Was ist neu

Alkohol

Mitglied
Beitritt
01.05.2008
Beiträge
120
Zuletzt bearbeitet:

Alkohol

ALKOHOL
Ich saß vor dem leeren Blatt. Heute gab es was zu feiern. Mir fiel nichts ein. Auf diesen Tag hatte ich mich lange gefreut. Wenn ich wenigstens die Einleitung hinkriegen könnte. Seit einem Jahr trocken, seit einem Jahr kein Alkohol. Seit einem Jahr nichts Gutes mehr geschrieben. Herzlichen Glückwunsch.
Ich starrte auf die weiße Fläche vor mir und nippte an meiner Diät-Cola. Es kam mir nichts in den Sinn, es war furchtbar. Ich wrang mein trockenes Hirn aus, aber es kamen nur Tröpfchen heraus, kein stetiger Strahl wie früher. Ein feuchtes Hirn schreibt besser, einfach, weil es besser geschmiert ist, es läuft und läuft und läuft; man muss sich keine großen Gedanken machen, nein, die Gedanken machen sich von ganz allein, das ist schönes Arbeiten, fein.
Ich hatte eine Schreibblockade. Viele große Dichter litten unter Schreibblockaden. Was taten sie dagegen? Trinken. Bukowski: Alkoholiker. Hemingway: Alkoholiker. William Faulkner, Tennessee Williams, Dylan Thomas: alle Alkoholiker. Man kann sagen, ich befände mich in guter Gesellschaft. Wollte ich diesem Club beitreten?
Hätte ich bloß nicht angefangen. Hätte ich bloß nicht angefangen aufzuhören. Jetzt war es zu spät, jetzt war die Unschuld verloren, ich war fürs Trinken versaut. Wenn ich jetzt wieder trinken würde, wüsste ich genau, worauf ich mich einließ, ich konnte mich nicht mehr rausreden. Ich wollte nicht trinken, weil ich besser schreiben wollte, nein, ich wollte trinken, weil ich trinken wollte. Ein Teil von mir wusste das. Ein anderer Teil wollte unbedingt schreiben, gut schreiben, und das ging mit einem Glas Rotwein einfach besser, es löste den Knoten in der Brust, machte leichter, fliegend. Welten trennten mich von der Frau, die ohne Arg ihre Flasche aufmachte, die sich ein Glas eingoss und glaubte, dass es ihr zustand! Sie hatte hart gearbeitet am Tag, würde weiter arbeiten in der Nacht, so konnte sie sich doch etwas gönnen, sie hatte es verdient! Welcher Spielverderber machte ihr ihren Feierabend kaputt, machte den einzigen Augenblick des Tages kaputt, wo sie endlich, endlich entspannen durfte, die Angst wegtrinken konnte. Den ganzen Tag freute sie sich auf diesen Moment, sie brauchte es! Es war doch so einfach.
Aber jetzt war ich trocken. Mein einziges Laster die Zigaretten, von denen ich nicht los kam. Und die Schokolade, die mich fetter und fetter machte. Und Antidepressiva, von denen ich faul und träge wurde, die mich am frühen Abend ins Bett schickten, weil ich einfach nicht mehr wach bleiben konnte, die Zeit, die ich sonst geschrieben hätte, verbrachte ich alpträumend in den Federn. Die Zeiten waren vorbei, in denen ich am Tag zehn, fünfzehn Seiten geschrieben hatte, gutes Zeug, ehrliches Zeug. Jetzt schaffte ich an guten Tagen drei, vier Seiten, und der Kram gefiel mir nicht. Ich wusste nicht, woran es lag. Als wäre ich ein anderer Mensch. Ein Durchschnittstyp, langweilig, austauschbar. Gift für einen Schriftsteller. Aber ich war trocken.
Mit gutem Grund, sicher, ich wusste es nicht mehr genau, es war schon so lange her ... Warum hatte ich aufgehört? Ja, es gab da Vorfälle, Ereignisse, peinliche Momente, aber es war so lange her, dass ich es nicht mehr spüren konnte, das Gefühl für meine dunkle Seite war tot.
