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Allein und auch wieder nicht
Freude, ziemlich beschissener Nachname, wer ist nur auf diese Idee gekommen? Wenn ich mir einen Namen aussuchen dürfte, würde ich wohl Mrs. Angst nehmen, dass entspricht meinen derzeitigen Gefühlszustand am besten.
Ich habe nämlich Angst, sehr große sogar, vor der Nacht und vor den Schatten, die mich zu verfolgen scheinen.
In der Dämmerung kommt er zu mir. Viele würden mich für verrückt halten, wenn ich so dumm wäre und es irgendjemanden erzählen würde, aber ich spüre ihn, seine Blicke die auf mir ruhen, ich höre seinen Atem durch den Raum streichen, ich rieche etwas, was an Friedhof und Tod erinnert, nur sehen kann ich ihn nicht. Egal wohin ich mich mit angstgeweiteten Augen drehe, er scheint immer hinter mir zu stehen und manchmal meine ich ein Lachen zu hören.
Jetzt ist es 8 Uhr früh, mir kommt es eher spät vor. Mit Augenringen sitze ich im Sessel und starre die Wand an. Die Sonne scheint auf mein Gesicht. Mit knackenden Knochen erhebe ich mich und gehe in die Küche ein paar Cornflakes futtern. Ein Kaffee wäre auch nicht schlecht, es ist aber kein Grümmelchen zu finden, also mach ich mich auf die Socke in den nächsten Supermarkt. Da ich eh noch meine Klamotten an habe gibt es nicht viel zu tun, in 10 Minuten bin ich auch schon wieder da, um festzustellen das keine Kaffeefilter im Haus sind. Den Nervenzusammenbruch nahe fällt mir noch rechtzeitig ein, dass man das Zeug auch türkisch trinken kann.
„Lara, mach doch mal die Tür auf!“
Ich schrecke hoch. 12Uhr, die Kaffeetasse noch vor mir stehend, liege ich mit dem Kopf auf dem Küchentisch, die Nacht hatte ihren Tribut gezollt. Schnell haste ich zur Tür.
„Oh nein Gott, wie siehst du denn aus?“ Derrick, mein Nachbar, blinzelt mich mit seiner 24 Stunden guten Laune an. Zu seinen Füßen eine Katze.
„Nichts weiter, nur eine durchwachte Nacht.“ Ich versuche ein besseres Gesicht aufzusetzen und frage mich gleichzeitig was der denn jetzt von mir will und wie ich ihn dann auch los werde.
„Ich wollte dich eigentlich fragen ob du dich für 3 Tage um meine Katze kümmern kannst, ich muss zu einem Meeting, aber wenn es dir nicht gut geht..“
„Schon OK, ich nehme sie, vielleicht ist eine kleine Grippe im Anmarsch.“ Optimistisch lächle ich ihn an, schließlich soll man gute Taten begehen und mein Konto liegt bestimmt schon weit in Minus.
Die Katze huscht auch schon an mir vorbei.
„Siehst du, sie ist schon drinnen, da wünsch ich dir viel Spaß“
Mit einem unechten Grinsen schieb ich ihm die Tür vor der Nase zu. Derrick muss ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt haben.
Die Katze sitzt in der Stube auf dem Tisch und starrt mich an.
„Glotz nicht so blöde!“ Ich zeig der Katze einen Stinkerfinger und hau mich in meinen Sessel. Den Sessel hab ich noch aus meiner Schulzeit, ein altes Lieblingsstück.
Die Katze springt vom Tisch und rollt sich auf meinem Schoß zusammen. Gedankenverloren schau ich im Zimmer umher.
Eigentlich arbeite ich um die Zeit im Büro einer großen Firma, nur machte die Arbeitslosigkeit auch dort nicht halt. Jetzt bin ich meist allein in meiner Wohnung, suche Arbeit, die es nicht gibt und schlage mich mit meinem mickrigen Geld durch. Meine Eltern wohnen weit weg und Freunde sind dünn gesät und auch zu teuer wegen Kino , Cafe.., früher besaß ich mal genug Geld, nur ans sparen für „schlechte Tage“ habe ich nicht gedacht.
