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Anna erzählt
Wie Anna von ihrer Beziehung erzählt: Sie war beim Sport, im Fitnessstudio, ein Kickboxkurs. Sie hatte auf ihren Freund gewartet, der am Abend zuvor ein Hähnchen zerlegt und mit Zitronen und Koreander mariniert hatte. Es war jedoch schon zu spät gewesen, um es noch zuzubereiten, also sagte er: lass es uns morgen abend machen, und hatte den Topf mit dem Huhn auf ihren Balkon gestellt; es war Mitte Februar, und noch ziemlich kalt draußen. Dann waren sie ins Bett gegangen, hatten gelesen und waren schließlich eingeschlafen. Sie war erwacht, als er sich am Morgen an sie geschmiegt hatte; er war sichtlich erregt, machte aber keine weiteren Anstalten, und weil sie selbst nur schwer die Initiative ergreifen konnte, stand sie irgendwann auf, und begann am Schreibtisch zu arbeiten. Da war es schon elf Uhr morgens. Eine halbe Stunde später kam er aus dem Schlafzimmer, zog sich an, fragte nach einer Tüte für seine Bücher, und sie gab ihm einen Leinenbeutel. In der Tür sagte sie ihm, er solle keinesfalls wichsen, er müsse sich für sie aufheben. Er schien sich jedoch schon darauf gefreut zu haben, denn er machte ein entsprechendes Gesicht, und fragte, indem er verständnislos den Kopf schüttelte, warum sie ihn dann eben nicht „gemolken“ hätte. Ich dachte, du wärst nicht in der Stimmung. Ich melke dich heute Abend, okay? Du darfst nicht wichsen!! Sie sagte dies mit ihrer Kleinmädchenstimme, aber sehr nachdrücklich, und schmiegte sich dabei an ihn und küsste seinen Hals. Er war sehr viel größer als sie. Lächelnd versprach er sein bestes und ging; sie arbeitete den Tag über.
Am Abend hatte er noch immer nicht angerufen, aber eine email geschickt. Sie begann mit der Feststellung, dass sie sich schon lange keine emails mehr geschickt hätten, nur telefoniert: sie sollten sich wieder öfters schreiben. Schreib mir mal wieder! Er erzählte von dem Roman, den er sich vom Bücherstapel genommen hatte, der neben ihrem Bett aufgetürmt war. Er habe den ganzen darin Tag gelesen, so dass ihm ganz schwummrig sei im Kopf, und wie schnell die Zeit vergangen ist beim lesen. Jetzt fühle er sich sehr schlecht, wegen dem Roman, der sei sehr deprimierend, auf eine seltsame, monotone Weise geschrieben; jedoch irgendwie sehr gut. Er könne jetzt gar nicht anders als auch irgendwie so zu schreiben.
Er habe gar keinen Hunger, was schade sei wegen dem Huhn: alles war in langen, naiv wirkenden Sätzen fast ohne Kommas gehalten, und er schloss mit der Frage, ob sie noch arbeite und schon Hunger habe. Anna las die email um halb acht, und war verletzt von der distanzierten Weise, in der er sich ausdrückte, und von der Tatsache, dass er seine Zuneigung, und den Wunsch, sie zu sehen, nicht einmal halbherzig geäußert hatte, denn er hatte sie ja nur aufgefordert, ihm zurückzuschreiben. Sie antwortete nicht und fuhr ins Fitnessstudio. Die Kickbox-Gymnastik hatte schon begonnen, sie wärmte sich auf und machte mit, obwohl sie erschöpft war. Nach dem Training fand sie einen Anruf auf ihrem Handy, er war von ihm; sie rief zurück:
„Hallo?“
„Hi ich bins.“
„Ah hey. Na?“
„Du hattest angerufen?“
„Ähm, ja, - - das siehst du doch. Warum fragst du das?“
„Naja, du hattest angerufen, und ich will halt nur wissen, naja, was gibt’s denn?“
„Was es gibt?? - - Naja! - ich wollte dich halt anrufen - - !“