Es klingelte an der Tür. Ich erwartete niemanden. Mühsam erhob ich mich von meinem Stuhl, in dem ich mich wie festgeklebt fühlte, und schlurfte zur Wohnungstür.
„Überraschung!“ rief es von unten. Ich erkannte die Stimme; Sam von den Anonymen Alkoholikern. Was zum Teufel, dachte ich. Schon hörte ich seine Schritte im Treppenhaus. Ich wohnte im vierten Stock, aber nach ein paar Sekunden war Sam oben und präsentierte mir einen kleinen Blumenstrauß.
„Für deinen ersten Trockengeburtstag,“ sagte er und drückte mir die Blumen und eine Schachtel Pralinen, alkoholfrei, in die Hand. Ich betrachtete die beiden Fremdkörper und erinnerte mich, dass ich mich bedanken muss, obwohl ich keine Lust auf Besuch hatte. Ich bat Sam herein in meine Wohnung, die viel zu klein und auf Besuch nicht ausgerichtet zu sein schien, denn jeder Gast wirkte wie ein Eindringling. Plötzlich schämte ich mich für meine Wohnung, sie war winzig und unaufgeräumt. Behäbig quetschte sich Sam durch meinen kleinen dunklen Flur und betrat das Wohnzimmer, das gleichzeitig Arbeitszimmer war und entsprechend chaotisch aussah mit Büchern, Zeitschriften und Manuskriptseiten auf dem roten Teppich. Ich wurde nervös. Nichts hätte ich lieber gehabt als einen Drink in diesem Moment. Sam schob einige Bücher auf meiner Couch zur Seite und ließ sich bullig nieder, er brauchte die Hälfte vom Dreisitzer-Sofa. Es war kein Platz mehr für mich, so musste ich stehen oder auf dem Bürostuhl Platz nehmen. Ich bot ihm Tee an, er wollte Kaffee, und ich ging in die Küche, um die Getränke fertig zu machen, ihm seinen Kaffee aus Instantpulver, schon abgelaufen, und mir noch eine Diät-Cola.
Ich kannte Sam seit meinem ersten Treffen der Anonymen Alkoholiker, er war derjenige, der mich zuerst angesprochen und die Regeln des AA-Meetings erklärt hatte. Er erzählte mir von den zwölf Schritten und von den Wortbeiträgen; dass man denjenigen, der das Wort hatte, nicht unterbrechen sollte; jeder durfte erzählen, was und wie lange er wollte, es ging streng demokratisch zu, und man musste nicht sprechen, wenn man nicht wollte, das gefiel mir am besten. Viele von den Mitgliedern waren schon trocken, manche mussten es noch werden. Sie durften trotzdem teilnehmen, solange sie während der Sitzung keinen Alkohol tranken. Viele hatten wieder und wieder Rückfälle. Aber alle blieben dran, alle versuchten es, und das war die Hauptsache: fallen und wieder aufstehen. Viele nächtliche Telefonate hatte ich mit Sam und anderen geführt, nur um den Druck loszuwerden, dieses penetrante Müssen, Trinken-Müssen, Reden-Müssen, Denken-Müssen. Hauptsache abgelenkt.
Ich war eine derjenigen, denen es leicht gefallen war, trocken zu werden. Es war keine große Sache, ich hatte keine Entzugserscheinungen, nur das morgendliche Zittern fiel weg, was mir gut in den Kram passte.
Aber das war vielleicht die große Gefahr: dass es mir leicht gefallen war. So war es leicht, wieder anzufangen, denn Aufhören war ja so einfach.
Meine Diät-Cola wurde langsam warm. Wenn ich noch trinken würde, hätte ich mir jetzt einen großen Gin Tonic gemixt, mit viel eiskaltem Gin; die Eiswürfel würden klirren in meinem Glas und ein einsames Minzblättchen würde auf der Oberfläche dekorativ vor sich her trudeln.
„Und wie fühlt man sich als Einjährige?“ fragte Sam.
