Als du gingst
Jeden Tag trage ich deine Erinnerung mit mir, nie würde ich dich fallen lassen. Du wolltest mir nicht glauben, lockertest den Griff, als ich versuchte, dich zu halten, aber hier stehe ich, halte dich trotz allem fest bei mir, ohne Fotos oder Stimmenaufnahme habe ich dennoch das Gefühl, du seist erst gestern gegangen. Doch es täuscht mich, ich stehe so lange schon allein, ohne deine Berührungen zu spüren. Wir bahnten uns immer unseren Weg, auch, wenn es keinen gab, wir kämpften, gaben nicht auf. Zusammen zeigten wir allen unsere Stärke und waren stolz auf das, was wir leisteten.
Mir fehlt es nicht, dich nicht besuchen zu können, an diesem festen Ort, dadurch habe ich das Gefühl, du bist bei mir, höre deine Stimme, wenn der Wind durch die Blätter weht. Ich kann dich überall sehen, vielleicht verginge es, wenn ich deinen festen Platz kenne.
Die Erinnerungen verblassen manchmal, weißt du, was ich dann tue? Ich suche unsere Wiese auf, diese eine Stelle, an der unsere Namen nebeneinander stehen, verbunden durch das Band der ewigen Freundschaft. Siehst du mich dort sitzen? Kannst du mich hören? Meine verzweifelten Schreie, die versuchen dich wieder zurück zu bringen, zu mir, hier her, wo du hingehörst. Keinen anderen Ort darfst du dein Zuhause nennen. Mein Herz ist der einzige Platz, an dem du sicher aufbewahrt bist.
Als du gingst, waren wir fast noch Kinder, ich verstand nicht, wieso ich nicht mitgehen konnte, wieso du diesen Weg allein gehst und es nicht deine Stärke auszeichnet.
Es war ein sonniger Freitag, voller Leben, voller Glück, Sommerferien und wir mitten drin. Wir gingen schwimmen, mit der kleinen Nachbarstochter, sie ist so groß geworden, du würdest sie mögen. Wir genossen die Zeit, hätte ich gewusst, es ist die letzte, wäre meine Wahl auf einen Ort gefallen, an dem ich dich für mich habe, ohne Störungen. Hätte ich gewusst, dass es unsere letzte gemeinsame Zeit ist, wäre ich vielleicht imstande gewesen, es zu verhindern, dich nicht gehen zu lassen
Ich habe nichts von dir vergessen, ich trage dich immer bei mir, jede Nacht erscheinst du in meinen Träumen. Deine leuchten grünen Augen funkeln mich an, als entdeckten sie jedes Mal etwas Neues an mir, so neugierig, so forschend, so durchdringlich, meine Gedanken lesend.
Du durftest das, warst die einzige Person, damals, wie heute. Niemanden will ich an mich heran lassen, nicht aus Angst, vor einer erneuten seelischen Verletzung, sondern, weil du verloren gehen könntest, wenn ich mich nicht jeden Tag auf dich konzentriere. Du lebst nur noch in mir. Durch meine Venen fließt dein Blut, du erinnerst dich? Als du gingst, bist du nicht ganz gegangen, nur der Teil in deinem Körper. Als du gingst, ist ebenfalls Teile von mir gegangen, mit deinem Körper, aus meiner Seele.
Wenn dein Name fällt, wenn jemand deine Augen hat, wenn ich allein stehe, an diesen, unseren Plätzen vorbei gehe, du besonderen Anlässen, schmerzt mein Herz, es schreit, es will aufhören zu schlagen.
Du warst die Sonne meines Lebens, ich hätte schwören können nicht ohne dich leben zu können, doch dann war ich an diesem Punkt.
Als der Schuss fiel, beendetest du nicht nur dein Leben.