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Am Tag, als der Papst zum zweiten Mal starb

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31.01.2016
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Am Tag, als der Papst zum zweiten Mal starb

In diesem Sommer starb der Papst zweimal. Anfang des Monats, die Ferien hatten bereits begonnen, gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt.

Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich wie Herr Lehmann es immer tat, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte. Für diese Situation hatte sich Luzie verschiedene Ausreden einfallen lassen, die sie ruckzuck aus dem Ärmel zauberte. Sie wollte nicht sagen, dass Papa sehr wütend werden konnte und dann ihre Hefte zerriss, weil sie gefälligst nicht so schlau tun sollte. Sie wollte auch nicht sagen, dass sie das Taschengeld sparte, um ein Schulbuch zu ersetzen, nach dem Herr Lehmann fragte, weil es auch Papas Wut zum Opfer gefallen war. Sie war gut darin, Ausreden zu erfinden. "Lügen-Luzie" rief man ihr auf dem Schulhof hinterher.

Papa riss die Augen weiter auf. Nun waren sie groß wie Frühstücksteller. Aber während das Weiß in Yasemins Augen schimmerte wie Perlmutt, war es bei ihm rotgeädert und furchterregend, obwohl die Iris fast dieselbe Farbe hatte. Ein warmes Braun. Luzie dachte ständig an Yasemin. Sogar jetzt. Die einzige Freundin, die sie jemals hatte. Währenddessen sog Papa gierig an seiner Zigarette und blies eine blaugraue Wolke aus, so dicht und groß, dass sein Gesicht für einen Augenblick dahinter verschwand. Halb Mensch, halb Gespenst. Als der Rauch an der Zimmerdecke entlang kroch und Papas Gesicht wieder sichtbar wurde, hatte seine Stirn tiefe Furchen. Wie bei einem Zaubertrick hatte es sich verwandelt und zwischen jeder einzelnen Furche sammelte sich Schweiß. Die Haut begann, sich zu verfärben. Erst rot, dann dunkler, mehr lila. Er schrie Worte, wie Papst und Mutter, Arbeit und verrückt, dumm verkaufen und dass sie schon sehen würden. Für Luzie ergaben sie keinen Sinn. Mit weit aufgerissenem Mund, versprühte er Spucke und stand nah genug vor Luzie, dass sie das Gemisch aus Bier, Schnaps und Zigaretten roch und ihr Übelkeit verursachte. Luzie wollte lieber nicht länger mit ihm über den Papst sprechen, denn Papa verlor schnell die Geduld. Zack, war der Faden gerissen und dann war es wirklich schlau, sich dünnezumachen. Sie würde Mama später fragen, wenn die von der Arbeit zurück war.

Yasemin wohnte mit ihren Eltern, einer blinden Großmutter und der kleinen Schwester, die noch gar kein deutsch sprach, sondern nur türkisch und die Luzie jedes Mal zur Begrüßung einen Kuss auf die Hand gab und dann kichernd davonrannte, in der siebzehnten Etage im selben Haus wie Luzie. Die Aussicht war herrlich und die Räume hell und luftig. Es duftete zu jeder Tageszeit nach Gebäck und Gewürzen. Sie konnten von hier oben über die ganze Siedlung hinwegsehen bis zur Mauer. Niemand, der hier lebte, wunderte sich über diese große, graue Wand. An einigen Stellen war sie angesprüht worden: Klaus und Gaby. I'm sorry about that. DDR. Manchmal spazierten Luzie und Yasemin daran entlang und lasen alle Sprüche, aber nur bis zum alten Forellenhof, dort wo die Einfamilienhäuser standen mit Löchern in den Dächern und verbretterten Fenstern. An dieser Stelle kehrten sie um, damit sie noch rechtzeitig vor dem Dunkelwerden zurück waren und keinen Hausarrest bekamen. Mit Yasemin war das Leben lustiger und ihre Augen strahlten und wärmten Luzies Herz. Nie wieder sah Luzie dieses Braun bei einem anderen Menschen. Es war mit goldenen, klitzekleinen Pünktchen gesprenkelt und gerahmt von dichten Wimpern. Die Mädchen saßen in der Schule natürlich nebeneinander und wenn sie beide tuschelten, wurde immer Luzie von den Lehrern ermahnt, weil niemand sonst Yasemins Stimme hören konnte, so leise sprach sie.
Auf dem Heimweg kauften sie gelegentlich ein halbes Hähnchen vom Imbiss und teilten es sich dann im Treppenhaus. Sie stiegen die Etagen so schnell hoch, wie sie konnten. Ohne zwischendurch auszuruhen. Der Rekord lag im achten Stock. Dann sackten sie erschöpft und prustend auf die Stufen und wenn Luzie die Tüte aufriss, roch die ganze Etage nicht länger nur nach Urin und Staub, sondern auch nach gegrilltem Huhn. Yasemin und Luzie passten gut zusammen. Auch beim Hühnchenessen. Luzie aß am liebsten das weiße Fleisch und Yasemin die Haut und das dunkle Fleisch.
„Ich hoffe, wir bleiben für immer Freundinnen", sagte Luzie und lächelte, während sie kaute, „bis wir sterben. Und auch noch danach. Als Gespensterfreundinnen. Dann fliegen wir durch das ganze Haus und stecken unsere Köpfe durch die Wände und erschrecken alle Leute, dass die sich vor Angst in die Hose machen."

Yasemin war am Morgen des ersten Ferientages allein zu Verwandten in ein türkisches Dorf gebracht worden, während ihre Eltern den Sommer über weiter zur Arbeit gingen. Um die kleine Schwester kümmerte sich in dieser Zeit die Großmutter. Das kleine Dorf lag nicht einmal am Meer und es gab auch keinen Strom im Haus, erzählte sie am Abend vor der Abreise. Luzie gab ihr das Taschentuch mit dem Teddy darauf, das Mama ihr am Abend zuvor geschenkt hatte, damit sie die Nase putzen konnte. Und zur Erinnerung. Sie würden sich Briefe schreiben. Jeden Tag einen. Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte. Eine Feder zum Beispiel oder Sandkörner, das Papier vom Brausebonbon oder einen Tropfen Sonnenöl. Beide Mädchen kauerten, bis die Laternen aufflackerten, auf den Stufen am Hauseingang vor der Sprechanlage, aus der immerzu irgendein Geräusch schnarrte oder jemand "Hallo, hallo" rief.
Luzie hatte sich für den nächsten Morgen den Wecker gestellt, um zu sehen, wie das Auto mit ihrer Freundin davonfuhr. Vom Balkon aus sah sie die Sonne zwischen den hellgrauen Häusern aufgehen. Es war seltsam friedlich dort unten auf dem Parkplatz an diesem Morgen. Luzie hörte niemanden rufen oder schreien, keine Autohupen oder Sirenen. Nur Vögel zwitscherten. Und nachdem beide Mädchen sich einander müde zugewinkt hatten, stieg Yasemin in ein verrostetes Auto und fuhr mit Onkel und Tante davon.

So vertrieb sich Luzie die Ferienzeit allein und ging täglich zu Herrn Kowalke, dem der Kiosk unten im Einkaufszentrum gehörte. Dort kaufte sie seit dem ersten Schultag alle Hefte, Stifte und seit kurzem die Zigaretten für Papa. An einem Tag hatte Herr Kowalke Luzie keine Zigaretten mitgeben wollen, nuschelte etwas von Unvernunft, dass es noch so weit käme, und ließ sie ratlos nach Hause gehen. Am nächsten Tag gab er ihr dann einen Brausebonbon zur Schachtel HB dazu und fragte, ob sie gegen einen Türrahmen gestoßen wäre. Das kam in etwa so hin. Papa funkelte Luzie wild mit den Augen an, als sie wegen Herrn Kowalke ohne Zigaretten nach Hause kam. Sie standen sich im Flur gegenüber, weil er Luzie an der Tür abfing, nachdem er den Schlüssel im Schloss gehört hatte. Er schubste sie immer ein bisschen an der Schulter, während er herumbrüllte. Das wollte gar nicht enden. Die Schulter pochte schon von dem ganzen Geboxe. Außerdem musste Luzie dringend mal. Sie sagte, sie müsste zur Toilette, wie immer, wenn sie Angst hatte, denn Papa war angsteinflößend, wenn er wütend wurde, aber er schubste sie bloß kräftiger, wodurch sie fiel, und dabei schlug sie mit der Stirn irgendwo gegen und machte sich nass. Für einen Augenblick sah es vom Boden so aus, als würde er ihr aufhelfen wollen, weil er einen unschlüssigen Schritt auf sie zuging, aber er drehte sich doch abrupt weg und ging aus der Tür. Zigaretten holen. Und Luzie zog die Kleidung aus und schaltete die Waschmaschine an.

Papa bekam keinen Urlaub in den Ferien. Im Sommer gab es auf dem Bau am meisten zu tun, während bei Mama im Salon um diese Zeit nicht viel los war. Die Frauen gaben ihr Geld jetzt für Eis aus und gingen an den See. Mamas Chef gab sich selbst und ihr zwei Wochen frei und Mama ging mit Luzie jeden Tag ins Freibad. In der ersten Woche fuhren sie zwei Stationen mit dem Bus, aber in der zweiten Woche gingen sie zu Fuß, denn Mama konnte gut rechnen und hielt das Geld beisammen. Mittags lagen sie faul in der Sonne und Mamas Haare glänzten wie Goldfäden, die durch Luzies Finger glitten. Luzie sah Mama gerne an, wie sie dort mit geschlossenen Augen hinter der runden Brille auf dem Rücken lag und ihr Körper im Sonnenlicht glänzte wie Luzies Lackschuhe. An manchen Tagen setzte Mama die Sonnenbrille gar nicht ab. Nicht einmal zu Hause oder im Laden von Herrn Kowalke, wenn sie eine Flasche für den Abend kaufte. Zur Entspannung. Im Freibad kaufte sie zuvor Pommes frites und Eis für Luzie. An manchen Tagen noch zusätzlich eine Tüte Süßigkeiten. Und während Luzie aß, verschwand Mama.
„Bleib schön hier, meine Kleine. Ich brauche etwas Abwechslung", flüsterte sie, strich ihrer Tochter über den Kopf und ging mit leichten Schritten davon. Luzie dachte lange Zeit über den Satz nach, konnte sich aber mal wieder keinen Reim darauf machen, was Erwachsene so sagten, und stürzte sich schulterzuckend auf die Tüte mit den Naschereien. Als Mama zurück war, fragte Luzie, wohin sie denn gegangen wäre. Aber Mama schnitt nur alberne Grimassen, schielte und zog sich selbst an den Ohren, wackelte mit dem Kopf und kitzelte Luzie so lange, bis sie beide die Frage vergessen hatten.
Das Freibad war jeden Tag rappelvoll, die ausgebreiteten Handtücher lagen dicht aneinander auf dem Rasen. Wenn Luzie zum Schwimmbecken ging, war es unmöglich, keines auf dem Weg dorthin zu betreten, so sehr sie sich auch bemühte. Der August war fürchterlich heiß und man hätte meinen können, alle Einwohner der gesamten Siedlung würden sich hier tagsüber aufhalten, weil niemand in den Sommerferien verreiste und es zwischen den Betonwänden nicht auszuhalten war. Wenn Mama von ihrem täglichen Ausflug zu Luzie zurückkehrte, waren die meisten Handtücher vom Rasen verschwunden und zwischen all dem plattgelegenen Gras, den zurückgelassenen Getränkedosen und Wurstpappen, saß Luzie auf dem Coca Cola-Tuch mit angewinkelten Knien, um die sie ihre mageren Arme geschlungen hatte.
„Ich bin zurück, Luzie", rief Mama von weitem, schnappte sich den Plastikkorb, in dem sie die nassen Handtücher und Bikinis transportierten, nahm Luzie an die Hand. Dabei fiel ihr Blick kurz auf die abgekauten Nägel ihrer Tochter. Das leise ‚tsts’ verklang im Wind, während sie mit Luzie aus dem Freibad lief. Mama verlor in diesen zwei Wochen selbst dann ihre gute Laune nicht, wenn sie auf dem Heimweg ein Gewitter überraschte und der Platzregen beide bis auf die Haut durchnässte. Es gab eine Menge Gewitter in diesem August.
Am Ende der zwei Wochen war Mama am ganzen Körper schokoladenbraun und wenn sie abends aus der Badewanne stieg, konnte man auf ihrem Körper vier kleine, weiße Dreiecke sehen. Luzie lachte sich kringelig darüber und Mama tanzte nackt durch den Flur, warf den Kopf vor und zurück, hin und her und schüttelte ihre weizenblonden Haare wie ein übermütiges Pony. Dazu sang sie "Stayin' alive", den Song, der in diesem August immerzu im Radio lief.