„Trocken,“ sagte ich. „Nüchtern. Das Leben ist nüchtern.“ Mir fehlte der Rausch. Aber konnte ich das einem nach eigenen Aussagen langjährig trockenen Alkoholiker gegenüber zugeben? Erst recht, würden die AA-Freunde jetzt sagen. – Ich schwieg.
„Kann ich mal deine Toilette benutzen?“ fragte Sam, nachdem er das Instantkaffee-Gebräu gekostet hatte. Ich wies auf die linke Tür im Flur.
Als er weg war, warf ich einen Blick auf die Pralinen. War da wirklich kein Alkohol drin?
Leider? Zum Glück? Ich wusste es nicht mehr.
Sam brauchte lange im Bad. Ich nahm die Blumen und kümmerte mich in der Küche um eine Vase. Es waren kleine gelbe Blüten an langen Stielen, und Schleierkraut, das erkannte sogar ich, es sah hübsch aus, ich stellte den Strauß in einen hohen Glaskrug und platzierte ihn am Fenster. Ich kaufte mir nie Blumen, ich fand es traurig, sie sterben zu sehen. Flores para los muertos. Dann durchsuchte ich den Kühlschrank nach etwas schnell Konsumierbarem wie ich früher nach Schnapsresten gesucht hatte. Ich fand eine Milchschnitte und zog die Folie ab. Langsam löste ich mit der Zunge die obere Kekslage und knabberte sie bis nach unten ab, so dass ich eine Schnitte mit nur noch einer Kekslage und der köstlichen Milchschicht hatte; ich liebte diese Milchschicht und wollte sie so pur wie irgend möglich genießen. Gleichzeitig horchte ich in Richtung Badezimmer. Stille. Ihm war doch hoffentlich nichts passiert? Ich klopfe lieber mal an, dachte ich mir, oder doch nicht? Was war, wenn Sam, die Badezimmertür ging nach innen auf, einen Herzinfarkt hatte und die Tür blockierte, wie sollte ich da rein kommen?
Ich setzte alles und klopfte an die Tür.
„Sam? Alles in Ordnung?“
Keine Antwort.
„Ich komm jetzt rein. Wenn du nackt bist oder so, sag nicht, ich hätte dich vorher nicht gewarnt.“
Ich drückte die Tür auf, es ging ganz leicht. Sam saß auf dem Badewannenrand und saugte gierig an einem Flachmann. Ein leerer lag schon auf den Kacheln. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Ich rührte mich nicht vom Fleck, ich fühlte mich wie ein Jäger, der mit seinem letzten Schuss im Gewehr einem ausgehungerten Löwen gegenüber steht, gelähmt vor Angst, voller Adrenalinstoß. Ich wollte auch. Wieso durfte er das und ich nicht?
„Sam, mach doch keine Dummheiten,“ sagte ich, ein halbherziger Versuch. Wie viel war noch in der Flasche? Sie sah fast voll aus.
„Ich habe nichts geschafft,“ murmelte er. „Ich habe immer so getan, als ob. Ich komme einfach nicht davon weg, Ivy, ich weiß nicht mehr weiter. Ich dachte, du verstehst mich ... Die ganze Zeit habe ich alle angelogen.“
„Sam, gib mir die Pulle, du hast genug jetzt.“ Warum er, warum hier und heute? Aber: Zum Trinken braucht man keinen Grund. Man trinkt nicht, weil man pleite ist, die Freundin einen verlassen hat oder der Job futsch ist: Man trinkt, weil man trinken will. Ich hab lange gebraucht, um das zu begreifen.
Es hieß nicht umsonst: Alkohol ist schlau und listig, er fällt dich dann an, wenn du dich am sichersten fühlst. Wenn du denkst, du hast’n, springt er aus’m Kasten.
Sam trank weiter, als hinge sein Leben davon ab. Ich bekam feuchte Hände. Ich wand ihm die Flasche aus der Hand und schickte mich an, den Schnaps ins Klo zu kippen, er sprang auf und biss mir ins Handgelenk, die Flasche fiel, zerbrach, fertig.
