieses durch die Hintertür erst am Ende der Einleitung zu offenbaren ist nicht mein Ding, das hat immer sowas von Spannung bringen wollen, wo sie meiner Ansicht nach nicht nötig ist.

Maria habe leider keinerlei Talent, deshalb wäre es reine Verschwendung, die Klavierstunden zu bezahlen, die sie gern genommen hätte.
Welch Schmach. Was der sich herausnimmt.

. Ich weiß genau, warum er Alaska heißt, kenne die Zweideutigkeit des Namens, die Geheimnisse, die Alaskahölle, spürte im Vorhinein, was aus der Not entstand, wie er sich in die Kreatur verwandelte.
Hier wird mir als Leser gezeigt, dass Maria Ahnungen hat. Am Ende bewahrheitet es sich auch. Trotzdem empfinde ich, wenn ich das Ende kenne, diesen inneren Monolog als zu wissend.


Ein Schwall Eisluft weht ihr entgegen, erinnert sie an die Alaska-Urlaube, die Hundefahrt.
Das ist für mich etwas an den Haaren herbeigezogen, um auf diese Gedanken zu kommen. ;)

Am nächsten Morgen saß ein lächelnder Alaska am Frühstückstisch: „Ich räume Petras Sachen in die Garage und lasse sie abholen. Ist besser so.“.
Der Abschnitt mit der Reise, der Tod der Mutter - alles gut geschrieben - aber wieso nennt er sie Petra und nicht Mama? Hat mich völlig irritiert. Maria ist ja noch klein und sie hat im vorstehenden Text immer von Mama gesprochen.

, nachdem er Gummi über mich gestülpt, mich im Dunkeln zurückgelassen hat.
Verstehe ich nicht.

Auf dem Tisch liegt das Schweizer Messer, dreunddreißig Funktionen.

Er trug es immer bei sich: Ein Mann braucht ein Messer, je schärfer, desto besser, hört sie ihn sagen.
Dann hätte es doch im Krankenhaus sein müssen, oder? Hatte mein Vater auch, zum Äpfelschälen :)


Die Geschichte mit den Strings fällt ihr ein, als sie die Pfütze vor der Garage bemerkt.
Diesen Übergang finde ich auch auffallend, genauso wie der mit dem Eiswind. Also beim Lesen denke ich: das steht nur da, um auf die kommende Situation zu lenken. Keine Ahnung, ob das anderen ähnlich geht. Für mich wäre es besser, einfach mit dem folgenden Satz anzufangen:

Mit dreizehn kaufte Maria heimlich Tangas, versteckte sie.
Dass sie über alles Mögliche nachdenkt, ist sowieso klar. Von daher finde ich die Übergänge unnötig.

Trotz des Grauens breitet sich etwas wie Euphorie in ihr aus, während sie den Arm wieder in der Flüssigkeit versenkt, den Geruch vergisst, der aus dem Gefäß aufsteigt. Ihr Arm senkt sich tief in das Fass.
Boah, mich würde es sooo ekeln. Beim ersten Arm wäre ich davongerannt :D Und Maria greift tief hinein, die Brühe berührt ihren Arm (ist das nicht auch sehr gesundheitsschädlich? Kenne mich mit dem Chemiekram nicht aus), die Handschuhe reichen ja nicht so weit. Da ist ja der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen :shy:

Sie zieht es heraus, blickt auf das Display, die Lettern lachen sie aus, zeigen den Namenszug eines Mannes, den es nicht mehr geben dürfte. Erst als Maria den Ring überstreift, verstummt das Klingeln.
Okay, hier haben wir es mit einer kleinen verkappten Horrorstory zu tun.
Edit: ich habe erst nach dem Kommentar gemerkt, dass er mit Horror getaggt war. :D

Außer meiner zitierten Stellen finde ich den Text wirklich gut. So alles habe ich zwar nicht verstanden, gerade, wenn es um die kursiven Teile ging. Maria hatte es nicht leicht als Kind, immerhin hat sie jetzt einen Mann, der sie versteht und auf sie eingehen kann (wenn ich mir auch nie vorstellen könnte, so mit meinem Mann zu sprechen :Pfeif: -aber in dem Moment war es wohl nötig, um den Dämon Alaska loszuwerden)

Auf den letzten Absatz, in der der Ring personifiziert wird, hätte ich verzichten können, das bringt mich als Leser nicht weiter (außer einer Vorahnung, dass er ja irgendwo in Flüssigkeit liegt, das klärt sich dann halt am Ende auf). Überhaupt verstehe ich so ganz auch nicht, was es mit dem auf sich hat.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Isegrims,