Mamas Urlaub war vorüber und Luzie wieder allein. Yasemin war noch nicht zurück und Luzie saß jeden Tag auf dem Balkon und las das Buch über einen Gurkenkönig, auf den man pfeifen konnte, weil der immer stahl und log. Sie hatte es schon dreimal gelesen, weil es ihr so gut gefiel, aber auch weil die Bücherhalle in der ersten Ferienwoche ausbrannte. Der Frisiersalon, in dem Mama arbeitete, befand sich direkt nebenan und sie redete an diesem Abend nur von ihrem Chef, der mutig mit Eimern voll Wasser die Bücher zu löschen versuchte, bis die Feuerwehr kam. Papa hatte an diesem Abend einen Geduldsfaden von der Stärke eines Babyhaares. Er zog mit einem kräftigen Ruck und einem kehligen Laut, der Luzie an Kowalkes Hund erinnerte, wenn man seinem Platz zu nahekam, an der Tischdecke , kaum dass Mama die Geschichte beendet hatte. Mama und Luzie sprangen gleichzeitig von den Stühlen auf, standen vor dem leergefegten Tisch. Mama legte einen Zeigefinger an die geschlossenen Lippen und sie sagten keinen Mucks, bis die Haustür zuknallte. Dann sammelten sie die Wurstscheiben, Brotreste und Gürkchen vom Teppich. Mama suchte eins nach Fusseln ab, stopfte es sich in den Mund, hob einen Teller auf, hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe und sprach theatralisch: „Das ist Glas, auf dem Elefanten tanzen könnten."

Bis Ende September war es so heiß, dass Luzie jeden Tag wie betäubt mit geschlossenen Augen im Liegestuhl auf dem Balkon lag und nichts tat. Sie nuckelte bloß an der Brauseflasche, die Mama für Luzie in den kleinen Kühlschrank gleich neben Papas Bier gestellt hatte, und konnte sich nicht regen. Und auch von unten drangen wenig Geräusche nach oben. Wer konnte, blieb im Haus.
Irgendetwas verursachte einen rauschenden Luftzug an Luzies Schulter. Es fiel still und schnell an ihr vorbei. Sie hörte den Aufprall auf den Steinen deutlich. Der Gedanke an einen schweren Wäschesack kam Luzie in den Sinn, wie der, den Mama eine Zeitlang zum Salon mitnahm, bevor sie eine Waschmaschine besaßen. Luzie konnte nicht sagen warum, aber sie erstarrte, rührte sich nicht. Etwas in ihr wusste, dass kein Wäschesack an ihr vorbeigerauscht war. Ihr Herz schlug in alle Richtungen, als suchte es sich einen Weg aus der Brust hinaus ins Freie.Luzie sprang vom Stuhl auf und beugte sich wie in Zeitlupe mit geschlossenen Augen über das Balkongeländer und zögerte einen Moment, bevor sie sie öffnete. Dort unten lag ein kleiner Mensch. Sie konnte den Blick nicht abwenden, keinen einzigen Muskel bewegen. Luzie starrte auf das kleine Kind, das dort auf dem Bauch lag, die Beine und Arme verdreht, wie das eigentlich nicht möglich war, die dunklen Haare auf dem grauen Pflaster wunderschön um den Kopf herum ausgebreitet. Sie trug ein weißes Sommerkleid.
Als Luzie den Blick abwenden musste, um Atem zu holen, bemerkte sie auf dem Gehweg, der von der Bushaltestelle führte, Yasemins Mama, die auf das Haus zurannte. Ihre beiden Einkaufstaschen hatte sie unterwegs fallenlassen. Die ersten Leute versammelten sich um das Kind auf dem Platz vor dem Eingang und Luzie ging einen Schritt zurück. Sie hielt die Brauseflasche immer noch mit weißen Fingerknöcheln fest umklammert und die Hände zitterten.
Jemand musste Yasemins Vater sagen, dass seine kleine Tochter aus dem Fenster gefallen war. Das sollte er doch wissen. Und nur deshalb fuhr Luzie mit dem Fahrstuhl in den siebzehnten Stock und klingelte. Verschlafen stand Yasemins Papa in der Tür nachdem er geöffnet hatte.
„Hallo Luzie", sagte er müde lächelnd, „Yasemin nicht da." Er gähnte und sah auf seine Armbanduhr. „Frau kommt gleich von Arbeit“, freute er sich.
Als er dann nur noch mit dem Kopf gegen den Türrahmen schlug, wartete Luzie nicht auf den Fahrstuhl, sondern lief durch das Treppenhaus in die Wohnung zurück, kauerte sich auf ihr Bett und drehte den winzig kleinen Hühnerknochen zwischen Daumen und Zeigefinger, der im Umschlag gelegen hatte. Auf dem Schreibtisch lag die Empfehlung für das Gymnasium und der letzte Brief von Yasemin, in dem sie schrieb, dass sie sich freue, mit Luzie in die neue Schule gehen zu können. Daraus wurde aber nichts, denn Yasemin kam nicht wieder nach Berlin zurück.
Im Radio verkündeten sie später zum zweiten Mal den Tod des Papstes.

 
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Hallo Kanji,

nur kurz, weil Du schon so viele kluge Kommentare bekommen hast, denen ich nichts Neues hinzufügen kann.

Vom Sprachlichen her gefällt mir Deine Geschichte sehr gut, habe aber trotzdem einen leisen Einwand. Ich hatte vor einiger Zeit mit Novak darüber sinniert, in wie weit es für einen Erwachsenen überhaupt möglich ist, Kindergedanken authentisch wiederzugeben und daraus dann noch Literatur zu machen. Ich sehe das immer noch kritisch, denn meiner Ansicht nach erkauft man mit dieser Annäherung an die kindliche Sprache und Empfindung (… Papa riss die Augen weiter auf. Nun waren sie groß wie Frühstücksteller …) die Nähe zur kindlichen Figur mit einem Verlust an klassischer Poesie und Ästhetik. Doch wenn man den Ansatz verfolgt, die Emotionen eines Kindes aus der Innensicht zumindest ansatzweise nacherlebbar zu machen – und ich finde, das gelingt Dir hier – dann kann man natürlich nicht „klassisch“ schreiben. Der von Dir gewählte Tonfall passt für mich sehr gut, ich finde das auch originell, frisch und berührend.

Mein leiser Einwand bezieht sich deshalb auch nicht auf diese Geschichte, sondern auf das Schreiben grundsätzlich. In den Disziplinen, die ich neben dem Schreiben übe, gibt es einen roten Faden, der sich durch jede Art von Ausbildung zieht. Ich weiß nicht, ob das richtig oder sinnvoll ist, aber mir scheint es zumindest so: Bevor man sich auf einen Stil spezialisiert erarbeitet man sich die klassischen Grundlagen. Beispiel Malerei/Zeichnen. Bevor man beginnt kubistische Zeichnungen anzufertigen, übt man sich in naturalistischer Darstellung (Räumlichkeit, Körperlichkeit, Lichteinfall, Oberflächenbeschaffenheit, anatomische Richtigkeit usw.)

Die realistische bzw. naturalistische Darstellung ist sozusagen der Nullpunkt und von dort geht es weiter in die Spezialformen. Dieser Ansatz ist vielleicht überhaupt nicht mehr zeitgemäßig. Möglicherweise sagen Zeichenlehrer zu den gemalten Würfel- und Eierköpfen ihrer Schülern heute „Bravo! Wenn du es so empfindest, ist es gut!“, aber ich finde das nicht gut.

Und genau so, wie manch ein Kulturbanause vor Picassos sitzender Frau ausruft: Und kann er auch richtig zeichnen?, könnte jemand bei Kanjis Am Tag, als der Papst zum zweiten Mal starb fragen Und kann sie auch richtig schreiben? Was ich damit meine ist, dass die Kindperspektive eine Sonderform ist, die sich schnell erschöpft, wenn man nach anderen Themen sucht. Das ist bei der klassischen Perspektive niemals der Fall. Meine Empfehlung lautet deshalb, die Grundlagen im neutralen, naturalistischen Stil des Schreibens nicht zu vernachlässigen.

Also mich hat das auf jeden Fall berührt. Das ist eine schöne traurige Geschichte. Zur Plotkonstruktion wurde ja schon einiges gesagt. Ich finde auch, dass Du an den Rand dessen gehst, was da machbar ist. Die Spannbreite von Luzis Leben bis zum Tod des kleinen Mädchens ist für eine KG ganz schon groß, und das Ganze wirkt nicht völlig rund auf mich. Mir ist nicht ganz klar, wie sich der Tod des kleinen Mädchens erzählerisch in die Geschichte einfügt. Das mögen aber nur Kleinigkeiten sein.

Ich habe es sehr gern gelesen.

Lieber Gruß
Achillus

 

Liebe Kanji,

spät, aber nun schau ich ganz kurz hier vorbei. Hab den Thread nicht gelesen. Egal.

Der Titel ist gleich so ein Hingucker. Der funktioniert nur, wenn man hinter der Institution Papst den Menschen streicht. Und eigentlich wird schnell klar, dass es der Sommer ist, in dem für Luzie endgültig die Kindheit zu Ende ist und schreckliche Dinge passieren.

Ich hab das gerne gelesen, bin Luzie gerne gefolgt, du hast das sehr schön plastisch beschrieben, ihre Welt. Für Spannungsbögen bin ich kein Experte, das grausame Ende fällt hier halt buchstäblich vom Himmel, so wie das im Leben manchmal ist.

Ich hab ein einziges Fundstück für dich:

Er schrie einzelne Wörter, die für Luzie in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergaben, mit weit aufgerissenem Mund, versprühte Spucke und stand nah genug vor Luzie, dass sie das Gemisch aus Bier, Schnaps und Zigaretten roch und ihr Übelkeit verursachte.

Dieses ‚und ihr Übelkeit verursachte‘ hängt irgendwie in der Luft.

Danke für die Geschichte. :)

Liebe Grüße
Anne

 

Hej Chris Stone,

und deswegen schätze ich deine Anwesenheit in meinem text umso mehr, weil du so wenig hier bist. Ich mag lieber den Frühling. :shy:

Wie ich diese Stelle gelesen habe: Der Vater sagt, Yasemin ist nicht da, und dann schlägt er den Kopf gegen den Türrahmen. Daraufhin ist Luzie so verunsichert, dass sie ihm nicht sagt, dass die Kleine zerschmettert vor dem Haus liegt, sondern wegläuft.

In anderen Worten: Es geht hier nicht um meine Phantasie. Ich male hier nicht eine eigene Geschichte, sondern setze mir deine Geschichte aus den Punkten zusammen, die drinstehen. Was nicht wörtlich da steht, muss ich zwischen den Zeilen suchen.


Das verstehe ich. Das werde ich lernen müssen, denn ich will einfach nicht alles ausschreibe, aber natürlich auch keine Rätsel aufgeben oder Missverständnisse aufkommen lassen. Ich nehme deine Lesart zur Kenntnis und versuche künftig daran zu denken (und natürlich auch zu überlegen, wie ich diese Szene besser darstellen kann.

Die positiven Gefühle dazu mögen in deinem Kopf ausgelöst werden, aber für mich ist das nur ein Stichwort. Eine blinde Großmutter kann genausogut ein Ekel sein, ein kaltherziges Aas. Und woraus soll ich lesen, dass die Großmutter "maßgeblich beteiligt" ist am Unfall? Du schrebst zwar, die Großmutter kümmert sich in den Ferien um die Kleine, aber zur Unfallzeit ist der Vater auch zu Hause. Warum sollte also die Großmutter maßgeblich Schuld sein?

Liebe Chris, du bist nicht bloß Winter, du bist Frost. Unerbittlich. Ich weiß, dass es nützt, aber ich friere nicht gerne. Natürlich will ich mich damit nicht auseinandersetzen, aber das nützt auch nichts. ich weiß, wat mut, dat mut.

Der Großmutter gute Gerüche und Nahrung zuzuordnen hoffte ich damit Genüge zu tun, Gutes zu assoziieren. Es der Blindheit zu verschulden, dass das Kind verunglückt ist eine Ursache davon. Man kann sie annehmen oder nicht. Ich möchte nicht alles bevormunden. Es könnte eine Möglichkeit gewesen sein, oder aber eben etwas anderes. Für Luzie spielt es keine Rolle. Dass ich damit nicht bei allen Lesern dieselben Verknüpfungen auslösen kann, ist mir bewusst, das möchte ich aber in Kauf nehmen, um nciht alle ausschreiben zu müssen. Nicht weil es doof wäre, sondern, weil mir persönlich dann die Mittel fehlen, die Atmosphäre zu transportieren, die ich möchte.

Für mich ist der Unterschied, dass ich eine KG für ein rundes Ganzes halte, eine Geschichte, in der alle (oder zumindest die meisten, bzw. die wichtigesten) aufgeworfenen Fragen beantwortet werden.

Das kann ich respektieren, wie du mein "Konzept". Ich taste mich heran und danke dir vielmals für deine Auseinandersetzung mit meiner Momentaufnahme und mir.