„WARUM HAST DU DAS GEMACHT?“ schrie ich ihn an und rieb meine Rechte. Der gute Schnaps ...
„Willst du wirklich einen Rückfall haben? Denk doch an AA, an die Freunde, die alle an dich glauben! Du hilfst so vielen, Sam!“ Hatte ich Bargeld im Haus?
Er hockte da wie ein narkotisiertes Schwein, nicht ansprechbar, Tränen liefen ihm übers Gesicht, die Haare hingen in fettigen Strähnen über der Stirn. Sein Oberkörper bebte, während seine Beine in einem merkwürdigen Winkel verdreht vom Rumpf abstanden, seine Absätze hatten dunkle Farbstriemen auf dem weißen Kachelboden hinterlassen.
Ich stand auf und ging in die Küche. Dann telefonierte ich.
„Ich hätte gern eine Pizza Margarita und drei Flaschen Chianti. So schnell wie möglich. Eilservice? Ja gern. Kostet mehr? Macht nichts. Danke.“
Dann kam die Pizza. Ich gab dem Pizzajungen ein anständiges Trinkgeld und schloss die Tür. So ging ich ins Bad und sah Sam immer noch da hocken.
„Ich hab uns was zu Essen bestellt,“ sagte ich.
„Ich hab dir deinen Trockengeburtstag versaut,“ jammerte er. „Es tut mir so leid!“ Damit fing er wieder an zu weinen. „Ich bin ein schlechter Mensch ...“
Das reichte mir, das war schwer zu ertragen, ein Besoffener, der einem Nüchternen was vorwinselte, eine schlechte Kombination.
Ich entkorkte die erste Weinflasche. Mann, was für ein Gefühl, das ging mir unter die Haut, der Moment, als der Korken aus der Flasche ploppte, der erste Weinduft, der aus der Flasche aufstieg, die angenehme Schwere der Flasche, die verriet, dass sie noch voll war ... Was für ein Leben hatte ich da aufgegeben! Ich schüttete mir Wein in meinen Zahnputzbecher und prostete Sam zu. Ich trank auf Hem und Buk und all die anderen, die immer wieder dieselben Fehler machten.
„Trocken sind wir morgen!“ erklärte ich und goss den Alkohol hinunter.
Ist ja ganz einfach, dachte ich, überhaupt kein Problem, kein Donnerschlag und Blitze, die den schwarzen Himmel durchzuckten, nein, nur ein Schluck nach dem nächsten, das konnte jedes Kind, das verlernt man nicht. Hier war ich also, wieder zurück auf der Weltbühne der Eitelkeiten und Selbstüberschätzung. Mit jedem Schluck ein Schritt weg von dem, was ich mir vor einem Jahr vorgenommen, von mir erwartet hatte, ein Schritt zu auf das Mädchen, das kotzend in der Küche lag in seiner eigenen Pisse, aber im Moment, da war es noch fein, das konnte nicht so schwer sein, ganz gesittet ein Glas Wein trinken wie andere Menschen auch, und war ich nicht ein Mensch? Dann musste ich das auch können, trinken und irgendwann aufhören, wie andere Menschen auch. Im Moment war es Lebensart, so machte ich mir vor. Mit einem Freund mitten in den Scherben des ersten Schnapses zu sitzen, billigen Wein zu trinken und die Pizza kalt werden zu lassen – ich erinnerte mich, so war das Leben früher oft. Es endete meistens mit einem Streit, mit nächtlichen Ferngesprächen, mit dem totalen Black Out. Mit großem Schriftstellertum hatte das wenig zu tun. Und es begann am nächsten Tag aufs Neue ...
Jetzt stehe ich wieder ganz am Anfang. Meine nüchternen Tage, die ich auf meinem Trocken-Konto angesammelt hatte, sind verfallen, ich muss wieder von vorne anfangen, Kredit gibt es nicht, die Banker sind da gnadenlos. Zumindest habe ich eine zweite Chance.
Hallo, mein Name ist Ivy, ich bin Alkoholikerin.