Ich fühle mich einsam, jetzt kann man zu recht sagen woher meine komischen Erscheinungen kommen, ich glaube es aber nicht. Ich komm ganz gut klar und es ist nicht so, dass ich niemanden hätte, ich kann jederzeit jemanden anrufen, obwohl ich auch schon überlegt habe mal beim Seelenklempner vorbeizuschauen, aber wer bezahlt mir das, wenn ich nicht eindeutig nachweisen kann, dass ich einen Dachschaden habe? Niemand! So leg ich das Geld besser an und geh heute aus.
Nach dem Abendessen mach ich mich auf den Weg, auf der Straße schaue ich noch mal nach oben, dort sitzt die Katze auf dem Fensterbrett, schwarz wie die Nacht.
In einer Bar treffe ich ehemalige Arbeitskollegen, die auch Zuhause sind. Der Abend ist ein voller Erfolg, leicht angetrunken mache ich mich auf den Heimweg, kichernd versuche ich den Schlüssel ins Schlüsselloch zu stecken. Als ich nach einer Ewigkeit die Tür aufbekomme, kippe ich nach vorn und bleib auf dem Boden liegen.
Es tropft auf meinem Kopf, Schrecken lässt meinen Körper erzittern, langsam drehe ich mich auf den Rücken. Ich blicke zu meiner schweineteuren Designerlampe, Licht strömt vom Hausflur durch die offene Wohnungstür. Es beleuchtet die Lampe mit einem schwarzen Etwas oben drauf. Wieder kommt ein Tropfen von oben, ich schmecke Blut auf meinen Lippen. Ich stehe auf und sehe es mir näher an, wie in Trance, allen Gefühlen entbunden. Die Katze, Genick gebrochen, Augen ausgestochen, wurde mit einem Strick oben auf die Lampe gebunden. Das Blut läuft dem Schirm hinunter und bildet auf dem Boden eine Lache. Meine einzige Reaktion ist, dass ich in Ohnmacht falle.
Als mein Bewusstsein wiederkehrt, hab ich erst mal die Orientierung verloren. Stöhnend rapple ich mich auf, mit den dröhnenden Kopfschmerzen ist die Erinnerung auch wieder da. Schnell schaue ich nach oben, bloß ist da keine Lampe mehr und demzufolge auch keine Katze, nur eine dreckige, feuchte ungeputzte Wand. Genauso die Wand vor mir, neben mir, hinter mir und unter mir, wenn die Erdanziehungskraft mich nicht nach unten ziehen würde, wüsste ich nicht mal wo oben und unten ist. Keine Tür, kein Fenster, rein gar nichts, nur ich.
Bis zu diesem Augenblick habe ich nicht geglaubt an Platzangst zu leiden, nur wer bekommt keine Panik wenn nicht ersichtlich ist wo der Sauerstoff her kommt, wo man raus kann oder wie es mit so was primitiven, wie Essen oder Wasser ist und vor allem - wo das Licht her kommt. Sehnsuchtsvoll denke ich daran wieder ohnmächtig zu werden. Ich mache die Augen zu und kneife mir einmal kräftig ins Bein, vielleicht träum ich ja alles nur, als ich die Augen wieder öffne hat sich nichts verändert, na ja ein versuch war’s wert. Warte! Nein, nicht, nicht an diesem Zeitpunkt, ich bin dem jetzt schutzlos ausgeliefert. Ich schreie, ich habe keine Kontrolle über mich renne los und krache mit dem Gesicht zuerst gegen die Wand, benommen bleibe ich liegen, der Geruch ist da, der Geruch nach dem Tod und dem Friedhof. Alle möglichen Gedanken schießen mir durch den Kopf, aber wenigstens arbeitet er wieder.
Langsam setzte ich mich auf, es sind die gleichen Empfindungen wie immer.
Panisch zuckend liege ich am Boden, meine Kontrolle, die ich ganz kurz wiedererlangt zu haben glaubte, ist augenblicklich wieder wie weggewischt. mein Atem geht stoßweise, bis ich anfange zu Schreien. Endlich ist die erwünschte Ohnmacht da, die ich wie einen geliebten Freund begrüße.
Später wache ich auf, in einen Krankenhaus, man erzählt mir, dass mich eine Nachbarin hat schreien hören und sie wäre sofort in meine Wohnung gerannt. Meine Tür stand offen, deswegen konnte sie ungehindert herein, dort lag ich im Flur am Boden, ohnmächtig.
Was sie eigenartig fand, war die schwarze Girlande von letzten Helloweenfest, an der als Scherz kleine Kunstblutampullen dran hingen, die zersprungen waren und auf den Boden tropften.