Lieber Gruß, Kanji


Hej Achillus,

vorweg, so als Aperitif, ich bin sehr froh, dass du hier herumstromerst und hochwertige nachvollziehbare Ratschläge gibst, die mir immer einleuchten, Sinn ergeben, fundiert sind ... aber für mich nicht leicht einzuarbeiten sind in mein "Gefüge". Ich würde gerne, schon damit sie sich für den Leser (schlimm, wenn ich zugebe, dass ich den während des Schreibvorgangs nur schemenhaft wahrnehme? :shy:) angenehm lesen lässt. Und dass ich mich als Autodidakt so einfach und kostenlos an deinem Wissen bedienen darf, (Stück Kuchen?) rechne ich dir hoch an.

Und für dein Einfühlungsvermögen danke ich jetzt auch schon mal. Ich bin echt zartbesaitet und schätze deine Art. ;), aber ich komme nicht drumherum, deinen Einwand zu schlucken. Der ist auch mit Zucker bitter.

Ich war heute Mittag im Museum und sah eine Phase des Lernens eines Malers. Eine gewisse Zeit an Jahren, in der er knapp zwei Jahre mit anderen Künstlern arbeitete und daran wuchs, sich aber auch beschnitten und beeinflusst fühlte. Tatsächlich war es ihm möglich, Kunstwerke zu schaffen, seine Kunst aber, mit der er berühmt wurde, stammt nicht aus dieser Zeit. Zumindest nicht technisch. Ich bin nicht sicher, ob er sich wohl gefühlt hatte, etwas zu machen, was nicht seinem ... Talent, Temperament, handwerklichen Eigenschaften entsprach. Es war auch nicht so besonders gut. Und obwohl es lernte und dachte, beherrschen zu müssen, gingen ihm andere Techniken von vornherein leichter von der Hand.
Also, was ich dabei dachte, und ich dachte an deine Worte als ich vor den Bildern stand, war, seine naturalistischen Bilder, seine Zeichnungen waren mittelmäßig und dann stellte ich mir die Frage, ob es derer bedurfte, um seine erfolgreichen zu ermöglichen.

Aber dennoch werde ich das Schreiben versuchen zu erlernen, damit ich meine Lieblinge verbessern kann. Egal welche Sonderformen es sein mögen. Ich werde heute Abend deine Geschichten lesen, um dort einen Verlauf erahnen zu versuchen.

Zur Plotkonstruktion wurde ja schon einiges gesagt. Ich finde auch, dass Du an den Rand dessen gehst, was da machbar ist. Die Spannbreite von Luzis Leben bis zum Tod des kleinen Mädchens ist für eine KG ganz schon groß, und das Ganze wirkt nicht völlig rund auf mich. Mir ist nicht ganz klar, wie sich der Tod des kleinen Mädchens erzählerisch in die Geschichte einfügt.

Du magst es durchschaut haben. Ich will oft einfach zu viel, turne am Rand ... oder weiter herum. dann wird's wohl unrund. Tja und wie sich etwas einfügt oder nicht, weiß ich wohl vorher einfach nicht zu beurteilen. Ehrlich auch nicht hinterher. Ich kann es nur zur Kenntnis nehmen, wie du es als Leser empfindest.

Dass du sie am Ende dann dennoch sehr gerne gelesen hast, ist mehr als ich erhoffen kann.

Herzlichen Dank für deine Anteilnahme, deine Zeit und freundlichen Worte, Kanji


Hej Anne49,

sportlich kommentierst du dich durch die Challenge und ich freue mich, dass du bei mir boxenstoppst und mir unvoreingenommen, weil thread übersprungen, was dann eben einfach auch zu viel des Guten wäre, den auch noch zu lesen, finde ich, deinen Eindruck zukommen lässt.

Und eigentlich wird schnell klar, dass es der Sommer ist, in dem für Luzie endgültig die Kindheit zu Ende ist und schreckliche Dinge passieren.

That's it! Shit happens.

Dieses ‚und ihr Übelkeit verursachte‘ hängt irgendwie in der Luft.

und weißt du was, Anne, das was überhängt, schneid' ich ab!

Dir auch herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Lieber Gruß, Kanji

 

Hi Kanji,

mir hat deine Geschichte gut gefallen. Die vielen verschiedenen Episoden, die du da aufeinanderhäufst, könnte ich mir gut auch etwas verknappt vorstellen, aber insgesamt habe ich nichts dagegen, wie die Erzählfäden so herumflirren. Sieht nicht nur nett aus, sondern passt auch inhaltlich, weil ja Luzie da ziemlich allein im Getümmel steht.

Gleich zum Titel ist mir gerade aber etwas aufgefallen: "Am Tag" - aber es ist ja nicht nur ein Tag, den du erzählst. Das erscheint mir unstimmig. Schade, wo der Titel doch so hübsch ist :)


Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich guckte Herr Lehmann, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte. Für diese Situation hatte sich Luzie verschiedene Ausreden einfallen lassen, die sie ruckzuck aus dem Ärmel zauberte.
Da könnte man noch eine Kleinigkeit justieren, finde ich. Der erste Satz gilt dem Papa, dann kommt gleich der Herr Lehmann und eine ganz andere Situation. Irgendwas geht mir da zu schnell. Eingängiger fänd ich sowas wie: "Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich guckte Herr Lehmann, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte." -- und dann aber weiter mir Papa und seinen Augen, nicht die ganze Schule mit reinnehmen.
Oder zumindest "diese Situation" ändern: "Für solche Situationen" oder so, dann könnte es klarer sein, dass jetzt die vergessenen Hausaufgaben gemeint sind, nicht die aufgerissenen Augen vom Papa. (Nicht, dass man es nicht verstehen würde, aber klare Bezüge sind ja nicht nur für's Verstehen, sondern auch für die Eleganz, nicht wahr?) A propos verstehen: Bracuht man die Lügen-Luzie usw. wirklich für den Text? Man kann darin Folgen ihrer familiären Situation sehen, und dann passt das zur Figur. Aber sieht man diese Situation nicht eh schon gut genug?

Dann wiederholt sich das Spielchen: Papas Augen und gleich wieder ein anderes Thema. Die Augen liefern die Assoziation zu Yasemin, und du möchtest den Leser mit ihr bekannt machen. Das ist ja eigentlich nicht schlecht, aber so ein bisschen an den Haaren herbeigezogen erscheint es mir halt doch ... Vielleicht kann st du den Anlass stärken, der Luzie in dem Moment an Yasemin denken lässt, vielleicht mit der Ähnlichkeit anfangen? "Sie waren so braun wie Yasemins Augen, aber Yasemin war nicht da, und das Weiß in ihren Augen war nicht rotgeädert ... usw. usw."

Wie bei einem Zaubertrick hatte es sich verwandelt
Hier sieht man gar nicht den Anlass. Man versteht, dass der Vater mehr oder weniger grundlos die Geduld verliert, kann sein, dass das reicht. Aber eigentlich wäre es doch schön, so ganz kurz einen Blick darauf zu haben, was Luzid gesagt hat, so dass er die Geduld verliert, ein ganz kleiner unscheinbarer Satz.

Erst rot, dann blau, mehr lila.
Ist mir farblich fast ein bisschen zu akribisch ...

Yasemin und Luzie zeichnest du jetzt sehr hübsch zusammen, die Sprüche an der Mauer und die löchrigen Dächer, das gibt alles ein gutes Bild.
Manchmal vielleicht ein bisschen viel aufs Auge gedrückt, wenn's darum geht, was Yasemin Luzie bedeutet, z.B.:

und wärmten Luzies Herz
-- könnte gut auch weg, oder?

Oder auch:

Yasemin und Luzie passten gut zusammen. Auch beim Hühnchenessen.
Brauchst du nicht zu sagen, sieht man eh.

Sie würden sich Briefe schreiben. Jeden Tag einen. Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte.
Da die Geschichte sich ja über den Zeitraum hinweg erstreckt, frage ich mich: Würden sie nur oder tun sie es auch? Ach ja: der Hühnerknochen nachher, da schreiben sie sich also wirklich. Evtl. besser ohne "würde"? Du willst natürlich zeigen, dass das hier noch in der Zukunft liegt. Ja, kannst ja mal drüber nachdenken, falls du Lust hast.

So vertrieb sich Luzie die Ferienzeit allein
Klar, muss sie wohl - könntet du auch weglassen und den Kowalke ganz direkt anschließen.

„Na Luzie, haste nich uffjepasst und bist wieder jeg'n Türrahm' jelofen?", brubbelte er, sah sie nicht an, sondern ordnete den Stapel mit der BZ auf dem Ladentisch.
Und deswegen gibt er ihr also die Zigaretten, damit sie nicht wieder gegen den Türrahmen läuft, wenn sie ohne nachhause kommt? Schön gemacht, so zwischen den Zeilen. Aber noch schöner, wenn du ohne die genaue Erklärung danach auskämst. Ich weiß nicht, ob es ganz ohne geht oder gehen sollte, aber vielleicht kürzer?

hob einen Teller auf, hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe und sprach theatralisch: „Das ist Glas, auf dem Elefanten tanzen könnten."
Schönes Ende der dramatischen Szene.

Irgendetwas verursachte einen rauschenden Luftzug an Luzies Schulter.
"Irgendetwas verursachte" - umständlich ausgedrückt, nech?

Es fiel still und schnell an ihr vorbei.
Schnell fallen - fast selbstverständlich, wenn es kein Blatt Papier oder Luftballon ist ...

Luzie starrte auf das kleine Kind, das dort auf dem Bauch lag, die Beine und Arme verdreht, wie das eigentlich nicht möglich war, die dunklen Haare auf dem grauen Pflaster wunderschön um den Kopf herum ausgebreitet.
Wunderschön" - denkt Luzie das? Weiß nicht so recht, ob das passt, nicht weil es blöd klingen würde, sondern eben wegen der Perspektive.
Überhaupt dieser Sturz ... Es ist einerseits gut gemacht, wie du die diese hässlichen Dinge geschehen lässt ganz so wie alles andere, das eine passiert, und das andere passiert, und um die Luzie kümmert sich halt keiner groß. Andrerseits ist mir das Leser-Erschrecken hier doch ein bisschen zu gewollt. Wenn sich das irgendwie ankündigen würde? Aber dann geschieht es wieder nicht so mir-nichts-dir-nichts, wie die Dinge in dieser Geschichte eben geschehen. Tja, ich weiß es nicht, irgendwas würde ich mir da noch wünschen.

Im Radio verkündeten sie später zum zweiten Mal den Tod des Papstes.
Find ich als Schlusssatz und als Schein-Rahmen ja wirklich hübsch. Nur dass es halt nicht "der Tag" ist ...

So, das wars wieder mal, ich bin da jetzt halbwegs schnell durchgerauscht, aber dafür zur Abwechslung wenigstens mal wieder bis zum Ende gekommen. Ein bisschen eindampfen fänd ich wirklich nicht schlecht, also keine ganzen Episoden streichen, aber die Erklärungen zwischendurch öfter mal weglassen. Du zeigst immer alles ganz fein, und dann lässt du aber nicht locker sondern stößt den Leser doch nochmal extra drauf. Ich finde nicht, dass einzig mögliche Stil der ist, bei dem man dem Leser nichts erklärt; aber die Erklärstimme sollte eine Funktion haben, und hier hat sie das - finde ich - nicht immer.

(Und jetzt schau ich mal, dass ich doch noch meinen eigenen schrumpeligen Beitrag zum Thema poste.)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Moin, Kanji
obwohl es mir fast unmöglich erscheint, alle Challenge-Beiträge zu lesen (oder gar zu kommentieren) möchte ich Dir einen kurzen Leseeindruck da lassen.

In diesem Sommer starb der Papst zweimal. Anfang des Monats, die Ferien hatten bereits begonnen, gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt.
Ich scheine verdreht zu lesen (mein Problem), sagen will ich es aber trotzdem. Ich habe grinsend gelesen: Sie haben Anfang der Ferien vermeldet, das der Papst in diesem Sommer zweimal starb - Hellseherisch. Das war aber auch lange mein einziges Grinsen, das hast Du schnell weggewischt.

Mit so klaren Worten bzw deutlichem Zeigen führst Du mich hier in eine Welt, die ich mir nicht vorstellen mag. Oh, logisch ist mir das durchaus bewusst, aber so vorgeführt mit der Selbstverständlichkeit einer elf-zwölf Jährigen - harter Tobak.