 

Hallo catlucy,

dein Einstieg hat mir gefallen. Dem Thema Alkoholismus bist du in meinen Augen gerecht geworden. Ein schwieriges Thema, wie ich finde. Denn trotz seiner immensen Verbreitung, wird es gerne unter den Teppich gekehrt. Alkohol ist ja keine Droge, sondern etwas ganz legales.
Schreibt man dann darüber, bewegt man sich meist recht schnell in abgegriffenen Clichés, die schwer zu umschiffen sind, die Geschichte wird von Lesern vorschnell in die Schublade "eine von den Alki-kgs" verfrachtet.
Oftmals auch zurecht. Diese Geschichte besticht für mich jedoch durch ihren schmerzhaft authentischen Ton. Ich fand die Gedanken äußerst realistisch, nachvollziehbar. Du uferst nicht aus, bietest aber genug Punkte, an welche der Leser Anteil nehmen kann.
Natürlich kommst auch du aus der Grauzone des Clichés nicht raus, aber Clichés entstehen nicht ohne Grundlage und ich finde du gewinnst dem ganzen eine lesenswerte Seite ab, die durchaus nachdenklich stimmt, wenn man sich darauf einlassen will.

Vom Handwerk her finde ich deine Schreibe schon ganz gut, die langen Komma-Sätze sind mit dem richtigen Gefühl gestreckt. Das passt gut in den zitternden Zustand deiner Prota.
Ein bisschen mehr Lebendigkeit könnte die Geshcichte gewinnen, indem du die Begegnung der beiden mehr ausbaust. Von Sam hat man praktisch kein Bild und die Atmosphäre im Raum ist für mein Gefühl zu schwach ausgebildet. Da geht noch deutlich was. Auch die Szene im Bad behandelst du für meinen Geschmack zu oberflächlich.
Das ginge noch tiefer und damit dramatischer.

Ach ja, zwishcen Wörtlicher Rede und Redebegleitsatz wird immer ein Komma gesetzt - auch, wenn die wörtliche Rede mit ? oder ! endet.

viel Spaß noch auf kg.de :)
grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo lieber Weltenläufer,
vielen Dank für Deine konstruktive Kritik! Ich werde mir mal die von Dir benannten Schwachstellen genauer ansehen und ändern.
Lieben Dank nochmal!
catlucy

 

Hallo catlucy,

und herzlich Willkommen hier auf kg.de,

mir hat die Art, wie über die Sucht erzählt wird, zugesagt. Kein Gepöbel, keine dumme Anmache eines sabbernden Barbesuchers, sondern der Zwiespalt des trockenen Alkis.

Wer kennt die lösende Wirkung von Alkohol nicht? Die scheinbare Quelle für viele Ideen und kreatives Wirken. Gut war herauszulesen, dass ein trockener Alki wohl sein Leben lang mehr oder weniger Probleme mit der Sucht haben wird.

Der Text war angenehm zu lesen, fast fehlerfrei (das wird auch eher selten geboten :) ) und als Erstlingswerk hier ein guter Einstieg.

Gestört hat mich der letzte Satz, wenn es auch für die AAs ein typischer ist.
Der gestrichen, würde der zweitletzte auch als guter Schluß funktionieren.

Viel Spaß hier noch bei uns
liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bernadette,

ich freue mich auch, Euer Forum gefunden zu haben, denn nach so etwas habe ich lange gesucht. Jetzt bin ich dabei, cool. 8-)

Lieben Gruß
catlucy

 

Hi catlucy,
die Geschichte hat was, das muss ich sagen. es ist dir gut gelungen, diesen inneren Kampf ohne Schnoerkel darzustellen, der Leser fuehlt sich weder erhaben, noch verachtet er die Protagonistin oder berauscht sich voyeuristisch an ihrem Leid
Ich glaube, es ist gerade diese Endgueltigkeit, nie wieder auch nur ein Glas Wein anruehren zu duerfen, die so schwer ist.
Eins noch - ich dachte immer AA ist auch sehr religioes, so mit "Gottes Hilfe" etc. Aber vielleicht ist das ja nur in Amerika so.

gern gelesen, sammamish

 

Eins noch - ich dachte immer AA ist auch sehr religioes, so mit "Gottes Hilfe" etc.

