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Als sie tot umfiel
Als sie tot umfiel, hörten in der Nachbarkabine ein paar Mädchen-höchstens 15 Jahre alt-auf zu kichern.
-"Das ist niemals Größe 36"
-"Haha, bestimmt ein Druckfehler, du hast ja sonst 34"
Sie hörten den Knall, hielten inne und fingen kurz darauf wieder an, albern zu gackern.
-"Hihi, da ist wohl jemand umgefallen, der nicht in die Hose passt."
Dass sie damit recht hatten, wussten sie natürlich nicht, und so verließen sie die Kabine, ohne gemerkt zu haben, dass nebenan eine Frau gestorben war.
Kurz vorher streifte sich Katrin, 34, klein, irgendwie knubbelig und einem Gnom erschreckend ähnlich, worüber sie sich durchaus bewusst war, eine Hose in Größe 42 über.
Normalerweise hätte ihr die Hose passen müssen.
Also hatte sie selber entweder zugenommen oder sie fiel einfach kleiner aus.
Sie entschied sich für die 2.Variante, denn das Licht der Neonlampen verlieh schon ihrem Gesicht rote Tupfer und dem restlichen Körper Dellen und eine fahle Färbung.
Mehr Übel konnte sie nicht ertragen.
Niederschmetternd war ihr Anblick, allein ihre Augen verrieten anderen eine gewisse Schönheit. Diese Augen waren es auch, denen sie ihren ersten und einzigen Freund verdankte. Ohne sie wäre sie ihm wohl nicht aufgefallen. Untergegangen in der Masse. Untergegangen zwischen Hübschen, Interessanten, Spannenden, Attraktiven.
Unter den dichten, schwarzen, zu eng stehenden Augenbrauen, lugten stahlblaue Knöpfe hervor, geziert von vielen Wimpern.
Auf den ersten Blick waren sie nicht hübsch, aber in kurzen Momenten war ihr Blick so klar und faszinierend, wie kaum ein anderer.
Ein Lichtblick sozusagen.
Ihr Mund, fein geschnitten, von einem dunklen Rot getränkt, anregend im Kontrast zu den schwarzen Haaren.
Für sich genommen, Gesichtszüge, die in einer anderen Konstellation als außerordentlich schön angesehen würden.
Ich betrachte dich im Kleinen und liebe dich im Großen. Das hatte ihr Freund immer gesagt und war ganz nah an ihr Gesicht herangekommen, sodass er entweder nur ein Auge, die Wimpern, Wangenknochen, Mundwinkel sah.
Gut, ihre Brüste hingen wie platte, vertrocknete Waschlappen an ihrem sonst straffen, etwas zu kräftig gebauten Körper herunter.
Aber er hatte sie geliebt. Irgendwann war er es Leid,
ihr auf die Frage: „ Wieso liebst du mich eigentlich“ antworten zu müssen.
Seine erst so liebevollen Antworten wandelten sich mit der Zeit zu einem knappen: „Darum“ und als er Schluss machte war seine Begründung, er könne niemanden lieben, der sich selbst nicht liebe.
Katrin wurde erst 2 Stunden später gefunden.
Eine Kundin hatte sich beschwert, dass die Kabine zu lange besetzt war.