Er schrie einzelne Wörter, die für Luzie in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergaben, mit weit aufgerissenem Mund, versprühte Spucke und stand nah genug vor Luzie, dass sie das Gemisch aus Bier, Schnaps und Zigaretten roch und ihr Übelkeit verursachte.
Kann es sein, das hier ein Bezug nicht ganz passt, etwas gehört nicht zueinander, ich musste zweimal lesen und zweifle immer noch

Auf dem Heimweg kauften sie gelegentlich ein halbes Hähnchen vom Imbiss und teilten es sich dann im Treppenhaus. Sie stiegen die Etagen so schnell hoch, wie sie konnten. Ohne zwischendurch auszuruhen. Der Rekord lag im achten Stock. Dann sackten sie erschöpft und prustend auf die Stufen und wenn Luzie die Tüte aufriss, roch die ganze Etage nicht länger nur nach Urin und Staub, sondern auch nach gegrilltem Huhn. Yasemin und Luzie passten gut zusammen. Auch beim Hühnchenessen. Luzie aß am liebsten das weiße Fleisch und Yasemin die Haut und das dunkle Fleisch.
„Ich hoffe, wir bleiben für immer Freundinnen", sagte Luzie und lächelte, während sie kaute, „bis wir sterben. Und auch noch danach. Als Gespensterfreundinnen. Dann fliegen wir durch das ganze Haus und stecken unsere Köpfe durch die Wände und erschrecken alle Leute, dass die sich vor Angst in die Hose machen."
Eine wirklich schöne Beschreibung der Beziehung der beiden Mädchen und Ihres Lebensumfeldes

Sie würden sich Briefe schreiben. Jeden Tag einen. Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte. Eine Feder zum Beispiel oder Sandkörner, das Papier vom Brausebonbon oder einen Tropfen Sonnenöl.
sooo süß

Er schubste sie immer ein bisschen an der Schulter, während er herumbrüllte. Das wollte gar nicht enden. Die Schulter pochte schon von dem ganzen Geboxe. Außerdem musste Luzie dringend mal. Sie sagte, sie müsste zur Toilette, wie immer, wenn sie Angst hatte, denn Papa war angsteinflößend, wenn er wütend wurde, aber er schubste sie bloß kräftiger, wodurch sie fiel, und dabei schlug sie mit der Stirn irgendwo gegen und machte sich nass. Für einen Augenblick sah es vom Boden so aus, als würde er ihr aufhelfen wollen, weil er einen unschlüssigen Schritt auf sie zuging, aber er drehte sich doch abrupt weg und ging aus der Tür. Zigaretten holen. Und Luzie zog die Kleidung aus und schaltete die Waschmaschine an.
wirklich gut gezeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit das alles passiert

Das leise ‚tsts’ verklang im Wind während sie mit Luzie aus dem Freibad lief. Mama verlor in diesen zwei Wochen selbst dann ihre gute Laune nicht, wenn sie auf dem Heimweg ein Gewitter überraschte und der Platzregen beide bis auf die Haut durchnässte.
Boh, ist das wirklich alles, was sie von der Mutter bekommt. Ja, da ist in anderen Szenen noch ein wenig mehr, aber mir einfach zu wenig, die Mutter ist anders schlimm. Ich weiß, "nicht nach Wünschen der Leser geschrieben" :-)

Als Luzie den Blick abwenden musste, um Atem zu holen, bemerkte sie auf dem Gehweg, der von der Bushaltestelle führte, Yasemins Mama, die auf das Haus zurannte. Ihre beiden Einkaufstaschen hatte sie unterwegs fallenlassen. Die ersten Leute versammelten sich um das Kind auf dem Platz vor dem Eingang und Luzie ging einen Schritt zurück. Sie hielt die Brauseflasche immer noch mit weißen Fingerknöcheln fest umklammert und die Hände zitterten.
Die Stelle war echt Gänsehaut, ich war voll dabei und wollte Hilfe holen, trösten, ...

Und dann bin ich raus? Wieso will Luzie dem Vater bescheid sagen? Sie hat nicht gerade gute Erfahrungen mit Vätern. Haut er den Kopf gegen den Türrahmen, weil er es schon weiß oder erst nachdem Sie es ihm erzählt? Vielleicht stehe ich mir auch nur mit meinem "heile Welt Bild" im Weg, sorry, falls ich etwas übersehen habe.

Das Schreiben aus Luzies Sicht fand ich meist konsequent durchgehalten, habe dabei aber für mich persönlich festgestellt, das ich nicht so der rechte Fan von Kindersprache bin, also nimm meine Kom. lieber nicht zu ernst.

Ich danke aber, für den tiefen und traurigen Einblick, in ein mir fernes Leben
Beste Wünsche für den Jahreswechsel
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kanji,

In diesem Sommer starb der Papst zweimal. Anfang des Monats, die Ferien hatten bereits begonnen, gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt.

guter, wohlklingender und rhythmisierter Start in deine Geschichte; indess, der Titel ist mir zu pathetisch.

, die sie ruckzuck aus dem Ärmel zauberte.

Die Metapher fällt für mich aus dem schön aufgebauten Satz raus. ruckzuck aus dem Ärmel hört sich wie ein gedanklicher Lückenfüller an

Sie wollte nicht sagen, dass Papa sehr wütend werden konnte

wie wütend Papa werden konnte - erspart die dass-Konstruktion und das ‘sehr‘ zur Erhöhung des Adjektivs

Nun waren sie groß wie Frühstücksteller.

bisschen übertrieben, dafür dass es eine Feststellung ist und der Vergleich ungewöhnlich.

Aber während das Weiß in Yasemins Augen glänzte wie Perlmutt,

Perlmutt schillert vor allem.
--> Aber während Yasemins Augen perlmuttern schimmerten, ... obwohl dieser Perlenvergleich auch so eine Gratwanderung ist. zu ihrer angsteinflößenden (Schönheit? bzw.) Art passt eher der Vergleich mit den Schuppen eines Fisches

war es bei ihm rotgeädert und furchterregend, obwohl die Iris fast dieselbe Farbe hatte. Ein warmes Braun. Luzie dachte ständig an Yasemin. Sogar jetzt. Die einzige Freundin, die sie jemals hatte. Währenddessen sog Papa gierig an seiner Zigarette und blies eine blaugraue Wolke aus, so dicht und groß, dass sein Gesicht für einen Augenblick dahinter verschwand. Halb Mensch, halb Gespenst. Als der Rauch an der Zimmerdecke entlang kroch und Papas Gesicht wieder sichtbar wurde, hatte seine Stirn tiefe Furchen. Wie bei einem Zaubertrick hatte es sich verwandelt und zwischen jeder einzelnen Furche sammelte sich Schweiß.

bisschen Bild-dicht die Stelle. Sehr viel Detail-Beschreibung, die weder wirklich den Charakter noch die Handlung entwickeln, sondern einer Assoziationsfolge zu entspringen scheinen

Erst rot, dann blau, mehr lila.

hier bieten sich m. E. Farbnuancen an. So wirkt das zu grell. Stell dir mal ein blaues Gesicht vor ... Als Leser erspar ich mir das lieber; ich gebe mich sozusagen zufrieden damit, zu wissen, was du mir sagen willst, aber mache mir nicht die Mühe, mir das vorzustellen, weil ich die Unzulänglichkeit des dabei entstehenden Bildes schon voraus ahne.

Er schrie einzelne Wörter, die für Luzie in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergaben, mit weit aufgerissenem Mund,

diese Wörter würde ich gerne hören

saß Luzie auf dem Coca Cola-Tuch mit angewinkelten Knien, um die sie ihre mageren Arme geschlungen hatte.

sehr schön. Wie viele andere deiner Stimmungsbilder auch.

Es gab eine Menge Gewitter in diesem August.

schön

Luzie lachte sich kringelig

s c h ön (nöhcs)

Gurkenkönig
, auf den man pfeifen konnte, weil der immer stahl und log.

hihi, kreativ

Alsooooo. Liebe Kanji, gefällt mir sehr, was du schreibst. Ich spüre da eine ähnliche Wellenlänge (bitte nicht an aktuellen Texten messen, und diese bitte auch nicht lesen, ich liefer demnächst mal wieder etwas Gutes). Ich weiß nicht, warum die Papstgeschichte für deine Story so wichtig ist. Sie erscheint mir gewollt und das hat sich bereits im Titel angekündigt. Ich mochte den Flow der Geschichte sehr gerne, die vielen Verspieltheiten und Bilder. Da kann man sich wunderbar gleiten lassen und einfach den Bildern nachfühlen. Handlungsmäßig fand ich die Story auch ganz ordentlich. Mir haben ein bisschen die Höhepunkte gefehlt, aber was solls. Die Tochter-Vater sache war schon prima als Erzählelement. Hat mir gefallen!

Liebe Grüße
Carlo

 

Moin Kanji,

jetzt hab ich auch mal eine Geschichte von dir gelesen. Nur die Geschichte, nicht die Kommentare. Ist ja schon ein bisschen her, dass du die hier veröffentlicht hast und ich will nicht "alte Wunden" aufreißen (zumindest bei meinen Geschichten denk ich mir nach 'ner Weile: Ist gut jetzt, ich will was andres machen.), aber vielleicht kannst du mit den Kommentaren was anfangen.

Erst mal ein paar rare Flusen:

Mamas Haare glänzten wie Goldfäden, wenn sie durch Luzies Finger glitten.

Kann man das nicht anders machen? Zumindest aktiv sind das ja immer die Finger, die durch's Haar gleiten. Ist jetzt nicht dramatisch, aber hat den Lesefluss verlangsamt.

Das leise ‚tsts’ verklang im Wind während sie mit Luzie aus dem Freibad lief.

Ich glaube, hier wäre noch ein Komma fällig, nach "Wind".

Ihr Herz schlug in alle Richtungen, als suchte es sich einen Weg aus der Brust hinaus ins Freie, trieb Luzie aufzustehen.

Das mit dem Schlagen in alle Richtungen...ich hätt's wohl nicht gemacht. Aber jedenfalls der Halbsatz am Ende wirkt nicht richtig auf mich. Vielleicht noch ein "dazu" zwischen "Luzie" und "aufzustehen"?

Verschlafen stand Yasemins Papa in der Tür nachdem er geöffnet hatte.

Hier ein Komma nach "Tür".

Hat mir schon gut gefallen, die Geschichte. Ich hab das Gefühl, ich stumpf hier langsam ab, weil jeder im Forum noch einen Diamanten aus seinem Ärmel schüttelt. Aber ja, gern gelesen!

Yasemin wohnte mit ihren Eltern, einer blinden Großmutter und der kleinen Schwester, die noch gar kein deutsch sprach, sondern nur türkisch und die Luzie jedes Mal zur Begrüßung einen Kuss auf die Hand gab und dann kichernd davonrannte, in der siebzehnten Etage im selben Haus wie Luzie.

"in der siebzehnten Etage" fand ich hier sehr clever, weil es ja ein neutraler Begriff ist, aber sofort das Kopfkino von Plattenbausiedlung, sozialen Problemen, Hartz IV und verschiedenen Migrationshintergründen anspringen lässt. Allerdings musste ich das dann im nächsten Satz wieder revidieren mit den Räumen, "hell und luftig".

Am nächsten Tag gab er ihr dann einen Brausebonbon zur Schachtel HB dazu.
„Na Luzie, haste nich uffjepasst und bist wieder jeg'n Türrahm' jelofen?", brubbelte er, sah sie nicht an, sondern ordnete den Stapel mit der BZ auf dem Ladentisch.

Hier würde ich vorschlagen, den zitierten Teil so oder abgewandelt erst am Ende des Absatzes zu bringen. Erst kriegt sie keine HB's --> führt zu Stress mit dem Vater --> Am nächsten Tag kriegt sie HB's.

Ist "brubbelte" eigentlich ein offizielles Wort? Mir gefällt es ganz gut:).

Dann: Die Mutter braucht Ablenkung im Schwimmbad. Und worin bestand die jetzt? Ich hab die ganze Zeit nach der Auflösung gesucht. Vielleicht ist die Antwort irgendwo subtil im Text versteckt? Ach so, jetzt wo ich drüber nachdenke, brauchte sie einfach ein bisschen "Me-Time"?

Dann ebenso: Das mit dem Papst hab ich nicht verstanden. Vielleicht hast du das in den Kommentaren irgendwo erklärt, aber aus dem Text heraus hab ich's nicht ganz gerafft. Ist das ein Spruch, der für ein besonderes Unglück steht? Naja, dann kenn ich ihn einfach nicht, hab ihn zumindest noch nie vorher gehört.

Ja, vielleicht kannst du ja damit was anfangen und mit neujährlichem Elan noch mal manches im Text verarbeiten:).

 

Hej du, erdbeerschorsch,

eine große Freude, dich hier vorzufinden und dann auch noch mit einem Satz, der mich furchtbar freut.

aber insgesamt habe ich nichts dagegen, wie die Erzählfäden so herumflirren. Sieht nicht nur nett aus, sondern passt auch inhaltlich, weil ja Luzie da ziemlich allein im Getümmel steht.

Endlich passt der "Stil" auch mal gut zum Inhalt. Das wünschte ich, immer zu können (ehrlich gesagt, hat es sich in diesem ganzen Geraffelt um Luzie einfach so ergeben. :shy:).