Wenn du wegen Alkohol den Führerschein weg hast und zur psychologischen Prüfung mußt (MPU-medizinisch-psychologische Untersuchung), ist der vorherige regelmäßige Besuch bei den AA mehr oder weniger Pflicht - sagen wir mal: Es wird jedem angeraten. Ich kenne schon mehrere, die das durchziehen mussten. Von religiösem Tamtam jedoch habe ich von denen noch nie was gehört.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo,
bei den AAs geht es nicht explizit religiös zu. Es wird zwar über eine Höhere Macht gesprochen, aber wie die aussieht und ob man sich überhaupt damit anfreunden soll, ist total freiwllig. Manche sehen z.B. die Gruppe als Höhere Macht an. Es geht eben darum, dass man erkennt, dass man krank ist, und dass man sich Hilfe holt. Denn Erkenntnis ist der wahre Weg zur Einsicht oder wie das heißt. Ich hab das jetzt nicht besonders gut erklärt, bei Fragen einfach mailen ... :-)

 

Hallo Catlucy,

das Beste an deiner Geschichte ist für mich, dass ich mich richtig gut einfühlen kann in diese Sucht, sie ist nachvollziehbar.
Mir fällt jetzt als Kritik nichts ein, ich kann wirklich nur sagen, dass mir diese Geschichte gut gefallen hat, sehr authentisch ist. Sucht ist ja eh ein schwieriges Thema, aber deine Umsetzung hat mir gefallen.
Sehr gern gelesen!

Ciao,
jurewa

 

Hallo catlucy!

Deine Geschichte, die dank ihrer Hintergründigkeit fasziniert, hat in meinen Augen nicht nur Trunksucht, sondern auch künstlerische Inspiration zum Thema. Inspiriert aber wird der Künstler von oben, Inspiration kommt von Gott, wie gläubige Menschen sagen, so dass die in den Kommentaren angedeutete religiöse Dimension durchaus da ist.

Übrigens: Der Begriff "Inspiration" kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich "Einhauchung", in-spiratio. Und diese "spiratio" steckt auch in "spiritus", das den menschlichen Geist, aber auch den Geist im Wein oder Schnaps, in "Spirituosen" bezeichnet, und das dürfte kein Zufall sein, hast du doch amerikanische Schriftsteller als Beispiele für die inspirierende Wirkung von Alkohol genannt.

Wenn deine Prota also Inspiration empfangen soll, so kann man es auch andersherum sehen: Nicht das Trinken ist Sünde, sondern die Verweigerung des spiritus, dann ergibt diese Passage einen Sinn: "Hätte ich bloß nicht angefangen. Hätte ich bloß nicht angefangen aufzuhören. Jetzt war es zu spät, jetzt war die Unschuld verloren, ich war fürs Trinken versaut."

Schließlich führt Sam die Prota aus der unfruchtbaren Trockenheit und Dürre auf den rechten, ihr bestimmten Weg der künstlerischen Empfängnis zurück.

Grüße
gerthans

 

Hallo catlucy und auch von mir noch herzlich willkommen hier!

Auch mir hat deine Geschichte gut gefallen. Sie ist lebendig geschrieben und wirkt sehr authentisch. Das Thema Sucht in der Mittelschicht, bei einer gebildeten Frau - so etwas wird ja wahrlich gern unter den Teppich gekehrt, wie schon weltenläufer in seinem Kommentar anmerkte. Du hast es nachvollziehbar umgesetzt, den Selbstbetrug gezeigt (Zitat: "Sie hatte hart gearbeitet am Tag, würde weiter arbeiten in der Nacht, so konnte sie sich doch etwas gönnen, sie hatte es verdient!"), aber auch das Elend, das mit dieser Sucht verbunden ist.

Ich finde die Szene im Bad sehr lebendig, die wörtliche Rede, den Gegensatz zu dem Gedanken deiner Protagonistin. Ich habe tatsächlich mitgefiebert, habe mir gewünscht, dass deine Prot die Situation meistert, nicht rückfällig wird. War erleichtert, als die Flasche, die sie Sam entwindet, auf den Kacheln zerbirst, hatte gehofft, dass sie den bestellten Chianti nicht anrührt, war betroffen, als sie den gefüllten Zahnputzbecher ansetzt und trinkt. Ich will damit sagen: Dir ist es wirklich gelungen, mich mit dieser Geschichte gefangenzunehmen. Großes Lob!