Eine wirklich interessante Geschichte, die du hier zum Besten gibst.
Nichtsahnend wird man in die Aufräum-Wut und die Gedankensplitter deiner Protagonistin reingezogen.
Das ist spannend geschrieben und ich folge ihr willig. Aber irgendwann werde ich ungeduldig, reichen mir die Brocken auf die Länge nicht mehr, die du hinwirfst - nur um weitere zu finden, Andeutungen, die überall und nirgends hinzeigen. Irgendwie fehlt mir hier der Fokus, das Zuspitzen auf einen Moment. Die Leichenteile sind weniger schockierend als irritierend. Und damit verspielst du einen, wenn nicht den wichtigen Effekt der Geschichte. Ich habe ganz lange auf Missbrauch getippt, die Mörderschiene ist bei mir gar nicht aufgeploppt. Entsprechend rätselhaft und unbefriedigend bleibt das Ende. Zumindest für mich. Ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen.
Meiner Meinung nach müsste hier deutlicher angedeutet , stärker zugespitzt werden, weniger Text, mehr (stimmige) Puzzleteile.
Vielleicht etwas mehr das Nazi-Thema ausbauen, muss gar nicht viel sein, aber Bemerkungen, die die Idiologie und vor allem Überzeugung verdeutlichen. Da wäre schon eine Menge bewegt. Vielleicht auch etwas finden aus dieser Zeit auf demDachboden? Und was ist mit denFreunden, von denen der Unsympath ja anscheinend eine Menge hatte? Warum nicht über diese Schiene etwas charakterisieren?
Kleinkram:

das die Stille, die fehlenden Menschengeräusche, unterbricht
Lass dochdie géräusche raus,sagt alles
Sie beschließt, ganz oben zu beginnen, Müll, überflüssige Gegenstände aus dem Fenster auf den Hof zu werfen.
Entweder Müll oder die Gegenstände, oder 2 Sätze
dreunddreißig Funktionen
i
obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war.
Sehr gut
Smartphone in dert Hosentasche
T zu viel

Geschrieben ist die Geschichte auf hohem Niveau, da habe ich nichts zu meckern, sondern will das lobend hervorheben.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Trotz nachweihnachtlicher Erschöpfungserkältung möchte ich doch nach und nach die Kommentare beantworten, während ich aus der Ferne das Rennen um die Glitzerpreisträger beobachte und feststelle, dass zwei meiner Favoriten gute Chancen haben.:thumbsup:

Hallo @Achillus,

du lässt eine Reihe wertvoller Gedanken da. vielen Dank! Ich habe in dem Text ja wieder ein wenig experimentiert, in erste Linie mit dem raunenden Ring, wollte erfahren, was ich mit diesem Element machen kann, wie viel Magie es entfaltet und ob die Metapher verfängt, so wie ich mir das vorgestellt habe.

Und so ist die Spurensuche Deiner Protagonistin nicht nur eine Aufklärungsmission hinsichtlich der Frage, wer der eigene Vater war, sondern eben auch ein Akt der Selbstvergewisserung.
klar, sie sucht nach ihren Wurzeln, will die Frage klären, was sie mit ihrem Vater verbindet.

An dieser Stelle kann sich der Leser fragen, was genau der Zauber des Ringes bewirken soll? Darüber gibt der Text meiner Ansicht nach keine Auskunft, weder direkt noch indirekt. Der Vater deutet an, dass er zaubern könnte, aber so wie die Geschichte gebaut ist, gibt es keine Indizien dafür, dass magische Vorstellungen überhaupt irgendeine Rolle spielen:
wahrscheinlich habe ich da zu wenig auserwählt, bestenfalls angedeutet, was der Vater damit meinen könnte, dazu müsste man sich de Frage stellen, wahrscheinlich auch Hinweise geben, wozu der Mörder Leichenteile aufbewahrt, ob er Gott spielen will, der einen Menschen selbst gestalten kann oder eben, warum es ihm gelingt, alle Taten zu verheimlich, niemand auf seine Spur kommt.

Doch gleich, wie viele Details ich dem Text auch entnehme, Ring und Alaska finden nicht zueinander. Und deshalb finden sie auch nicht zur weiblichen Hauptfigur, die den Ring so unbedingt haben will, entweder um sich seine Macht anzueignen oder um ihn einzuschmelzen, zu vernichten.
sie schwankt, will sich entweder seine Macht aneignen oder sie zerstören, ich finde, das wird schon deutlich, es hapert eher daran zu wissen, worin seine Macht besteht.

Welche Rolle spielte der Ring für den Vater? In welcher Hinsicht charakterisiert er ihn? Wir erfahren es nicht und wir erfahren deshalb auch nichts über Motivation und Identifikation der Tochter. Das ist ein Problem, ein Mangel.
siehe oben, du formulierst einen wichtigen Gedanken, ganz bestimmt werde ich den Text dahingehend überarbeiten. (vielleicht noch in den nächsten Tagen)

er Leser würde sich auf der symbolischen Ebene schon zurechtfinden, wenn man ihm eine tiefgründige Analogie oder Metapher anbietet. Das passt dann schon, denkt man sich. Stimmt aber nicht.
ja, wird stimmen, zumal du ja nicht der einzige bist, d er so argumentiert.

In diesem Fall ist sie im Grunde beliebig. Ich kann nahezu alles in diesen Ring hineinlesen, der Text wird dem weder beipflichten noch widersprechen. So kann das aber nicht funktionieren.
na ja, nicht ganz alles, aber grundsätzlich finde ich es nicht tragisch, dem Leser mehrere Möglichkeiten anzubieten.

In sprachlicher Hinsicht und auch von der Grundidee und der Figurenzeichnung gefällt es mir gut. Ich finde, das ist guter Stoff. Gern gelesen.
:Pfeif:

viele zwischen die Jahre gestreute Grüße und ein kreatives 2019-Feuer für dich
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

Den Ring sieht sie nirgends. Wer ihn trägt, kann zaubern, hatte er gesagt. „Bist du ein Zauberer, Papa?“ „Vielleicht“, war seine Antwort.

Einer meiner Lieblingssätze in deiner KG ...

Deine KG hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte Alaska bildlich vor mir sehen, mit einem griesgrämigen Gesicht, immer skeptisch und hart. Die arme Tochter. Besonders hat mir die Szene gefallen, wo er auf die Tangas pinkelt. Da konnte man sehr gut seine Einstellung erfahren und es ist ein starkes, ungewöhnliches Bild. Die Stellen mit der Schlittenfahrt und wie Alaska Saxophon spielte, mag ich auch, um nur zwei zu nennen. Ansonsten hast du viele schöne Sätze dabei, die die Sinne des Lesers ansprechen.

Zuerst habe ich den Ring als Fremdkörper in der Geschichte empfunden, die Stellen aus seiner Perspektive als merkwürdig. Es hat mich zu sehr an den Herr der Ringe erinnert, besonders die Stelle mit der Unsichtbarkeit. Ist wohl beabsichtigt, aber ich dachte, muss sie jetzt auch auf diesen Zug aufspringen, es ist doch ohne schon eine klasse Story.
Der letzte Abschnitt, als es mehr ins Gruselige ging, hat mich dann damit versöhnt.
Andererseits. Vielleicht fehlt ohne den Ring auch die Spannung, der Konflikt. Ansonsten wären es ja sozusagen "nur" die verstörenden Erinnerungen an den Vater.

Das ist mir noch aufgefallen:

Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, um den Oktoberwind, den Blättergeruch zu spüren.

Da habe ich mich gefragt, ob man Geruch spüren kann. Ist aber nur eine Kleinigkeit.

Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend, habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt.

Da würde ich das Komma nach grinsend weglassen.

Ich dachte, ich hätte noch zwei Sätze gelesen, wo ein Pronomen fehlte, also Kleinigkeiten, kann sie aber leider nicht mehr finden.

Dann wünsche ich dir einen guten Rutsch. Gerne gelesen.

Lg, chico

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Weihnachte- und Silvestervöllereien in Bauch und Birne, der Böllernebel liegt als Feinstaub über der Stadt, die Wortkrieger-Challenge unbeschadet überstanden, Glitzer für bemerkenswerte Texte verteilt, dem Mozartsieger wurde as Krönchen aufgesetzt, im Rückblick festgestellt, welch Glück es darstellt, Teil der Wortkrieger-Familie zu sein, zu experimentieren, sein Schreiben weiterzuentwickeln, ach, ihr wisst schon, was ich sagen will. Ich freue mich auf die nächste Challenge, feiere die Sieger, das Niveau der Texte (klar, da schließ ich mich automatisch mit ein:D), danke denjenigen ganz besonders, die meinem Text ihre Stimme geschenkt haben.
@rieger @Chutney @TeddyMaria @Fliege [USER=22384]@jimmysalaryman, lasst es krachen:anstoss:

Na ja, und jetzt zu dir, @bernadette

Vielen Dank für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut, super Anmerkungen, die ein paar interessante Aspekte beleuchten, mir weiterhelfen.

Für mich der erste Hinweis, dass Maria die Tochter ist. Mir persönlich zu spät. Ich bin dadurch die ganze Zeit davor während des Lesens am Überlegen, in welcher Beziehung die beiden stehen, forciert auch noch durch den immer verwendeten Namen Alaska. Dadurch kann ich mich beim ersten Lesen noch nicht so richtig reinhängen. Aber das ist so ein eigenes Ding von mir, dass ich immer gerne bald geklärt habe, wer in welcher Beziehung zueinander steht; dieses durch die Hintertür erst am Ende der Einleitung zu offenbaren ist nicht mein Ding, das hat immer sowas von Spannung bringen wollen, wo sie meiner Ansicht nach nicht nötig ist.
Stimmt schon, war ein beabsichtigter Effekt, der Leser sollte nicht mit zu viel tell am Anfang vom Inhalt abgelenkt werden.

Ich weiß genau, warum er Alaska heißt, kenne die Zweideutigkeit des Namens, die Geheimnisse, die Alaskahölle, spürte im Vorhinein, was aus der Not entstand, wie er sich in die Kreatur verwandelte.

Hier wird mir als Leser gezeigt, dass Maria Ahnungen hat. Am Ende bewahrheitet es sich auch. Trotzdem empfinde ich, wenn ich das Ende kenne, diesen inneren Monolog als zu wissend.
mm, die Perspektive des Rings, die Maria Wiederspiegeln könnte, die darf das, die musste über die Verbrechen schreiben, näher an ihn heranzoomen, das, was Maria nur ahnt, auffangen.

Ein Schwall Eisluft weht ihr entgegen, erinnert sie an die Alaska-Urlaube, die Hundefahrt.

Das ist für mich etwas an den Haaren herbeigezogen, um auf diese Gedanken zu kommen. ;)
Also bei mir ist das so, ich sehe etwas, spüre etwas und eine Erinnerungslawine wird losgetreten, bei dir nicht?

Dann hätte es doch im Krankenhaus sein müssen, oder? Hatte mein Vater auch, zum Äpfelschälen
Ich glaube, Alaska wusste einfach, dass er im Krankenhaus sterben wird, deshalb hat er weder das Messer, noch den Ring bei sich.

Diesen Übergang finde ich auch auffallend, genauso wie der mit dem Eiswind. Also beim Lesen denke ich: das steht nur da, um auf die kommende Situation zu lenken. Keine Ahnung, ob das anderen ähnlich geht. Für mich wäre es besser, einfach mit dem folgenden Satz anzufangen:
habe ich verändert!

Boah, mich würde es sooo ekeln. Beim ersten Arm wäre ich davongerannt :D Und Maria greift tief hinein, die Brühe berührt ihren Arm (ist das nicht auch sehr gesundheitsschädlich? Kenne mich mit dem Chemiekram nicht aus), die Handschuhe reichen ja nicht so weit. Da ist ja der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen
Ich denke, Maria war so sehr in der Situation, adrenalingesteuert, dass der Verstand aussetzte.

Außer meiner zitierten Stellen finde ich den Text wirklich gut. So alles habe ich zwar nicht verstanden, gerade, wenn es um die kursiven Teile ging.
:Pfeif:

Auf den letzten Absatz, in der der Ring personifiziert wird, hätte ich verzichten können, das bringt mich als Leser nicht weiter (außer einer Vorahnung, dass er ja irgendwo in Flüssigkeit liegt, das klärt sich dann halt am Ende auf). Überhaupt verstehe ich so ganz auch nicht, was es mit dem auf sich hat.
mit dem Ring, der Bedeutung, den Andeutungen, bin ich nicht zu Ende, habe aber auch noch keine Lösung, die mehr Klarheit bringt.

Einen Zauberstart ins neue Jahr für dich
Isegrims

Hi @weltenläufer,

schön, dass du vorbeischaust und ein paar interessante Aspekte aufzeigst, vielen Dank für deine Anmerkungen!

QUOTE="weltenläufer, post: 715171, member: 14299"]Das ist spannend geschrieben und ich folge ihr willig. Aber irgendwann werde ich ungeduldig, reichen mir die Brocken auf die Länge nicht mehr, die du hinwirfst - nur um weitere zu finden, Andeutungen, die überall und nirgends hinzeigen. Irgendwie fehlt mir hier der Fokus, das Zuspitzen auf einen Moment.[/QUOTE]Ich empfinde das nicht so, wollte den Leser zum Alaska-Mörder hinführen, ihn erklärbar machen gerade durch die Andeutungen, die Puzzle-Teilchen, die ihn allesamt charakterisieren, einen Narzissten, Psychopathen, Alkoholiker, Rassisten, selbstbezogen, zwiespältig.

Meiner Meinung nach müsste hier deutlicher angedeutet , stärker zugespitzt werden, weniger Text, mehr (stimmige) Puzzleteile.
In der Summe habe ich durch die geschilderten Szenen aus meiner Sicht stark zugespitzt, zum Beispiel mit der String-Szene, was sollte ich stärker hervorheben?

Vielleicht etwas mehr das Nazi-Thema ausbauen, muss gar nicht viel sein, aber Bemerkungen, die die Idiologie und vor allem Überzeugung verdeutlichen.
das Nazi-Ding ist ohnehin heikel, weil beim Leser ja stark besetzt, ein Narrativ unserer Zeit, wenn ich dieses Thema ausweite, verliere ich den Fokus, schließlich will ich in erste Linie zeigen, wie er seins Taten vor sich selbst begründet.

Geschrieben ist die Geschichte auf hohem Niveau, da habe ich nichts zu meckern, sondern will das lobend hervorheben.
:Pfeif:

viele Ich-muss-langsam-aufhören-mit-den-Neujahrsgrüßen-kann-aber-nicht-also-auch-dir-allesglückswündschendste-2019er-Grüße
Isegrims

@Chico1989
@maria.meerhaba : euch schreibe ich morgen, einen lieben Neujahrsgruß

 
Zuletzt bearbeitet:

Warum komme ich bloß dieses Jahr so oft in Geschichten vor :3 #mariaftw
gibt da nichts zu jammern, Maria ist erstens ein ausgesprochen hübscher Name, unschuldig und wohlklingend.

Liebe Maria,
vielen Dank für deinen Kommentar, schließlich giltst du zurecht als Dämonenhorrorspezialistin mit dem besonderen Ton und ich habe deine Challenge-Geschichte echt vermisst!

Rechtschreibung und so sind nicht gerade meine Stärke, das weiß wohl jeder hier, aber heißt es nicht „in den Hof“?
hab ich mühsam recherchiert, kann man wahrscheinlich beides sagen, in oder auf den Hof, müssten die Grammatikgötter entscheiden, aber ich hab's einfach gestrichen.
:D

sitzen die Dämonen wie eh und je hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, seinem Blick auswich, die Augen bemerkte, die über sie hinweg glitten, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte.

Ich mag den Satz sehr :3
:Pfeif:

Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen.

Holy Shit! Was für’n Huansohn!
isser!

Die Geschichte ist dicht gepackt, funktioniert, die Figuren bekommen alles Wichtige ab, es ist spannend, es ist interessant, du machst alles richtig. Es haut mich zwar als altgesottene Horrorfan (ja, irgendwas muss ich ja Negatives loswerden!) nicht von den Socken, aber die Geschichte ist dir gut gelungen. Tja, ich hatte meinen Spaß und habe sie gern gelesen.
dankeschön, das freut mich sehr, siehe oben, schließlich sprichst du aus berufenem Horror-Mund.

Liebe Grüße und ein mariamäßiges Wunderjahr für dich
Isegrims

Hi @Chico1989

QUOTE="Chico1989, post: 715404, member: 29346"]Deine KG hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte Alaska bildlich vor mir sehen, mit einem griesgrämigen Gesicht, immer skeptisch und hart.[/QUOTE]Freut mich wirklich, dass dir der Text gefällt, trotz des Themas, der Dämonen. Obwohl ich Alaska nicht beschrieben habe, stelle ich ihn mir komischerweise ganz ähnlich vor. Weil es im Netz Bilder vom Original-Alaska gibt, war ich allerdings versucht, ihn heranzukommen, ihm ein Gesicht zu geben.

Besonders hat mir die Szene gefallen, wo er auf die Tangas pinkelt. Da konnte man sehr gut seine Einstellung erfahren und es ist ein starkes, ungewöhnliches Bild.
Die Stellen mit der Schlittenfahrt und wie Alaska Saxophon spielte, mag ich auch, um nur zwei zu nennen. Ansonsten hast du viele schöne Sätze dabei, die die Sinne des Lesers ansprechen.
Ich wollte die Erinnerung Marias in Szenen fassen, ein erzählerisches Konzept, das ich bisher nicht benutzt habe und offenbar funktioniert.

Zuerst habe ich den Ring als Fremdkörper in der Geschichte empfunden, die Stellen aus seiner Perspektive als merkwürdig.
Ja, den Ring haben manche kritisiert, da sehe ich den größten Änderungsbedarf, weil er eben schon so oft als Symbol benutzt wurde. Nur ist mir kein anderer Gegenstand eingefallen und ich wollte ein magische Element, das der Erzählung die reale Härte nimmt.
Der letzte Abschnitt, als es mehr ins Gruselige ging, hat mich dann damit versöhnt.
Andererseits. Vielleicht fehlt ohne den Ring auch die Spannung, der Konflikt. Ansonsten wären es ja sozusagen "nur" die verstörenden Erinnerungen an den Vater.

Ich danke dir für die hilfreichen Anmerkungen und wünsche dir ein Sonnenjahr
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Isegrims

Ich finde, dein Text entfaltet die grösste Stärke dort, wo du dem Leser Alaska über die Gegenstände im Haus nahebringst, dort wo du Sinneserfahrungen aufgreifst, Gerüche, Geräusche, Seheindrücke, diese Passagen sind hervorragend. Ich finde auch die gesamte Dramturgie des Textes sehr gut, das überraschende Ende ist gewissermassen eine Vervollständigung der Studie, da wird ein letztes - zugegebenermassen ziemlich grosses und unappetitliches - Puzzleteil hinzugefügt. Über den Ring kann man sich streiten, was ja auch getan wurde. Ich fand den jetzt unproblematisch, obwohl ich doch irgendwie finde, dass das Versprechen, das du mit der mehrfachen Erwähnung des Rings gibst, vom Text nicht so recht eingelöst wird.

Ja, ein dichter, sprachlich ausgereifter Text.

Mühe hatte ich eigentlich nur mit den kursiven Passagen, die aus der Perspektive des Rings erzählen. Das fand ich irgendwie drüber und unnötig. Ich habe die beim erneuten Lesen merhheitlich einfach übersprungen und den Text dennoch als dicht und vollständig wahrgenommen. Ist sicher ein Darling, aber ich wollte dir sagen, dass der Text auch ohne funktioniert. ;)

Details:

Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.

Du hast hier fünf Charakterisierungen drin, die schon passen und ein gutes Bild geben, aber doch auch nicht wahnsinnig überraschen. Ich würde vorschlagen eine durch etwas Konkretes, ein überraschendes Detail zu ersetzen. Das hat sich insgesamt etwas zu sehr wie eine Nullachtfünfzehnvorortbeschreibung gelesen.

Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, will den Oktobergeruch spüren.

Hm. Vielleicht bin ich völlig daneben, aber das geht m.E. nicht, da fehlt ein "sie" im zweiten Satzteil, oder du musst die Sätze mit "und" verknüpfen. Wenn ich nämlich den ersten Satzteil herausoperiere, steht da: "Während der Fahrt will den Oktobergeruch spüren."

Die Rosen wuchern mittlerweile fast die ganze Wand empor

Sehr schön gezeigt, wie das Verhältnis Prota - Haus aussieht.

ein Brombeerstrauch bedeckt die Lücke zwischen Haus und Garage.

Gefällt mir nicht so recht.

den Mül aus dem Fenster zu werfen.

Müll

Warum hatte er ihn im Krankenhaus nicht dabei, warum hatte sie ihn nicht nach dem Ring gefragt.

Fragezeichen am Ende.

Er summte die Melodien mit und wenn die Lust ihn überkam, holte er dann sein Saxofon,

streichen

kratzte über die Mädchenhaut und erklärte, dass er ein berühmter Musiker hätte werden können, wenn er dies nur gewollt hätte.

"es" empfände ich als eleganter.

Danach drückte er das Kreuz durch, fuhr sich durchs Haar, benutzte die Finger als Kamm, während das Lächeln aus dem Gesicht wich, eine Maske zurückblieb, die Maria Angst bereitete.

Du kennst mich ja, ich würde das weglassen. Lass doch das Bild wirken ohne gleich dessen Wirkung zu benennen!

Maria fühlte sich als Anhängsel, ein Aschenputtel, das kaum mehr als eine Last darstellte.

Doppelt gemoppelt, ein Stück weit.

beachtete er Maria nicht, benahm sich so, als wäre sie gar nicht anwesend.

Ebenfalls doppelt gemoppelt.

Als niemand mehr da war, kein Pfarrer, kein Zaungast, keiner der Nachbarn und Freunde, versiegte der Tränenfluss, als hätte einer den Hahn zugedreht.

Kann m.E. weg.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.

Puh. Das ist mir zu dick. Lass doch die Szene wirken, statt sie zu erklären, auch wenn du das mit poetischen Worten machst.

wenn ich schmelzen wollte vor Glück.

Over the top, für mich.

Danach atmet sie durch, ruft Alaskas Freund Richard an:

Bin nicht sicher, ob das wegkönnte, das wirkt immer so erklärend. Aber ja, da ist zumindest niemand verwirrt.