Gleich zum Titel ist mir gerade aber etwas aufgefallen: "Am Tag" - aber es ist ja nicht nur ein Tag, den du erzählst. Das erscheint mir unstimmig. Schade, wo der Titel doch so hübsch ist

Weisst du, erst wollte ich tatsächlich nur diesen einen Tag beschreiben und alles andere rückblickend einfügen, aber da war ich ganz schnell mit überfordert. Und dann dachte ich, dass am Schluß, dieser Tag für Luzie eine Art Schlussstrich war. So in etwa, als wäre das der Tag, an dem sie genug aus der Erwachsenenwelt mitbekommen hätte. Und wenn ich eine Fortsetzung schreiben würde, käme dabei wohl eine aktivere Luzie bei herum. Und so gesehen, passt der Titel dann eben auch wieder. Aber ich weiß natürlich, dass das nicht unbedingt so gesehen werden kann. Kürzlich sah ich einen Film, der Mustang hieß. Am Schluss war ich ewig beschäftigt, den Titel einzuordnen, kam doch nicht ein (verdammtes) Pferd drin vor. ;)

Da könnte man noch eine Kleinigkeit justieren, finde ich. Der erste Satz gilt dem Papa, dann kommt gleich der Herr Lehmann und eine ganz andere Situation. Irgendwas geht mir da zu schnell. Eingängiger fänd ich sowas wie: "Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich guckte Herr Lehmann, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte." -- und dann aber weiter mir Papa und seinen Augen, nicht die ganze Schule mit reinnehmen.
Oder zumindest "diese Situation" ändern: "Für solche Situationen" oder so, dann könnte es klarer sein, dass jetzt die vergessenen Hausaufgaben gemeint sind, nicht die aufgerissenen Augen vom Papa. (Nicht, dass man es nicht verstehen würde, aber klare Bezüge sind ja nicht nur für's Verstehen, sondern auch für die Eleganz, nicht wahr?) A propos verstehen: Bracuht man die Lügen-Luzie usw. wirklich für den Text? Man kann darin Folgen ihrer familiären Situation sehen, und dann passt das zur Figur. Aber sieht man diese Situation nicht eh schon gut genug?

Heisa, das ist ja mal ein präziser Blick. Diese Einstellung muss ich erst einmal übernehmen, um zu justieren. Und dann frage ich mich (quasi automatisch), was macht es mit dem Leser, ohne die letzte Information der Lügen-Luzie. Ich bemerke es bereits am Anfang, um ihn einzustimmen, dass es hier Differenzen gibt. Sowohl in der Lebenssituation als auch zwischen den einzelnen Protagonisten, die Luzie zwingen, zu lügen.

Dann wiederholt sich das Spielchen: Papas Augen und gleich wieder ein anderes Thema. Die Augen liefern die Assoziation zu Yasemin, und du möchtest den Leser mit ihr bekannt machen. Das ist ja eigentlich nicht schlecht, aber so ein bisschen an den Haaren herbeigezogen erscheint es mir halt doch ... Vielleicht kann st du den Anlass stärken, der Luzie in dem Moment an Yasemin denken lässt, vielleicht mit der Ähnlichkeit anfangen? "Sie waren so braun wie Yasemins Augen, aber Yasemin war nicht da, und das Weiß in ihren Augen war nicht rotgeädert ... usw. usw."

Dass ich auf diesen Augen herumreite, ist womöglich dem ursprünglichen Gedanken zuzuschreiben, die Geschichte darauf aufzubauen. Erst sollte der Titel auch Yasemins Augen heißen und aufgebaut werden zwischen den unterschiedlichen Welten, Familien, aber das wurde zu lang.

Hier sieht man gar nicht den Anlass. Man versteht, dass der Vater mehr oder weniger grundlos die Geduld verliert, kann sein, dass das reicht. Aber eigentlich wäre es doch schön, so ganz kurz einen Blick darauf zu haben, was Luzid gesagt hat, so dass er die Geduld verliert, ein ganz kleiner unscheinbarer Satz.

Das verstehe ich und werde es erwägen. Der Grundgedanke war jedoch, dass Luzie das meiste am Verhalten der Erwachsenen eben auch nicht nachvollziehen kann - warum dann der Leser. :shy:

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Erst rot, dann blau, mehr lila.

Ist mir farblich fast ein bisschen zu akribisch ...


Für Erwachsene sicher. In Luzies Sicht steigert sich die kindliche Phantasie, die es als Leser zu schlucken gilt ... oder eben nicht. (das war jetzt frech, oder?)

Manchmal vielleicht ein bisschen viel aufs Auge gedrückt, wenn's darum geht, was Yasemin Luzie bedeutet, z.B.:
Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
und wärmten Luzies Herz
-- könnte gut auch weg, oder?

Oder auch:
Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Yasemin und Luzie passten gut zusammen. Auch beim Hühnchenessen.
Brauchst du nicht zu sagen, sieht man eh.


Da hast du wohl recht. Ich versuche es mal ohne all das.

Da die Geschichte sich ja über den Zeitraum hinweg erstreckt, frage ich mich: Würden sie nur oder tun sie es auch? Ach ja: der Hühnerknochen nachher, da schreiben sie sich also wirklich. Evtl. besser ohne "würde"? Du willst natürlich zeigen, dass das hier noch in der Zukunft liegt. Ja, kannst ja mal drüber nachdenken, falls du Lust hast.

Verstehe. Natürlich hab ich das. Zur Not denke ich ohne Lust darüber nach.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
So vertrieb sich Luzie die Ferienzeit allein

Klar, muss sie wohl - könntet du auch weglassen und den Kowalke ganz direkt anschließen.


Jawoll.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
hob einen Teller auf, hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe und sprach theatralisch: „Das ist Glas, auf dem Elefanten tanzen könnten."

Schönes Ende der dramatischen Szene.


Gut zu wissen. Arcopal. ;)

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Irgendetwas verursachte einen rauschenden Luftzug an Luzies Schulter.

"Irgendetwas verursachte" - umständlich ausgedrückt, nech?


Ach, Schorsch. Das war eh schon schwer. Aber gut. Ich lasses mir noch mal im Hirn zergehen.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Es fiel still und schnell an ihr vorbei.

Schnell fallen - fast selbstverständlich, wenn es kein Blatt Papier oder Luftballon ist ...


Ich lass es einfach mal weg.

Wunderschön" - denkt Luzie das? Weiß nicht so recht, ob das passt, nicht weil es blöd klingen würde, sondern eben wegen der Perspektive.

Oje. Dabei wollte ich unbedingt zeigen, dass Luzie nicht bloß die Tragik sieht ...

Andrerseits ist mir das Leser-Erschrecken hier doch ein bisschen zu gewollt. Wenn sich das irgendwie ankündigen würde? Aber dann geschieht es wieder nicht so mir-nichts-dir-nichts, wie die Dinge in dieser Geschichte eben geschehen. Tja, ich weiß es nicht, irgendwas würde ich mir da noch wünschen.

Dabei will ich nur den Leser mit Luzie gleichstellen, wenn du so willst. All das passiert eben einfach. Sie hat keine Wahl, als es anzunehmen. Zu zeigen, in ihrer Welt kann sie zu diesem Zeitpunkt eben einfach nur zusehen und als sie das erste Mal eingreifen will und den Vater des abgestürzten Kindes aufsucht, weil sie davon ausgeht, das er es nicht mitbekommen haben könnte, da er um diese Zeit schläft, löst sie eine Reaktion aus, der sie (wieder mal) nicht gewachsen ist.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Im Radio verkündeten sie später zum zweiten Mal den Tod des Papstes.

Find ich als Schlusssatz und als Schein-Rahmen ja wirklich hübsch. Nur dass es halt nicht "der Tag" ist ...


Oben habe ich darüber geschrieben. Das ist ein wiederkehrendes Ereignis und Anlass für Luzie vielleicht ihren Einfluß auf ihr eigenes Leben zu bemerken.

Ein bisschen eindampfen fänd ich wirklich nicht schlecht, also keine ganzen Episoden streichen, aber die Erklärungen zwischendurch öfter mal weglassen. Du zeigst immer alles ganz fein, und dann lässt du aber nicht locker sondern stößt den Leser doch nochmal extra drauf. Ich finde nicht, dass einzig mögliche Stil der ist, bei dem man dem Leser nichts erklärt; aber die Erklärstimme sollte eine Funktion haben, und hier hat sie das - finde ich - nicht immer.

Vielen Dank, darüber werde ich sehr genau nachdenken und das Ergebnis einfließen lassen.

(Und jetzt schau ich mal, dass ich doch noch meinen eigenen schrumpeligen Beitrag zum Thema poste.)

Und jetzt werde ich mir deinen schrumpligen Beitrag ansehen und versuchen zu erspüren, ob er meine Nummer 3 in der Challenge wird.

Lieber Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej greenwitch,

wie wundervoll, dass du Nordlicht in meine Geschichte gefunden und endlich Mut gefasst hast, aktiv zu werden.:) Herzlich willkommen.

Zitat Zitat von Kanji Beitrag anzeigen
Er schrie einzelne Wörter, die für Luzie in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergaben, mit weit aufgerissenem Mund, versprühte Spucke und stand nah genug vor Luzie, dass sie das Gemisch aus Bier, Schnaps und Zigaretten roch und ihr Übelkeit verursachte.

Kann es sein, das hier ein Bezug nicht ganz passt, etwas gehört nicht zueinander, ich musste zweimal lesen und zweifle immer noch


Das kann ich leider nicht so ganz nachvollziehen. Ich könnte versuchen, den Satz aufzudröseln, zwei draus machen. Mal gucken.

Und dann bin ich raus? Wieso will Luzie dem Vater bescheid sagen? Sie hat nicht gerade gute Erfahrungen mit Vätern. Haut er den Kopf gegen den Türrahmen, weil er es schon weiß oder erst nachdem Sie es ihm erzählt? Vielleicht stehe ich mir auch nur mit meinem "heile Welt Bild" im Weg, sorry, falls ich etwas übersehen habe.

Das ist weniger schön, als mir all die Stellen aufzuzeigen, die dich erreicht haben.;)
Mir ist durchaus bewusst, dass das Verhalten und Handeln der Protagonistin nicht durchgehend nachvollziehbar sein kann. Stellt sich mir die Frage, ob ich das leisten kann und möchte.
Die Lebenssituation der Luzie ist unübersichtlich und sie ist vorwiegend allein. In diesem Alter bespricht man noch keine Probleme mit Freundinnen, man genießt eher die Leichtigkeit. Und so staunt und wundert sie sich über das Leben der anderen um sie herum. Für Erwachsene oftmals schwer nachzuvollziehen und die Handlung scheinbar irrational. Wenn man als Leser einfach alles so hinnehmen müsste, wie Luzie es tun muss, dann wäre es mir lieb. Am Ende darf dann jeder entscheiden, so wie du es auch tust, ob es sinnvoll scheint oder nicht (wieso muss überhaupt alles immer einen Sinn machen?) Luzie war Zeugin eines tragischen Unfalls, möglicherweise stand sie unter Schock. Die Entscheidung den Vater aufzusuchen mag darauf beruhen, oder aber darauf, dass sie ihre eigene Logik entwickelt. Sie denkt, der Vater schläft und weiß von nichts. Dass sie sich verantwortlich fühlt, kann auch ein Charakterzug sein.

Das Schreiben aus Luzies Sicht fand ich meist konsequent durchgehalten, habe dabei aber für mich persönlich festgestellt, das ich nicht so der rechte Fan von Kindersprache bin, also nimm meine Kom. lieber nicht zu ernst.

Oh doch, liebe greenwitch, das nehme ich ernst und ich danke dir vielmals für deine Auseinandersetzung mit dem Text und deinen Eindrücken. Ich habe viel sammeln dürfen bisher und werde mich in nächster Zeit an die Überarbeitung setzen.

Ich danke aber, für den tiefen und traurigen Einblick, in ein mir fernes Leben
Beste Wünsche für den Jahreswechsel

Es freut mich, dass dir dieses Leben fremd ist. ;) Auch dir eine gutes Jahr und wir sehen uns in deiner Geschichte.

Freundlicher Gruß, Kanji


Hej Carlo Zwei,

und danke für dein Interesse an meiner Geschichte.

guter, wohlklingender und rhythmisierter Start in deine Geschichte; indess, der Titel ist mir zu pathetisch.

Fein, nur warum verfolgt mich in letzter Zeit diese Pathos. Weiß nicht, ob ich per definitionem daran etwas ändern möchte. ;)

, die sie ruckzuck aus dem Ärmel zauberte.

Die Metapher fällt für mich aus dem schön aufgebauten Satz raus. ruckzuck aus dem Ärmel hört sich wie ein gedanklicher Lückenfüller an


... oder aber Ausdruck der kindlichen Sprache. :hmm:

Sie wollte nicht sagen, dass Papa sehr wütend werden konnte

wie wütend Papa werden konnte - erspart die dass-Konstruktion und das ‘sehr‘ zur Erhöhung des Adjektivs


Ja, super. Danke. Ändere ich.

Nun waren sie groß wie Frühstücksteller.

bisschen übertrieben, dafür dass es eine Feststellung ist und der Vergleich ungewöhnlich.


Ich weiß. Bin eine Übertreiberin. Aber Luzie darf das. Sie hat nur ihre Phantasie als Schutz.

Aber während das Weiß in Yasemins Augen glänzte wie Perlmutt,

Perlmutt schillert vor allem.
--> Aber während Yasemins Augen perlmuttern schimmerten, ... obwohl dieser Perlenvergleich auch so eine Gratwanderung ist. zu ihrer angsteinflößenden (Schönheit? bzw.) Art passt eher der Vergleich mit den Schuppen eines Fisches


Gut. Ersetze ich gern. Aber der Vergleich bezieht sie auf die Augen der Freundin, in die sie sich in Gedanken bezieht. Flucht.

Erst rot, dann blau, mehr lila.

hier bieten sich m. E. Farbnuancen an. So wirkt das zu grell. Stell dir mal ein blaues Gesicht vor ... Als Leser erspar ich mir das lieber; ich gebe mich sozusagen zufrieden damit, zu wissen, was du mir sagen willst, aber mache mir nicht die Mühe, mir das vorzustellen, weil ich die Unzulänglichkeit des dabei entstehenden Bildes schon voraus ahne.


Also einverstanden. Ich werde bei der Überarbeitung entweder darauf verzichten oder genauer justieren. Tendiere zum letzteren. ...machst dir nicht die Mühe ... das ist ... ehrlich und nachvollziehbar. :shy:

Er schrie einzelne Wörter, die für Luzie in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergaben, mit weit aufgerissenem Mund,

diese Wörter würde ich gerne hören


Find ich gut. Ich versuche es.

Liebe Kanji, gefällt mir sehr, was du schreibst. Ich spüre da eine ähnliche Wellenlänge (bitte nicht an aktuellen Texten messen, und diese bitte auch nicht lesen, ich liefer demnächst mal wieder etwas Gutes). Ich weiß nicht, warum die Papstgeschichte für deine Story so wichtig ist. Sie erscheint mir gewollt und das hat sich bereits im Titel angekündigt. Ich mochte den Flow der Geschichte sehr gerne, die vielen Verspieltheiten und Bilder. Da kann man sich wunderbar gleiten lassen und einfach den Bildern nachfühlen. Handlungsmäßig fand ich die Story auch ganz ordentlich. Mir haben ein bisschen die Höhepunkte gefehlt, aber was solls. Die Tochter-Vater sache war schon prima als Erzählelement. Hat mir gefallen!

Ich danke dir auch für die aufgezählten Stellen im Text, die dir gefielen. Das ist auch motivierend.

Der Rahmen um den jeweiligen Tod der Päpste bildet den Rahmen für Luzies Sommer, in dem viel passiert, sie viel lernt und erfährt, verwirrt und in dem sie wächst. Die normale Sommerferienzeit hätte möglicherweise nicht dieselbe auslösende Wirkung erzielt, hat sie den doch jedes Jahr. Aber diese ungewöhnliche Nachricht ließ sie aufhorchen.

Ich danke dir für deine Zeit und die wunderbaren Ratschläge und Bemerkungen. Selbstverständlich werde ich zeitnah in deine angebotenen Geschichten sehen und mich darüber freuen.

Lieber Gruß, Kanji

Hej kayoshi,

und dass du eine Geschichte von mir liest, freut mich aber mal so richtig. :) Und dann kommentierst du sie auch noch. Mehr kann ich nicht erwarten.

Ist ja schon ein bisschen her, dass du die hier veröffentlicht hast und ich will nicht "alte Wunden" aufreißen (zumindest bei meinen Geschichten denk ich mir nach 'ner Weile: Ist gut jetzt, ich will was andres machen.), aber vielleicht kannst du mit den Kommentaren was anfangen.

Das denke ich auch, aber da muss mehr Zeit vergehen. Und gerade weil ich sie in eine Challenge einbringe, ist sie eh länger präsent, nicht wahr? Also, passt schon.

Mamas Haare glänzten wie Goldfäden, wenn sie durch Luzies Finger glitten.

Kann man das nicht anders machen? Zumindest aktiv sind das ja immer die Finger, die durch's Haar gleiten. Ist jetzt nicht dramatisch, aber hat den Lesefluss verlangsamt.


Oje. Kann man sicher. Ich denke mal drüber nach. Versprochen.

Das leise ‚tsts’ verklang im Wind während sie mit Luzie aus dem Freibad lief.

Ich glaube, hier wäre noch ein Komma fällig, nach "Wind".


Mok wi. Danke.

Ihr Herz schlug in alle Richtungen, als suchte es sich einen Weg aus der Brust hinaus ins Freie, trieb Luzie aufzustehen.

Das mit dem Schlagen in alle Richtungen...ich hätt's wohl nicht gemacht. Aber jedenfalls der Halbsatz am Ende wirkt nicht richtig auf mich. Vielleicht noch ein "dazu" zwischen "Luzie" und "aufzustehen"?


Das ist immer so eine Sache, nicht? Man geht eben immer von sich selbst aus und dann kann es passieren, dass einem etwas aufstößt, gerade weil man es selbst anders machen würde. So geht es mir auch , vor allem beim Essen, so kommt es vor, dass ich ein Gericht kenne, dass mir serviert wird und mir nicht so recht schmecken will, weil es anders zubereitet wurde, als ich es sonst mache. Dabei ist es durchaus schmackhaft.
Ich überdenke deinen Einwand aber auf alle Fälle.

Verschlafen stand Yasemins Papa in der Tür nachdem er geöffnet hatte.
Hier ein Komma nach "Tür".

Ich vermeide Kommas wo ich kann.

Hat mir schon gut gefallen, die Geschichte. Ich hab das Gefühl, ich stumpf hier langsam ab, weil jeder im Forum noch einen Diamanten aus seinem Ärmel schüttelt. Aber ja, gern gelesen!

Oje. Aber ja, da gehts mir ähnlich und das ist so ungerecht, wenn mir eine Geschichte nur so medium gut gefällt, vor allem, weil ich sie nicht genau genug gelesen habe im Gewühl. Sehr traurig. Dass dir am Ende dann aber doch ein gern gelesen über die Tastatur huscht, freut mich ungemein.

"in der siebzehnten Etage" fand ich hier sehr clever, weil es ja ein neutraler Begriff ist, aber sofort das Kopfkino von Plattenbausiedlung, sozialen Problemen, Hartz IV und verschiedenen Migrationshintergründen anspringen lässt. Allerdings musste ich das dann im nächsten Satz wieder revidieren mit den Räumen, "hell und luftig".

Das verstehe ich. Als Erwachsene. Als Kind, ohne Vorurteile ist eine Wohnung im 17. Stock eben einfach heller und luftiger als die eigene im 4. Das ist alles.

Am nächsten Tag gab er ihr dann einen Brausebonbon zur Schachtel HB dazu.
„Na Luzie, haste nich uffjepasst und bist wieder jeg'n Türrahm' jelofen?", brubbelte er, sah sie nicht an, sondern ordnete den Stapel mit der BZ auf dem Ladentisch.
Hier würde ich vorschlagen, den zitierten Teil so oder abgewandelt erst am Ende des Absatzes zu bringen. Erst kriegt sie keine HB's --> führt zu Stress mit dem Vater --> Am nächsten Tag kriegt sie HB's.

Ich werde es ausprobieren.

Ist "brubbelte" eigentlich ein offizielles Wort? Mir gefällt es ganz gut.

Na dann. ;)

Dann: Die Mutter braucht Ablenkung im Schwimmbad. Und worin bestand die jetzt? Ich hab die ganze Zeit nach der Auflösung gesucht. Vielleicht ist die Antwort irgendwo subtil im Text versteckt? Ach so, jetzt wo ich drüber nachdenke, brauchte sie einfach ein bisschen "Me-Time"?

Ja, das ist gut versteckt. Nichts für Überflieger. Kleiner Tipp: Chef, gleichzeitig Urlaub dies das. Möglich wäre es zumindest.

Dann ebenso: Das mit dem Papst hab ich nicht verstanden. Vielleicht hast du das in den Kommentaren irgendwo erklärt, aber aus dem Text heraus hab ich's nicht ganz gerafft. Ist das ein Spruch, der für ein besonderes Unglück steht? Naja, dann kenn ich ihn einfach nicht, hab ihn zumindest noch nie vorher gehört

Diese Zeitspanne, in der der Papst (für Luzie eine Institution und erst mal kein Mann) stirbt bildet den Rahmen für Luzie und weckt Achtsamkeit, auch für ihr eigenes Leben und was so mit ihr geschieht, ohne ihr Zutun. Als dann am Ende der Ferien der Papst erneut stirbt, bemerkt sie Unstimmigkeiten im Denken und Handeln , eben im Leben von Erwachsenen. so ungefähr.

Ja, vielleicht kannst du ja damit was anfangen und mit neujährlichem Elan noch mal manches im Text verarbeiten.

Aber selbstverständlich, kayoshi und ich bin sehr dankbar obendrein und beinahe frischen Mutes, die Überarbeitung anzupacken. Morgen. Vielleicht.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Liebe Kanji,

ich kann jetzt nicht sagen, dass die Geschichte mich erwischt hätte, aber es ist eine tragische-traurige Sommergeschichte, die mich nicht ganz unebrührt zurücklässt.
So viel Leid. Der prügelnde Vater, die mutter, die einen allein im Schwimbad hocken lässt, die einzige Freundin weit weg in der Türkei (für sher, sehr lange auch noch), das kind, dass aus dem Fenster fällt und nebenbei sterben zwei Päpste. Das musste ich aber erst mal in den Kommentaren nachlesen, ich hatte das total vergessen, aber ich habe mit denen jetzt auch nicht sonderlich viel am Hut.

Papa riss die Augen weiter auf.

Ich hätte gar nicht gedacht, dass dem Papa der Tod des Papstes nahegeht. Aber gut, Katholiken sind nicht per se geborene Engel.

Luzie wollte lieber nicht länger mit ihm über den Papst sprechen, denn Papa verlor schnell die Geduld.

Ach, haben sie über den Papst geredet? Bisher hat doch nur der Nachrichtensprecher die Meldung kund getan.


Zack, war der Faden gerissen und dann war es wirklich schlau, sich dünnezumachen. Sie würde Mama später fragen, wenn die von der Arbeit zurück war.

Es duftete zu jeder Tageszeit nach Gebäck und Gewürzen. Sie konnten von hier oben über die ganze Siedlung hinwegsehen bis zur Mauer. Niemand, der hier lebte, wunderte sich über diese große, graue Wand. An einigen Stellen war sie angesprüht worden: Klaus und Gaby. I'm sorry about that. DDR.

Mochte ich sehr.

Mit Yasemin war das Leben lustiger und ihre Augen strahlten und wärmten Luzies Herz.

Das ist jetzt aber von ganz unten aus der Kitschiste gegriffen ;).

Auf dem Heimweg kauften sie gelegentlich ein halbes Hähnchen vom Imbiss und teilten es sich dann im Treppenhaus. Sie stiegen die Etagen so schnell hoch, wie sie konnten. Ohne zwischendurch auszuruhen. Der Rekord lag im achten Stock. Dann sackten sie erschöpft und prustend auf die Stufen und wenn Luzie die Tüte aufriss, roch die ganze Etage nicht länger nur nach Urin und Staub, sondern auch nach gegrilltem Huhn.

Auch schön!

Sie würden sich Briefe schreiben. Jeden Tag einen. Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte. Eine Feder zum Beispiel oder Sandkörner, das Papier vom Brausebonbon oder einen Tropfen Sonnenöl.

Nice!

„Bleib schön hier, meine Kleine. Ich brauche etwas Abwechslung", flüsterte sie, strich ihrer Tochter über den Kopf und ging mit leichten Schritten davon. ...
Wenn Mama von ihrem täglichen Ausflug zu Luzie zurückkehrte, waren die meisten Handtücher vom Rasen verschwunden und zwischen all dem plattgelegenen Gras, den zurückgelassenen Getränkedosen und Wurstpappen, saß Luzie auf dem Coca Cola-Tuch mit angewinkelten Knien, um die sie ihre mageren Arme geschlungen hatte.

So sehr ich Mama die Zeit gönne, so sehr tut mir auch Luzie leid. Das ist meine Lieblingsstelle im ganzen Text. Denn hier ist nicht schwarz/weiß, hier habe ich zwei Perspektiven und jede für sich kann ich gut verstehen. Das macht was mit mir.

Jemand musste Yasemins Vater sagen, dass seine kleine Tochter aus dem Fenster gefallen war. Das sollte er doch wissen. Und nur deshalb fuhr Luzie mit dem Fahrstuhl in den siebzehnten Stock und klingelte. Verschlafen stand Yasemins Papa in der Tür nachdem er geöffnet hatte.
„Hallo Luzie", sagte er müde lächelnd, „Yasemin nicht da." Er gähnte und sah auf seine Armbanduhr. „Frau kommt gleich von Arbeit“, freute er sich.
Als er dann nur noch mit dem Kopf gegen den Türrahmen schlug, ...

Jeder Erwachsene würde sich in die Hosen scheißen, eine solche Nachricht zu überbringen. Aber Kinder, die tun es einfach, weil sie nicht ahnen können, was dieses Nachricht wirklich bedeutet.

Ja, außer Mama alles schwarz-weiß und Luzie dazwischen. Tragisch, was da um sie rum passiert, tragisch auch ihr Zuhause, ein Sommer den sie so schnell nicht vergessen wird.
Gelesen habe ich das trotzdem gern. Irgendwie hat die Geschichte sich angefühlt, als ob ich wem anderes beim Leben zugucken. Bisschen wie Reality-Fernsehn, das auf an den Voyer in jedem von uns setzt.

Liebe Grüße und ein kanjistarkes Superjahr!

Fliege

 

Hej, liebe Fliege,

danke, dass du hier bist und mir deinen Eindruck hinterlässt. Das ist immer von großer Bedeutung für mich, damit irgendwann aus der Buchstabensuppe eine etwas handfestere Speise werden kann. ;)

Das musste ich aber erst mal in den Kommentaren nachlesen, ich hatte das total vergessen, aber ich habe mit denen jetzt auch nicht sonderlich viel am Hut.

Wie ärgerlich, dass du es auch nicht einfach hinnehmen konntest. Was, wenn ich mir das einfach ausgedacht hätte? Daraus werde ich nicht so schlau. Vielleicht komme ich dahinter, sobald ich mich endlich aufraffe und die Geschichte mithilfe der noch eingegangenen Kommentare weiter bearbeiten werde. Drück mir die Daumen.

Ich hätte gar nicht gedacht, dass dem Papa der Tod des Papstes nahegeht. Aber gut, Katholiken sind nicht per se geborene Engel.

Nee, Papa ist kein Katholik (aber was weiß ich schon). Er ist einfach wieder einmal erstaunt, womit sich sich seine missratene Tochter so beschäftigt. Er selbst wird nichts davon mitbekommen haben, gestresst wie er von seinem Leben bereits ist.

Ach, haben sie über den Papst geredet? Bisher hat doch nur der Nachrichtensprecher die Meldung kund getan.

Da bessere ich dann noch einmal aus. Sie spricht ihn darauf an. Ich habe das nicht ausdrücklich formuliert, aber seine Reaktion sollte darauf schließen.

Mit Yasemin war das Leben lustiger und ihre Augen strahlten und wärmten Luzies Herz.

Das ist jetzt aber von ganz unten aus der Kitschiste gegriffen .


:shy: wohl wahr.

So sehr ich Mama die Zeit gönne, so sehr tut mir auch Luzie leid. Das ist meine Lieblingsstelle im ganzen Text. Denn hier ist nicht schwarz/weiß, hier habe ich zwei Perspektiven und jede für sich kann ich gut verstehen. Das macht was mit mir.

Das verstehe ich gut. Und daraufhin prüfe ich den Text erneut. Das wäre doch schön, wenn das öfter passieren könnte. Ursprünglich befürchtete ich, den anderen Figuren zuviel 'Kraft' zu geben. Ich wollte sie reduziert. Aber wenn das in kurzen Bemerkungen/Taten funktioniert ... wer weiß, vielleicht krieg' ich's hin.

Jeder Erwachsene würde sich in die Hosen scheißen, eine solche Nachricht zu überbringen. Aber Kinder, die tun es einfach, weil sie nicht ahnen können, was dieses Nachricht wirklich bedeutet.

Wie schön, dass du das so siehst. Das war leider nicht allen Lesern möglich. Aber jetzt kann ich es beruhigt so lassen.

Ja, außer Mama alles schwarz-weiß und Luzie dazwischen. Tragisch, was da um sie rum passiert, tragisch auch ihr Zuhause, ein Sommer den sie so schnell nicht vergessen wird.
Gelesen habe ich das trotzdem gern. Irgendwie hat die Geschichte sich angefühlt, als ob ich wem anderes beim Leben zugucken. Bisschen wie Reality-Fernsehn, das auf an den Voyer in jedem von uns setzt.

Liebe Grüße und ein kanjistarkes Superjahr!


Okay, das nehme ich einfach mal so hin. Lag mir fern und ich hoffe, die nächste wird weniger voyeuristisch. I will do my verry best.

Das extra für mich formulierte Jahr motiviert mich jetzt aber mal so richtig. :) Danke, liebe Fliege, ich wünsche dir ein weiterhin glückliches Neues Jahr, Kanji


Hej felixreiner,

wie nett, dass du bei mir hereinschaust und mir deinen Einruck dalässt.

Mir hat schon der Titel gefallen, und beim Lesen erinnerte ich
mich, die Geschichte bereits gelesen zu haben. Ich stelle fest,
dass auch Dir das "Weglassen" nicht fremd ist.

Ich freue mich für den Titel (war natürlich nicht jedermanns Sache, aber als er in meinem Kopf saß, war er nicht mehr zu vertreiben).
Mir ist das Weglassen nicht nur nicht fremd, ich bevorzuge es. Habe aber immer wieder lernen müssen, dass es nicht leserfreundlich ist, wenn ich es nicht richtig mache. Und den Dreh, es immer genau zu justieren, hab ich noch nicht raus.
Wenn du denkst, dass es mir in diesem text geglückt ist ;), freue ich mich umso mehr und danke dir.

Hab echt herzlichen Dank für deinen freundlichen Kommentar und Zuspruch.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Liebe Kanji,

ich steige mal sofort ein, ohne die Kommentare gelesen zu haben.

In diesem Sommer starb der Papst zweimal. Anfang des Monats, die Ferien hatten bereits begonnen, gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt.
Das klingt, als gäben sie im Radio zum ersten mal bekannt, dass der Papst zweimal gestorben sei.
Für mich fehlt da etwas wie: "gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt, dann am Ende der Ferien." (o.ä.)

Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich guckte Herr Lehmann, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte.
Für mich klingt das, als seien sie, Papa und Herr Lehmann in dieser Szene zusammen.
Vielleicht so: "Ähnlich hatte sie Herr Lehmann angeguckt, während/als sie ..."

Ich merke jetzt schon, dass ich wieder pingelig werde. Nimm das, was du gebrauchen kannst, den Rest jagst du durch den Shredder. :D

Luzie wollte lieber nicht länger mit ihm über den Papst sprechen, denn Papa verlor schnell die Geduld.
"nicht länger" heißt für mich, dass sie bereits mit Papa über den Papst gesprochen hätten und nun aufhören wollte. Davon steht im Text aber nichts; die haben doch zuvor kein Wort gewechselt.

Yasemin wohnte mit ihren Eltern, einer blinden Großmutter und der kleinen Schwester, die noch gar kein deutsch sprach, sondern nur türkisch und die Luzie jedes Mal zur Begrüßung einen Kuss auf die Hand gab und dann kichernd davonrannte, in der siebzehnten Etage im selben Haus wie Luzie.
Finde den Satz ganz schön verschachtelt. Und sie küsst der kleinen Schwester auf die Hand, richtig? (Sie ist ja die zuletzt erwähnte Person in der Aufzählung.)

Die Aussicht war herrlich und die Räume hell und luftig.
"herrlich" ist so ein Wort wie "schön", das gar nichts aussagt. Würde hier lieber beschreiben, was genau sie sieht. Blick auf Wald, See, Innenstadt o.ä.
In diesen Satz hier könnte man das gut einbinden: "Sie konnten von hier oben über die ganze Siedlung hinwegsehen bis zur Mauer"

I'm sorry about that. DDR. (NEUE ZEILE)Manchmal spazierten Luzie und Yasemin daran entlang
Eine neue Zeile dazwischen wäre gut als Trennung zwischen Aufzählung und neue Szene.

Nie wieder sah Luzie dieses Braun bei einem anderen Menschen. Es war mit goldenen, klitzekleinen Pünktchen gesprenkelt und gerahmt von dichten Wimpern.
Bin ja mal gespannt, warum da andauernd die Augen erwähnt werden, was das für eine Bedeutung hat.
Edit: Leider kommt da später nichts mehr, bzw. es spielt keine Rolle mehr. Schade.

Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte. Eine Feder zum Beispiel oder Sandkörner, das Papier vom Brausebonbon oder einen Tropfen Sonnenöl.
Das ist schön! :herz:

Yasemin war am Morgen des ersten Ferientages allein zu Verwandten in ein türkisches Dorf gebracht worden
...
Luzie gab ihr das Taschentuch
Da stimmt was mit der Zeit nicht. Yasemin ist doch schon längst weggebracht worden, das mit dem Taschentuch geben hat doch schon vorher stattgefunden (--> "hatte gegeben").

Am nächsten Tag gab er ihr dann einen Brausebonbon zur Schachtel HB dazu.
„Na Luzie, haste nich uffjepasst und bist wieder jeg'n Türrahm' jelofen?", brubbelte er, sah sie nicht an, sondern ordnete den Stapel mit der BZ auf dem Ladentisch.
Das kam in etwa so hin. Papa funkelte Luzie wild mit den Augen an, als sie wegen Herrn Kowalke ohne Zigaretten nach Hause kam.
Auch hier komme ich durcheinander.
Am Kiosk bekam sie die HB und ein Brausebonbon (am Folgetag), weiter unten ist Papa sauer, weil sie keine HB dabei hat (am vorherigen Tag).

während bei Mama im Salon um diese Zeit nicht viel los war.
Hier, in der zweiten Hälfte, wird erst ihre Mutter erwähnt. Bisher ging ich davon aus, sie lebe alleine bei/mit Vater. Ich würde sie weiter oben mal wenigstens erwähnen.

Luzie lachte sich kringelig darüber und Mama tanzte nackt durch den Flur,
Wo steckt eigentlich der Vater an dem Abend?

Sie hatte es schon dreimal gelesen, weil es ihr so gut gefiel, aber auch weil die Bücherhalle in der ersten Ferienwoche ausbrannte.
Muss es nicht "ausgebrannt war." heißen?

Am Ende ist dann Yasemins kleine Schwester vom Balkon gefallen und Yasemin kommt nicht mehr zurück. :confused:
Irritiert hat mich auch das Verhalten von Yasemins Vater an der Tür. Und warum sollten sie ihr älteres Kind nicht "zurückholen", gerade, wo die Jüngere gestorben ist? Das kapiere ich nicht.
So richtig gefallen will mir das Ende leider nicht. Alles andere jedoch!

Mich interessiert vielmehr die Geschichte von Luzie. Ist Papa am Ende abgehauen? Wie geht es mit der heimlichen "Liebe" von Mama weiter? Oder hat sie immer andere Kerle im Freibad?
Irgendwie reagiert Mama nicht (immer) auf das Verhalten von Papa und umgekehrt auch nicht.

Und das mit der "Lügen-Luzie" hättest du m.E. weiter ausbauen können. :)

Zur Verortung: Ich habe keine Idee, warum die Geschichte unbedingt in den 70ern und in Berlin spielen muss. Finde keine Hinweise, dass das wichtig sein könnte oder hat das einen Grund?

Gerne gelesen. Hat mir (bis auf das Ende halt) gefallen.

Wünsche dir noch einen schönen Abend.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo Kanji,

Deine Geschichte hätte ich beinahe nicht zu Ende gelesen. Als Vater mag ich einfach nichts über Kinder lesen, denen es nicht gut geht oder denen schreckliche Dinge passieren. Es liegt also nicht am Text.

Gruselig, und folglich gut gemacht, finde ich den Kontrast zwischen der Kind-Sprache und dem Inhalt. Dieser Kontrast macht den schrecklichen Inhalt noch schrecklicher.

Ein Satz ist mir noch aufgefallen (ansonsten habe ich keine Textarbeit gemacht, weil Du sowieso schon sehr viele Kommentare bekommen hast):

Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte.

Das "daran riechen konnte" passt einfach nicht. Du merkst das, wenn du "das man anfassen" weglässt:

"Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, [...] daran [man] riechen konnte."

Wenn Du statt "daran" "woran man" nimmst, geht es.

Ansonsten ist das eine gute Geschichte, auch wenn ich mit der "Kind-Sprache" immer ein wenig hadere, aber dazu hat Achillus schon kluge Gedanken geäußert. Hier jedenfalls passt es, weil ich den Kontrast zwischen der kindlichen Erzählung dem schrecklichen Geschehen spannend finde.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hej GoMusic,

der Vor- oder Nachteil, wie man's nimmt, einer Geschichte innerhalb einer Challenge ist, dass sie von mehr Wortkriegern wahrgenommen als üblich und somit genauestens "seziert" wird. Das kommt ihr sicherlich zugute, mir macht es aber auch Sorge, von wie vielen Seiten sie zu beleuchten ist und ich kaum hinterher komme, über die Vorschläge nachzudenken, geschweige denn alle zu verstehen und mit den Augen des Lesers wahrzunehmen. So wie hier bei dir zum Beispiel gleich zu Beginn.

In diesem Sommer starb der Papst zweimal. Anfang des Monats, die Ferien hatten bereits begonnen, gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt.

Das klingt, als gäben sie im Radio zum ersten mal bekannt, dass der Papst zweimal gestorben sei.
Für mich fehlt da etwas wie: "gaben sie es das erste Mal in den Radionachrichten bekannt, dann am Ende der Ferien." (o.ä.)


Sicher kann man es missverstehen, aber um der 'Spannung' willen, lasse ich das 'zweite Mal' erst einmal bewusst weg. Die 'Auflösung' folgt ja noch. :hmm:

Papa sah Luzie mit geweiteten Augen an. Ähnlich guckte Herr Lehmann, während sie versuchte zu erklären, aus welchem Grund sie keine Hausaufgaben vorzeigen konnte.

Für mich klingt das, als seien sie, Papa und Herr Lehmann in dieser Szene zusammen.
Vielleicht so: "Ähnlich hatte sie Herr Lehmann angeguckt, während/als sie ..."


Leider klingt es nicht nur für dich so. Es kann wohl nicht als ein Bild betrachtet werden, wie es Luzie kommt, möglicherweise auch als Verdrängung diese surreal anmutenden Situation mit dem Papa.
So werde ich sie nicht ändern, sondern zu ergänzen versuchen.

Ich merke jetzt schon, dass ich wieder pingelig werde. Nimm das, was du gebrauchen kannst, den Rest jagst du durch den Shredder.

Das sagt sich so leicht. Wenn es aufstößt, dann hat es wohl schon seine Berechtigung und dann zwischen 'Gut' und 'Böse' zu unterscheiden ist was für Fortgeschrittene. Finde ich.

Luzie wollte lieber nicht länger mit ihm über den Papst sprechen, denn Papa verlor schnell die Geduld.

"nicht länger" heißt für mich, dass sie bereits mit Papa über den Papst gesprochen hätten und nun
aufhören wollte. Davon steht im Text aber nichts; die haben doch zuvor kein Wort gewechselt.


Da stimmt schon, nur soll das eben suggerieren, dass es bisher so war. It`s up to you und Luzie findet das nicht erwähnenswert. :shy:

Yasemin wohnte mit ihren Eltern, einer blinden Großmutter und der kleinen Schwester, die noch gar kein deutsch sprach, sondern nur türkisch und die Luzie jedes Mal zur Begrüßung einen Kuss auf die Hand gab und dann kichernd davonrannte, in der siebzehnten Etage im selben Haus wie Luzie.
Finde den Satz ganz schön verschachtelt. Und sie küsst der kleinen Schwester auf die Hand, richtig? (Sie ist ja die zuletzt erwähnte Person in der Aufzählung.)

Ja. So ist es. Ich könnte zwei draus machen ...

Die Aussicht war herrlich und die Räume hell und luftig.

"herrlich" ist so ein Wort wie "schön", das gar nichts aussagt. Würde hier lieber beschreiben, was genau sie sieht. Blick auf Wald, See, Innenstadt o.ä.
In diesen Satz hier könnte man das gut einbinden: "Sie konnten von hier oben über die ganze Siedlung hinwegsehen bis zur Mauer"


Du hast ja recht, das geht sicher bildhafter, aber Luzie ist ein Kind. :shy:

Yasemin war am Morgen des ersten Ferientages allein zu Verwandten in ein türkisches Dorf gebracht worden
...
Luzie gab ihr das Taschentuch
Da stimmt was mit der Zeit nicht. Yasemin ist doch schon längst weggebracht worden, das mit dem Taschentuch geben hat doch schon vorher stattgefunden (--> "hatte gegeben").

True. Sehr aufmerksam. Danke vielmals.

Am nächsten Tag gab er ihr dann einen Brausebonbon zur Schachtel HB dazu.
„Na Luzie, haste nich uffjepasst und bist wieder jeg'n Türrahm' jelofen?", brubbelte er, sah sie nicht an, sondern ordnete den Stapel mit der BZ auf dem Ladentisch.
Das kam in etwa so hin. Papa funkelte Luzie wild mit den Augen an, als sie wegen Herrn Kowalke ohne Zigaretten nach Hause kam.

Auch hier komme ich durcheinander.
Am Kiosk bekam sie die HB und ein Brausebonbon (am Folgetag), weiter unten ist Papa sauer, weil sie keine HB dabei hat (am vorherigen Tag).


Ich gebe ja zu, es ist nicht einfach, aber Luzie denkt an die Szene vom Vortag, während Herr Kowalke mutmaßt, was passiert sein könnte, obwohl der ja genau weiß, was los war.

während bei Mama im Salon um diese Zeit nicht viel los war.

Hier, in der zweiten Hälfte, wird erst ihre Mutter erwähnt. Bisher ging ich davon aus, sie lebe alleine bei/mit Vater. Ich würde sie weiter oben mal wenigstens erwähnen.


Ach GoMusic, ich fürchte ich habe heute keinen guten Tag erwischt, denn ich bin so uneinsichtig. Ich weigere mich heute zu viel und frage mich, warum man alles schon wissen muss, vor allem was und ab wann es 'richtig' ist. Ab jetzt weiß man: da gibbet auch ne Mutter. Nun muss man Luzie nicht länger bedauern mit diesem Ungetüm allein zu sein.

Luzie lachte sich kringelig darüber und Mama tanzte nackt durch den Flur,
Wo steckt eigentlich der Vater an dem Abend?

Komm, sind wir einfach auch froh, dass die beiden alleine sind. Denen ist es wohl egal. Dann kann es uns erst recht schnuppe sein. (in der Kneipe?)

Muss es nicht "ausgebrannt war." heißen?

Okay. :shy:

Am Ende ist dann Yasemins kleine Schwester vom Balkon gefallen und Yasemin kommt nicht mehr zurück.
Irritiert hat mich auch das Verhalten von Yasemins Vater an der Tür. Und warum sollten sie ihr älteres Kind nicht "zurückholen", gerade, wo die Jüngere gestorben ist? Das kapiere ich nicht.
So richtig gefallen will mir das Ende leider nicht. Alles andere jedoch!

Ja, ist das nicht einfach entsetzlich? So ein Elend.
Das Verhalten des Vaters ist eine Möglichkeit von etlichen, vermute ich. Und für die Eltern ist die Expedition Deutschland in Gefahr mit dem Verlust des einen Kindes. Das andere bleibt behütet im Heimatland, während die beiden weiter Geld verdienen. Ich würde ja jetzt die Oma auch wieder zurückschicken. :D
Und für Luzie hat mir das Ende auch nicht gefallen.

Mich interessiert vielmehr die Geschichte von Luzie. Ist Papa am Ende abgehauen? Wie geht es mit der heimlichen "Liebe" von Mama weiter? Oder hat sie immer andere Kerle im Freibad?
Irgendwie reagiert Mama nicht (immer) auf das Verhalten von Papa und umgekehrt auch nicht.

Und das mit der "Lügen-Luzie" hättest du m.E. weiter ausbauen können.

Zur Verortung: Ich habe keine Idee, warum die Geschichte unbedingt in den 70ern und in Berlin spielen muss. Finde keine Hinweise, dass das wichtig sein könnte oder hat das einen Grund?


Das ist doch kein schlechtes Zeichen, oder? Du bist nah an der Protagonistin und ihrem Umfeld und grübelst über ihr Leben nach.
Es gibt auch wieder Unmengen von Möglichkeiten, wie sich die einzelnen Personen innerhalb dieser Konstellation verhalten. Ich kann ja mal eine Fortsetzung andenken.

Ja, warum spielt sie dort? Beim Ersinnen des Rahmens ... nee, das führt zu weit. Es wäre wohl wünschenswert, das innerhalb der Geschichte zu vermitteln, aber nein, lieber GoMusic, dazu bin ich nachträglich nicht mehr in der Lage. Der doppelte Papsttod, die 'luftige' Einstellung der Flotter-Power-Mami, die Hinnahme, dass ein bißchen Haue hier und da für Kinder schon passt und Berlin als Ort für viele türkische Arbeitnehmer. So in etwa.

Ich danke dir herzlich für deine Sicht auf diese Geschichte und ich versuche mich in dich zu versetzen, so wie du versuchst, ihr zu folgen. Ich werde sorgfältig deine Hinweise durchs Hirn jagen und gut aufpassen, was hängen bleibt.

Freundlicher Gruß, Kanji

Hej Geschichtenwerker,

ich freue mich, dich hier zu finden und erkenne es an, dass du dich durchgebissen hast. Das hättest du nicht tun müssen.

Gruselig, und folglich gut gemacht, finde ich den Kontrast zwischen der Kind-Sprache und dem Inhalt. Dieser Kontrast macht den schrecklichen Inhalt noch schrecklicher.

Danke, dass du es bemerkst. Natürlich eruiert man meist lange bei Wahl der Perspektive und probiert oft. Hier erschien mir diese Möglichkeit gegeben und zudem funktioniert sie ein bißchen wie ein Katalysator der Stimmung oder Atmosphäre.

Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, das man anfassen oder daran riechen könnte.
Das "daran riechen konnte" passt einfach nicht. Du merkst das, wenn du "das man anfassen" weglässt:

"Und in den Umschlag legten sie dann immer etwas dazu, [...] daran [man] riechen konnte."

Wenn Du statt "daran" "woran man" nimmst, geht es.


Ich nehme das mit auf in diesen fetten Katalog der Einwände und Überlegungen und bearbeite die Geschichte sorgfältig.

Ansonsten ist das eine gute Geschichte, auch wenn ich mit der "Kind-Sprache" immer ein wenig hadere, aber dazu hat Achillus schon kluge Gedanken geäußert.

Die Sprache der Kinder wirkt selten ausgewogen. Am besten wäre es, wenn sie ihre eigenen Geschichten schreiben würden. Hier waren meine eigenen Bedenken darüber nicht stark ausgeprägt, ist Luzie doch schon eine Heranwachsende.

Vielen Dank, dass du dich nicht von der großen Mengen an Kommentaren hast abschrecken lassen und mir deine Gedanken mitteilst.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,

Ich bin ehrlich: Beim Lesen deines Titels hatte ich nur Fragezeichen über'm Kopf und war zuerst abgetörnt, weil in meinen Sinn natürlich direkt römisch-katholische Geistlichkeit kam und ich damit nix am Hut habe. Dass '78 ein Dreipäpstejahr war, wusste ich nicht. Zum einen bin ich zu jung dafür und zum anderen ... naja, du weißt schon. :D Nachdem ich den Titel-Schock verdaut hatte, konnte ich deine Story sehr gut lesen: Bei solchen Vätern blubbert mir immer das Sandwich vom Mittag wieder hoch.

Mit dem Freibaderlebnis hast du bei mir kleine Kindheitserinnerungen hervorgerufen. Pommes im Freibad (minus Mutter, die "Abwechslung" braucht und kurz weggeht), toll. Emotionaler Trigger, gut gelungen.

Dass am Ende der Story die Freundin der Protagonistin vom Hochhaus runterschießt, ist natürlich harter Tobak. Du hast dort einen guten Ton getroffen, der sich nicht zu hart von den vorherigen Geschehnissen abhebt.

Man liest und schreibt sich :)

Liebe Grüße
Grayson

 

Hej Grayson,

Ehrlich ist gut, macht es mir leicht. ;)

So im Nachhinein betrachtet ist es schon auch recht tricky von mir, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen, um ihm dann zu zeigen, dass, während alle Welt auf diese schnell hintereinander sterbenden Päpste schaut, in einer gewöhnlichen Wohnsiedlung am Rande einer Großstadt wie Berlin, zwei Mädchen, eine einen tatsächlichen und eines einen inneren Tod stirbt und es so gut wie keinen juckt. ;)

Und dass ich Gefühle bei dir auslösen konnte, mag ich am liebsten. Ich werde es zu meinem erklärten Schreibziel deklarieren, generell mit meinen Geschichten Gefühle, so groß wie möglich, auszulösen. 2018. :)

Lieber Grayson, nicht die Freundin schießt am Balkon vorbei, sondern die Schwester der Freundin, die ja ihre Ferien in der Türkei verbringt/verbringen muss.

Hab Dank für deinen Leseeindruck. Bis dann, Kanji

 

Hej Kanji,

der Vor- oder Nachteil, wie man's nimmt, einer Geschichte innerhalb einer Challenge ist, dass sie von mehr Wortkriegern wahrgenommen als üblich und somit genauestens "seziert" wird. Das kommt ihr sicherlich zugute, mir macht es aber auch Sorge, von wie vielen Seiten sie zu beleuchten ist und ich kaum hinterher komme, über die Vorschläge nachzudenken, geschweige denn alle zu verstehen und mit den Augen des Lesers wahrzunehmen.
Kann ich voll verstehen.
Da kommen viele Kommentare und Lesereindrücke auf einen zu.
Und man korrigiert hie und da, verschlimmbessert teilweise sogar. So war es bei mir jedenfalls schon mal :lol:

Du bist nah an der Protagonistin und ihrem Umfeld und grübelst über ihr Leben nach.
Yepp!
Und das ist es ja, was deine Geschichte lesenswert macht.

Es gibt auch wieder Unmengen von Möglichkeiten, wie sich die einzelnen Personen innerhalb dieser Konstellation verhalten. Ich kann ja mal eine Fortsetzung andenken.
Hehe, warum nicht.

Bin schon wieder weg. Wollte dir nur dieses kurze Feedback dalassen. :)

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 

... und das, lieber GoMusic war ein wohltuender Kommentar-Bonus-track ;), weil ich er mich entschleunigt und beruhigt. Ich werde nach Beendigung dieser Challenge mit einem kleinen Abstand und all sortierten Hilfestellungen und Eindrücken den Text durchs Hirn rattern lassen und hoffentlich wissen, was zu tun ist.

Vielen Dank für dein Verständnis und einen schönen Feierabend für dich, Kanji

 

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