Einziger Punkt, der aus meiner Sicht so nicht logisch ist: Sam scheint bis dahin durchgehalten zu haben, zumindest ist niemandem bei AA etwas aufgefallen. Er scheint seinen Rückfall auch (wenn vielleicht auch kurzfristig) geplant zu haben, immerhin hat er sich den Fusel gekauft, aber nicht gleich konsumiert. Er scheint ja nüchtern bei deiner Prot anzukommen (sonst wäre ihr sicher seine Fahne aufgefallen oder ein leicht schleppendes Sprechen). Warum sucht er sich also ausgerechnet diesen Tag aus, warum in der Wohnung der Prot? Hadert er im Vorfeld mit sich? Hofft er, rechtzeitig aufgehalten zu werden? Dafür spricht, dass er im Bad nicht angeschlossen hat, er will also augenscheinlich entdeckt werden. Aber ihm muss doch auch klar sein, in was für eine Lage er die Prot bringt, dass er Begehrlichkeiten wecken könnte, ... Ein extrem egoistisches Verhalten, das für mich so nicht nachvollziehbar ist. Gut gefällt mir, dass sie nach ihrem Rückfall einen neuen Versuch wagt, dass die Geschichte hoffnungsvoll endet.

Sehr gern gelesen.

Viele Grüße
Kerstin

@ gerthans: Meinst du deinen Kommentar ernst? Schon der erste Absatz geht mir gegen den Strich, aber okay, über Religion kann man schwerlich streiten. Deine Schlussfolgerungen aber finde ich wirklich haarsträubend. Wie soll, bitte schön, eine zerstörerische Sucht der richtige Weg sein? :susp:

 

Hallo an alle,
vielen Dank jenen, die sich die Mühe gemacht haben, meinen Text zu lesen und sogar noch zu kommentieren, danke!
@ gerthans: Es ist interessant, was Du zu Spiritus Contra Spiritum denkst. Der Part "Hätte ich bloß nicht angefangen. Hätte ich bloß nicht angefangen aufzuhören. Jetzt war es zu spät, jetzt war die Unschuld verloren, ich war fürs Trinken versaut." bedeutet allerdings nur, dass die Prota ohne Unschuld, ohne zu wissen, dass sie etwas falsch macht, dass sie vom richtigen Weg abweicht, nie wieder wird trinken können. Ihre Höhere Macht wird ihr immer über die Schulter schauen, man kann nichts verstecken, schon gar keinen Rückfall. Vielleicht habe ich das nicht genau genug erklärt. Bei Fragen: mailen!
Lg
catlucy

 

katzano fragt micht:

Deine Schlussfolgerungen aber finde ich wirklich haarsträubend. Wie soll, bitte schön, eine zerstörerische Sucht der richtige Weg sein?

Über die Interpretation von catlucys Geschichte lässt sich kontrovers diskutieren. Eindeutig aber ist der Zusammenhang zwischen Inspiration und Alkoholgenuss: Ohne Alkohol wollen sich die rechten Einfälle nicht einstellen, die Ideen strömen nicht mehr, die Quelle ist versiegt.

Natürlich schädigt der Alkoholkonsum die Gesundheit der Prota, aber dieses Opfer ist sie offenbar zu bringen bereit. Oft muss man eben Opfer bringen. Thomas Manns Künstlerroman "Doktor Faustus" ist ein gutes Bespiel dafür. Der Prot, Adrian Leverkühn, empfängt unerhörte Inspirationen, muss dafür aber seine Gesundheit opfern - er hat sich infiziert.


Die Prota bei catlucy hat in Kauf genommen (oder vielleicht sogar unbewusst gewollt), dass die Künstlerin, die in ihr steckt, durch den Alkoholentzug ausgetrocknet, zum Verdorren gezwungen wird. Aber das Schicksal will es anders. Nicht zufällig geschieht der Umschwung an ihrem Geburtstag, dem "Trockengeburtstag" (makabrer Ausdruck - AA-Jargon oder selbst ausgedacht? - jedenfals klasse!), womit sich auch eine Symbolik von Wiedergeburt anbietet: Es ist ja eine regelrechte Wiedergeburt der zum Austrocknen verurteilten Künstlerin, eine Wiedergeburt weg aus der Dürre zurück ins Fruchtbare, Feuchte.