Als sie ins Haus zurückkommt, sitzen die Dämonen wie eh und je hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, seinem Blick auswich, die Augen bemerkte, die über sie hinweg glitten, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte.

Das ist mir too much, festfressen, glotzen, Fratze, gefletschte Zähne, ein dämonischer Overkill.

Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen. Die Huren kreischten und lachten, Maria schämte sich. Wie lange hatte sie daran nicht gedacht?

Geile Szene. Die ist irgendwie so drüber, aber im Nachhinein wird alles klar. Für mich das Highlight des Textes.

Alaska schwieg, bevor er starb. Wenn sie ihn besuchte, schaute er Maria unentwegt an, während Katheter ihn am Leben hielten, Flüssigkeiten durch die Blutbahnen jagten, obwohl nichts mehr zu retten, das Alaskaablaufdatum überschritten war. Sein Mund zuckte, mahlte, als wollte er etwas schlucken oder Worte formen, die ihm nicht gelangen, die er nicht herauspressen konnte. Die Augen wirkten wie Kieselsteine in einem Bergbach. Der Krankenhausarzt sagte, er habe gar nichts vom Sterben mitbekommen, so morphiniert sei er gewesen. Die Krankenschwester habe ihn zuletzt gesehen, grinsend habe er die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Für die Beerdigung bestellte sie einen Saxofonisten, der seinen Lieblingssong spielte, das Solo aus „Your latest trick“ von den Dire Straits. Eine Menge Leute kamen, ihn zu verabschieden. Es roch nach feuchter Erde, nach Gras.

Vielleicht kannst du diesen Abschnitt nach vorne verschieben. Oder willst du diesen direkten Kontrast zwischen Alsakas Tod und seinen Morden? Also ich würde diese beiden morbiden Passagen auf den Text verteilen wollen, damit jede für sich gut zur Geltung kommt.

Gerne gelesen!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hi @Peeperkorn

ich danke dir sehr für den differenzierten Kommentar, deine Ausführungen und vor allem die Auseinandersetzung mit der Struktur des Textes, die einige Aspekte aufzeigen, die mein Schreiben weiterbringen, bzw. einen Fokus behandeln, der Impulse setzt. (Private Anmerkung: ich muss in Zukunft zum Beispiel lernen, Texte besser zu analysieren, neben ästhetischen Urteilen, die allzu subjektiv daherkommen, eine andere Ebene des Diskurses pflegen.)
Auf ein paar der von dir angesprochenen Punkte gehe ich nicht näher ein, weil ich darüber noch nachdenken muss, sie mir gewissermassen für eine weitere Überarbeitung aufspare, andere von dir genannte Punkte habe ich aufgrund deiner Ideen geändert.

Ich finde, dein Text entfaltet die grösste Stärke dort, wo du dem Leser Alaska über die Gegenstände im Haus nahebringst, dort wo du Sinneserfahrungen aufgreifst, Gerüche, Geräusche, Seheindrücke, diese Passagen sind hervorragend.
dankeschön, gerade weil ich manchmal glaube, es ufert aus, ich leite den Leser mal dahin, mal dorthin.

Über den Ring kann man sich streiten, was ja auch getan wurde. Ich fand den jetzt unproblematisch, obwohl ich doch irgendwie finde, dass das Versprechen, das du mit der mehrfachen Erwähnung des Rings gibst, vom Text nicht so recht eingelöst wird.
In der ersten Version des Textes gab es den Ring nicht. Die Idee bestand darin, den Ring erzählen zu lassen, was die Menschen, das Umfeld übersieht, ihn als imaginären Zeugen auftreten zu lassen. Schließlich erzähle ich fiktiv eine wahre Geschichte und das wunderlichste besteht ja darin, dass keiner etwas bemerkt hat. Mag sein, dass ich das magische Element nicht klar abgrenze, darüber muss ich sicher nachdenken.

Ja, ein dichter, sprachlich ausgereifter Text.
:Pfeif:

Mühe hatte ich eigentlich nur mit den kursiven Passagen, die aus der Perspektive des Rings erzählen. Das fand ich irgendwie drüber und unnötig.
siehe oben. Eins noch: eine Ding-Perspektive bietet Möglichkeiten, Ebenen, Positionen, die ein menschlicher Erzähler nicht einnehmen kann, ein Gestaltungselement, das ich als Teil des "Werkzeugkastens" sehr interessant finde.

Die Menschen, die dort wohnen, fahren morgens zur Arbeit in die Metropole, kehren abends zurück, pflegen Wochenendgemütlichkeit, engagieren sich in Vereinen, radeln durch Wälder und passen auf ihre Nachbarn auf.

Du hast hier fünf Charakterisierungen drin, die schon passen und ein gutes Bild geben, aber doch auch nicht wahnsinnig überraschen. Ich würde vorschlagen eine durch etwas Konkretes, ein überraschendes Detail zu ersetzen.
verstehe ich, vielleicht fällt mir noch was subtiles ein, das nicht gleich hammermäßig auf den Mörder hinweist. Manche von ihnen tragen im Sommer Pelze, ohne dass einer sich daran stört. Daran habe ich gedacht, weil dies vom Original-Alaska überliefert ist.

Während der Fahrt lässt sie die Fensterheber nach unten surren, will den Oktobergeruch spüren.

Hm. Vielleicht bin ich völlig daneben, aber das geht m.E. nicht, da fehlt ein "sie" im zweiten Satzteil, oder du musst die Sätze mit "und" verknüpfen. Wenn ich nämlich den ersten Satzteil herausoperiere, steht da: "Während der Fahrt will den Oktobergeruch spüren."
mm, für mich liest sich das so: Sie ist Subjekt des Haupt- und des Nebensatzes. Man könnte natürlich trennen, einen zweiten Hauptsatz bauen: sie will der Oktobergeruch spüren oder mit und verbinden, dadurch entsteht aber ein anderer Rhythmus.

Maria fühlte sich als Anhängsel, ein Aschenputtel, das kaum mehr als eine Last darstellte.

Doppelt gemoppelt, ein Stück weit.
ich finde, das sind schon zwei Aspekte, der Aschenputtel-Einwurf erweitert die Charakterisierung des Verhältnisses-

Als niemand mehr da war, kein Pfarrer, kein Zaungast, keiner der Nachbarn und Freunde, versiegte der Tränenfluss, als hätte einer den Hahn zugedreht.

Kann m.E. weg.
könnte weg, stimmt, zeigt aber das Panische der Situation.

Der Stern war vom Himmel gefallen, das Licht in Marias Kindheit erloschen.

Puh. Das ist mir zu dick. Lass doch die Szene wirken, statt sie zu erklären, auch wenn du das mit poetischen Worten machst.
ein Darling, mal sehen, ob ich mich trennen kann.

wenn ich schmelzen wollte vor Glück.

Over the top, für mich.
die Stelle sehe ich gar nicht so poetisch, schließlich spricht hier der Ring und er könnte eben auch physisch schmelzen.

Danach atmet sie durch, ruft Alaskas Freund Richard an:

Bin nicht sicher, ob das wegkönnte, das wirkt immer so erklärend. Aber ja, da ist zumindest niemand verwirrt.
klar, nicht besonders elegant, recht erklärend, aber irgendwas muss ich zu Richard erklären, damit der Leser nicht völlig allein gelassen wird.

Als sie ins Haus zurückkommt, sitzen die Dämonen wie eh und je hinter den Tapeten, in den Fugen, verkriechen sich in der Luft, scheinen sich auf ewig festzufressen, glotzen sie an, zeigen ihr Alaskas Wutfratze, die gefletschten Zähne, Zitterhände, wenn er nachts heimkam, Maria auf ihn wartete, seinem Blick auswich, die Augen bemerkte, die über sie hinweg glitten, als suchten sie einen Punkt, an dem er sich festhalten konnte.

Das ist mir too much, festfressen, glotzen, Fratze, gefletschte Zähne, ein dämonischer Overkill.
hier will ich etwas beschleunigen, der wirren Gefühlswelt Marias Raum verschaffen.

Dann stieg er aus, schüttete den Inhalt der Tüte auf die regenfeuchte Straße, öffnete den Hosenschlitz und pinkelte auf den Wäschehaufen. Die Huren kreischten und lachten, Maria schämte sich. Wie lange hatte sie daran nicht gedacht?

Geile Szene. Die ist irgendwie so drüber, aber im Nachhinein wird alles klar. Für mich das Highlight des Textes.
Ich wusste überhaupt nicht, ob ich das bringen kann, ob die Szene nicht zu krass wirkt, auf Effekt gebügelt rüberkommt.

Vielleicht kannst du diesen Abschnitt nach vorne verschieben. Oder willst du diesen direkten Kontrast zwischen Alsakas Tod und seinen Morden? Also ich würde diese beiden morbiden Passagen auf den Text verteilen wollen, damit jede für sich gut zur Geltung kommt./QUOTE]den Krankenhausaufenthalt und die Beschreibung seines Todes in den Text einzusprengen, das war der ursprüngliche Plan, dann kam die Ringperspektive. So wie der Text jetzt strukturiert ist, kontrastiert es recht gut die Leichenfunde.

Vielen Dank und dir ein Glücksjahr!
Isegrims

 

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