 

Hallo liebe Leute,
ich habe am Text gefeilt und so Sams Verhälnis zu Ivy und seine Motivation für den Rückfall etwas deutlicher dargestellt, ich hoffe, es kommt jetzt besser raus. Lieben Gruß
catlucy

 

Hi catlucy,

die Ergänzungen finde ich gut, so ist es (für mich) tatsächlich nachvollziehbarer. Aber ein kleiner Tipper ist noch drin:

Aber aller blieben dran,
alle


Und ich sehe einen Widerspruch zu einer späteren Aussage:

Viele hatten wieder und wieder Rückfälle, auch Sam hatte damit zu kämpfen.
Aber konnte ich das einem langjährig trockenen Alkoholiker gegenüber zugeben?
Das obere Zitat klingt für mich, als hätte er bereits Rückfälle gehabt, dann passt das untere nicht mehr.


Noch drei Kleinigkeiten:

Es waren kleine gelbe Blüten an langen Stielen, und Schleierkraut, das erkannte sogar ich, es sah hübsch aus, ich stellte es in einen hohen Glaskrug und stellte ihn ans Fenster.
Die Wortwiederholung stört etwas, zudem ist der Satz sehr lang und das Pronomen passt auf nichts so recht ("es"). Ich würde hier umformulieren und vielleicht zwei Sätze draus machen.

Ich setzte alles und klopfte an die Tür.
setzte alles ab (?)

„Ich komm jetzt rein. Wenn du nackt bist oder so, sag nicht, ich hätte die vorher nicht gewarnt.“
dich


gerthans schrieb:
Ohne Alkohol wollen sich die rechten Einfälle nicht einstellen, die Ideen strömen nicht mehr, die Quelle ist versiegt.
Aber nur, weil man noch gegen die Sucht ankämpft und die Gedanken nach wie vor darum kreisen, keinen Platz für Kreativität lassen, was mit der Zeit aber besser und besser wird. Es gibt ja nun auch genügend Schriftsteller, die keine Alkoholiker sind und trotzdem zu Geschichten inspiriert werden. Oder Schriftsteller, die jahrelang Alkoholiker waren (etwa Stephen King), nun schon seit Jahren trocken sind und dennoch einen hohen Output haben. Ich denke nicht, dass Alkohol zwingend nötig ist zur Inspiration, sondern dass die Suchtsymptome (und darum handelt es sich ja, wenn die Gedanken nur darum kreisen können, auch wenn die Prota trocken bleibt) der Inspiration entgegenwirken. Lösung: Die Sucht ganz besiegen - und das braucht vielleicht bei der Prota etwas mehr Zeit als ein Jahr. Das ist meine Interpretation.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Katzano,
Deine Änderungsvorschläge fand ich gut und hab sie in den Text eingearbeitet, der jetzt wirklich besser ist. Es ist schön, viele neutrale Menschen "vom Fach" zu haben, die konstruktive Kritik abgeben, das findet man ja im Freundes- oder Familienkreis nicht so. Es macht richtig Spaß an den Texten zu arbeiten.
Lg catlucy

 

katzano schreibt:

Ich denke nicht, dass Alkohol zwingend nötig ist zur Inspiration, sondern dass die Suchtsymptome (und darum handelt es sich ja, wenn die Gedanken nur darum kreisen können, auch wenn die Prota trocken bleibt) der Inspiration entgegenwirken. Lösung: Die Sucht ganz besiegen - und das braucht vielleicht bei der Prota etwas mehr Zeit als ein Jahr. Das ist meine Interpretation.

Vielleicht hast du Recht. Vielleicht hat sich die Prota erst einmal nur oberflächlich und nicht tiefgreifend von ihrer Sucht gelöst. Dann steht ihr noch eine Durststrecke bevor.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom